Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des konigl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
da „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wdchentlich fünfmalr: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sounntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
gieu und Sonntagt mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljahrlich 1 M 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.A 75 4, einichließli d 
34 gullellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr far die Agespaltene Sarmondzeile oder deren Raum betragt bei Inseraten aus der Pfalz 10 ⸗, bei außerpfaltischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 4. Neclamen 80 . Bei 4maliger Einruckuns wird nur dreimalige berechnet. 
2 162. 
Volitische Uebersicht. 
2Graf Kalnoky, der österreichische Mi⸗ 
nsfer des Auswärtigen, ist erst am Sonntag Abend 
hon Varzin wieder in Berlin eingetroffen, von wo 
ohne irgend einer offiziellen Persönlichkeit einen 
hesuch abzustatten, sich nach dreistündigem Aufent⸗ 
halte direkt nach Wien zurücbegab. Graf Kolnoky 
at demnach vier Tage auf dem pommer'schen 
zandguie des Fürsten Bismard zugebracht und 
Feser lange Besuch läßt darauf schließen, daß die 
giagen, welche den österreichischen Minister nach 
darzin geführt haben, zwischen ihm und dem lei— 
enden Staatsmann des deutschen Reiches sehr ein⸗ 
—V—— 
hu die Frage, welche Stellung Oesterreich⸗Ungarn 
den deutschen Getreidezöllen gegenüber einnehmen 
wird, den Hauptgegenstand der Verhandlungen ge⸗ 
tildet. Das innige politische Verhältniß, in welchem 
die oͤsterreichisch ⸗ ungarische Monarchie zu Deutsch⸗ 
land steht, hat schon längst den Gedanken nahe 
gelegt, beide Reiche auch in handelspolitischer Be⸗ 
sehung einander zu nähern und zumal jenseits der 
hwarzgelben Grenzpfähle hat man ganz ernstlich 
ein deutschedsterreichisches Zollbundniß vorgeschlagen; 
sreilich konnte man hierbei namentlich in ungarischen 
Blättern der versteckten Drohung begegnen, daß 
wenn Deutschland hierauf nicht eingehe, Oesterreich 
Ungarn den Zollkrieg gegen seinen politischen Ver⸗ 
bündeten proklamiren werde. Der Gedanke, das 
rein politische Bundniß zwischen Deutschland und 
Desterreich auch möglichst auf das Gebiet der Zoll⸗ 
und Handespolitik auszudehnen, hat allerdings 
manches für sich, anderseits stehen denn aber auch 
chwerwiegende Bedenken entgegen, die besonders in 
dem verschiedenen Zolle und Steuersystem beider 
Staalen wurzeln. Jedenfalls hat der Besuch des 
bsterreichischen Staatsmannes beim deutschen Reichs⸗ 
anzler den Hauptzweck gehabt, eine Einigung 
wischen den beiden Reichen auch in handelspoli⸗ 
ischer Beziehung anzubahnen und man kann nur 
soffen, daß jetzt in Varzin wenigstens der Anfang 
uu dieser Verständigung erreicht worden ˖ist. Im 
heiteren wird natuüͤrlich die gegenwärtige Gesammt⸗ 
age der europäischen Politik unter spezieller Bezug⸗ 
nahme auf die bevorstehende Monarchenbegegnung 
in Kremsier bei den Varziner Minifierkonferenzen 
mit zur Erdrterung gelangi sein; was aber hierbei 
die beiden Staatsmänner mit einander vereinbart 
aben mögen, muß vorläufig in das Gebiet müßiger 
kombinatsonen verwiesen werden 
*In Oesterreich richten sich die Blicke 
nehr und mehr auf die bevorstehende Begegnung 
wischen dem österreichischen und russischen Herrscher 
n Kremsier, durch welche das mährische Land—⸗ 
düdtchen, gleich Gastein, einen historischen Ramen 
thalten wird. Nachdem die Angaben über die 
Zeit der Zusammenkunft lange geschwankt, scheint 
un doch festzustehen, daß diefelbe am 24. August 
tcfolgt, so daß die ursprüngiichen Meldungen der 
Wiener Blatter hierüber ihre Bestätigung finden 
vürden. In Kremsier selbsi sind bereits alle Vor⸗ 
reitungen zu einem wuͤrdigen Empfange der beiden 
daiserpaare getroffen, ebenso haben alle Beamten auf 
en österreichischen Eisenbahnstationen, welche die 
ussis hen Majestaäten passiren werden, die ftriltesten 
berhaitungemaßregeln erbalten. Kaiser Franz 
— 
Donnerstag, 20. August 1888. — 
20. Jahrg. 
Stunden vor den russischen Gasten in Kremsier 
erwartet. 
