Full text: St. Ingberter Anzeiger

lichen Monturen und Waffen nebst Wagenmalerial 
dieser erst im Mobilmachungsfall ausrückenden 
Truppen in den Garnisonen Landau und Germers 
Jeim untergebracht werden. Bisher waren diese 
Magazine oder militärisch gesagt „Kammern“ bei 
den Landwehrbezirkskommandos, welche am 1. April 
1885 ebenfalls die Regimentsnummer 8 bezw. 4 
1b· und dafür 18 resp. 17 anlegen. 
—vHomburg;31. Dez. Auf die Adresse 
hiesiger Stadt an Herrn Reichskanzler Bismarc 
ief heute folgendes Antwortschreiben hier ein: 
Bgertin, 20. Dezember 1884.. 
Aus Anlaß des Reichstagsvotums vom 15. 
d. M. sind mir aus allen Theilen des Reiches so 
ahlreiche Kundgebungen zugegangen, daß ich außer 
Slande bin, eine jede derselben besonders zu be⸗ 
antworten. 
Dem Mißtrauensvotum, welches die Mehrheit 
des Reichstages durch Ablehnung dienstlich unent⸗ 
behrlicher Mittel mir ertheili hat, stehen zahlreiche 
Beweise des Vertrauens gegenüber, mit welchem 
das Deutsche Volk die von mix vertretene auswärtige 
Politik Seiner Majestät des Kaisers zu unterslützen 
bhereit ist. In den Kundgebungen der im Volke 
lebendigen nationalen Gesinnung finde ich die Er⸗ 
muthigung, auch bei abnehmenden Kräften auszu⸗ 
harren im Kampfe gegen die Parteien, deren Un⸗ 
herträglichkeit unter einander und deren Einmüthig⸗ 
eil im Widerstande gegen jede staatliche Leitung 
die Entwicklung des Reichs hemmen und unsere mit 
schweren Opfern von der Nation erkämpfte Eiuheit 
geführden. 
Alle Diejenigen, welche mir in der gegenwärtigen 
Phase dieses Kampfes ihr Einverständniß kundge— 
geben und ihren Beistand zugesagt haben, bitte ich 
neinen verbindlichsten Dank aͤuf diesem Wege ent⸗ 
Jegen nehmen zu wollen. 
v. Bismarck. 
— Landau, 31. Dez. Ein aus Kusel ge⸗ 
bürtiger Rekrut der 8. Komp. des hier garnisoni— 
renden 18. Inf.-Reg. entfernte sich gestern früh sechs 
Uhr ohne Erlaubniß zu haben aus der Kaserne. 
Später fand man ihn ettrunken in der Queich. 
Was den Beklagenswerthen zum Selbstmord ge— 
rieben, weiß man vorderhand noch nicht: man hört, 
es sei Furcht vor einer Strafe gewesen. (C. T.) 
Ebernburg, 29. Dez. Heute waren 
Leute aus Bingert am Lemberge, und einer der⸗ 
selben machte den Vorschlag, in einen der alten, 
längst verlassen Bergwerksschachte einzudringen. Wie 
gesagt so gethan! Als einer der Männer ein Streich⸗ 
holz entzündete, explodirten im Schacht vorhandene 
schlagende Wetter und hüllten die Leute in Feuer. 
Die Kleider derselben verbrannten, und alle vier 
deute wurden, wie das Krzu. Tgbl. erfährt, durch 
Brandwunden verletzt, zwei derselben schwer. 
—Der Verein zur Erbauung einer protestan⸗ 
ischenn Gedächtnißkirche in Speyer (xeischer— 
tirche) richtet an Se. Maj. den Konig von 
Schweden und Norwegen eine Dankadresse für die 
dort bewilligte Kirchenkollekte zum Besten des Bau⸗ 
fonds der Gedächtnißkirche. Die Adresse ist von 
dem ältesten Sohn des Herrn Konsistorialsekretärs 
Fehl in äußerst gelungener, kunstgerechter Weise 
hergestellt worden. 
— — — 
Vermischtes. 
