Full text: St. Ingberter Anzeiger

Peoletarier⸗Elend. „Ich bitte Sie 
ded Himmelswillen, nehmen Sie mein Kind, 
n Wochen alt, katholisch, auf den Namen Josef 
Afn auf. Ich zahle Kost und Ziehtosten gerne 
der zurück, wenn mirs wieder besser geht. Ein 
el mit vorstehenden Worten beschrieben, steckte 
am Kissen, in welchem das Kind gewickelt war 
d in dem es das Personal der Nürnberger 
vppenanstalt vor der Thür liegend fand. Die 
use Noth hatte die Mutter des armen Würm⸗ 
ng zu diesem verzweifelten Schritte getrieben. 
naber ja bald Hilfe herbeizuführen, hatte die 
hutter, nachdem sie das Kind niedergelegt hatte, 
d an der Klingel gezogen und eine Stunde 
Iher jah sie sich auf dem Platze wieder um, ob 
leine Wesen auch bereits aufgenommen sei. 
das Kind geimpft werden sollte, kam die Sache 
Tageslicht. Die Mutter wurde wegen Aus⸗ 
ung“ ihres Kindes in Untersuchung genommen. 
Jdandgericht aber, in Rüchicht, daß sie „alle 
gliche Vorsicht gebrauchte, das Kind gleich wieder 
pflege zu bringen.“ freigesprochen. Wäre es 
ne gewissenlose Mutter gewesen, die ihr Kind in 
mutz und Elend zuhause verhungern hätte lassen, 
sn hätte fich natürlich niemand darum gekümmert, 
zesie aber „um des Himmels willen“ an die 
amherzigkeit ihrer Mitmenschen appellirte, und, 
ihrem Säugling den bei ihr ficheren Hunger⸗ 
u ersparen, die Krippenanstalt in die Zwang⸗ 
ge versetzte, das Kind aufnehmen zu müssen, das 
achte fie auf die Anklagebank. 
München, 1. Sept. Eine Gesellschaft 
n mehren gewaltigen Jägern befand sich vor⸗ 
dern im Sendlinger Oberfeld auf 
x Hühnerjagd. Dieselben gaben gleichzeitig 
Fartine Keite Rebhühner Feuer und trafen 
at kein Huhn, wohl aber erhielten drei 
iger je einen Schuß, so daß einer schwer verletzt 
a Krankenbaus geschafft werden mußte. 
(Ein Hosenknopf als Verräther.) 
der Verhaftung der Hamburger Bankdiebe hat 
n Hosenknopf eine gar nicht unwichtige Rolle ge⸗ 
eli. Durch denselben wurde nämlich die Pariser 
irma ermitielt, bei der fich die Diebe ihre Kleider 
achen zu lassen pflegten; zwar konnte der Befitzer 
nürlich nicht angeben, wem er jenen Knopf ge⸗ 
gett; aber unter den ihm vorgelegten Photo⸗ 
raphien erkannte er einen seiner Kunden, der fogar 
cttvor Kurzem einen Anzug bestellt hatte, und 
ieser Kunde wurde arretirt und entpuppte fich 
icllich alz der gesuchte Dieb. Ohne diesen Knopf 
zͤte die Polizei vielleicht nicht so rasch darauf 
wallen, daß die Verbrecher ihren Wohnsitz in Paris 
nommen hatten. Man scheint übrigens mit den 
rhafteten einen sehr wichtigen Fang gemacht zu 
den. Jahrelang schon haben diese Herren, nach⸗ 
m sie in Amerika beträchtliche Freiheitsstrafen 
xerstanden, Europa unsicher gemacht. Außer den 
mldiebstählen in Kopenhagen und Hamburg find 
auch beträchtlicher Gelddiebstähle in der Schweiz 
ingend verdächtig. Sie werden demnächst an 
entschland ausgeliefert werden. 
»Billiges Leben. Wie man in Berlin 
xn kann, vielleicht billiger als irgendwo, zeigt 
hhslehende Thatfache: Äm Neuen Markt befindet 
Jin einem Keller eine stark besuchte Speise⸗ 
ufalt, in der man für 25 Pfennig zu Mittag 
eisen kann. Dafür gibt es zunächst eine Bouillon, 
un in mehrfacher Auswahl ein Haupigericht, z. 
