Aunlliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingberte
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M 1609. —
Sonntag, 30. August 18885. 20 Jahrg.
»Deutschland und Spanien.
herrscher des Czarenreiches angestellt worden sind
und noch angestellt werden, herrscht die Ueberzeug⸗
ung vor, daß diesen Ereignissen eine hochwichtige,
für den Weltfrieden günstige Bedeutung innewohni
und in der That dokumentirt der Besuch, welchen
der Czar, umgeben von den hervorragendsten Mit⸗
zliedern der russischen Kaiserfamilie und den ersten
Würdenträgern seines Reiches, dem österreichischen
daiser abgestattet hat, abermals die Annäherung
Rußlands an den deuisch⸗österreichischen Friedens-
hund. Es hat allerdings nicht an Stimmen ge⸗
jehlt, welche in der Entrevue von Kremfier eine
gegen Deutschland gerichtete Kundgebung erblicken
wollten und machten dieselben für diese Behauptung
besonders den Umstand geltend, daß der deutsche
Kaiser der Zusammenkunft zwischen Kaiser Franj
Josef und Kaiser Alexander nicht beigewohnt habe.
Ueberflüssig ist es indessen, einer solchen Anschauung
noch besonders entgegentreten zu wollen und muͤ
Recht betont das offiziöse, Journal de St. Peters⸗
zurg“ am Schlusse eines der Kaiserbegegnung von
sremsier gewidmeten Artikels, daß die Äbwesenheit
des Kaisers Wilhelm und des Fürsten Bismarck bei
derselben keinerlei Abschwächung in den herzlichen
Beziehungen bederten, welche in so glücklicher Weise
wischen Deutschland und den beiden anderen Kaiser⸗
reichen bestehen. — Was im Uebrigen die Einzel⸗
heiten der Kaisertage in Kremfier anbelangt, so
ttimmen alle Telegramme und Schilderungen von
dort darin überein, daß das fürstliche Rendez⸗vous
in Kremsier ein überaus glänzendes und farben⸗
reiches Bild darbot; ebenso bekunden alle Berichte
uͤbereinstimmend der herzlichen Verkehr zwischen dem
ysterreichischen Kaiserpaar und seinen ruüussischen
Hästen. Eine besondere Auszeichnug erfuhr der
cussische Thronfolger von Kaiser Franz Josef da⸗
durch, daß jener zum Inhaber eines ößserreichischen
Ulanenregimentes ernannt wurde. Am Mittwoch
unternahmen die beiden Kaiser, Kronprinz Rudolf
und Großfürst Wladimir eine Jagd im Fürstenwald
bei Kremsier; während dieser Zeit hatten Graf
alnoky und der rnssische Minister v. Giers eine
ängere Unterredung. Am Mittwoch Abend reisten
die russischen Gäste nach Gmunden weiter.
Berlin, 28. August. Die Karolinen⸗Affaire
zeigt heute entschieden ein beruhigteres Aussehen.
Das Madrider Kabinet schlagt einen versöhnlichen
Ton an, um so mehr, als es gewichtige Gründe
hat, der Oppositionscliaque kräftig entgegen zu treten
Ausland.
Paris, 27. August. Gestern hat hier im
Rivoli⸗Saale das von Henri Rochefort einbe—
rufene Meeting stattgefunden, in welchem ein Pro—
test gegen „die Ermordung“ Olivier Pain's
durch die Engländer beschlossen werden sollte. Der
Andrang des Publikums war so groß, daß nicht
einmal Rochefort in den Saal dringen konnte und
sich darauf beschränken mußte, einige Worte auf
der Straße zu sprechen. Die Manifestanten be—
gnügten sich aber nicht damit, gegen die englische
Regierung zu protestiren, sondern drückten auch der
französischen Regierung ihr Mißfallen aus Kund
nahmen eine Resolution an, durch welche die Ir—
länder in ihrem Widerstande gegen Englaud er⸗
nuthigt werden sollen.