Mest, 29. Dez. Einem heute Nacht in der 
Wechterstraße ausgebrochenen Brande ist leider ein 
Megschenleben zum Opfer gefallen. In dem Laden 
des Cigarrenhändlers Lesniareck war Feuer ausge⸗ 
zrochen, welches sich rasch den oberen Stockwerken 
mittheilte. Der Lehrling des nebenan wohnenden 
Uhrmachers Conrad, welcher im zweiten Stocschlief, 
onnte nicht mehr gerettet werden und wurde ver⸗ 
ftohlt aufgefunden. Lesniareck, welcher verdächtig 
erscheint, den Brand angelegt zu haben, wurde so⸗ 
fort in Haft genommen. 
Sit. Wendel, 30. Dez. Als gestern 
Abend die Tochter des Gutsverwallers R. von hier 
nach dem Langenfelderhofe heimkehren wollte, über⸗ 
fiel sie auf dem Wege in der Nähe des Rädelweihers 
ein junger Mensch. Derselbe trug die Kleidung 
eines Bauernburschen und eine baierische Infanterie⸗ 
mütze. Angeblich verlangte er nur unter Drohungen 
GHeir. Das Fraäulein warf ihm den Muff mit 
dem Bemerken hin, ihre Börse befinde sich darin, 
ind ergriff die Flucht. Auf die sofort seitens ihres 
Vaters erfolgte Anzeige gelang es dem Gendarmen 
M., in dem Attentäter einen beurlaubten bayerischen 
stekruten zu rekognosziren, der sich seit einigen 
Faden seinen Urlaub überschreitend, hier herumtrieb. 
deute Morgen erfolgie nach dem „Krzn. Tgbl.“ 
Line Verhaftung“?auf hiesigem Bahnhofe, als er nach 
Hharnison Laudau zurückfahren wollte. (S. u. Bl.-Z.) 
p'Von der Elz, im badischen Lande, schreibt 
nan dem „Hochb. B.“: Vergeblich ist der Kampf 
jegen die Dummheit und nicht viel größer ist der 
ẽrfolg gegen die Geschwister derselben, welche Aber⸗ 
laube, Kartenschlagen, Brauchen ꝛ⁊c. heißen. Giebl 
s doch noch Dörfer, in welchen ein großer Theil 
Zewohner, aͤuch solche, denen man in andern Dingen 
zute Urtheilsfahigkeit nicht absprechen kann, mehr 
»der weniger von dem Glauben an diese Thorheiten 
durchdrungen sind. Ueberzeugung davon kann man 
sich leicht verschaffen. — In manchen Dörfern 
unserer Gegend läutet es am Weihnachtsabend sehr 
lange Betglocke. Warum? Die Glocke ruft für Viele 
nicht zum Gebet, sondern zu einem abergläubischen 
Beschäfte. Alt und Jung eilt mit Strohbändern 
ruf den Ruf der Glocke hinaus in die Obstgärten 
mid umbindet die Bäume in Meterhöhe mit einem 
Strohband und damit glauben sie nun für das 
Hmmende Jahr reichen Obstsegen an die Bäume 
gezaubert zu haben. Natürlich muß dieser Zauber— 
ikt unbeschrieen vor sich gehen, wenn er Erfolg 
Jaben soll. Das Strohband bleibt jetzt das ganze 
Jahram Baum und ist ein warmes und sicheres Versteck 
ur eine Menge Ungeziefer, besonders der so schäd⸗ 
ichen Obstmade. So alte Gebräuche, und wenn sie 
aur Nachtheil bringen, sind schwer auszurotten. 
(Die Dummen werden nicht allel) In 
inem Dorfe am Kaiserstuhl (Hebel würde sagen: 
n Segringen) wohnt ein Bäuerlein, dessen 
duh an bedeutendem Ungeziefer leidet. Das kluge 
Bäuerlein besinnt sich auf eine Radikalkur; für 
das wurde denn sonst das Petroleum „erfunden“? 
Nein Bauerlein kauft eine Flasche Erdbl, reibt 
amit Kopf Hals und Beine der Kuh ein, ergreift 
in Streichholz und zündet die Kuh an. In einem 
lugenblick ist die Kuh von Flammen bedeckt. Von 
Schrecken und Schmerz ergriffen, reißt die Kuh von 
er Krippe los und rennt zum Stalle hinaus in's 
xreie, und das war ein Glück, denn sonst wäre 
sem BauerHaus und Hof niedergebrannt. Ein Glück 
ür die Kuh war es aber, daß verständige Nach— 
arsleute schnell zu Hilfe eilten und mit nassen 
Tüchern und feuchtem Stalldünger ihren Qualen 
in Ende machten. So wörtlich geschehen am 21. 
