Full text: St. Ingberter Anzeiger

Dr. Fester, auf das Rechtsmittel der Revision ver⸗ 
zichten zu wollen. * 
FFrankfurt. Bei der hiesigen Ober⸗Post⸗ 
direktion lagern nach der „Frkf. Ztg.“ als „unan⸗ 
zringliche Postsendungen? u. a. neun hier aufge⸗ 
gebene Einschreibebriefe an „Seine Durchlaucht der 
Furst von Bismarck in Berlin“ und ein Einschreibe⸗ 
zrief an „Ihre Durchlaucht die Fürstin von Bis⸗ 
narck“. — — 
Frankfurt. Ein jugendlicher Arzt.) 
Zu einem unserer ersten. Aerzte kam in voriger 
Woche ein Mann und schellte. Der fiebenjährige 
Sohn des Arztes offnete und fragte nach dem Be⸗ 
jehren. „Ich wünsche den Herrn Doktar zu 
prechen.“ — „Bedauere, er ist nicht zu Haus.“ — 
Das thut mir sehr leid.“ — ‚Was fehlt Ihnen 
zdenn?“ — „Ich bin heiser und habe Kopfschmerzen.“ 
— „Ach, da kann ich Ihnen helfen“, erwiederte 
wroͤsiend der Knabe. „Ich leide auch öfters daran 
Rehmen Sie, was ich selbst brauche: heiße Milch, 
hun Sie Emser Wasser dazu und trinken Sie das 
»reimal täglich. In acht Tagen kommen Sie 
vieder.“ — SDer Mann ging fort, gebrauchte das 
ihm von dem kleinen Arzte verordnete Mittel und 
zenas. Gestern kam er wieder und stattete dem 
lleinen Arzte seinen Danl ab. 
Einfluß der Walder auf Klima 
und Volkswohl. Ueber den Einfluß der 
Wälder auf das Klima hat zuerst eine bayerische 
orstlich meteorologische Station eingehende Unter⸗ 
uchungen angestellt, und Preußen, Elsaß ⸗Lothringen, 
Frankreich, Schweiz. Italien und andere Länder 
uͤnd bald dem guten Beispiele gefolgt. Die höch⸗ 
ich interessanten Ergebnisse finden sich jetzt in 
„Petermanns Mittheilungen“ von Woeikopf solgen⸗ 
dermaßen zusammengefaßt. Während der wärmeren 
Jahreszeit zeigt sich in der Waldregion, im Ver⸗ 
gleich zu den ganz nahen, waldlosen Bezirken: 
i) Luft· und Bodentemperatur niedriger, 2) Schwan · 
kungen geringer, 3) die relative Feuchtiglkeit größer. 
Fine Tabelle beranschaulicht, daß überall von einer 
Wasseroberfläche im Freien zwei bis drei Mal so 
ziel verdunstet, als im Walde. Namentlich ist da⸗ 
hei auch der durch die dichtstehenden Bäume ver⸗ 
mitielte Windschuß im Spiel, was bisher zu wenig 
beachtet wurde. Ueber die Frage der Erhaltung 
der borhandenen Feuchtigkeit in Luft und Boden 
sind somit die Akten geschlossen. Hinsichtlich der 
nderen viel umstrittenen Frage über den Einfluß 
der Bewaldung auf die Niederschläge, Regen 
Schnee ⁊c. hat der Verfasser nach sorgfältiger Prü⸗ 
fung sämmtlicher Beobachtungen die Ueberzeugung 
Jewonnen, daß eine starke Einwirkung der Wälder 
iuf das Klima unkeugbar ist und dieselbe nicht etwa 
an der Waldgrenze aufhört, sondern sich auf die 
veiteren Umgebungen erstreckt, je nach Ausdehnung, 
Art und Lager des Waiddistrikts. Verfahre nun 
auch offenbat der Wald mit dem fallenden Nieder⸗ 
schlage haushälterisch, vermehre diesen sogar, fo 
eien doch immerhin manche Gegenden zu trocken, 
um Wolder zu tragen. Andererseits seien aber 
tichte Walder und solche, die aus Baäumen mit 
wachsartigem, die Verdunstung schwächenden Ueber ⸗ 
zuge bestehen, wohl im Stande, in trockenerem 
Zlma auszuhalten. Die Erfahrungen in südrussi⸗ 
schen Steppen, nord und südamerikanischen Prai⸗ 
rien bewiesen auch, daß allerdings mancher bisher 
waldlose Boden aufgeforstet werden könne. Alles 
dies mahnt don Neuem Gesetzgebung und Regierung 
dringend, Schutz der bestehenden und Anpflanzung 
neuer Walder sich angelegen sein zu lassen. 
