st. Ingherter Amzeiger.
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137.
Dienstag, 14. Juli 1885.
481 bessere Organisation des deutschen Exportgeschäftes
Fremdländische Ausstattung entichieden abgeholfen worden.
Die z. Z. noch bestehende falsche Etikettierung
deutscher Fabrikate. m internen Verkehr hat aber Gud einen anderen
Brund. Es ist dies das vollständig unberechtigte
Vorurtheil unseres Publikums gegen deutsche Indu⸗
trieerzeugnisse, es ist die leidige Vorliebe für alles
Fremde und insbesondere für ausländische Waaren.
Die Fabrikanten werden fast zur falschen Etikettier⸗
ing gezwungen.
Es würde ungerecht sein, wollte man jenen
Industriellen, deren Erzeugnisse unter falscher Flagge
egeln, mit Strafen drohen und belegen. Wenn
twas Strafe verdient, so ist es der Mangel an
krziehung oder Patriotismus. Es darf wohl kaum
zu unserer Entschuldigung dienen, wenn jener
Mangel nicht blos eine deutsche Stammeseigenthüm⸗
ichken ist; denn es herrscht nicht weniger in Eng⸗
and die gleiche Vorliebe für gewisse französische
ind in Frankreich für gewisse englische Waaren.
Wie jedoch bereits angedeutet, befindet sich die
kntwickelung unserer heimischen Industrie gerade
in diesem Emanzipationskampf auf dem letzten
Wege. Immer mehr faßt sie auf den inländischen
Stapelplätzen festen Fuß und rechtfertigt anderer⸗
eits das Vertrauen auf ihre Leistungsfähigkeit. Im
nternen Verkehr hat denn auch die frühere Ge⸗
wohnheit, fremdländische Bezeichnungen zu wählen,
— und das muß mit großer Freude begrüßt werden
— erheblich abgenommen.
Namenilich mit der wieder erwachenden Ent⸗
vickelung edleren Geschmackes und besseren Stiles,
nit dem Ausrotten des „billig und schlecht“, dver—
chwindet auch bei unserem Publikum die Vorliebe
ür das Fremde.
Unsere immerhin noch jung zu nennende In—
hustrie stellt sich immer mehr und mehr den besten
ausländischen Leistungen ebenbürtig an die Seite
und setzt sich dadurch in den Stand, die falsche
dülle auch den ausländischen Kunden gegenüber
bzuwerfen.
Bereits haben es viele Engrosgeschäfte, fast
Janze Industriezweige erzwungen, daß ausländische
Abnehmer sich der speziellen Bezeichnung des Ur⸗
prunges der Waaren als deutsche Waaren unter⸗
verfen. Hauptisachlich sind es die Vereine der
Schokoladen- und Hutfabrikanten, welche bahn⸗
—XX
eachtenswerthen Vorgang entschiedenes Lob und
entschiedener Dank.
Jetzt, wo Deutschland ein Reich ist, seit wir
elbst Kolonien und direkte Absatzgebiete befitzen,
seit das eigne Bewußtsein mehr erwacht ist und der
Beschmack bei uns sich mehr ausgebildet hat und
Erfahrungen gemacht und gesammelt worden sind,
jetzt ist es wohl an der Zeit, daß alle deutschen
Fabriken und alle deutschen Industriezweige nur
rigene Marken und Etiketlen anwenden, daß sie alle
Packungen mit kunstlerisch ausgeführten Zeichnungen
ind Monogrammen herstellen lassen, jetzt ist es an
»)er Zeit, energisch aller falschen Etikettierung ent⸗
gegen zu treten. 5.
Das ausländische Publikum wird sich, so weit
das noch nicht geschehen ist, sehr bald von dem
wahren Werth der deutschen Waaren überzeugen
und belehren lassen, und der Export dürfte dadurch
ganz erheblich gefordert und der inneren Weiterent⸗
wickiung unserer Induftrie ganz entschiedener Vor⸗
cchub · geleistet werden.