Dezember 1884. 
Die ba yer. Armee zählt mit Jahresschluß 
in Generalität: 1. Generalfeldzeugmeister, 11 Gene⸗ 
ale (6 Generale der Infanterie und 58 Generale 
Fer Kaballerie), 10 Generallieutenants-und 28 Ge⸗ 
ieralmajore. 
Bayreuth, 27. Dez. Am heiligen Abend 
zat in St. Georg der Schrecken über den sogen. 
Welzmärtel ein 7jähriges Kind getödtet. Zwei 
Irbeiter, Brüder, hatten sich mit unförmlichen 
dostümen vermummt und als sogenannte Pelzmärtel 
Hhaben in den Hausern erfochten. Der armen Kleinen 
iefen sie auf der Straße bis in ihr Haus nach. 
das Kind stürzte die Treppe hinauf in das Zimmer 
er Eltern, wo sich sofort zeigte, daß ihm der 
Schrecken die Sprache geraubt hatte; nach wenigen 
Stunden trat der Tod ein. Untersuchung iste ingeleitet. 
4 Das Schöffengericht zu Main; verurtheilte 
im 18. Dezember die Gebrüder R. und N. L. zu 
Mainz wegen Pfefferfälschung zu einer Strafe von 
e 14 Tagen Gefängniß und 600 Mk. 
F Frankfurt a. M., 31. Dez. Wegen 
gruch des Eheversprechens wurde ein hiesiger 
unger Mann von seiner ehemaligen Braut ver⸗ 
lagt. Der Fall kam letzten Freitag vor die Zivil— 
ammer J, wo ihm die Alternative gestellt wurde, 
ntweder zu heirathen oder eine seinen Verhältnissen 
entsprechende Buße zu zahlen. Der Angeklagte, 
der ohne Anwalt erschienen war, erklärte, er habe 
ine schreckliche Angst vor der Ehe und könne daher 
nicht heirathen; er wolle das Mädchen nicht un— 
zlücklich machen. Nach dieser Erklärung wurde er 
Zerurtheiit an das Madchen 450 Mk zu bezahlen. 
Oberlahnstein, 29. Dez. Mord und 
Selbstmord verübte vorgestern hierselbst ein 
unger Wittwer von hier, der sein Kind und sich 
zurch Cyankali vergiftete. Der Unglückselige, ein 
Zohn des vor mehreren Jahren im Taunusbahn⸗ 
yofe zu Frankfurt a. M. durch Ueberfahren ge— 
vIdieten dortigen Stationsvorstehers Todt, hatte sein 
Heschäft als Kaufmann aufgeben müssen und war 
i vder Bahmverwaltung gegen Diäten beschäftigt. 
Bie man höoͤrt, sollen bedrängte Vermögensverhält 
risse den Anlaß zu der verzweifelten That gegeben 
ben. 
(Gluge Stadtväter.) Nachdem die 
Budgetkommission der Stadt Lüttich beschlossen hat, 
die Flügel und Pianinos — als Luxusgegenstand 
— mit einer Steuer zu belegen, wird jetzt in den 
16,000 Häusern der Stadt die Zahl dieser Instru⸗ 
nente genau festgestellt. Hoffentlich hilft diese anti— 
nusikalische Steuer den geplagten Lüttichern zur 
Linderung der furchtbaren Klavierpest. 
Das grökte Dorf Deutschlands, Linden 
bei Hannover, mit seinen 82,000 Einwohnern wird 
als Dorf mit dem 1. April d. J. verschwinden 
und als Stadt auf der Bildfläche erscheinen. Die 
Henehmigung zu dieser Umwandlung ist dieser Tage 
von Berlin eingetroffen. 
Gie Poesie der Wolle.) Der Er⸗ 
inder der Schafwolle, Professor Jäger, berichtet 
oeben über die Vortragsreisen, die ihn im November 
durch verschiedene Theile Deutschlands und auch 
nach Troppau geführt haben. Diese Reisen galten 
veniger der Propaganda für die „deutsche National— 
racht“ als der Vornahme von „Weinproben“. 