MNan muß wirklich die Befürchtung aussprechen,
aß der Ausbruch eines ernsten Zerwürfnisses zwi⸗
chen Deutschland und Spanien wegen des Streites
im die Karolinen⸗eInseln an einem Haare hängt.
doch ist diese Gefahr für die guten Beziehungen
deuischlands und Spaniens nicht etwa durch die
daltung einer der betheiligten Regierungen, sondern
zurch die ganz maßlose und herausfordernd belei⸗
igende Haltung der spanischen Nation, beziehent⸗
ich der spanischen Presse herbeigeführt worden. In
Spanien und zumal in der Hauptstadt Madrid
reibt eine Hetzwuth gegen Deutschland Gifthlüthen,
vie man solche nur 1870 kurz vor Ausbruch des
eutsch⸗französischen Krieges in Paris beobachten
ounte. Vollsversammlungen werden in Madrid
ꝛehalten, in denen Anklagen und Beschimpfungen
deutschlands die stehenden Reden sind. Und die
panische Presse zeigt sich dabei als eine bejammerns⸗
werthe Hüterin der öffentlichen Wohlfahrt. Ein
naar Tage hielten allerdings die regierungsfreund⸗
ichen Feitungen gegenüber den hirnverbrannten
hehereien Stand, dann bliesen sie aber in dasselbe
horn und krakehlen nur noch von einer rohen Ver⸗
ewaltigung, die Deutschland an Spanien begehen
volle. Was man sich in Bezug auf die Deutschen⸗
heßen in Spanien leistet, geht daraus hervor, daß
diele spanischen Zeitungen die spanischen Offiziere
auffordern, die deutschen Orden zurückzuschicken, daß
die spanischen Kaufleute ersucht werden, alle Han⸗
xlsverbindungen mit Deutschland abzubrechen, daß
danische —AXVV
danischen Handelsschiffe als „Caperschiffe“ auszu—
* und die deutsche Handelsflotte zu zerstören
. . v.
Recht eigenthümlich ist es auch, daß einige
dariser Zeitungen die aus dem Zerwürfniß mit
kpanien drohenden Gefahren für Deutschland als
jurchtbare hinstellen und von einem bevorstehenden
dunde Frankreichs und Spaniens reden. Nun,
die Ernüchterung wird bald genug im Lande der
dasanien einkeßren, denn die Affalre der Karolinen
Iuseln wird von Deutschland sehr sachlich behandelt.
die spanische Regierung hat auf Aufforderung des
deutschen Reichskanzlers zu beweisen, ob sie ältere
Lechte als Deutschland auf die Karolinen Inseln
set und gelingt ihr der Beweis nicht. so gehoren
die streitigen Inseln dem deutschen Reiche, daran
rerden spanische Wuthausbrüche und französisches
dangemachen“ nichts andern. Am allerwenigsten
dird Deutschland von gehässigen Demonstrationen
utückweichen.
Im Uebrigen muß auch hervorgehoben werden,
uh die Verhandlungen zwischen der deutschen und
danischen Regierung noch in der ruhigsten Weise
der Angelegenheu ftanfinden und jeden Tag eine
riedigende Lösung erzielt werden kaun. Der auf
dteminirtem Boden sehenden Regierung des Koͤnigẽ
nso bliebe es alsdann überlassen, mit der Hoch
ih leidenschaftlicher Demonstratidnen der Shanier
gen Deutschland fertig zu werden
—
Lole und protlzische Nachrichten.
— Zweibrüden, 27. August. Die bei
der Aushebung pro 1885 fur das kgl. 18. Infant.
Regt. ausgehobenen Schulamts⸗Kandidaten haben
erst im nächsten Jahre bei genanutem Regiment—
ihre sechswöchige Uebung abzuleisten.
