Full text: St. Ingberter Anzeiger

Flußfaͤhig. Schon in der vorigen Sitzung hatte 
—2— Mitglieder erklärt, daß sie mit der 
hosung des Jahresberichtes einverstanden seien und 
zer zur Verlesung des letzteten anberaumten heu⸗ 
en Sitzung nicht beizuwohnen gedachten. Die 
ren dem Gremium Speier bezüglich des Kanals 
Naßburg·Ludwigshafen zur Aufnahme in den 
sohresbericht empfohlene Aeußerung: „Die Pfälzi⸗ 
che Handels⸗ und Gewerbekammer erblickt in der 
hermehrung der Transportwege durch die Pfalz 
ne willlommene Gelegenheit zur Hebung und För⸗ 
ung des Handels und begrüßt daher das Pro—⸗ 
elt der Herstellung eines oberrheinischen Kanals 
it Freuden“ wird in folgender Form zur Auf— 
ohme kommen: „Es wird ohne Zweifel die Nicht⸗ 
rerücksichtigung der berechtigten Wünsche der Inte—⸗ 
essenten eine Einwirkung ausüben auf die Besprech 
ing der Frage der Schaffung von billigen Wasser⸗ 
ißen. Nachdem von Seiten der Elsässischen Ver⸗ 
Fallung die Mittel zur Bestreitung von Vorar-⸗ 
iten fuür einen Kanal Straßburg⸗ Ludwigshafen 
„pilligt worden sind, wird die Pfälzische Handels⸗ 
ind Gewerbekammer unter Benutzung dieser Re— 
ultate in Bälde sich eingehend über diese Frage 
ind die Interessen des ganzen Kreises zu äußern 
zaben, um so mehr, als man sich heute schon von 
zielen Seiten mit berührtem Projekte beschäftigt.“ 
das Verlesen des Entwurfes zum Jahresbericht 
süt 1884 wurde beendigt und nur wenige Zusätze 
der Aenderungen beantragt. So soll z. B. auch 
der Ausdehnung der Telephoneinrichtung Erwähnung 
geschehen und dem Wunsch der Kammer um Ver⸗ 
— dieser nützlichen Anstalt Ausdruck gegeben 
werden. 
Vermichtes. 
Tholey, 17. Juni. Im benachbarten 
Alsweiler ist heute Nachmittag durch die Un⸗ 
vorsichtigkeit eines 14jährigen Mädchens ein achtzehn 
Monat altes Kind so unglücklich aus dem Fenster 
des 2. Stockwerkes gefallen, daß es lebensgefähr⸗ 
liche Verletzungen davontrug. — Ein ähnlicher Un⸗ 
glücksfall, aber mit tödtlichem Ausgang, ereignete 
ich gestern in Marpingen. Ein 213jähriges 
dind stürzte kopfüber in eine mit Regenwasser ge⸗ 
füllte Bütte und ertrank: wieder ein warnendes 
beispiel fur Eltern, ihre Kleinen doch niemals 
ohne zuverlässige Aufsicht zu lassen. (S.⸗ u. Bl.⸗3.) 
FStraßburg, 17. Juni. Heute Nach⸗ 
miltag starb dahier nach langen und schweren Leiden 
dr. August Kayser. Prosessor der Theologie 
an der hiesigen Universität. 
fMünchen, 15. Juni. (Millitärbezirks- 
gericht) Am 29. Maärz Abends veranlaßte der 
Setondlieutenant Max Reschreiter im 2. schweren 
Reiterregiment durch überlautes Sprechen mit seinem 
Vachbarn während der Theatervorstellung in Lands 
zut mißbisligenden Zurufe von Seite des Publikums, 
o daß der aufsichthabende Polizei⸗-⸗Rottmeister um 
tuhe bitten mußte. Der Sekondlieutenant fuhr 
en Beamten mit den Worten an: „Was wollen 
Sie, wer sind Sie, Sie Bursche? Sie ausrangirter 
Unteroffizier können nur alte Bettelweiber eiñfan- 
en!“ Im Hofe des Theatergebäudes äußerte 
hann Reschreiter weiter: “, Ich gehe selbst zum Bür⸗ 
getmeister und sage ihm was er für eine Saupolizei 
hat.“ Der Angeschuldigte ist volllommengeständig 
uur will er vom Polizeirottmeister durch die Worte 
preizt worden sein: „Schämen Sie fich,führen 
Lie sich anst indig auf. wenn Sie sich nicht an⸗ 
fändig aufführen können, gehen Sie heim!“ Resch⸗ 
reiter wurde wegen Vergehens der Berufsbeleidigung 
üt schuldig befunden, aber wegen Kompensation 
nit der Beieidigung von Seite des Poligeirottmeisters 
von der Strafe freigesprochen. Die Kosten wurden 
dem k. Militärärar überbüedet. 
