Full text: St. Ingberter Anzeiger

der Aar, des Westlands Sternenträger 
der Adler, der befreit den Rhein, 
ʒie wollen keine Beutejäger, 
dur Schutz und Schirm des Friedens sein! 
dicht Blut und Raub ist ihre Wonne! — 
Das sei die Deutung des Symbols: 
Fs sucht der Beiden Flug die Sonne 
des Völkerglücks und Völkerwohls; 
daß dazu Gott den Segen gebe, 
In diesem Sinne sind wir eins! — 
Zebt hoch den goldnen Saft der Rebe 
heim Julifest am Strand des Rheins, 
der heut' vereint zu schönem Bunde 
Pestlands und Deutschlands Kinder sah! — 
Fin dreifach Hoch aus Herzensgrunde 
dem Freistaat von Amerika! 
Stolberg II, bei Aachen, im Juli. Ein 
cheusal in Gestalt eines Menschen von etwa 26 
jahten — schmächtige, kleine Gestalt — wurde am 
Fed. M. durch die Stadt zum Bahnhof geführt, 
im nach Aachen ins Gefängniß abgeliefert zu wer⸗ 
den. Schrötter, so ist der Name dieses Scheu · 
als, gebürtig aus Eilendorf bei Aachen, ist seines 
vandwerks Schneider; derselbe wurde am 21. Juni 
J aus dem Zuchthaus zu Münster nach sieben⸗ 
zhriger Haft entlassen und nach seiner Heimath 
esordert. Ohne zu arbeiten, verbrachte er acht 
rage im Hause seiner Stiefmutter. Am Sonntag 
rüh suchte er dieselbe zu überreden, mit ihm ins 
zeld zu gehen, was diese auch zusagte, doch bat sie 
uͤne Nachbarin und deren Mann, mit zugehen. 
Als Schrötter dies gewahr wurde, entfernte er sich, 
ersuchte aber, Abends zurückkehrend, seine Stief⸗ 
nutter zu würgen; diese vermochte sich indessen 
oazumachen, lief fort und schrie um Hilfe. Ein 
n demselben Hause wohnender junger Mann lei⸗ 
ete der Frau Beistand, suchte den Schrötter zu 
eruhigen, erhielt jedoch einen Stich mit einem 
holch in die Seite, so daß er von Schrötter ab⸗ 
issen mußte. Schrötter entfernte sich und trieb 
ich Nachts umher. Um 3 Uhr Morgens fragte er 
n freundlichem Tone auf der Chaussee zwischen 
Filendorf und Stolberg einen ihm begegnenden, zur 
ltbeit gehenden Mann nach einer Person Ramens 
chütz, und als ihm Auskunft gegeben wurde, ver⸗ 
eßte er dem Manne kurz hintereinander 2 Stiche, 
en einen zwischen die Rippen, den anderen in den 
interleib, so daß der Getroffene lautlos zusammen⸗ 
rach. Schrötter ging ruhig seines Weges weiter 
ach Stolberg zu und vollführte genau unter denselbeu 
unstünden bis zur Stadt noch drei solcher Attentate: 
im Ende der Stadt begegneten ihm endlich vier 
Rann; bei ihnen erkundigte er sich nach dem Wege, 
er nach Ficht geht. Ein Meetzgergeseli dreht sich 
im und zeigt ihm mit vorgestrecktem Arm die 
lichtung des Weges; in demselben Augenblick aber 
richt et auch mit dem Rufe zusammen: „Ich 
erbe, helft mur!“ Seine Kameraden kehren eiligst 
ie paar Schritte zurück, konnten ihren Kameraden 
idessen nur noch als Leiche zur Seite legen. Ein 
volchstich hatte dem jungen Leben ein Ende gemacht. 
das ist jedoch noch nicht Alles. Auch der Portier 
mer Glasfabrik oberhalb Stolbergs wurde von 
em Morder angesprochen und erhielt einen Stich 
die Brust. Hierbei blieb der Dolch in den 
ien Kleidern des Mannes stedenohne den 
iper desonders zu verleßenDer Mörder sah 
d der Waffe beraubt und juchte zu emtommen; 
Felang ihm dies auch. Wie ein Lauffeuer ging 
un die Kunde von den Ueberfällen durch die 
adt, und Alles, was irgend abkömmlich war, 
uhte sich auf zut Jago. Endlich gegen Mintag 
ng es zwei jungen Leuten, des Moͤrders hab⸗ 
5 zu werden und ihn der Polizei zu übergeben. 
