Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Frankenthal, 10. Aug. Das Kartoffel⸗ 
geschaft hat einen ziemlich lebhaften Anfang ge— 
Hnmen. In der vergangenen Woche sind von 
rerschiedenen hiesigen Firmen bereits 12 Eisenbahn⸗ 
dagen mit Kartoffeln verladen und zum Versandt 
rbracht worden. Auch der Zwiebelbersandt hat 
onnen und wurden in der letzten Woche 2Eisen⸗ 
senwagen hier verladen. 
—— 
Vermischtes. 
— Die Stadt Mannheim wird, wie die „N. 
ged. Losztg.“ mittheilt, zur Bezahlung von Schul⸗ 
hauten, fuͤr die projektirte Wasserleitung sowie be— 
—P vermehrter Rückzahlung ihrer Schuld an den 
feichbinpalidenfonds eine Aaleihe von mindestens 
Millionen Mark aufzunehmen haben. 
xMünchen, 6. August. Vor einigen Tagen 
am in die Poliklinik ein junges Mädchen, dem das 
rechte Ohr zur Hälfte — abgebissen war. Wie 
die Schöne auf Befragen nach einigem Zogern ge⸗ 
dand, hat sie in einem aus Eifersucht entstandenen 
zireite mit einem anderen Frauenzimmer diese Ver⸗ 
ehzung a la Malchus davongetragen. 
FMünchen, 9. August. Der dvritte deutsche 
Neteorologentag eroffnete heute unter dem Vorsitz 
xes Direktors der deutschen Sternwarte, Professor Dr. 
leumayer, seine geschäftliche Sitzung zur Berathung 
her die Verschmelzung der oͤsterreichischen und 
eutschen meteorologischen Gesellschaft; der Beschluß 
vurde vertagt. — Eine soeben vom siatistischen 
hureau in München veröffentlichte Zusammenstellung 
jbet die Zwangsverkäufe des Grundbesißzes inner- 
jalb des bayerischen Gebietes zeigt die erfreuliche 
hatsache eines beständigen Rückganges in dem Zeit⸗ 
raume von 1880 — 1884. Während im Jahre 
1800 noch 3739 Anwesen zwangsweise veräußerf 
wurden, gelangten im Jahre 1884 nur 1506 zur 
bersteigerung. Es wäre zu wünschen, bemerkt dazu 
die „K. Ztg.“, daß auch in den übrigen deutschen 
binzelstaaten ähnliche Zusammenstellungen gemacht 
und verbffentlicht würden. Man würde dann ein 
wirklich richtgges Bild von der gegenwärtigen Lage 
det deutschen Landwirthschaft erhalten. 
t Der bekannte Quellenfinder, Herr Jofeph 
zeraz von München, wird auf Verlangen mehrerer 
demeinden und Privatleute um die Mitte dieses 
Nonats in der Pfalz eintreffen und können Zu⸗ 
chriften wasserbedürftiger Bewerber bei Herrn F. 
Müller in Eisenberg hinterlegt werden. Aus 
einen nach Hunderten zählenden Erfolgen hat eine 
in Jahre 1881 unternommene Quellenerforschung 
mder Nähe von Meran in Südtyrol besonders 
lussehen erregt. Herr Beraz wurde damals von 
der Gemeindeverwaltung Algund bei Meran ersucht, 
dem bestehenden Wassermangel nach Möoglichkeii ab⸗ 
uühelfen. Am 19. November nach zweistündigem 
kundgange bezeichnete er auf einer kahien Felsplatte 
inen Platz, auf welchem sich eine unterirdische 
duelle mit einer Breitendimension von 12 Fuß be⸗ 
iden müsse, die in einer Tiefe von ca. 95 Fuß 
wder Richtung von Norden nach Süden im Felsen 
Aladenartig heruntersprudeln würde. Es wurde 
n Tunnel in den Betg gesprengt, welcher bei einer 
Ange von 472 Fuß mit der von Beraz bestimmten 
duelle hätte zusammentreffen müssen. Am 13. 