Berlin, 18. August. Die konservative Partei 
erläßt einen Rechenschaftsbericht über ihre Thätig- 
keit im Abgeordnetenhause; sie fieht mit Vertrauen 
in die Zukunft und erklärt zum Schluß sich be⸗ 
rufen und bereit, neben der Pflege der religibsen 
Büter die nationale, soziale und wirthschaftliche 
Wohlfahrt des Staates ohne Rücksicht auf Sonder⸗ 
interefsen weiter fordern zu helfen. 
Berlin, 18. August. Heute Vormitiag hielt 
die sechnische, Nachmittags die Tarifkommission der 
internationalen Telegraphenkonferenz eine laängere 
Sitzung. Die durch mehrere Zeitungen gehende 
Rachricht, daß die Vorschläge Deutschlands aus⸗ 
ichtslos seien, entspricht der Sachlage nicht. 
Berlin, 19. August. Man nimmt an, daß 
der Reichskanzler mit dem Ergebniß der mit dem 
Brafen Kalnoky gepflogenen Verhandlungen zufrieden 
ist. Der Kanzler wird Varzin vorläufig nicht ver⸗ 
laffen, was als Beweis dafür gilt, daß die allge⸗ 
neine politische Situation in der Bahn bisheriger 
normaler Entwickelung verharren dürfte. 
Wies baden, 18. August. Bei der gestrigen 
Keichsstagswahl im ersten Nassauischen Wahl⸗ 
reise (Homburg) wurde der deutschfreisinnige Kan⸗ 
»idat Körner mit zirka 7000 Stimmen gewählt, 
irka 3800 Stimmen fielen auf den Sozialdemo— 
raten Fleischmann. 
Der Pariser „Intransigeant“, das Brandorgan 
Kocheforts, erhebt seit mehreren Tagen ein maßloses 
Rachegeschrei gegen England wegen der „Er mor de 
ung Olivser Pains.“ Nachdem das Blatt 
zedroht hat, dem Prinzen v. Wales, wenn er 
wieder nach Paris komme, das Schicksal Olivier 
HZains zu bereiten (), wüthet es förmlich in seiner 
jeuesten Nummer gegen die „Mörder“ Pains. 
„Ganz Frankreich“, heißt es, „muß sich erheben 
und die Mörder zur großartigsten Genugthuung 
zwingen. Sollte das Ministerium Brisson sich zu⸗ 
fallig weigern, sie zu verlangen, dann sagen wir 
hm im Voraus, daß wir selbst sie uns verschaffen 
werden. () Wir können unmöglich von so nieder⸗ 
trächtigen Wesen, wie die Wolseley, Wood und 
zitschner, Zahlung für ihre Missethat fordern. 
Diese Elenden würden sich auf die erste Nachrich 
bon der Ankunft eines Franzosen, der sie suchte, 
um ihnen ins Gesicht zu speien, wie Kaninchen 
in ihre Löcher verkriechen. Aber sie find durch 
einen der Ihrigen vertreten, den Botschafter Lyons, 
dessen Hotel der Sitz der englischen Regierung in 
Paris ist. Von diesem Bevollmächtigten der Bande 
wverden wir Rechenschaft für das Verbrechen ver⸗ 
langen, welches von Denen begangen worden ist,. 
die ihn zu uns geschidt haben. Von heute an ist 
er unsere Geisel! er möge es nur wissen! Seine 
alte Haut ist das Pfand der Genugthuung, die 
nan uns schuldet und die wir nicht fahren lassen 
verden, bis solche uns in ihrem vollen Umfange 
ertheilt worden ist.“ Diese Ausfälle gegen Eng⸗ 
and machen in Paris großes Aufsehen. Viele 
ẽngländer schreiben sich auf der englischen Botschaft 
ein, welche von Polizeibeamten bewacht wird. 