as Volk war wuthend und suchte ihn zu befreien, 
A zu lynchen. Im Vetrhore gestand derselbe 
heen ein,“ drohtie jedoch gleichzeilig, wenn 
amerad entlassen wuürde oderselbe erschlug vor 
Agen Jahren einen Gerichtsvolizie her), der wurde 
besser machen. Zwei von den UÜeberfallenen 
J Familienvaier von; 5 resp, 6 Kindern, und 
so schwer darnieder, daß keine Hoffnung vor⸗ 
nisi. fie am Leben zu erhalten 
a Old enburg, 20. Juni. Vor einiger 
— —— ——— 
* dine mens Elere, von der 7. Kompagnie 
ine erie · Regiments Nr. 01, von einigen 
J n in der Kaserne sehr schwer mißhandelt, 
—3* auf Veranlassung eines Vorgejetzten. 
aher des jungen Vlannes hat fich zuers an 
mmandeur des Bataillons um GEinleuung 
einer Untersuchung gewandt, dann aber, als dieses 
erfolglos geblieben, an das General ⸗Kommando in 
dannover. Infolge dessen ist die Angelegenheit 
treng untersucht und sind die Thäter mit Strafe 
helegt worden. Selbst die Herren Oberkomman⸗ 
dierenden der Kompagnie, bezw. des Bataillons 
ind nicht frei geblieben. Der gemißhandelte junge 
Oann hat einen Bruchschaden dabvon behalten. 
h)auptmann Rochlitz hat 45 Tagen Festung be⸗ 
ommen und Oberst Graf Herzberg seinen Abschied 
enommen. 
F Das „Hamburger Fremdenblatt“ veröffentlicht 
ine interessante Beschreibung der Art und Weise, 
die der Diebstahl in der Reichsbank aus— 
jeführt ist. Nicht drei, sondern vier Personen 
cheinen sich hiernach bei dem Streiche detheiligt 
u haben. Montag Mittag, kurz vor 12 Uhr, er⸗ 
hien ein einzelner Mann, anscheinend ein Eng⸗ 
ünder, inn Auszahlungszimmer der Reichsbank und 
hat eine geschäftliche Frage an den Kassirer. Dieser 
jerließ, um die nöthige Erkundigung einzuziehen 
riuf einen Augenblick das Zimmer, nachdem er zu⸗ 
nor den Kassenschrank ins Schloß geworfen und 
illes in guter Sicherheit zurückgelassen hatte. In 
emselben Augenblick, wo der Kassirer ins Giro⸗ 
omptoir herüberging, zog der Fremde eine große 
uglische Zeitung hervor, entfaltete sie in ihrer 
janzen Größe und schien, wie in dem Nebenzimmer 
eobachtet wurde, eifrig in derselben zu lesen. Zu 
leicher Zeit traten noch zwei Unbetannte ein und 
eintfalteten ebenfalls Zeitungen. Offenbar dienten 
die ausgebreiteten Blätter nur dazu, um die Mani⸗ 
—XV 
Uus der Thür eines Privatzimmers muß dann der 
eigentliche Thäter in den Raum eingetreten sein. 
Um nun die beiden Packete, welche auf einem Tische 
zjinter der 6 Fuß hohen Scheerwand lagen, erlangen 
u können, hat der Dieb mit Hilfe einer kleinen 
deiter, die et, als Spazierstock zusammengelegt, in 
inverdächtiger Weise mit sich führte, über die 
zZcheerwand weggreifen und vermittelst eines soge⸗ 
rannten „Stippers“ die Packete stehlen können. 