Hember wurde mit den Arbeilen begonnen und 
ulz der Tunnel die Länge von 469 Fuß erreicht 
sutte, brach am 26. September des folgenden Jahres 
dit einem Dynamitschuß plötzlich die Felswand 
X und das bezeichnete Bachlein stürzte kaskaden 
i in Form eines kleinen Wasserfalles aus dem 
dtooße des Berges hervor. Die Quelle speist 
hute 830 laufende Brunnen. Die Arbeiten des 
Arrn Beraz in der Pfalz werden zweifellos seinen 
währten Ruf bestätigen. 
„k Wasserburg, 8. August. Die am letzten 
—XC Nachmittag, wie gemeldet, zwischen 4 
ud s Uhr dahier entstandene Feuersbrunst hat in 
n malerisch gelegenen Stadt arge Verheerungen 
erchtet und biete Famiten ins Ungag gedracht. 
di Entstehungsherd war im Osten der Stadt in 
un fdt Baustadel, und als Entstehungsursache 
and vermuthel deß Fohlassigten e n * 
tter Schuid sei. Die Flamme derzehrte nicht 
Wz den Baustadel, sondern auch ein gegenüber— 
egendes alles Bauwerk, die als Lagerräͤume ver⸗ 
letheten sogenannten Salzhoräden, wo die Flamm⸗ 
diel Nahrungsstoff fand. Vom Ostwind gegen die 
Stadt gejagt, flog das Feuer mit Windesschnellig⸗ 
leit in die Bäckerzelte, wo außer zweilgroßen Brau⸗ 
häufern eine Menge kleinere und größere Wohnhäuser, 
alle mit Schindeln gedeckt, bis auf den Grund 
niederbrannten. Ein Gang durch die verwüsteten 
Bassen macht einen grauenhaften Eindruck. Bei 
dreißig Anwesen mit ca. 40 Firsten liegen in 
Asche und merkwürdig, der Brand begann an der⸗ 
selben Stelle, wo jener vom Jahre 1874 inne 
dielt. Die Betroffenen sind gering versichert. Die 
Wasserburger und die fremden Feuerwehren leisteten 
zanz Erstaunliches. Das Kriegsministerium schickte 
auf telegraphisches Ansuchen 30 Mann Infanterie, 
welche seit Freitag Nachmittag auf der Brandstätte 
arbeiten. Ein Menschenleben hat der Brand nicht 
gekostet, auch ist trotz der vielen Einstürze und der 
Befährlichkeit der Löscharbeit kein Unfall zu beklagen. 
f Eisenach, 8. August. Am 6. September 
vird, dem „Hann. Cour.“ zufolge, hier ein großes 
Stenographenfest von den Stolzeanern Mitteldeutsch 
ands abgehalten werden. Die Festversammlung 
vird im Saale der „Erholung“ stattfinden und ein 
Ausflug in die reizvolle Umgegend unserer Stadt 
ich anschließen. Die Leitung des Festes, zu wel⸗ 
hem die zahlreiche Betheiligung der Freunde der 
Stolze'schen Sache erbeten und erhofft wird, hat 
der Präsident des Mitteldeutschen Stenographen⸗ 
bundes, Redakteur Schöppe in Naumburg a. d. S 
ibernommen. 
f Der „Pester Lloyd“ fügt einer Plauderei über 
darlsbader Badeverhältnisse einen Epilog über 
Schwenninger und dessen erste Begegnung 
mit dem Reichskanzler an. Der Gewährs— 
mann des ungarischen Blattes schreibt: „Interes⸗ 
ant ist, was mir ein Mann, in dessen Urtheil ich 
zroßes Vertrauen setze und der den Reichsdoktor? 
jehr genau kennt, über die Persönlichkeit des Letz 
teren sagte. Er schildert denselben als einen Mann 
von ungemein schroffen Manieren und einer oft 
an Impertinenz grenzenden Derbheit, aber als 
iberaus intelligenten Arzt, der seine ganze medi⸗ 
zinische Kunst auf den gesunden Menschenberstand, 
auf die Gesetze der Logik bassiert. „Was er mii 
dem Kranken spricht, ist eingentlich nur ein lautes 
Denken; er fragt zuerst nach allen möglichen De— 
ails, faßt dann das Gehörte in ein logisch geord⸗ 
netes Ganze zusammen, zieht daraus seine Schlüsse 
und das alles geschieht in so einfacher, auch dem 
daien verständlicher und einleuchtender Weise, daß 
man sich wundert, wie der eigene Arzt nicht längft 
auf Alles dies gekommen sei.“. Höchst originell 
war, wie mir erzählt wird, die erste Zusammen⸗ 
sunft Schwenningers mit dem Fürsten Bismarck. 