fNuürnberg. Hier blieb ein Mädchen mit 
seinem hohen Stiefelabsatz im Straßenbahngeleise 
tecken, als gerade der Jug nahte. Alles schrie 
aut auf, aber im letzten Augenblick ließ die Schöne 
ihr Stiefelchen im Stich und lief im Strumbf 
davon. — 
FDaß die Heirathshust erst mit den 
Jahrhunderten zugenommen hat, und daß in früherer 
Zeit bviel mehr Junggesellen existirt haben, werden 
unsere Damen wohl kaum glauben wollen. Allge⸗ 
neines Erstaunen und dielleicht ungläubiges Kopf· 
schütteln mag aber die Thatsache hervorrufen, daß 
unter Friedrich dem Großen ein vollständiges 
Offizierlorps Eheloser gab. Als im Jahre 1778 
das Bayreuther Dragoner⸗Regiment in's Feld rückte, 
zefand sich unter den 74 Offizieren desselben — 
om kommandirenden General v. Bülow herab bis 
zum Fähnrich — nicht ein Einziger, der bereits die 
Rosenketten der Ehe trug. 
München. Wie schon sein Jahren, hat 
unch beuer mieder das lal. Kriegsministerium die 
wohlwosllende AkKordnung getroffen, daß behufs 
hülfeleistung bei den bevorstehenden Ernte⸗Arbeiten 
ine großere Anzahl von Mannschaften — jedoch 
hne Gebühren und ohne Anspruch auf Reiseent 
chädigung — heurlaubt werden darf. Der Urlaub 
»auert ungefähr 30 Tage von Mitte Juli ange— 
fangen und hat mindestens 6 Tage vor Beginn 
der Regimentsübungen zu endigen. Bei der In⸗ 
santerie und den übrigen Fußtruppen gelangen je 
iach Maßgabe der örtlichen und sonstigen dienst⸗ 
ichen Verhältnifse 4050 Mann bei der Kom⸗ 
zagrie zur Beurlaubung; bei der Ariillerie stellt 
ich diese Zahl viel geringer, und bei der Kavallerie 
ällt der Urlaub in diesem ausgedehnten Maße 
zanz weg. 
4 In unserer gemüthlichen Stadt München 
pielen sich manchmal Geschichten ab, die den 
Außenstehenden zu dem Glaubek veranlassen könnten, 
die baher, Refidenz stehe in der Reihe der Groß⸗ 
zädte, in welchen die Sittenverderbniß die giftigsten 
Blüthen treibt. Der Leser höre und staune! Ein 
unger Mann, dem besseren Handwerkerstande an⸗ 
Jehoͤrig, führte vor einiger Zeit ein Mädchen bürger⸗ 
ichen Standes heim. welches neben schönen Gaben 
er Natur auch einiges Vermögen in die Ehe 
hrachte. Ein Herz und eine Seele, verlebten die 
steubermählten die Honigmonde in ungetrübtem 
hlück. Bald aber erfaßten der Putz⸗Teufel und 
die Vergnügungssucht die Frau, der Verdienst des 
Mannes reichte nicht mehr hin. das kleine Vermögen 
dat rasch aufgezehtt und mit ihm die gegenseitige 
zuneigung verschwunden. Vor einigen Tagen 
berraschte nun der Gatte seine Frau in sehr 
nniger Unterhaltung mit dem jungen und reichen 
Zohne seines Prinzipals. Heftiger Wortwechsel, 
usammenlauf der Hausbewohner, Flug durch die 
hüre, die Treppe hinab, zum Hause hinaus — 
J) nein, nichts von alledem! Die Sache wurde 
n der größten Ruhe erledigt. Der junge Herr 
zot dem Ehemann 6000 Mt. für die Frau; diese 
chlug ein, der Mann auch und der Menschenhandel 
var abgeschlossen. O tempora, o mores. 