Als der Kassirer wieder ins Zimmer trat, war die 
That geschehen; der zuerst erschienene Engländer 
zrhielt seine Antwort und entfernte sich mit den 
uüͤbrigen. Daß der Diebstahl nicht sogleich ent⸗ 
deckt wurde, erklärt sich daraus, daß die Geschäfte 
zerade am Montag den Kassirer und die Beamten 
ehr in Anspruch nahmen, und keinem fiel es ein, 
zaß die hinter der Scheerwand liegenden Packete 
zefährdet sein könnten. In den Packeten befanden 
ich 100., 5000 und 1000⸗ Markscheine. Der 
diebstahl ist mit so großem Raffinement ausgeführt, 
aß er wahrscheinlich lange vorher überlegt worden 
st. Am Montag sind vier Engländer, die hier 
n verschiedenen Hotels logirten, mit Hinterlassung 
res Gepäcks plötzlich verschwunden. In dem Ge— 
Jack fanden sich keinerlei Aufschlüsse über die Be— 
tzer, welche wahrscheinlich die Diebe sidd. 
F Hamburg, 4. Juli. Nach einer beim 
Staatsanwalt eingegangenen Meldung find in 
ßaris und Genf Personen angehalten, die durch 
Uusgebung vieler Hundertmarkscheine der Betheilig— 
ing am Reichsbank⸗Diebstahl verdächtig sind. Re—⸗ 
oanoszirungsmaßregeln sind angeordnet. 
f Vor mehr als sieben Jahren wurde der un⸗ 
arische Bauer Michael Köteles unter der 
Anklage verhaftet, daß er sein Weib durch einen 
jedungenen Mörder habe umbringen lassen. Koteles 
eugnete Anfangs entschieden, dor dem Untersuchungs- 
ichter aber legte er ein Geständniß seiner Schuld 
ib. Bei der Gerichtsverhandlung widerruft der 
Angeklagte das Geständniß, beteuerte seine Unschuid 
und erklärte, daß ihm das Geständniß durch Tortur 
abgerungen worden sei Hierauf achtete jedoch das 
Hericht nicht und Köteles wurde zu zwanzigjährigem 
chweren Kerker verurthellt. Er appelierte, die 
weite und dritte Inftanz bestätigten das erstrichter⸗ 
liche Urtheil, immer auf Grund seines „Geständ⸗ 
zisses“, ohne daß man untersucht hätte, ob die 
Angabe, daß er gefoltert worden sei, auf Wahrheit 
eruhe oder nicht. Noch ein viertes Mal kam der 
Fall vor Gericht, das erste Urtheil wurde abermals 
zestätigt und Köteles zur Abbüßung seiner Strafe 
iach der Strafanstalt Lepoglawa gebracht. Da der 
igentliche Morder inzwischen, und zwar noch vor 
en Gerichtsverhandlungen, gestorben war, so bot 
ich für Köteles keine Aussicht dar, vor Abbüßung 
der zwanzig Jahre aus dem Kerker befreit zu werden. 
in der Strafanstalt Lepoglawa wendete sich der 
Unglückliche an den dortigen protestantischen An⸗ 
taltässeelsorger klaafe ihnn sein Leiid und bhaf ißn 
um seine Unterstützung. Der wackere Prister ge⸗ 
wann allmählig die Ueberzeugung von der Unschuld 
des Verurtheilten? und ex bemühte sich für diesen 
so lange, bis der Prozeß wieder aufgerommen und 
eine neue Untersuchung, resp. eine neue Gerichts- 
herhandlung angeordnet wurde. Zu dieser Ver⸗ 
hJandlung war nur noch die „lönigliche Tafel“ in 
Pest, der zioeithöchste Gerichtshof des Landes, kom⸗ 
petent, und vor diesem fand in den letzten Tagen 
in der That die Verhandlung statt. Am Donners⸗ 
tag fällte die „königliche Tafel“ das Urtheil: Die 
ersten Urtheile gegen Michael Köteles find aufzu⸗ 
heben und derselbe, nachdem er sieben Jahre schweten 
Kerkers verbüßt, sofort freizulassen. In der Be— 
zründung hieß es, die Unschuld des Köteles sei 
allerdings nicht nachgewiesen worden, aber auch der 
Beweis für seine Schuld könne nicht hergestellt 
werden. Die Frage, ob Köteles in der ersten 
Untersuchung durch Tortur zu einem Geftändnifse 
gebracht wurde, hat auch die „königliche Tafel“ 
nicht untersucht und nicht entschieden. 