— Otterberg, 28. August. Wie die
„Pf. Pr.“ hört, sollen die Besitzer der neuen bald
in Betrieb kommenden Otterberger Fabrik die Ab—
sicht haben, eine größere Zahl Arbeiter,“ ca. 30,
von ihren belgischen Etablissements mitzubringen,
um den neueintretenden Arbeitern die Fabrikalion
anzulernen. Die Arbeiter jener Gegend sind meistens
Wallonen, so daß sich nach Jahrhunderten der Zu—
zug von Stammesgenossen nach der alten Wallonen⸗
tadt wiederholen würde. Da voraussichtlich die
Einwanderer ihre Familien mitdringen, wird an die
Stadtverwaltung die Frage herantreten, für die
schulpflichtigen Kinder Sorge zu tragen.
— Ein Bayer befindet sich bei der deutschen
Besatzung in Kamerun, Ludwig Weißer von Bo—
landen, Bruder des Zahlmeisterz der Marine
ersterer ebenfalls derselben angehörig.
— Hambach, 27. August. Ein wohlgeach—
teler hiesiger Bürger, der Winzer Joh. Hörner und
eine Magd vom Spitalhofe bei Winzingen wurden
heute Mittag vom Blitze getödtet. In der Nähe
der Eisenbahn waren beide auf dem Felde beschäf⸗
tigi. Vor dem ganz unbedeutenden Gewitterregen
suchten sie mit einigen andern Personen unter einem
Nußbaume Schutz und mußten diese Unvorsichtig—
keit mit dem Leben bezahlen. Von den übrigen
Personen iff keine betroffen.
* Aus Böhmen wird wieder einmal ein
Heldenstückchen der Czechen gemeldet. In der Stadi
döniginhof wurde ein deutsches Turnfest gefeiert,
velches von dem czechischen Pobel in brutalster
Weise eine Störung erlitt, indem 1500 Menschen
in das Hotel einzudringen versuchten, in welchem
'ich der Turnsaal befindet. Sie wurden von der
Polizei und der Gensdarmerie allerdings zurückge⸗
viesen, trotzdem nahm die Haltung der Volksmenge
inen immer drohenderen Charakter an, so daß die
Turner auf Ersuchen des Bezirkshauptmannes die
Feier schlossen. Auf der Nachhausefahrt wurden
als dann die fremden Theilnehmer von dem Poöbel⸗
haufen mit Steinwürfen angegriffen, welche zahl ⸗
reiche, zum Theil schwere Verleßzungen verursachten.
doffentlich gelingt es der eingeleiteten strengen
Untersuchung, die Urheber dieses nichtswürdigen
Erzesses zur vollen gerichtlichen Verantwortung zu
ziehen.
Vermiscotes.
4 Auf sammtlichen preußische Staats—
risenbahnen wird demnächst laut der „Kobl.
Ztg.“ ein neues einheitliches Billetsystem zur Ein—
ührung gelangen. Die Einzelreisebillets unter—
scheiden sich von den Doppelreisebillets im Wesent—
lichen dadurch, daß erstere in der Querrichtung be—
druckt werden. An beiden Billetsorten wird ein
Abschnitt, welcher durch eine von links nach rechts
laufende Linie vom Stammbillei geschieden ist, an⸗
gebracht, um die Abtrennung dieses Äbschnittes als
Kinderbillet verwenden zu können. Die Doppelreise
billets tragen an den deiden Längsseiten die R.
taß⸗y Vcvinfaßri baam 2α
Volitische Uebersicht.
„Sie Kaiserzusammenkunft von
em sier druckte der zu Ende gegangenen Woche
dieden ihr polilisches Siegel auf n llen
erahiungen, welche über die in dem genannten
iührischen Stadtchen stattgefundene Vegegnung
wischen dem btecceschischen Zaiser ind
Deutsches Neich.
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Berlin, 28. August. Das Gericht, daß in
Kremsier Rußland in die Annexion Bosniens durch
Desterreich gewillgt habe, wird hier als tendenzid⸗
erfunden betrachtet