Ich weiß nicht, wie der Fürst überhaupt auf den 
Bedanken kam, Dr. Schwenninger zu konsultieren 
jenug an dem, er ließ denselben rufen. Dr. 
Schwenninger Nließ sich vom Reichskanzler dessen 
Leidensgeschichte erzählen. Als, der Fürst fertig 
war, begann Schwenninger zu fragen, Bismard 
antwortete anfangs bereitwillig, aber als das Fragen 
jar kein Ende nahm, stieg der Unmuth des Ge⸗ 
ragten von Sekunde zu Sekunde und machte 'sich 
ndlich in der barschen „Anschnauzung“ Luft: 
„Fragen Sie nicht so piel!“ Dr. Schwenninger, 
miwortete in festem, nichts weniger als debotem 
Tone: „Wie es Ihnen beliebt, Durchlaucht, aber 
venn sie kuriert sein wollen, ohne gefragt. zu 
verden, dann sollten Sie einen Vieharzt kommen 
lassen; der kuriert, ohne zu fragen.“ Der Fürst 
war sprachlos vor Entsetzen über diese Frechheit, 
er schleuderte dem Münchener Doktor einen ver— 
aichtenden Blick zu, vor welchem dieser jedoch 
hurchaus nicht zu erschrecken schien. Es trat eine 
iemlich lange Pause ein, dann sagte der Fürst in 
tuhigem Tone: „Wenn es denn sein muß, so 
ragen Sie in Gottes Namen weiter, aber ich er— 
warte dann, auch von Ihnen, daß Sie als Arzt 
ebenso großartiges leisten werden, wie als Gro— 
bian“ . .. Nach dem einhelligen Zeugnisse der 
Familie Bismarck soll Dr. Schwenninger diese Er— 
vartung des Fürsten in der That gerechtfertigt 
en Vu 
f Eine furchtbare Kur hat der Oberstlieut. 
». S. in B. aushalten müssen. Derselbe war im 
Frühjahr bei Eisesglätte gefallen und hatte sich 
zas Bein gebrochen. Dasselbe war schlecht geheilt 
ind wurde daher die Wundstelle wiederhergestellt, 
und die gebrochenen Knochentheile bier Tage und 
zier Nächte in der richtigen Lage durch zwei 
Wärter mäßig aneinander gerieben, so daß auf 
diese Weise eine künstliche Entzundung herbeige 
ührt wurde. Infolge dessen nahm der Heilungs- 
drozeß einen normalen Verlauf. 
FGer Romanseiner Fürstin) Man 
chreibt aus Wien: Es war im Jahre 1878, zurzeit 
)er großen Weltausstellung, als in einem der erfien 
hotels in Wien die russische Fürstin Tomassoff ihr 
Quartier aufschlug. Die Russin entwickelte eine 
Jeradezu märchenhafte Verschwendung. In ihren 
luxuriösen Appartements folgte Fesi auf Fest, die 
klite der Wiener Lebewelt war mehrere male in 
der Woche stets vollzählig dort versammelt. Jene 
ikanten AbendUnterhaltungen sollen so ziemlich 
das Höchste“ geboten haben, was an „Pikanterie“ 
iberhaupt geleistet werden kann. Die überaus 
eichtsinnige Fürstin war damals von entzückender 
Schönheit und ihre Koketterie hatte einige blutige 
Duelle verschuldet. Der Aufenthalt der Fürstin, 
der ursprünglich nur für zwei Wochen fixirt worden, 
dehnte sich immer länger aus, die an Wahnsinn 
grenzende Verschwendung nahm kein Ende. Da 
plötzlich erschien eines morgens ein älterer Herr 
unangemeldet in den Gemächern der Fürftin. Diese 
ließ einen Schrei aus, als sie des Alten ansichtig 
vurde, warf sich vor ihm auf die Knie und rief 
„Verzeihung, mein Gemahl, Verzeihung.“ — Es 