f München, 17. Juni. Genehmigt wurde, 
daß der approbirte Arzt Dr. med. Rudolf Emme⸗ 
— aus Mutterstadt, z. 3. erster Assistent an der 
—— beim hygienischen Institute 
Aniversität München, als Privatdozent in die 
edizinische Falkulitat der Uniderfitat Munchen auf— 
lenommen werde. 
an Nürnberg, 15. Juni. Die hiesige inter 
ionale Ausstellung von edlen Metallen und 
gsungen ist, wie schon in vor. Nr. gemeldet, er⸗ 
D Geschmüct wie eine Braut am Hochzeits. 
n so präsentirte sich am Tage vor ihrer Eröff 
— Ausstellung in ihrer äußeren Erscheinung 
3— arrenden Menge. Seitdem man am frühen 
8ð begonnen, den Ausstellungspalast mit 
nden Fahnen in den Farben aller Nationen 
u schmücken, woogt um den Ausstellungsraum das 
Bublikum ununterbrochen auf und nieder. Ganz 
jewaltiges Interesse erregt die im Barokstil aufge⸗ 
ührte und mit Malereien und buntbewimoelten 
Flaggenmasten ausgestattete hohe Umzäunung des 
Ausstellungsparkes. Nicht minder ist der weithin 
ichtbare Kamin des Kesselhauses durch seine reiche 
zronzemalerei Gegenstand der Gespräche. Was 
nan aus dem Inuern des Ausstellungspalastes in 
zjünstigen Mamenten erschauen kann, derechtigt zu 
Jen größten Hoffnungen. Heute schon darf gesagt 
verden, daß die Ausstellung eine ungemein große 
Zahl moderner und historischer Schätze bdirgt. Die 
lusstellungsgegenstände der bekannten Firma Chri- 
tofle und Komp. in Paris sind erst heute einge 
roffen und wurden noch vollständig aufgestellt 
Mehrere amerikanische Aussteller sind selbst an Ort 
ind Stelle anwesend. Die jupanische Abtheilung 
st vollständig beendigt. Die Schätze des Schah 
‚jon Persien werden stündlich erwartet. Zur Be— 
euchtung des Ausstellungsraumes ist nur elektrisches 
dicht verwandt. 
F Kreuznach, 15. Juni. Wegen des Ver—⸗ 
zachts der Brandstiftung wurde hier heute Vormittag 
der Bierbrauer Johann Frua verhaftet, in dessen 
eit einiger Zeit still liegender Bierbrauerei der 
Brand ausgebrochen ist, der fast die gesammten 
Bebäude der Gerbergasse eingeäschert hat. 
