Full text: St. Ingberter Anzeiger

atzjahres 1884188 vorgenommenen Prüfungen 
Jaben die Pfalz und Unterfranken je einen, Ober⸗ 
sranken drei, die Oberpfalz vier, die übrigen Pro⸗ 
inzen Bayerns deinen Rekruten mit mangelhafter 
Schulbisdung aufzuweisen. 
Lambrecht. 25. Juli.“ Die im Herbste 
d. J. stattgehabte Gemeinderathswahl 
vurde auf erhobene Reklamationen hin annullirt 
ind wenn keine Gegenbeschwerden erhoben werden 
ollten, wird auf höhere Anordnung eine Neuwahl 
daitfinden. 
— Herr Albert Werner, Bierbrauereibesitzer in 
Dürkheim, wurde in der Sitzung des dortigen 
Schoffengerichts am verflossenen Sanistag, wegen 
VBergehen gegen das Malzaufschlagsgesetz, zu einer 
Heldostrafe von 180 M. verurtheiit. 
— Frankenthal, 26. Juli. Gestern Vor⸗ 
mittag wurde beim Entleeren der Abtritigrube des 
Bahnhofes die Leiche eines neugeborenen Kin des 
mideat. Dieselbe war in eine alte Hose eir ge⸗ 
wicelt. (C. G.⸗Anz.) 
DwWie wir dem „Ludwigsh. Gen.Anz.“ ent⸗ 
nehmen, wurde kürzlich ein Brauer von Maudach 
vegen Anwendung von Couleur und am verflossenen 
Freitag ein Brauer von Oggersheim wegen Bei⸗ 
mischung von Siedesäure vom Schöffengericht Lud⸗ 
vigshafen zu empfindlichen Geldstrafen verurtheilt. 
Worth a. Rh., 24. Juli. Der 10jährige 
—XVDDO vorige 
Woche um Altcheine und wurde dabei von einer 
ziftigen Mücke gestochen Gleich darauf wurde er 
ant und starb heute an Blutvergiftung. 
Vermischtes. 
71MOie uebertragbarkeit der »Ke— 
dourbitlets. Wie unsere Leser wissen, haben 
neuerdings die deutschen Eisenbahnverwaltungen 
lart, daß Retourbilieis ihre Giltigkeit verlieren, 
wenn sie an andere Personen, als die sie gelöft 
haben, übertragen werden. Ob dies Verbot zu⸗ 
jassig ist, haben im einzelnen Fall die Gerichte zu 
enischeiden. Die prinzipielle Rechtsfrage aber wird 
hon dem berühmten Juristen Ihering in Gottingen 
janz entschieden zu Ungunsten der Eisenbahnen 
mischieden; er sagt anknupsend an einen Fall, wo 
in letzter Instanz Freisprechung des Angeklagten 
rfolgie, u. A. Folgendes; „Der Wille der Partei 
ann' ein Rechtsinstüͤut nicht zu etwas Anderem 
nachen, als was es einmal ift — wer ein In—⸗ 
haberpapier ausgibt, muß fich die Konsequenzen. 
die mit demselben verbunden find, gefallen lassen. 
Nun lann der Satz, den wir bei dem bisherigen 
Slande des Rechts glauben ablehnen zu müssen, 
quf dem Wege der Gesetzgebung allerdings einge⸗ 
ührt werden, und es in zu erwarten. daß * 
Fisenbahnverwaltungen, wenn sier sich überzeugen, 
daß fie auf dem bisher eingeschlagenen Wege ihren 
Zwed nicht erreichen, es au Versuchen in dieser 
Richnung nicht werden fehlen lassen. Hoffentlich 
werden fie vergebliche sein; meiner Ueberzeugung 
nach wurde die Gefetzgebung einen schweren Miß⸗ 
zrifj begehen, wenn sie dem Drangen . nachgeben 
vosllte.. 