: Wirfingkohl mit Rindfleisch, Rinderherz mit 
sinensauce u. dgl. Wer luxuriös sein will, be⸗ 
mmt für 30 Pfg. Gaänsebraten, Schellfisch und 
idst Rehleule. Für 5 Pfg. gibt es dann noch 
ne Mehlspeise, wie Griespudding mit Kirschsauce. 
ind dabei ist Niemand verpflichtet, etwas zu trinken. 
in warmes Abendessen hat denselben Preis, so 
th Jemand in Berlin für 60 Pfa. zwei Mal 
alich warm speisen lan. 
, Wie die Nat. Zig. erfährt, ist Für st Bis 
sard in der letzten Zeit in den Befsitzz des 
tuhles gelangi, auf welchen Napoleon III. 
dem Weberhäuschen bei Doncherh saß. Der 
uhl. dessen Authentizitat unbezweifelbar feststeht, 
dereits durch eine Reihe von Handen gegangen, 
ar unter anderem als Schaustück gezeigt worden, 
ein Verehrer des Reichslanzlers von der Ver— 
uflichkeit der Reliquie Kenntniß erhielt und den 
duhl dem Fürsten Bismarck widmete; derselbe ist 
amin uübeereicht worden, und hat Fürst Bis— 
seinen lebhaften Dank für das interefsante 
eichent zu etkennen dedeben 
4 Infolge einer frivolen Wette — es handelte 
ich um einen Liter Nordhäuser — hat kürzlich ein 
-chieferdeckergeselle in Seehausen in der Alt⸗ 
nark folgendes Wagestück unternommen: Er stieg, 
nit der Reparatur des Schieferdaches einer der 
dirchthurmspitzen beschäftigt, von dem Thurmknopfe 
uus an der den Blitzableiter und die Wetterfahne 
ragenden Stange in die Höhe, setzle sich auf letz⸗ 
ere und gab sich einen Schwung, wobei sich die 
Fahne zweimal um sich selbst drehte. Ohne Unfall 
selangte der tollkühne Mensch dann wieder auf 
einem Fahrstuhl an. 
Was die Russen ihr Kaiserhaus 
so stet, kann man aus folgender Zusammenstellung 
exsehen: 1) die Personen männlichen Geschlechtes 
rhalten bis zu ihrer Volljährigkeit einen Jahres- 
jehalt in Geld, vom Tage der Volljährigkeits-Er⸗ 
slarung ab und für ihr ganzes Leben jährliche 
Heldeinkünfte oder eine Apanage. Die Söhne 
ines Kaisers erhalten bis zu ihrer Volljährigkeit 
aͤhrlich 100,000 Rubel (1 Rubel—zum mindesten 
»Mt)), von der Volljährigkeit ab jährlich 500,000 
Rubel, ihre Gemahlinnen 60,000 Rol.; die Enfel: 
—V 
ährigkeit ab je 500,000 Rubel; die Urenkel: bis 
ur Volljährigkeit je 30,000 Rubel, von der Voll. 
ährigkeit ab je 480,000 Rubel; die Ur⸗Urenkel: 
rft nach der Volljährigkeit je 100,000 Rubel jähr⸗ 
ich; die Fürsten kaiserlichen Blutes erst von der 
golijährigkeit ab je 50,000 Rubel jährlich. 2) 
die Personen weiblichen Geschlechts erhalten bis 
n ihrer Verheirathung einen Jahresgehalt und bei 
hrer Verheirathung ein für allemal eine Mitgift 
us der Staaiskasse, und zwar erhalten die Töchter 
ind Enkelinnen des Kaisers je eine Million Rubel, 
ie Urenkelinnen und Ur˖Urenkelinnen je 300,000 
dubel. die weiteren absteigenden Nachkommen weib⸗ 
ichen Geschlechtes je 100,000 Rubel. 3) Die ver⸗ 
bittweten Kaiferinnen, Großfürstinnen und Fürst- 
nnen kaiserlichen Blutes erhalten eine lebensläng⸗ 
iche Geldpension. Die Kaiserin bezieht als Wittwe 
euselben Jahresbetrag, wie zu Lebzeiten des Kaisers, 
hres Gemahls: 600,000 Rubel jährlich und den 
interhalt ihres Hofes; wenn sie ins Ausland reist, 
ie Hälfte. Die verwittwete Gemahlin des Thron⸗ 
olgers erhält jährlich 300,000 Rubel und den 
inlerhalt des Hofes; wenn sie Rußland verläßt, 
ꝛeziehi sie die Hälfte. Die Gemahlinnen der 
Soͤhne und Enkel erhalten 60,000 Rubel Pension. 