— Der Direktor eines Gerichtes in Pommern 
zat folgenden Tagesdefehl erlassen: „Es ist zur 
Wahrnehmung des Direktors gelangt, daß einzelne 
Beamten nicht mit dem ganzen Respekt ihre Vor 
gesetzten auf der Straße begrüßen, welcher ihnen 
Jjebüͤhrt. Zur Aufrechthaltung der guten Ocdnung 
n dieser Materie wird deshalb Nachstehendes vor⸗ 
zeschrieben: Jeder der genannten Beamten, welcher 
dem Direktor oder einem Herrn Richter begegnet, 
hyat an demselben zur rechten Seite vorbeizugehen 
und in Entfernung von zwei Schritten vor dem 
Begegnenden eine Verbeugung zu machen und den 
hzut bis in die Gegend des Kniees herunterzu— 
zringen.“ 
f Ein Kuß für tausend Gulden., 
Auf welche Extravaganzen beim geschäftigen Müßig- 
jang Kurgäste verfallen, beweist ein Vorfall, welcher 
ich im Freundschaftssaale in Karlsbad zutrug: 
Btaf S. saß mit einigen Freunden gegenüber einer 
rꝛeizenden Blondine, Freiin v. B. Man sprach 
»om — Küssen. Vor Allem beschäftigte man sich 
nit der Frage, wie viel ein Kuß werth sei. „Hun⸗ 
dert Gulden“, meinte Graf J. „Ah, bah, fünf— 
zundert Gulden nach Umständen,““folgerte Hert 
d. C. „Und ich gebe fücr einen Kuß ein Himmel⸗ 
reich,“ ergänzte begeistert Maler F. „Was meinen 
Zie, meine Gnädige?“ Sie schüttelte lächelnd ihr 
londes Köpfchen und sprach schnippisch: „Ich 
)enke, tausend Gulden dürften für einen Kuß nich 
u viel sein!“ Hastig fuhr Graf S. von seinem 
Sitze empor und rief: „Geben Sie mir für tau⸗ 
end Gulden einen Kuß?“ „Wenn das Geld einem 
vohlthätigen' Zwecke gewidmet wird, mit größtem 
Bergnügen?“ antwortete Baronesse B. Eine kurze 
Pause, dann küßte die schöne Dame den Grafen 
und nahm tausend Gulden für die Armen Karls⸗ 
bads entgegen. — 
4 (Ein einzige? Haar um 100 
Pfund Stetting.) Ein reicher Engländet, 
der fich auf der Durchreist zur ungarischen Landes- 
zusstellung einige Tage in Wien aufhielt, trat 
ufällig in eine Frisierstube der inneren Stadt 
n dem Momente ein, als ein junges Mädchen von 
zübschem Aeußern, jedoch ärmlich gekleidet, gerade 
nit dem Geschäftsinhaher um den Preis ihres 
igenen Haarschmuckes verhandelte. Das Mädchen 
öfte ihr dichtes blondes Haar auf, durch welches 
er Friseur die Finger gleiten ließ, um die Quali— 
äit des außerordentlich reichen und langen Haares 
u prüfen. Das Mädchen verlangte zwanzig fl. 
ils Preis für ihren schönen Kopfschmuck und der 
zriseur erkllärte, nur 8 fl. hiefür bezahlen zu 
önnen. Als das Mädchen schluchzend in diesen 
Zreis einwilligte und der Friseur das Haar' abzu— 
chneiden sich anschickte, sprang der Engländer vom 
Lehnstuhl auf, schritt rasch auf das Mädchen zu 
ind bot dem Friseur erregt „Halt!“ Der Fremde 
efragte das Mädchen hierauf um die Veranlassung 
eines Angebotes und als dieses in schmucklos 
rührenden Worten von ihrem olternden Vater und 
hret ktanken Mutter, welchen sie Lebensmittel 
faufen wollte, erzählte, sagte er: „Wollen Sie, 
liebes Kind. mir Ihr Haat verkaufen?“ „Ja,“ 
intwortete das Mädchen. während ihr die Thränen 
in die Augen traten. Der Lord nahm hierauf aus 
einer Brieftasche, eine Banknote heraus und reichte 
ie dem Mädchen. Es war;eine Note lautend auf 
100 Pfd. Sterl. (2000 M.) Dann ergriff er 
eine Scheere und schnitt dem Mädchen — ein 
einziges Haar ab, das er sorgfältig in seiner Brief⸗ 
zasche bewahrte. „Gehen Sie jetzt nach Hause, 
iebes Kind“, sagte er hierauf, „und geben Sie 
zie Banknote Ihrem Vater. Er wird schon das 
Rechte beginnen.“ Und während der Lord zur 
Thüre hinausging, rief er dem Mädchen zu: 
„Grüßen Sie Ihre kranke Mutter“ und fuhr im 
Fiaker, der vor dem Laden hielt, rasch davon, das 
Mädchen sprachlos zurücklassend. Dieses eilte zu 
den Eltern, um ihnen das Geld zu bringen. Dank 
der unermüdlichen Pflege genas die Mutter alsbald 
und gegenwärtig ist der Vater in der glücklichen 
Lage, einen kleinen Gemischtwaarenhandel in einer 
Vorstadt zu eröffnen. 