Aus München wird dem „Nürnb. Anz.“ 
—V 
tzlattern aufgetauchte Nachricht, daß sich der lgl. 
dofschauspieler und Direktor a. D. Ernst Possart 
‚ahier mit seiner geschiedenen Gattin Frau Anna 
Possart, geb. Deinet wieder verehelichen wolle, ist 
um zur Thatsache geworden; denn nunmehr ver⸗ 
ündet die hiesige Standesamtstafel die Wiederver 
lobung der beiden getrennten Ehehälften. 
EGeutsch-amerikanisches Schützzen— 
fest. Bingen, 4. Juli. 109 Kanonenschüsse 
begrüßten heute früh die Erinnerung an den 4. Juli 
1776, an welchem sich die 13 Kolonieen Nordameri⸗ 
as unabhängig von Englands Herrschaft erklärten. 
Festlichste Stimmung herrscht in der Stadt. Flaggen 
n allen Farben wehen von den Dächern, und 
elbst der Himmel, der heute früh ein bedenkliches 
hesicht machte, zog mildere Saiten auf, als die ameri⸗ 
anischen Gaste sich zum Festzug ordneten. Das 
»auptquartier der Schützen, das Hotel Victoria, 
jat ganz besonderen Schmuck angelegt, an seiner 
Terassenmauer erblickt man die Wappen Amerikas, 
deutschlands und sämmtlicher deutscher Staaten. 
hat dieser Gasthof ein vorzugsweise reiches Gewand 
ingelegt, so haben auch die übrigen Häuser es 
uicht unterlassen, sich zu putzen. Punkt acht Uhr 
egann vor dem Hotel Victoria die Aufstellung des 
restzuges. Die New⸗NYorker Schützen, durchweg 
räftige Gestalten, denen man fast ausnahmslos 
insieht, daß germanisches Blut in ihren Adern 
dießt. bildeten in ihrer kleisdsamen Uniform Spalier, 
im den Schützenkönig, Herrn F. Wacker aus New⸗ 
hork, zu empfangen. Begrüßt von der Musik der 
98. Infanterie ˖Kapelle wurde das Banner der im 
Jahre 1869 gegründeten Independent⸗New ⸗NYork⸗ 
„chützen aus dem Portal des Victoriahofes ge⸗ 
ragen. ihm folgte unmittelbar der Schützenkönig, 
herr Wader, an dessen Seite zwei. reizende junge 
Naädchen als Ehrengeleite schritten. Unter Voran⸗ 
ritt der Musik bewegte sich eine kaum absehbare 
UInzahl eleganter Wagen, geziert mit dem Sternen⸗ 
anner, durch die Straßen der Stadt zum Rochus⸗ 
verg, wo Punkt 10 Uhr das Vogelschießen beginnen 
vird. Vor dem eigentlichen Beginn desselben 
verden durch Herrn Hauptmann J. J. Diehl drei 
khrenschüsse abgegeben: der erste für Se. Maj. 
ꝛen Deutschen Kaiser, der zweite für den Präsi⸗ 
enten der Vereinigten Staaten der dritte für die 
*tadt NRingen 
Bei der Festtafel brachte Herr HugoH. 
olgenden Trinkspruch aus: —— — 
dochverehrte Gaste! Willkommen, herzlich und in n 
villkommen rufen Ihnen die aus so weiter —9 
ommenden Independent New⸗ York Schützen —** 
icht der Zuseuͤn sondern in langt atg 
Wunsch, dem in diesem Jahre die usegen 
'olgte, führte uns zum Altvater Rhein, nach 
Weinstadt Bingen. um hier zum erstenmal un 
alljahrlich wiederkehrendes Schützenfest zu feiern 
Waren wir Deutsch⸗Amerikaner auch lange, lam— 
don der alten Heimath fern, wir wurden ihr 7 
entfremdet; wir blieben deutsch im Sinnen un 
Denken, im Wirken und Trachten, in Wort un— 
That, dabei unserem geliebten Adoptiv. Vaterlan 
jederzeit alle Achtung und Liebe zollend. 