folgte eine furchtbar erregte Szene, und wie die 
horchenden Stubenmädchen versicherten, wurde die 
schöne Fürstin von ihrem Gemahl tüchtig durchge 
prügelt. Die Hotelrechnung wurde am selben Tage 
beglichen, die Fürstin erhielt von ihrem Gemahl 
eine gröäßere Summe und wurde — zur Thüre 
hinausgejagt. — Die schöne Fürstin hatte das Geld 
nur zu bald durchgebracht und sank nun immer 
tiefer und tiefer. Unter verschiedenen Namen trat 
ie in Vergnügungslokalen als Sängerin und Tänzerin 
nuf. — — — — Seit wenigen“ Tagennun 
roduzirt sich auf einem Felde außerhalb von Wahring 
ꝛine Akrobaten⸗Gesellschaft. Der Stern der Truppe 
st „Miß Alice“;- welche als „Solotänzerin“ 
engagirt ist. Wer würrde wohl vermuthen, daß 
ich hinter diesem Pseudonym die hochgeborene und 
'o tief gesunkene Fürstin Tomassoff verbirgt. Die⸗ 
elbe erzaͤhlt nach Schluß der Vorstellung, wenn sie 
hre kleine Tagesgage. in Empfang genommen, 
hmunzelnd im Wirthshause den siaunenden Zu⸗ 
sörern von ihrem glänzenden Leben bis zum Jahre 
1873. Sollten sich unter diesen aber Unglaubige 
efinden, so produzirt die Taänzerin mit größter 
Seelenruhe ihre Dokumente, welche die Wahrheit 
hrer Angaben unzweifelhaft beweifen. 
f Warschau 7 August.“ Die Kreis⸗ und 
Fabrikstadt Kineschma, (Gouvernement Kostroma) 
st der „Voss. Ztg.“ zufolge vollstandig niederge⸗ 
rannt. Der Schaden wird auf mehrere Millionen 
Rubel geschätzt. — 
f. Aus Patis wird der „Fr. Zig.“ ge⸗ 
chrieben: Bezugnehmend auf die augemeine Klage, 
daß der Fremdenverkehr hier sehr abgenommen habe, 
bemerkt der, Voltaire“ ganz richtig man duürf⸗ sich 
darüber nicht wundern, wenn man bedenke, wie 
die Fremden ausgebeutet würden. Der Droschken⸗ 
kutscher lasse sich, wenn er einen Unerfahrenen 
wittere, eine Fahrtemit 8 Fr. statt 1ise und eine 
Stunde mit 5 statt mit 2 Fr. bezahlen. Noch 
chlimmer trieben es die feinen Restaurants. Eines 
herselben habe gestern einem jungen Engländer, 
welcher mit einem Freunde speiste, folgende Rech— 
uung gemacht: 2 Kouverts 2 Fr., 1Flasche Medoc 
ö Fr., 2 Suppen 6 Fr., 2 Portionen Fisch 8 Fr., 
2 mal Rostbeaf 6 Fri2 Portionen gruůne Bohnen 
1Fr., Dessert 5 Fr., 2 Kaffee's 1Ft., 2 Cognac 
2 Fr. 50, 2 Cigarren 2 Fre, zusammen 422 Fr. 
Der Berichterstatter des „Voltaire“ bemerkt, e habe 
darauf als Einheimischet in dem Jleichen Restau⸗ 
rant für ein gleiches Essen 17 Fr. bezaylt. Es 
muß indes bemerkt werden, daß derartige Prellerei 
nur in den feinen Gasthäusern moͤglich ist, da in 
den gewöhnlicheren die Preife auf den Sveisekarten 
demerkt sind 
Ein Roman in Briefaufschriften. 
Im Londonec Gerichtshof, wo die Breach of Pro— 
mnise (Eheversprechen) verhandelt werden, kommen 
eht oft die Liebesbriefe zur Vorlesung, natürlich 
tets zum größten Gaudium des Publikums. Vor 
einigen Tagen hatte eine Miß Ella Arden gegen 
einen noblen Lord geklagt, die Briefe schienen sehr 
kompromittirend zu sein — d. h. für beide Par⸗ 
eien, denn das Fräulein hatte sie zwar ihrem Ver⸗ 
heidiger zur Einfichtnahme gegeben, wollte ghe—