Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Ingherter Amzeiger. 
der ‚St. Jugberter Auzeiger“ erscheint wbchentlich füufmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag⸗ Samstag und Sonntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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M ITI. 
Dienstag, J. September 1885. 
20. Jahrg. 
Bestellungen 
auf den „St. Ingberter Anzeiger“ für den Monat 
September 
werden von sämmilichen Postanstalten, den Aus- 
rägern und der Expedition entgegengenommen. 
zlaublich wollte im ersten Moment die Boischaft 
lingen, und doch meldete fie nur die einfache 
Wahrheit. „Welche Wendung durch Gottes Fü⸗ 
zung“ — das fühlte mit dem preußischen König 
das ganze Volk, — die schwarzen Raben flatterten 
nicht mehr um den Kyffhäuser, Barbarossa war er⸗ 
wacht, wiedererstanden zu alter Kraft das deutscht 
Reich, da mußie auch ein Kaiser sein. Wer war 
würdiger die Krone zu tragen, als der Sieger in 
so vielen Schlachten, als König Wilhelm von 
Preußen. Wer war würdiger, sie ihm im Namen 
Her deutschen Fürsten und Stämme anzubieten, 
als sein erster Bundesgenosse der Koönig von 
Bayern — diese Gedanken durchzitterten an jenem 
Tage das ganze deutsche Valk und machten die 
Hetzen schneller schlagen, d'rum ist in Wahrheit 
der heutige Tag als der Geburtstag des neuen 
deutschen Kaiserreiches zu feiern. 
Hies irae!“ „Tag des Zornes“, so hat für 
sein Vaterland den heutigen Tag mit Recht ein 
Franzose genannt. Und in Wirklichkeit, er war 
in Tag' des göͤttlichen Zorns, der historischen 
Wiedervergeltung, er war ein neuer blutiger Beweis 
für das Wort: „Die Weltgeschichte ist das Weli⸗ 
gericht.“ Aber der zweite September darf, wenn 
er richtig und würdig gefeiert werden soll, nicht 
nur als Tag der Erinnerung, sondern muß auch 
als Tag der Mahnung und Warnung gefeier! 
verden. Nicht im feindlichen, chauviniftischen Sinne, 
dem Ausland gegenüber, sondern im einigenden 
Sinne bezüglich unserer sammtlichen politischen Par⸗ 
eien. Im üÄlterthum gab es Heiligthümer, wohin sich 
der Flüchtling, ohne daß er ergriffen wurde, retten 
durflie. Der heutige Tag sei dem ganzen Volke 
'olch ein Heiligthum. Hier mag fich heute, das 
zanze Parieigelriebe vergessend, Alles was deutsch 
heißt und deutsch denkt, zusammenfinden. Mögen 
heute die Waffen des Geistes ruhn, die gestern 
zlitzten und morgen wieder leuchten werden. der 
heutige Tag, der Sedantag, sei heilig jedem Vater⸗ 
andsfreunde. Der Streit ist der Vater allen 
Dinge“, sagt ein Philosoph des Alterthums. Und 
er hat Recht, aber nur der wirllich echte und 
rechie Streit der Parteien ist es. Darum laß 
für uns Alle den Sedantag ein Tag der Mahnung 
sein, fortan ihn so zu führen, wie er allein geführ! 
werden darf, — als Wettstreit, wie man dem 
Vaterlande am besten dienen kann. In diesem 
Sinne laßt uns den Sedantag begehen, dann wird 
er richtig und würdig begangen und in diesem 
Sinne laßt uns heuse allesammt, — wir können 
das ohne Unterschied der Partei — im Geiste 
ausrufen: 
Es lebe der Kaiser! Gott scütze 
das Reich! 