Lokale und vfaszische Nacrichten. 
h St. Ingbert, 20. August. Dieser 
Tage feierte dahier der kalh. Stadipfarrer und 
Distriltsschulinspeltor Herr Dengel sein 
ßojähriges Priesterjubiläum. Sämmt⸗ 
liche noch lebende Kollegen desselben, die mit ihm 
bor 30 Jahren die Priesterweihe empfingen, hattien 
fich hier zur gemeinsamen Feier dieses Tages 
hereinigt. 
*St. Ingbert, 20. August. Bei der am 
Diensftag in Schnappach vorgenommenen 
Wahl eines Wahlmannes fur die heute stattfindende 
dandtags ⸗Abgeordnetenwahl wurde der kgl. Oberein⸗ 
jahrer Herr Hittenkofer gewählt. 
* Die Pfaälzisschen Eisenbahnen hatten 
in den 7 verflossenen Monaten des lauf. Jahres 
zegenüber dem gleichen Zeitraume im Vorjahre eine 
Mehr-Einnahme von 371,855 Mart 50 Ppf. 
*— Am naͤchsten Sonntag den 283. d. Mis. 
wird zu denselben Zeiten und unter den gleichen 
Bedingungen, wie am 9. d. Mis. ein Extra⸗Ver⸗ 
mmügungszug von Saarbrücken nach Binger⸗ 
brück abgelassen. Der Zug fährt um 5 Uhr 25 
Min. fruh von Saarbrüden ab, hält an allen 
zroͤßeren Stationen an und trifft um 9 Uhr 10 
Min. in Bingerbrück ein. Die Rückfahrt wird um 
7 Uhr 10 Min. Abends angetreten. Ankunft in 
Saarbrücken um 11 Uhr 8 Min. Abends. Die 
Spezialfahrzeiten dieses Zuges koönnen an den 
Stationen eingesehen werden. Der Fahrpreis be⸗ 
rägt für alle Theilnehmer dieses Zuges den Be⸗ 
rag des einfachen Billets für Hin⸗ und Rückfahrt. 
Die Anmeldungen müssen bis Freitag den 21. d. 
Mts. erfolgt und der Betrag der zu lĩösenden Bil⸗ 
lets bei den betreffenden Expeditionen deponirt sein. 
— Mit dem 185. Sepiember d. J. verfallen 
die im Jahre 1874 zur Ausgabe gelangten Reichs⸗ 
lassenscheine von 100 Mt. 
— Kaiserslautern, 18. August. As 
datß an Se. Maj. den Koͤnig gelegentlich des Fest⸗ 
hanketis am Sängerfeste abgesandie Huldigungsb⸗ 
zelegramm ist nachstehende Antwort »ingelaufen 
Hinsichtlich des Vorgehens der deutschen Re⸗ 
gzierung in Betreff der Karolinen⸗Inseln 
wird jetzt mitgetheilt, daß eine förmliche Besitzer⸗ 
zreifung noch nicht stattgefunden. die Regierung 
dielmehr nur eine bezügliche Erllärung an die 
Mächte gerichtet habe. Gegen diese Erklärung be⸗ 
ibsichtigt die spanische Regierung Einspruch zu er 
heben und den Nachmeis zu liefern, daß diest 
Inseln seit ihrer Entdeckung im Jahre 1643 steis 
zu Spanien gehörten und der Besizz ein effektiver 
zewesen sei, da im Budget ds. Is. vom 29. Juli 
die Administration des Territoriums mit einer 
Jewissen Summe dotirt sei. Ein Seeoffizier ver⸗ 
walte von der Insel Yap aus unter dem Ober— 
hefehle des General ⸗Gouverneurs der Philippinen 
die Karolinengruppe und den Palaos-Archipel, 
welche von Zeit zu Zeit von den Kriegsschiffen 
San Quintin“ und „Manila“ besucht werden. 
diese Ansprüche zu begründen- ist nun Sache der 
panischen Regierung und deshalb ist ihr ja wohl 
die „Erklärung“ Deutschlands zugegangen. 
— D.eutsches Reich. d 
— — — 
XEWEVV 
zung des Denkmals Wilhelm J. fand 
jeute früh in Anwesenheit Kaiser Wilhelms stan. 
5. Majestät erschien nach Aufstellung der Truppen 
zju Fuß und gab, vor dem Denkmale stehend, das 
Zeichen, auf welches die Hülle fies. Die Truppen 
alutierien und nach dreimaligem Hurrah erfolgt⸗ 
inter dem Donner der Geschütze der Parademarsch 
Die Feier war eine rein militärische