Wohl trägt der deuische Name bis in die ent⸗
erntesten Erdgegenden einen quten Klang, er wird
Seit dem großen deutschen Kriege mit Frank—⸗
eich in den Jahren 1870-71 ist auf dem Gebiete
er Ausstattung und Benennung der deutschen Er—
eugnisse enischieden eine riesige Umwandluug zu
ꝛerzeichnen. Allüberall hat man eingesehen, daß
ije in Deutschland hervorgebrachten Fabrikate nicht
esser werden, wenn sie mit französischen, oder eng—
ischen, oder sonst welchen ausländischen Namen
zeschmückt wurden, oder, was noch toller war, wenn
zeuische Erzeugnisse erst nach Paris und London
jingen, um von dort als Pariser „Nouveautés“
—XV
jande zu fabelhaften Preisen verkauft zu werden.
Die letzten Fälle dürften wohl in der Gegen—
vart zu den Seltenheiten gerechnet werden.
die Frage der Ausstattung jedoch besteht noch bei
bielen Fabrikaten fort. Und auch das sollte und
nuß noch anders werden.
Die deutschen Waaren dürfen weder durch Ver⸗
jadung noch Ausstattung durch Etiketten und der⸗
Jleichen den Anschein eines ausländischen, nament-
ich ftanzösischen oder englischen Ursprungs gewinnen.
diese Unsitte schließt nicht nur eine Täuschung
der Konsumenten ein, sondern sie muß auch auf
die Dauer das Ansehen und den Absatz der deut—
chen Industrie benachtheiligen, und, was die
hauptsache ist, die Konkurrenzfähigkeit des deutschen
Fabrikates wird in arge Mitleidenschaft gezogen.
Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn gesagt
vird, daß alle Fabriken, alle Industriezweige in der
dage und im Stande sind, nicht nur zu ihrem
igenen Nutzen, sondern auchzum Nutzen des Gemein⸗
vohles die eigne deutsche Marke im Welthandel zu
bhren zu bringen. Es müßten schlechterdings auf
deutschen Waaren alle französischen und englischen
der sonst fremdländische Bezeichnungen, Namen,
Ausdrücke ꝛc. ?c. verpönt werden. Das gilt
aamentlich von Seifen, Parfümerien, Tabaken,
hummi, Maschinen, Werkzeugen u. a. m.
Sind etwa unsere deutschen Schaumweine
chlechter geworden, seitdem die deutschen Fabriken
im Rhein und an der Mosel ihre Fabrikate mit
eutschen Schildern versehen? Oder ist unser Post⸗
xez. Briefpapier geringer und untauglicher geworden.
eildem es nicht mehr mit „Bath“ oder „finest
ZDuality“ ausgezeichnet ist? Sicherlich nicht! —
Es mag zum Theil noch vorkommen, daß von
ranzösischen und englischen Kommissionären eine
temdländische Ausstattung verlangt, vielleicht sogar
orgeschrieben wird. Vor noch wenig Jahrzehnten
nußten wohl unsere Industriellen sich solchen An—
orderungen fügen, heute gehört dies zu einem
iberwundenen Standpunkt, wir sind nicht mehr in
m Maß wie früher auf den Vertrieb durch jene
dommissionare angewiesen. Die Großindustriellen
iber müßten solche Zumuthungen euergisch abweisen,
ind insgesammt, Industriezweig für Industriezweig
— die Verpflichtung übernehmen, nur folche
daren in den Weltverkhehr zu bringen, welche den
)eutschen Namen und deutsches Gesicht rragen.
Ein Hauptgrund der falschen Etifettierung aber
auch noch darin, daß viele Industriezweige noch
direkten Verkehrs zwischen Produklionsplätzen
ihrrn Absatzgebieten ermangelten, daß sie von
enden Ziwischenhändlern abhüngig waren.