Berlin, 31. Augusi. Die Ausschüfse des 
Bundesrathes treten am Montag, den 7. September, 
zur Berathung der Ausführungsbestimmungen des 
BZörsensteuergesetzes zusammen. Die Vorlage ist 
ziemlich umfangreich, weil, um ein einheitliches 
Ganzes zu gewinnen, die Bestimmungen betreffend 
das alte noch in Kraft verbliebene Stempelgesetz 
darin Aufnahme finden mußten. Trotzdem ist zu 
hoffen, daß die Ausschüsse ihre Arbeiten bald be⸗ 
enden, da die Vorlage bereits vor längerer Zeit 
den Bundesregierungen mitgetheilt wurde, welche sich 
gutachtlich darüber geäußert haben. — Das Ple— 
dum des Bundesrathes tritt spätestens am 16. Sep⸗ 
tember zur definitiven Beschlußfassung zusammen. 
Berlin, 30. August. Die „Kreuzzeitung“ 
erfährt, daß die Kaiser von Rußland und Oester⸗ 
reich in ihrem gemeinsamen Telegramm an den 
Kaiser Wilhelm nicht blos das persönliche, sondern 
auch das politische Moment berührten, indem sie 
in demselben die Ueberzeugung ausdrückten, „daß 
zanz Europa in der Kremsierer Begegnung eine 
Bewähr für die dauernde Sicherung des Friedens 
erblicke“ Dem Vernehmen nach erhielt das Kom⸗ 
munalnothsiteuergesetz die königliche Unterschrift und 
wird demnächst publicirt. Die „Norddeutsche All⸗ 
gemeine“ bespricht die Stellung der „Germania“ 
in der Karolinenfrage. Gegenüber den Verdunkel⸗ 
ungen dieses Blattes stellt die „Norddeutsche“ die 
Veröffentlichung der darüber sprechenden Aktenstücke 
in Aussicht. 
— Gegenüber den Angriffen, welche besonders 
auch von der auswärtigen Presse, gegen die preuß⸗ 
ische Regierung wegen der Ausweisungen aus öste⸗ 
lichen Provinzen gerichtet werden, schreibt die Straß⸗ 
burger Post“: „Gewiß ist es hart, sehr hart, für 
die Betroffenen, plötzlich den Wanderstab weiter 
setzen zu müssen, nachdem sie kaum eine Ruhestätte 
gefunden. Aber das ausgewiesene Element tragt 
ein Gepräge, welches durchaus nicht harmlos ist. 
Die Zustände in den östlichen Grenzgebieten Preußens 
find allmählich so weit gediehen, daß die — man 
kann sagen — Jahrhunderie alte deutsche Kultur⸗ 
arbeit auf das ernstlichste bedroht ist. Von Ruß⸗ 
sand und Oesterreich her drängt die slavische Brandung 
mmer mächtiger heran; die einwandernden Massen 
erdrücken die an sich schon dünn gesäte deutsche 
Bevölkerung, da sie sich nicht dem deutschen Wesen 
mbequemen, sondern ihre Eigenschaft beibehalten 
und schroff zur Geltung bringen. Dadurch unter⸗ 
cheiden sich solche Einwanderungen ganz erheblich 
hon den Auswanderungen Deutscher in andere Länder. 
Der Deutsche bringt dem Volke, bei dem er sich 
niederläßt, seine beste Kraft, seine hervorragende 
Thätigkeit, seine „Kultur“ zur Morgengabe miit 
und geht sehr vald, schon nach einer Generation 
mehr oder weniger in dem fremden Volke auf. 
Nicht so der Slave und Romane, welche beide die 
oIben angedeutete entgegengesetzte Lebeeigenschaft 
haben. Soll nun der deutsche Staat — in diesem 
Falle Preußen — in dem Jahrhundert der natio⸗ 
nalen Zusammenschließung die Hande in den Schoß 
legen und ruhig zusehen, wie — was er ja nicht 
hindern kann — nicht nur die über die Grenze 
hinüberströmende Volkskraft unwiderruflich verloren 
zeht, sondern auch namentlich die zurückleibende 
durch das Einströmen fremder Volksktaft erdrück 
wird? Letzteres zu verlangen ist einfach unsinnig 
Die Auswanderer können wir nicht halten, aber 
die Einwanderer dürfen wir uns, angefichts der 
ausgesprochenen Schwäche unseres Volkscharakterẽ 
inhetrefj nationaler Halthbatrkeit, doch wmobl genos 
Zum zweiten September. 
So flammst Du wieder auf Tag deuischen Ruhmes 
in dem zerbarst des Meineids Hochaltaxrx. 