Mit unwiderstehlicher Gewalt zieht es beinah 
jeden Deutsch-Amerikaner zurück nach dem alia 
Vaterland, daher die stattliche Zahl derselben, di 
heute in Ihrer Mitte weilen. Und als wir ba 
chlossen, unser Schützenfest in Deutschland zu feiern 
konnten wir wohl keine herrlichere Stätte finden 
als an dem sangberühmten, sagenreichen und reben 
umrankten Rhein, dem deutschen Rhein, der se 
inderthalb Jahrzehnten im vollen Sinne des Worie 
wieder der deutsche Rhein geworden.. Und soll ig 
Ihnen sagen, was uns gerade hierher nach Bingen 
sog? Es war die versinnbildlichte Einheit de 
Deutschen Reiches, die Stätte der Verherrlichun 
der größten germanischen That, das Nationaldenim 
auf dem Niederwalde. Wenn auch die Bäume, di 
das gewaltige Monument umgeben, vom Blut 
lüstern, das geflossen, wenn auch ihre Blätter, don 
Winde bewegt, die tausende deutsche Krieger beklagen 
die im hiesigen Kampfe fielen, so rauschen sie dot 
nuch stolz vom großen Deutschland, das endlis 
aach tausendjährigem Hader und Zwietracht zwische 
einen Stämmen und Voöolkerschaften, einig, gefefig 
und mächtig dasteht; dem deutschen Nationalbaun 
der Eiche vergleichbar, diesem Riesen der Wälder 
— Und wenn wir Deutsch-Amerikaner, die wi 
Sprößlinge dieser deutschen Eiche find, uns de 
Stärke freuen, die ein Symbol dieses Baumes ist 
venn wir durch unsere SchützenVereinigung dat 
Wachsthum und Gedeihen dieses Sprößlings z 
ördern trachten, so find wir gewiß, daß unser 
heutschen Schützenbrüder uns jederzeit dabei hilf 
ceiche Hand leisten werden. Mit dieser Gewißheit 
nit dieser Ueberzeugung heiße ich alle unsere weriher 
väste hiermit nochmals auf das herzlichste will 
'onimen, und bitte Sie, mit mir ein dreifaches 
onnerndes Hoch auszubringen auf die deutscher 
Schützen, die deutsche Einheit, das Deutsche Reich 
Hit jubelndem Beifall begrüßt, brachte hierau 
kmil Rittershaus bei der Festtafel nachstehende 
»betischen Gruß den Vereinigten Staaten vor 
Umerika: 
Mein Spruch, er gilt dem Staatenbunde, 
Ob dem das Sternenbanner weht, 
Der wie kein andrer in der Runde 
Fest als der Freiheit Hochburg steht! — 
Vom Glück zum Schooßkind nicht erlesen, 
Habt Ihr Euch selbst das Reich gebaut — 
ünd, was ein Washington gewesen, 
Das hat die Zeit noch nie geschaut! — 
Ihr kämpftet, Mann an Mann geschlossen. 
Bis Ihr Euch freie Bahn geschafft! 
Mit Euch, naͤchst Gott, zwei Bundgenossen 
Nur zwei: Der Wille und die Kraft! 
Ihr fälltet Eures Urwalds Riesen; 
Ihr bracht die Fesseln, bracht den Bann, 
And habt der ganzen Welt bewiesen. 
Wi⸗ waßr das Wort: Selbst ist der Mann! 
Zelbst ist der Mann — und, wem's beschiede 
Daß er der Starke fich bewußt , 
Dem bleibt von allem Glück hienieden 
Die Freiheit doch die höchste Luftt. 
Zu ssolz, um eitle Gunst zu buhlen, 
Rie fragend, wo ein Helfer sei, 
Habt Ihr gelernt die Kraft zu schulen — 
ünd nur ein starkes Volk ist frei! 
Wir lernten's auch! — Nach diesen Gauen 
Wo Bachus Bestes füllt den Krug 
Zah'n gierig wir den Fremdling schauen, 
Deß' Ahn uns einst in Ketten schlug. 
Dda scholl der Ruf: Empor zum Kampfe! 
Da stand in Waffen Schaat an Schact— 
Und glorreich aus dem Puloerdampfe 
Stied auf der deutsche Kaiseraar! — —