er Urenkel 30,000 Rubel, der Ur⸗Urenkel 15,000 
Rubel, der Prinzen kaiserlichen Blutes 10,000 R.; 
die Wittwen von Großfürften und Prinzen kaiser⸗ 
ichen Blutes erhalten, wenn sie Rußland verlassen 
zur einen Dritteltheil ihrer Pension, und wenn sie 
ine neue Ehe eingehen, verlieren fie dieselbe ganz. 
zine weitere Versorgung der Angehörigen des 
daiserhauies hängt von dem Ermessen des Kaisers 
ind dem Stande der Apanagen ab. Durch die 
jeue Rangordnung sollen nun einige der Herr⸗ 
chaften in ihren Einnabmen etwas beschränkt 
werden. 
pAus Monaco wird gemeldet: Der hiesige 
Rotar Victor Clerico, italienischer Konsul und Ver 
heidiger bei dem Gerichtshofe des Fürstenthums 
Nonaco, ist wegen Unterschlagung ihm anvertrauter 
Fonds verhaftet worden. Das Defizit beziffert sich 
iuf 280,000 Frants. 
fLondon, 3. Sept. 5000 Arbeiter der 
zroßen Maschinenfabrik von William Armstrong 
Elswick ssellien die Arbeit ein, weil sie mit dem 
herfahren gewisser höherer Angestellten der Fabrik 
inzufrieden waren. 
Eine Kreuzigung im 19. Jahrhun⸗ 
der i. Ein Deutscher Namens Albrecht Unruh, 
welcher erst vor Kurzem nach Amerika auswanderte, 
st im Indianergebiete regelrecht gekreuzigt worden. 
Nachdem die Schurken ihn seiner Habe beraubt, 
nagelten sie die Hande und Füße des Unglücklichen 
in einen dicken Vaum und überließen ihn dann 
einem Schicksal. Erst vor Kurzem wurde die 
zeiche desselben, schon Istark in Verwesung überge. 
zangen, aufgefunden. In einem seiner Stiefel 
zefanden sich noch 500 Dollars in Banknoten, 
velche den Augen der Raubmoͤrder entgangen 
varen. 
(GAmerikanisches Mehl.) Als jüngste 
rrrungenschaft wird in den Adirandods im Staate 
stewhork in dielen Milhlen aus weichen Holzarten, 
amentlich Pappelholz, ein Holzmehl hergestellt. 
velches zur Verfälschung des Getreidemehls Ver— 
vendung finden soll. Die Stämme werden durch 
iden iierförmigen Schaber der Länge nach erß 
zerrieben, die Spähne dann gebleicht und schließlich 
wie Getreide vermahlen. Das gewonnene Mehl 
ist dem Aussehen und Gefühle nach nicht vom 
Weizenmehle zu unterscheiden, ist vollständig ge⸗ 
schmacklos und kann dem Getreidemehle leicht un⸗ 
ierschoben oder beigemischt werden. Angeblich wird 
es zu technischen Zwecken verkauft und nur den 
Mehllieferungen fuͤr die Indianer und die Armee 
() hinzugefügt. Die Holzberwüstung findet in 
dieser schoͤnen neuen Industrie ein neues lohnendes 
Feld! —. 
4 (Erfolg einer Zeitungsnotiz bei 
unsern Damen.) Dem kiügsten Wort der 
Bibel glauben zehn, dem dümsten Wort der Zeitung 
zehnmal hundert — das hat aber manchmal recht 
zute Folgen. So war in einer Stadt zu beob⸗ 
achten. daß die meisten jungen Damen gar nicht 
auf ihre Körperhaltung sahen, sondern — und das 
ieht doch gerade nicht hübsch aus — den Ober—⸗ 
ötper vorwärtsgebeugt trugen. Da war denn 
ines Tages in der Lokalzeitung jener Stadt in 
inem Artikel über das Leben auf der Promenade 
der Passus zu lesen: „Das hübscheste Mädchen 
in unserer Stadt hält sich auf der Promenade 
leider nicht genug aufcecht“ — und siehe da, am 
aächsten Tage schon gingen alle Mädchen der Stadt 
erzengerade, und jedes Mädchen sagte „Die ab—⸗ 
cheuliche Zeitung! Mama, gehe ich nicht gerade?“ 
Gem⸗enunüriges. 