FForbach, 24. Juli. In der Nähe des 
Spicherer Schlachtfeldes in einem kleinen Waldchen 
wurde gestern die Leiche eines etwa 2jahrigen 
Madchens aufgefunden. Die amiliche Besichtigung 
ergab, daß das Madchen durch zwei Schüsse, einen 
in' die Brust, den andern in den Kopf. getödtet 
worden ist. Die Mordthat ist das traurige Ende 
nes tleinen Romans, einer „alten Geschichte“, 
wie sie jeden Tag pasfirt. Das Mädchen, eine 
Jarb ierertochter aus Saargemünd, hatte ihre Neig⸗ 
ung schon seit langerer Zeit einem jungen Manne 
geschenit. der vor den Augen der Eltern durchaus 
ine Gnade finden konnte. da er einen etwas 
leichtsfinnigen Lebenswandel füͤhrte, ohne feste Stel⸗ 
jung war ecc. Die Eltern des Madchens suchten 
as unliebsame Verhalmiß., dadurch zu lösen, daß 
sie ihre Tochter zur Verlobung mit einem von 
hnen bestimmten jungen Manne zu zwingen ver⸗ 
uchten. Infolge dessen verabredeten die jungen Ver⸗ 
ieblen zu fliehen, wurden jedoch in Saarbrücken 
wieder von dem Vater erreicht. riͤssen sich hier noch⸗ 
Fais lod und dann wurde der junge Mann der 
Morder seiner Geliebten. Ob er die That mit 
oder ohne Einwilligung des unglüchlichen Opfers 
ollbracht hat, konnie nicht mit Sicherheit festge⸗ 
Jeit werden; von ihm ist bis jetzt noch keine Spur 
ufgefunden. . 
pFrankfurta. M., 25. Juli. Wie hie⸗ 
glaͤner berichten, beschaftigt sich bereits die tql. 
ur 
Staatsanwaltschaft mit den Vorfällen am Mittwoch 
deren Schaupiatz unser Friedhof war, und zwar 
auf Antrag des kgl. Polizei⸗Präsidiums. — 
Wiesbaden, 26. Juli. »Der erste im 
Zurgarten mit einem Miniatur. Ballon aufgestiegene 
zuftschiffer Lattemann ist bei Hochheim glücklich 
jelandet. Er brauchte bis dahin 25 Minuten 
Fahrzeit. 
7 Darmstadt, 24. Juli. Ein tragisches 
knde. Bor einigen Tagen erzählie man sich hier, 
der Kavallerielieuienant a. D. und Kammerherrt 
yrhr. v. A in Bensheim, habe an der Boͤrse in 
differenzgeschäflen nicht weniger als 600,000 M 
jerloren. Fand das Gerücht auf der einen Seite 
bielleicht weniger Glauben, so wurde es auf der 
andern wieder durch eine Thatsache, welche man 
sich ins Gedächtniß zurückrief, in seiner Glaubwür⸗ 
zigkeit unterstützt, durch die Thatsache nämlich, daß 
der emeritirte Kaballerie⸗Offizier dem Spiel so 
leidenschaftlich ergeben war. daß ex einmal an einem 
Abend So, 000 M. im Kartenspiel verloren hatte. 
das Leben des Freiherrn hat nunmehr das für 
olche und ähnliche Charaktere, wie es scheint, 
aatuͤrliche Ende gefunden: er hat fich, wie aus 
Hensheim verlautet, ehegestern erschossen. Der Ver⸗ 
lebte hinterläßt Familie, eine Frau und 4 Kinder. 
velche unter den obwaltenden Umständen der all⸗ 
Jemeinen Theilnahme wohl würdig erscheinen. Denn 
eð erhebt fich des weiteren das glaubhafte Gerücht. 
daß für die Hinterlassenen kaum etwas für ihren 
debensunterhalt aus dem unvermutheten fürchter⸗ 
ichen Zusammenbruch gerettet werden könnte. 
fDas dentsche Turnfest hat ein höchfl 
erfreuliches pekuniäres Resultat geliefert. Während 
das fünfte deutsche Turnfest in Frankfurt a. M. 
mit einem großen Defizit abschloß, zeigt das jetzige 
nicht allein kein Defizit, sondern, wie man hört. 
ogar einen Ueberschuß von etwa 10,000 M. So 
südieses nationale Fest nicht allein in politische 
deziehung höchst bedeutsam, sondern hat auch ein 
n hohem Grade erfreuliches finanzielles Ergebniß 
eliefert, besonders wenn man bedentt, wie gros 
ie Ausgaben waren, und daß man in keiner Weise 
jegeizt hat, das Fest mit all' jenem Luxus und 
ener Splendidität zu umgeben, die aller Welt so 
ehr imponirte. 