An dem des übermüth'gen Frankenthumes 
Standarten beugten sich dem deutschen Aar, 
d'rum laßt Kanonendonner weithin schallen, 
Berkünden, daß die Sedansonne scheint, 
daßt von den Thürmen laut die Glocken hallen, 
denn heute mußti vor Gott der Götze fallen. 
Hebt auf, hebt Alle auf die Händ' und Herzen 
zu ihm, der schon von Ewigkeit regiert, 
laßt den Dank in tausend Siegeskerzen 
Ihm leuchten, der's so gut hinausgeführt: 
denn heute wa's, als fest den fränk'schen Geyer 
In seinen Krallen hielt der deutsche Aar, 
d'rum was Euch trennt, an dieses Festes Feier 
verhüllt's der Freude dichtgewebter Schleier. 
Und was Euch trennt!“O daß doch auch die Stunde 
zald Deutschland schlüge, da kein Hader mehr, 
dein eitles Wortgezänk von Mund zu Munde 
zuch schied bei jedes Festes Wiederkehr, 
Ddaß, wie Ihr's einig seht nach Außen ragen, 
Im Innern Deutschlands nicht, vergeßt es heut, 
Heut trennt Euch nichts, könnt Ihr ja alle sagen 
'Es war mein Volk, das heut die Schlacht geschlagen!“ 
Und hat auch mitgeholfen diese Feier. — 
daß endlich bricht der dunklen Schaaren Macht, 
daß Ihr des Aberglaubens dichten Schleier 
bom Auge reißt, dem neues Leben lacht: 
dann laßt Kanonendonner weithin schallen, 
berkünden, daß der Wahrheit Sonne scheint, 
Laßt von den Thürmen laut die Glocken hallen, 
dann muß vor Gott der letzte voge fallen. 
Hans Waldmeister. 
Der Sedantag. 
Zwei Punkte sind es, in denen sich alle Deut— 
chen eins wissen und fühlen, im Norden und 
Süden, im Osten und Westen des Vaterlandes, — 
in der Liebe zum Kaiser und in der 
diebe zum Reich, ein Tag ist es, an dem sie 
Alle, ob sonst auch ihre politische Gesinnung sie 
rennt, gemeinsam dieses Gefühl zum Ausdrud 
dringen können, — der heutige, der Sedantag 
Und weshalb? Weil er gewissermaßen der Geburts⸗ 
lag des in neuer Herrlichkeit wiedererstandenen 
deutschen Reiches ist. Große, gewaltige Siege sind 
ja in jenem, von welscher Tücke so freventlich herauf— 
beschworenen Kriege, vor dem zweiten Septembe, 
und nach ihm von deutscher Seile erfochten worden 
der Sedantag aber ist, wie er der blutigste war 
io der bedeutungsvoliste für das gesammte Heer, 
veil an seinem Ruhm die sammilichen ein zelnen 
deutschen Stämme Antheil haben, für das ganze 
deutsche Vaterland der wichtigste, weil er mit 
mem Schlage ihm das Selbstbewußtsein seiner 
draft gab. Man' dente doch nur zuruck an jene 
5 als der Draht meldete: „Der Kaise— 
apoleon mit seinem Heer gefangen!“ Schier unr 
Deutsches Reich. 
Berlin, 31. August. Der Staatsminister 
b. Botticher iritt in diesen Tagen eine Reise nach 
Westphalen und Hessen⸗Nassau an, um theils über 
die Lage der Indusirien, theils über die Ausführ⸗ 
ung des Krankenkassengeseßes sich zu informiren 
Berlin, 29. August. Nach der „Germania 
eht eine Rebision der Maigesetze za erwarten. Die 
Andeutungen des Blattes stellen eine besonders be⸗ 
deutsame Kirchenpolitische Kampagne in Aussicht. 
— Einer der Mitunterzeichner des Protestes der 
Welfen gegen die Ausschließung Cumberlands, Gras 
Zrote in Schwerin, ist durch das Kriegsgericht zu 
inem Jahr und einem Monat Festung und zur 
ẽntlassuncg aus dem Herresverband verurtheilt worden 
—