Salz als Heilmittel. Ein halber Theeldffel 
voll gewöhnliches Küchensalz in ein wenig kaltem 
Wasser aufgelöst und getrunken, wird sogleich Sod⸗ 
hrennen oder andere Magenbeschwerden erleichtern. 
Wird die Quantität nach und nach bis auf einen 
janzen Theelöffel vermehrt und das Wasser bis auf 
isa Liter, so wird es jeden gewöhnlichen Fall von 
Anverdaulichkeit heilen, wenn diese Dosis jeden 
Morgen vor dem Frühstück genommen und zugleich 
Diät beobachtet wird. Es gibt auch kein besseres 
Mittel als das vorstehende gegen Stuhlverstopfung. 
Zum Gurgeln bei Halsentzündung ist es ebenso 
zut als Chlorkalium und vollkommen unschädlich. 
Wenn man davon jedes Mal und so oft man will 
ein wenig verschluckt, so wird es den Hals gründ⸗ 
lich reinigen und nach und nach den Reiz mildern. 
Es ist ein ausgezeichnetes Mittel bei Bissen und 
Stichen von Insekten. Es ist ferner werthvoll zum 
Ztillen von Blutungen, besonders nach dem Zahn⸗ 
usziehen. In Gaben von 1 bis 4 Theelöffel voll 
in ma bis *3 Liter warmen Wassers gelöst, wirkt 
es in Vergiftungsfällen rasch als Brechmittel und 
ist stets zur Hand zu haben. 
Rauchfreie Kesselfeuerung. „System Hempel“. 
Bei den bisher gebräuchlichen Feuerungen ist der 
dauptgrund des starken Rauches darin zu suchen, 
zaß die im ersten Stadium der Verbrennung be—⸗ 
zriffene Flamme sich an den Wänden und der 
Decke des Feuerraumes stößt und abkühlt, wobei 
der Verbrennungsprozeß unterbrochen wird; man 
jalte z. B. in eine Gasflamme einen Gegenstand, 
uind die Flamme wird jofort anfangen zu rußen, 
nach Entfernung des Gegenstandes aber wieder hell 
ind rußfrei brennen. Mit dem Heinrich Hempel, 
deipzig, Katharinenstraße 12. patentierten Feuer⸗ 
ingssystem soll ein freies Eniwickeln der Flamme 
m ersten Stadium des Verbrennungsprozesses bei 
Feuerungen für feste Brennmaterialien erreicht 
werden, derart, daß die Rauchentwickelung auf ein 
Minimum beschränkt und der vorhandene Rauch 
durch geeignete Mittel“ vollständig verbrannt wird. 
Dasselbe läßt fich an Kesseln mit Unters oder Vor⸗ 
euerung, mit Plan⸗ oder Treppenroften, fowie an 
sesseln mit Innenfeuerung (Cornwalllkesseln) an⸗ 
wenden, ohne daß der Betrieb resp. die Bedienung 
durch den Heizer besondere Aufmerksamkeit erfordert. 
Es gestattet ferner die Verwendung beliebigen 
Brennmaterials. Die meisten Einrichtungen zum 
Berhüten des entstehenden Rauches bei Feuerungen 
erreichen diesen Zweck, indem theils durch große 
Rostflächen. theils durch besondere Kanäle über⸗ 
chüssige Luft zugeführt wird. wodurch aber die 
Zuge und der zu heizende Kessel derart abgekühlt 
werden, daß in fast allen Fällen die Rauchvermin⸗ 
derung mit vergroßertem Brennmaterialkonsum ver⸗ 
dunden ist. Dieser Uebelstand soll bei dem Hempel⸗ 
schen System vollständig vermieden sein. Der Rost 
ist zweitheilig; der vordere Theil dient zur Auf—⸗ 
rahme des frischen Brennmaterials, der hintere 
Theil ist stets mit glühender Kohle bedeckt. und 
vefindet sich über diesem der eigentliche Verbrenn⸗