f In Leipzig kam das zweijahrige Söhn · 
hen eines Schriftgießers auf eine schreckliche Weise 
ims Leben. Der Mann stand im Begriff, auszu⸗ 
jehen und wollte das Kind mitnehmen. Um 
asselbe nicht allein die beschwerliche Treppe hinab⸗ 
jeigen zu lassen, wollte er es auf dem Rücken 
inuntertragenEr stellte das Kind deshalb in's 
Fenster und forderle es auf, seine Aermchen ihm 
im den Hals zu schlingen. Als der Kleine dieset 
Aufforderung nicht nachkam und auch sonst still 
lieb, drehte sich der Vater um und gewahrte nun 
u seinem Schrecken, daß das Kind nicht mehr 
astand — es war zum offenen Fenster rücklingẽ 
serabgestürzt und lag unten mit zerschmettertem 
„chadell. 
Nordenstandt, 28. Juli. Ein inier⸗ 
ssanles Fun d st i ck. Vor einiger Zeit fand die 
rau eines armen Maurers hier beim Futter 
ammeln im Chausseegraben ein kleines goldenes 
Medaillon. Zur Ermittelung des Eigenthlmers 
nahm die ehrliche Frau die Mitwitkung des Herrn 
5. Lehrets a. D. in Anspruch und dieler zeigte 
ilsbald den niedlichen Schmuckgegenstand zur näherer 
Informierung einigen Kollegen. — Herr D. in W. 
durch die Aufschrift in rufsischen Lettern mit 
ʒen Zahlen eines unbekannten Todebtages“ auf · 
nertjam gemacht, öffnete das Medaillon und fand 
u feiner Ueberraschung links die Miniaturphoto⸗ 
sraphie von Kaiser Alexander V. und rechts unten 
hlas eine Locke von schwarzen mit grauen unter— 
nischten Haaren. Die Folgerung. daß das ge⸗ 
undene Nedaillon für den unbekannten Eigenthümer 
inen hohen ideellen Werth habe. iag nahe. Herr 
T. Abergab dasselbe an Ddas Konigl. Polizeipraft 
ium in Wiesbaden, durch dessen Vermittelung es 
vieder in die Hande der Eigenihümerin, der Fürstin 
Dolgorucy, der Gemahlin des verstorbenen Zaren, 
— eines der Kinder der hohen Frau hatte waͤhrend 
ʒeren jüngsten Aufenthalts in Wiesbaden auf 
inem Spazierganuge das Medaillon verloren —, 
ju deren großer Freude gelangt ist. Der ehrlichen 
—XV— 
neisterei eine Belohnung von 50 Mt. zustellen. 
(Rhein. Kur.) 
fEine Berlhliner Marktfszene vor 
Fericht. „Herr Jerichtshof, ick wollte Ihnen 
ehorsamst jebeten haben, mir nicht zu kompletliren 
Ick bin 'ne anständije Frau un blamire mir nich 
ern vor die Menschheit!“ So replizirte, wie der 
B. C. mittheilt, die Handelsfrau Ida Muerbel 
urzlich auf die Frage des Schoffenrichters, was sie 
auf die Anklage wegen Unfugs, Beleidigung um 
Erregung eines Auflaufs auf öffentlichem Markh 
zu sagen habe. Präs.: Womit handeln Sie denn 
zuf dem Markt? — Angekl.: Mit außerhalb'schel 
Fleesch, aber wissen Se, nich mit so'n Mumpiß. 
Fleesch, wie't so von drieben rieber hier so inje 
schmuggelt wird — o nee, nich in die la main 
Mit so wat jeben wir uns nich ·ab. Mein Fleesch 
is so zart und so weiß, wie det Hals von'n frisch 
sewaschenet Mädchen. — Präs.: Sie sind am 5. 
Mai auf dem Markt mit einer Dame in Konflikt 
gekommen; wie ist das zugegangen? — Angeil.: 
Fragen Se mir?! Wenn Eener mit de dollste Un⸗ 
dernünftigkeit eene Geschäftsfrau, als wie icke, mo— 
lestiren duht und denn noch 'ne große Lippe riskiren 
will, denn kann ick Ihnen sagen, denn is et mil 
meine Jeduld ooch man blos Essig. — Präs. 