Dies ist nämlich der von Herrn Jäger gewählte 
Titel der Versuche, die er mit seinen „Anthropin- 
dügelchen“, den bekannten delicaten Haarduft-Prä— 
paraten, angestellt, um Getränke, Speisen und 
hesonders auch starken Tabak zu „humanisiren“, d. h. 
„dem Menschen angenehmer zu machen.“ Professor 
Fäger berichtet eingehend über die Triumphe, die 
er gefeiert, und wie sich vor allem in Stettin die 
Ldeule um den mit Haarduft versetzten Wein rissen. 
Ganz außerordentlich sei auch die Aufnahme gewesen. 
die er in der Gemeinde der „Ganzwollenen“ und 
der „Unterjäger“ von Dresden gefunden. „Bei 
meinem Eintritt begrüßte mich ein Hoch und das 
Töchtercheu eines Vereinsmitgliedes übereichte mir 
mit einem Blumenstrauß nachfolgendes Gedicht“ 
Nimm freundlich Dank, Professor Jäger, 
Du großer Mann, Du Weltbeweger! 
Warum ich diesen Dank Dir zelle? 
Wiss', daß ich freue mich der Wolle, 
Und daß mir Wolle in der Nacht 
Vorzüglich guten Schlaf gebracht. 
War doch in früh'rer Leinenzeit 
Mein Schlaf der Eltern Herzeleid, 
Denn malt und bleich stand alle Morgen 
Ich auf, zu meiner Eltern Sorgen. 
D'rum bring' ich auch aus Eltern Mund 
Dir Dank von ihres Herzens Grund 
Für mich und sich, denn auch sie haben 
Das Leinenzeug schon längst begraben, 
Und jeden Tag hör' ich ein Lied 
Von Dir und Deiner Lehre Güt'. 
p(Räthsel) Ein Verliner und ein Leipziger 
aßen zusammen in einem Eisenbahn⸗Coupéb Um 
ich die Zeit zu vertreiben, schlug der Bewohner 
der Kaiserstadt dem Kleinpariser vor, sie wollten 
ich gegenseitig Räthsel aufgeben. Letzterer war ein⸗ 
erstanden und der Berliner begann mit der Frage: 
„Was ist das? Das Erste läuft, das Zweite läuft 
ind das Ganze läuft?“ — Der Sachse gibt sich 
hiel Mühe, kann aber trotzdem nicht die Auflösung 
ziuden. Der Berliner muß sie ihm endlich doch 
agen: „Katzbach!“ — „Ei Härrjeses'“ ruft der 
Sächser, „das is Sie ä sehr scheenes Räthsel, aber 
ehr schwer: meines is leichter, Sie werden's wohl 
Jleich rathen. Bei mir läuft nämlich das Erste 
uͤnd das Zweite läuft auch, aber das Dritte läuft 
nich. Was ist das?“ — Der pfiffige Berliner 
sann das auch nicht errathen. Na das is aber 
tinderleicht!“ tuft der Leipziger. „Das sind nämlich 
neine drei Kinder, die beeden Ersten loofen, das 
Dritte aber kann noch nich loofen!“ 
4 Retourbillets auf den Eisenbahnen 
dürfen nach einem Erlaß der Eisenbahn⸗Verwaltungen 
nur von den Personen benutzt werden, welche sie 
Jelöst haben. Das Berliner Kammergericht hatte 
ch nun mit der Frage zu beschäftigen, ob dieser 
Frlaß rechtsgiltig ist oder nicht. Der auf der An⸗ 
halter Bahn angestellt gewesene Schaffner Schölzke 
war gegen Beihilfe zum Betruge angeklagt gewesen, 
weil er ihm von Fahrgästen überwiesene Retour⸗ 
hillets, die zur Rückfahrt von diesen nicht benutzt 
verden konnten, an den Hotelportier Hingst in 
Halle zur Veräußerung an die Reisenden gegeben 
jatte. Dies war zur Kenntniß der Behörde ge⸗ 
iommen. Der Angeklagte war deßhalb vom Schöffen⸗ 
gericht zu 6 Wochen Gefängniß verurtheilt worden 
ind das Landgericht hatte die dagegen eingelegte 
Berufung verworfen. In der Berufsverhandlung 
sor dem Kammergericht führte der Vertheidiget 
stechtsanwalt Dr. E. Friedemann aus, daß er 
Aloßer Erlaß der Bahnverwaltungen dem gekaufte