Marseile, 4. Juli. Ueber den Schiff— 
bruch eines Salondampfers wird von hier ge⸗ 
neldet: Der Salondampfer „L'Italia“, der Koim⸗ 
panie „Paggio“ in Genug gehörig, verließ am 
19. Juni, mit 134 Passagieren an Bord, Callao 
in Südamerika, mit dem Kurs nach Marseile. In 
der von Lomas scheiterte er und sank binnen 15 
Minuten. Wegen der frühen Morgenstunde waren 
die meisten Passagiere in den Kojen, und so kam 
28, daß 125 Menschen, darunter 25 Kinder, den 
Tod in den Wellen fanden; nur die 2 Kapitäne 
und 7 Passagiere konnten sich retten. 
F Paris. Die Berichte aus den bedeutendsten 
Wein⸗Departements konstatiren, daß die Weingärten 
din befriedigendes Aussehen haben und zu guten 
Hoffnungen berechtigten. Der Geschäftsverkehr haite 
in den letzten Wochen nur schwachen Umfang; die 
Verkäufer beschränkten sich zumeist auf Weine 
intergeordneter Klasse, welche zu mäßigen Preisen 
»xhältlich waren. 
FParis, 3. Juli. In Chateauroux' (De⸗ 
dartement Hautes⸗Alpes) richtete ein Gewitter 
schweres Unglück an. Sechs Schafhirten, die in 
dem Gebirge von dem Unwetter überrascht worden, 
uchten in einer Hütte Zuflucht, in die bald darauf 
der Blitz einschlug, wodurch drei Hirten mit ihren 
Hunden getödtet wurden 
Aus Frankreich. Ein Mord, den das 
ugendliche Alter des Mörders noch bedauerlicher 
nacht, ist am 26. v. M. zu Saint Plaisir‘ (De— 
vartement Allier) begangen worden. Der zehnjäh— 
rige Knabe Jamet war zu einem seinerkleinen 
Nachbarn, dem achtjährigen Jules Limoges, ge⸗ 
gangen, um sich mit ihm zu unterhalten. Kaum 
beisammen und allein im Hause, fingen die zwei 
Kinder einen Streit an. Der jüngere nannte den 
anderen „Bigard“, mit welchem Namen ihn seine 
Zameraden bezeichneten und Jamet wüthend dat 
iber, ergriff ein Messer und stieß es dem kleinen 
Jules in die Kehle, der todt zu Boden stürzte. 
Statt darüber in Schreclen zu gerathen, dachte der 
rühreife Mörder nur daran, sogleich die Spuren 
einer That verschwinden zu machen. Er schleppte 
also die Leiche in einen nicht weit vom Oertchen 
fließenden Bach und bedeckte sie, damit sie nicht 
obenauf schwimme. mit einer Leiter, auf die er 
einen schweren Stein legte. Am Abend suchten 
die Eheleute Limoges überall ihr Kind und ent⸗ 
dectten es endlich im Bache. 533 
In T hiers in der Auvergne stürzte heute 
das Dach einer Markthalle ein. Es wurden da— 
durch 12 Personen, darunter 8 schwet verletzt. 
Chicago, 2. Juli. Unter dem Personal 
der Straßen⸗Tramways ist eine Stricke dadurch 
verursacht, daß die Gesellschaft s9 weigerte! einige 
ntlassene Beamte wieder anzustelleq. Die Zeitungen 
angen an die Sache als ernst zu betrachten. 
Bestern wurde der Versuch gemacht, den Verlehr 
mit einigen Waggons wieder aufzunehmen; es 
rottete sich jedodch eine Volksmenge zusammen, 
welche die Waggons mit Steinen bewarf. Eine 
weitere Meldung vom 3. Juli lautet: Der Tram⸗ 
vagenverkehr wurde heute unter dem Schutze der 
Polizei wieder eröffnet. Das Publikum war sehr 
aufgeregt, errichtete Barrikaden und beging Gewalt 
hatigkeiten, infolge dessen über 150 Verhaftungen 
orgenommen werden mußten. Die Polizei mehr 
ils 600 Mann stark — erhielt schließlich den 
Befehl, von ihrer Schußwaffe Gebhrauch zu machen. 
'alls der Aufruhr fortdauere. Dann jerstreute sisch 
der Moh schness