Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des koͤnigl Amtsgerichts St. Ingber.. 
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der St. Jugberter Auzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Im vutag, Dieunstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Iatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 60 4 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 75 4, einschließli d 
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auf welche die Exvedition Auskunft ertheilt, 13 3, Neclamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.“ 
Dienstag, 138. September 1888. 29) Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
*Ueber die parlamentarischen Dis— 
sofsitivnen für die kommende Winter— 
ession des Reichstages und des neu zu wählen⸗ 
en preußischen Abgeordnetenhauses lautet noch wenig 
zestimmtes. Nur soviel soll feststehen, daß der 
deichstag im November und noch vor dem preußi⸗ 
hen Landtage einberufen werden wird; bis zu 
iesem Zeitpunkte hofft man, daß der Bundesrath, 
essen betreffende Ausschüsse fich gegenwärtig mit 
er Berathung des Börsensteuergesetzentwurfes be⸗ 
haftigen, die noöthigen parlamentarischen Vorarbeiten 
rledigt haben wird. Was der Termin für die 
xreußischen Landtagswahlen anbelangt, so ist der⸗ 
elbe offiziell noch immer nicht bekannt gegeben und 
cscheint diese Verzöͤgerung in der That auffällig; 
ielleicht, daß die Bekannimachung des Termins 
ndlich im Laufe dieser Woche erfolgt. — Eine 
jrage, welche geraume Zeit hindurch die innere 
eutsche Politik fast vollständig beherrschte, dann 
her wieder etwas in den Hintergrund trat, wird 
a den nächsten Wochen die öffentliche Meinung 
edenfalls wieder lebhaft beschäftigen — die 
raunschweigische Regentschafts 
tage. Am kommenden 18. Oltober, dem Tage, 
n welchem vor einem Jahre der letzte Herzog von 
raunschweigs aus dem Leben schied, läuft das 
egentschaftsgesetz ab und hiermit erloͤschen die Funk⸗ 
onen des für Braonschweig eingesetzten Regent⸗ 
haftsrathes. Betanntlich sollte dann ein Regent, 
er aus der Mitte der nicht regierenden Mitglieder 
er deutschen Fürstenhäuser zu wählen sei, an die 
zpietze des verwaisten Landes treten und dasselbe 
is zur definitiven Einsetzung einer neuen Herrscher. 
milie regieren. Allgemein bezeichnete man auch 
hon den deutschen Botschafter in Wien, Prinzen 
teuß, als den künftigen Regenten Braunschweigs, 
a wurde, wie erinnerlich, dor einiger Zeit von 
serlin aus eine ofsiziöse Notiz in die Oeffentlichkeit 
meirt, welche zu Aller Ueberraschung besagte, daß 
infichtlich der Regentschaftsfrage vorläufig noch keine 
nticheidung zu erwarten sei und daße auch alle 
littheilungen über die Person des kunftigen Re— 
enten von Braunschweig auf willkürlichen Combi⸗ 
ationen beruhten. In der Thau ist auch hierüber 
is jegt von zuständiger Seite nichts weiter be⸗ 
mint geworden, obwohl kaum noch fünf, Wochen 
wischen heute und dem Tage liegen. an welchem 
as Resentschaftsgesetz abläuft; man könnte danach 
ist auf die Vermuthung kommen, als ob eine Ver. 
mgerung des Regentschaftsgesetzes deabsichtigt sei. 
ber eine Fortdauer des gegenwärtigen probisori⸗ 
den Zustandes dürfte bei der braunschweigischen 
vollerung wohl schwerlich auf · große Shmbuihien 
arechnen haben. 