F In Krakau wurde im vorigen Jahr vom 
Schwurgericht der Landmann Gawenda zum Tod 
und der Bauer Gallus zu 10 Jahren Zuchthaus 
derurtheilt, weilsie eine Bauerndirne umgebracht 
jatten. Gawenda wurde begnadigt. Jetzt hat sich 
nun herausgestellt, daß die damals verschwundene 
hZauerndirne bei ihren Verwandten lebt. Interessant 
st, daß Gawenda in der Voruntersuchung den Mord 
ingestanden hat; allerdings leugnete er in der 
dauptversammlung den Mord ab. 
Die Vermählung der Prinzessin Beatrice 
on Enghand mit dem Prinzen Heinrich 
on Battenberg findet, dem Londoner Hof⸗ 
ournal zufolge, am 24. Juli in Osborne statt. 
rFGum Schutze deutscher Mädchen, 
velche gezwungen sind, ihren zeitweiligen Aufent⸗ 
jalt im Auslande zu nehmen, empfiehlt die Ber⸗ 
iner Stadtmission in London, „die Heimath für 
eutsche Mädchen“ Gordon House, Ensleigh Gardens 
FW. und in Genf die deutsche Mädchenherberge, 
'ours St. Pierro 4 vis-à-vis de l'église de 8t. 
NRerre. Man hofft, die nöthigen Mittel zusammen- 
zubringen, um namentlich auch in anderen größeren 
Z„tädten des Auslandes zunächst auch in Pest und 
New ·˖ York derartige Asyle und Herbergen für arbeit⸗ 
iuchende deutsche Dienstmädchen und Bonnen zu 
hegründen, um denselben in ihrer Unerfahrenheit 
ein billiges Heim im Auslande zu ficher. 
Die Newyorker Scharffchützen 
welche zu dem Anfangs Juli in Bingen fiattfin⸗ 
denden Schützenfeste eintreffen sollen, haben sich am 
3. d. M. auf der „Suevia“ der Hamburger Linie 
ingeschifft und werden dereits Mitte dieses Monats 
Berlin einen Besuch abstatten. 
r Nach einem Telegramm des „Messager de 
Paris“ aus Madrid; 15. Juni, beziffert eine 
imtliche Statistiß die Zahl der Personen, welche 
Madrid der Epidemie wegen verlassen haben, auf 
12,000. 
F Madrid. 17. Juni. In Folge einer 
leberschwemmung ertranken vierzig Personen, die 
im Tunnei der Eisendahn von Salamanca nach 
Gägerlatein.) Ein alter Waidmann 
childerte die Eigenschaften seines vierfüßigen Ge— 
ährten wie folgt: Da erzählt Ihr allerlei, wer 
veiß mas für Geschichtchen von Euren Hunden 
ind es ist doch gar nichts besonderes dabei. Da 
jättet Ihr erst meinen Waldmann kennen sollen. 
Der apportirte, das war eine Lust. Vor zwei 
zahren, da ritt ich von meinem Gut' nach der 
IRberfötsterei und machte zuerst noch in dem guten 
Birthshaus, Ihr wißt ja, dicht vor dem Walde. 
„tation. Unterwegs zeigte ich ihm dann einen 
Fünfmarkschein, rollte deuselben zusammen, steckte 
hn in das Astloch eines Baumes und nahm dann 
Waldmann noch bis zur Oberförsterei mit. .Hier 
cief ich ihm zu: „Apportir! Marsch! Fort!“ 
ind fort war er wie der Blitz. Ich wartete und 
vartete und warte — aber er läßt sich nicht wie⸗ 
der sehen.“ Endlich nach mehr als einer Stunde, 
ommt er angetrabt — aber ohne den Fünfmark⸗ 
chein. Natürlich werde ich wüthend und schrie 
hu an: „Zurück! Marsch! Zurück! Willst 
Du wohl gehorchen, sonst —“ Doch stait zu ge⸗ 
vorchen, kommt er ganz dicht an mich heran und 
äßt aus seinem Maule einzein, nach einander, 
ünf blanke ageue Markstucke dor meine Füße fallen! 
War das kluge Thier aus Furcht, der Fünfmark⸗ 
chein könnte auf, dem langen, Wege nach 
der Oberförsterei in seinem Maule zu Schaden 
ommen, mit dem Schein die vdaar Schritte nach