Erzählen Sie doch mal den Vorfall.— Angekl.: 
Also ick hatte en Kälbeken an meine Bude üffe. 
häugt — een Kälbeken, sage idck Ihnen, det hieß 
Itto Bellmann. Dazu kamen denn noch een Paat 
cheene Hammelsripsken und een Dickeribbenstüd 
— so scheen wie Tafft mit joldene Franzen. — 
Präs.: Zählen Sie uns aber nicht Ihr ganzes 
Waarenlager her, sondern kommen Sie zur Sache. 
— Angekl.: Wie ick schon sagte, kommt da son 
spinöset Frauenzimmer an meine Bude, wat sich 
noch immer zu die „jungen“ rechnet und sich „ina 
diget Freilein“ schimpfen läßt, obschonst se schon 
ne Mandel Jahre aus den Schneider 'raus is. 
Herr Jerichtshof, ick kann Ihnen sagen, wenn Sie 
als 'ne olle anständige Jeschäftsftau von 5 Uhr 
an uff'n Marcht stehen und Nischt im Leibe haben, 
als een Paar Tässekens Lorcke und denn kommt 
so'ne olle Schrechschraube, die um 10 Uhr man 
ben erst aus de Posen jekrochen is und looft so 
Jerablassend wie 'ne Marquise mang de Buden 
zin — denn tann Ihnen voch schon der Iraul an⸗ 
sehen. — Präs.: Sie scheinen ꝛine recht angenehme 
Stimmung für das Marktpublilum zu haben. — 
Angekl.: Na von die Sorte, die so mit det Halb— 
seidene schon in alle Frühe rumlooft und mit 'n 
Züh wer weeß wie jroß, und mit 'n Hut, der wie 
n Thurmbau zu Babel über de Ponnys balan⸗ 
cirt, von die Sorte habe ick schon jenug, wenn ich 
se von weitem sehe. Und jerade die Sorte duht 
so, als verstände se wat vom Fleesch und vom 
Marcht und von de Wirthschaft. — Präf.: Hat 
Ihnen denn. die Käuferin, welcher Sie so dbose 
mitgespielt haben, etwas zu Leide gethan, oder Sie 
irgendwie gereizt? — Angell.: Nee, so Eene kann 
mer snich reigen, Also denlen Sie sich solche List— 
id haue eben ne Kalbsleule von Pfundener funfe 
ib, da sieht die olle Schachtel, die so aussah, wie 
en nei aͤnjestrichnet ollet Jerümpel und quagsel mit 
ihrer Juste immer über mein Fleesch. Mit de 
zene Hand hält se die Lorgnetie vor de Oogen, 
mit de andern talpscht se immer ans Fleesch rum. 
bis id zu ihr sage: Freilein, haben Se sich ooch 
de Hande hübsch reene jewaschen, sonst tonnten Se 
Im Wnde der Fleisch schmohig machen! Da hieht se 
mir denn an, vie de Kuh det neie Dohr und sagt 
un ihr Viadchen: , Nein, Auguste. das Fleisc 
onnen wir auch gat nicht kaufen, das ist ja gan, 
roden und gang diau, das ist gewiß vor einer 
Droschle alt geworden.“ Na nu aber raus, dachte 
und sagte Aooch zu ihr. Wissen Se. venn 
Ihr bislen Fleesch, wat Se sich da ins Jesichte 
minn Maurerpinsel uffladirt haben, blos een⸗ Je 
ringigkeit von den Saft hatte. denn würden St 
uif Jhre oulen Tage am Ende noch Eenen finden, 
der Sie im Finfiern vor'n scheenes Mächen halten 
sönnte. Aber so sehn Se ja aus wie n abae 
mabberter Kalbskopp, und sor so'ne dröge Jung 
irau verkoofe ick Uberhaupt leen Fleesch nich! die 
sras. Rah soiche iebenwücdiglesten dat sitnde 
dene cier Waßcsceinligten nach nicht geset 
lassen. — Angeil.. Nee, denken Se bdlos so nr 
in Sie bat mie denn noch een „olles jemer 
Frauenzimmer an den Kopf jeworfen, woruff det 
blos sagie, se lonnic schon Jift druff neyme Wppet 
ich ihr als Vogelscheuche an de einsame p 8 
uffpflanzen würde. wenn ick nich besüuchun *8 
den de Spaßen sich über so'n Jammergeste e * 
nachen. —Pras.: Ihre Schimpfereien hate dofuůr 
inen gewaltigen Auflauf verursacht ut 
nussen Sie in Strafe genommen werden. — ng