Bekannilich erstrebt die Sozialdemotra tie 
uter Beseitigung des Privatkapitals eine Kollektip 
oduktion, bei welcher jedem Arbeiter der volle 
attag seiner Arbeit gewährt werden soll. um — 
ie Bebel sich in seiner Broschüre: Unsere Ziele 
usdrickt — „dpvie ökonomische Ungleichheit“ aus 
x Welt zu schaffen; alsdann heihe es „Mehr 
enuß, weniger Arbeit!“ und man solle sich nuͤr 
ber die Verkheiluug des Einkommens 
ne Kopfschmerzen machen. da sie sich auch ohne 
ngriffen einer höheren Gewalt machen lasse; die 
eiheilung mache der Sozialdemokratie nicht den 
Aingsten Kummer, wenn es nur erst diwas zu 
nheilen gebe rofessor Schaffle juůhrt dagegen 
nus, daß die Formel des „gerechten“ Einkommens 
iberhaupt unauffindbar sei, da durch eine Verthei⸗ 
ung nach Maßgaben der aufgewendeten Arbeitszeit 
edenfalls die Tüchtigen verkürzt und die Lumpen 
egünstigt würden, zumal dem industriellen Prole— 
ariat jede Achtung vor der Autoritat — auch vor 
er demokratischen Regierung — abgehe. Die 
Sozialdemokratie scheint es nunmehr neuerdingeẽ 
örmlich darauf angelegt zu haben, den praktischen 
Zeweis hierfür zu liefern; denn wir sehen in ihrem 
sager nirgends die wahre „Brüderlichkeit“, sondern 
ielmehr bald im Inland die Herren Frohme und 
Zebel, bald im Ausland die Most und Peukert sich 
efehden, überall der Streit um den maßgebenden 
Finfluß und die Macht. Die vormaligen Ärbeiter, 
velche, wie z. B. die Stadtverordneten Görcki und 
ẽwald, den Arbeiterstand aufgegeben und sich zu 
7Zaufleuten erhoben“ haben, werden um deswillen 
hon ihren „Genossen“ angefeindet und des Ver 
caths beschuldigt. Aber auch den Vorwurf der 
Belderveruntreuung erspart man sich gegenseitig 
aicht, so daß zu Berlin die Lohnkommission der 
Tischler und die Streikkommission der Maurer in 
Folge solcher Anschuldigungen schon unter die Kon⸗ 
role einer Untersuchungskommission gestellt worden 
ind. In den letzten Tagen beschuldigt nun auch 
ver sozialdemokratische Abgeordnete L. Viereck seinen 
„Genossen“, den Redakteur Schönlank öffentlich der 
alschen Rethnungsstellung und ehrloser Betrügereien. 
Venn indessen am „grünen Holze“ der Führer 
olche Erscheinungen zu Tage ireten, so fragt man 
ich unwillkürlich: Wie würde es wohl unter so 
ewandten Verhältnissen im sozialdemokratischen 
Zukunftsstaat aussehen wenn es sich für die große 
Arbeitermasse um die Vertheilung des Einkommens 
jandelte? Sollte es da wirklich ohne Prügel und 
olgeweise — um mit Bebel zu reden — ohne 
„Kopfschmerzen“ abgehen? Wir möchten es auf 
Brund solcher Erfahrungen lebhaft bezweifeln? 
In der Angelegenheit der AUusweisungen 
von Polen aus den östlichen Provinzen Preußens 
ist eine Aeußerung der österreichischen Boischaft in 
Berlin zu verzeichnen. Dieselbe war! von einer 
Anzahl ausgewiesener galizischer Polen um ihre 
Vermittelung angegangen worden, die Botschaft hat 
indessen den Petenten den Bescheid ertheilt, sich an 
die preußischen Verwaltungsbehörden zu wenden, sie 
ielbst könne in der Angelegenheit nichts weiter ihun. 
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*.Der englisch⸗russische Vertrag wegen' des 
Zulficar⸗Passes ist durch die von den Ver⸗ 
retern beider Mächte in voriger Woche vollzogene 
Unterzeichnung des betreffenden Protolollsperfelt 
jeworden. Die Pall Mall Gazetle,“ welche diese 
erfreuliche Nachricht bringt, fügt hinzu, daß von 
dem kleinen unfruchtbaren Landstriche, welcher den 
Gegenstand des Streites gebildet hat, die eine Hälfte 
an Rußland, die andere an Afghanistan übergehe 
Die Grenzabstechungskommission werde im Nobember 
zusammentreten. Lessan werde in diesen Tagen nach 
Petersburg abreisen, da seine Mission beendigt sei. 