*— diesem Nachtheile ist durch die in den letzten
ren durch das Reich in das Leben gerufene
20. Jahrg.
noch weit heller und lauter tönen, wenn allerorts
bon der Güte und Preiswürdigkeit deutscher Waaren
denntniß erlangt worden ist. Es ist entschieden
unserer unwürdig, wenn deutsche Waaren mit
fremden Namen auf den Markt kommen.
Darum vorwärts ihr deutschen Industriellen
und Fabrikanten, bringt den deutschen Namen auf
eure deutschen Waaren, und vermag das der Ein⸗
zelne nicht, gründet Assoziationen und Kartellver⸗
bände!
Wir sind Deuische, unsere Farben sind bekannt,
möge man auch auf unseren Waaren unsere deut⸗
ichen Marken kennen lernen, E. W.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Juli. Dem Vernehmen nach
hält die Reichsregierung an dem Plane fest, dem
nächsten Reichstage bereitse inen Gesetzentwurf über die
Altersversorgung der Arbeiter vorzulegen.
Die betreffenden Vorarbeiten sind bereits eingeleitet
und der Bundesrath dürfte sich im Herbste mit
der Angelegenheit zu beschäftigen haben.
Berlin, 12. Juli. Se. Kaiserl. und Königl.
doheit der Kron prin z wohnte heute mit sämmt⸗
uͤchen Mitgliedern der Königlichen Familie dem
Stiftungsfeste des Lehr-Infanterie-Bataillons im
Neuen Pailais bei Potsdam bei, wobei der Kron⸗
prinz den Kaiser vertrat.
Ausland.
Die Sonntagsruhe, die vor Kurzem in
Desterreich eingeführt wurde, findet durchaus
nicht allgemeinen Anklang. Namentlich in den
Provinzen erklären sich Handwerker und Handels⸗
reibende gegen die obligatorische Sonntagscuhe
und an die Behörden sind bereits zahlreiche Pe⸗
titionen um Wiederabschaffung der Sonntagsruͤhe
eingelangt. Die oberösterreichische Handelskammer
tichtet die Bitte an die Regierung, die Sonntags-
ruhe in ganz Oberösterreich vollständig aufzuheben.
kine gleiche Bitte stellen die Bädergenossenschaften
mganzen Lande. Von anderen Ländern und
inderen Gewerben liegen ähnliche Petitionen vor
ind in Wien ist bereits die Gewerbebehörde beauf⸗
ragt worden, Bericht über die Petionen zu erstatten,
velche theils die Abschaffung der Sonntagsruhe
iberhaupt für das flache Land und kleinere Städte
und Märkte, theilß die Erlaubniß zur Ausdehnung
des Betriebs der Gewerbe auf den Sonntag Nach—
mittag erbitten. In Wiener Regierungskraäsen soll
die Geneigtheit vorhanden sein, die massenhaften
Petitionen mindestens für einzelne Gewerbe und
den Handel zu berüchsichtigen.
Paris, 12. Juli. Paris rüstet sich in ge⸗
vohnter Weise auf das Nationalfest, d. 'h.
die Einen hängen Fahnen hinaus und die Andern
uchen irgendwo in der Nähe oder Ferne eine
Zufluchtsstätte, um an dem heißen Tage dem Ge—
vuͤhl, Geschrei und Abends dem widerwärtigen
Znallen der Frösche auf allen Trottoirs zu ent⸗
jehen. Am gestrigen Tage allein sollen schon 69,000
Zariser mittelst Eisenbahn die Stadt verlassen haben,
aämlich 18.000 mit der Westbahn (Saint-Lazare,
1500 mit der Südbahn, 14,500 von dem Vin—
ennes · Bahnhofe aus, 8000 mit der Ostbahn,
7000 mit der Orleans. Bahn, 3000 mit der Bahn
»on Sceaux und 17,000 mit der Nordbahn. Da⸗—
zegen strömen die Provinzler und die ländlichen
hewohner der Umgebung von Paris massenhaft
jerbei und füllen die Straßen, die geringeren
ßestaurants und die Omnibusse.
—*