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Der Londoner „Morning“ Post“ wird aus 
Madrid gemeldet: „Die deutshen Konsuln 
n Carthagena und Linares, die spanische üntet. 
hanen sind, haben ihre Posten nieder ge⸗ 
egt. Das spanische Kasino in Havang hat der 
Kegierung Mannschaften und Geld zur Bekämpfunq 
bon Deutschland angeboten. In den Provinzen 
dauern die anti⸗deutschen Kundgebungen fort.“ 
Deutsches Reich. —— 
Berlin 11. Sept. Gon der franzö— 
fischen Ostgrenze.) Als vor einiger Zeit die 
franzoͤsische Presse in aufreizender Äbsicht den 
Glauben zu erregen suchte, als ob· deutscherseits 
ein „aggressives militärisches Uebergewicht“ — so 
lautete die bezügliche Phrase — in den Reichslau— 
den geplant sei, worauf dann der bekannte ab— 
kühlende offiziöse Artilel der „Norddeutschen Allge⸗ 
meinen“ folgte, sprachen wir die Anficht aus. daß 
der ganze Lärm französischerseits nur erhoben worden 
sei, um eine dort geplanie noch flärkere Besetzung 
der Ostgrenze zu bemäntelm Diese Vermuthung 
hat sich nunmehr vollkommen beflätigt. Noch im 
Laufe dieses Jahres wird das Kommando der 
4. Kavallerie⸗Division, welches fich seither in Meauxr 
bei Paris befand, nach Chalons s. M. also in den 
Bereich des 6. Armeekorps, dem die östliche Grenz ⸗ 
wache zufällt, verlegt werden. Außerdem wird die 
4. Dragoner⸗Beigade (22. und 28. Dragoner · Re⸗ 
ziment), welche bislang in Provins und Meauxr 
Jarnisonirte, in die Naͤhe der deutsch ˖ franzofischen 
Brenze und zwar nach Vouziers und St. Mene⸗ 
hould rücken. Ebenso haben bereits am 1. Augufl 
die beiden reitenden Batterien Nr. 11 des 8. uns 
25. Artillerie Regimens ihre alten Garnisonen ver⸗ 
lassen, um solche in Stenay — also ebenfalls an 
der Ostgrenze — zu beziehen. Pit diesen Dis⸗ 
locirungen ist nunmehr auch die ganze 4. Kavallerie⸗ 
Division nebst zugehöriger Artillerie im östlichen 
Grenzgebiete vereinigt, so daß unter Hinzurechnung 
der bereits dort befindlichen Kavallerie⸗Dibifion und 
der Divisions-Kavballerie nicht weniger als 14 fran · 
zösische Kavallerie ⸗Regimenter im deutsch⸗französischen 
Grenzgebiete versammelt sind, denen auf entsprechend 
gleichem Raum nur acht deutsche Reiterregimenter 
gegenüberstehen. Es geht hieraus von Neuem her⸗ 
vor, daß jenes „aggressive militärische Uebergewicht“, 
von dem die Franzosen fortwährend faseln, daß es 
auf Seiten des bösen Deutschland liege, gan, im 
Gegentheil eine Herzenssache Frankreichs ist.In 
den maßgebenden Kreisen Deutschlande war man 
wohl schon seit langer Zeit über diese Sachlage nicht 
im Unklaren, aber jeht sprechen auch die offenkundigen 
Thatsachen eine zu deutliche Sprache, um die oͤffent⸗ 
liche Meinung auch außechalb Deutschlands langer 
daran zweifeln zu lassen, von wem die halbversteckten 
striegshoffnungen foriwährend durch entsprechende 
militärische Maßnahmen genährt werden Trifft 
dann schließlich die deuische Heeresleitung, durch die 
ranzösischen. Maßnahmen dazu gezwungen, ent⸗ 
Pprechende Gegenmahregeln, so schreit natürlich 
Frankreich und seine sämmtlichen Freunde mit ihm, 
daß Deutschlande, Angriffstendenzen verfolge. Na⸗ 
türlich schreibt das eigene böͤse Gewifsen dann dem 
verhaßten deutschen Nachbar Pläne zu. deren Er⸗ 
füllung man felbit mit ailen Mitleln anstrebt! 
Berlin, 14. Sept. Die Note der spanischen 
Regierung ist hiet eingelroffen und durch den 
spanischen Gesandten, Graf Benomar, im Aus 
wartigen Amte soeben überreicht worden. 
Berlin, 14. Sept. Der Ausschuß des Ver⸗ 
eins zuxr Wahrung gemeinsamet wirthschaftlichen 
Juteressen für Rheinland und Westphalen hat sich 
zegen ein generelles Verbot der Sonntagsarbeit 
ausgesprochen;, die bestehenden Vorschriften sei⸗ 
ausreichend