Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
xr „St. Ingberter Auzeiger?“ erscheint wochentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
Jatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljäahrlich 1 A 60 4 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 4, einschließli d 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 135 6, Neclamen 830 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 182.. 
Politische Uebersicht. 
»Der Bundesrath hat am Dienstag eine 
lenarsitzung abgehalten, in denen er sich mit den 
seschlüssen seiner Ausschüsse bezüglich der Aus—⸗ 
jrungsbestimmungen zum Börsensteuergesetze be⸗ 
üftigte. Ob das Plenum diesen Beschlüssen in 
len Punkten beistimmen wird, gilt noch nicht als 
mnz feststehend, da einzelne Regierungen die Mög⸗ 
hleit voraussetzen sollen, im Plenum noch erheb⸗ 
che Abänderungen zu beschließen. Hiermit bringt 
jan auch den Umstand in Verbindung. daß Be⸗ 
ollmächtigte einzelner Bundesregierungen, die be⸗ 
eits in die Heimaih zurückgereist waren, sich zu 
er Dienstagssitzung wieder einfinden wollten. 
Zur Karolinen-⸗Angelegenheit 
egt als neueste Meldung die vom Eintreffen eines 
anischen Kabinets ⸗Kouriers in Berlin vor. Der⸗ 
lte hat die Antwortnote seiner Regierung auf 
en bekannten Erlaß des Reichskanzlers vom 831. 
ugust überbracht und ist diese Note am Montag 
achmittag im Auswärtigen Amte durch den spa⸗ 
ijschen Gesandten in Berlin, Grafen Benomar, 
berreicht worden. Ueber den Inhalt der spanischen 
ntwort ist bis zur Stunde noch nichts in weitere 
treise gedrungen, es heißt aber, daß derselbe dem 
zerliner Auswärtigen Amte vom spanischen Kabinet 
ereits vorher im Wesentlichen auf telegraphischem 
dege übermittelt worden sei. Hoffentlich 
mipricht die spanische Antwort den versöhnlichen 
Intentionen der deutschen Regierung. 
Die Karolinen⸗Frage scheint eine über⸗ 
schende und weniger beruhigende Wendung, als 
nn nach den Ereignissen der letzten acht Tage 
xtmuthen durfte, annehmen zu sollen. In Berlin 
wdie Note eingetroffen, mit welcher die spanische 
fegierung die im Reichsanzeiger“ publiziert ge⸗ 
desene deutsche Note beantwortet und zugleich be⸗ 
üglich der Genugthuungsaffaire die muündlichen 
llarungen ihres Gesandien dervollständigt. Ueber 
e Note gehen allerlei Gerüchte um, die nicht er⸗ 
reulich sind. Wenn man will, kann man die 
eßtegein, welche unsere Marinederwaltung ge⸗ 
wofen hat, als eine vorweg genommene Antwort 
iuf die liebenswürdige Unverschämtheit betrachten, 
nit welcher man uns in Madrid regalieren zu 
dunen glaubt. Die ungewöhnliche Hinausschiebung 
vs Termins für die Enilassung der Marinereserven, 
wie die Bildung eines siarlen, nach dem atlan⸗ 
shen Ozean bestimmten und mit sechsmonatlichem 
tobiant derse henen sogenannten Schuigeshwaders 
nd ohne Zweifel die ernstesten Incdenzpunkle, 
e sih in der ganzen Frage, soweit die deufsch 
niticive in Betracht kommi, bisher ergeben haben. 
n leitenden Stellen rechnet man erfichilich mit der 
erwünschten Moglichkeii unangenehmerer Verwick⸗ 
ungen. Man beginnt, sich davon zu überzeugen, 
* der König Aifons nicht stark genug isne um 
dum Kriege drängenden Tendenzen Herr zu 
n, und man sieht sich hier durch die beklagens⸗ 
n Nachgiebigkeit des personlich befreundeten 
r gegenüber den Republikanern gezwungen, 
in isher versuchte Scheidung unter den spanischen 
sn fallen zu lassen. Es ist klar, daß die 
b menfrage unter einen gänzlich veranderten 
apuntte mit dem Augenblide ruct, wo 
Schickjal der spanischen Nonaichie den Leitern 
Donnerstag, 17. September 1888s. 20. Jahrg. 
der deutschen Politik gleichgiltig zu werden anfängt. 
Ddehrere überaus beachtenswerthe Stimmen deuten 
zereits auf einen solchen Umschwung hin. So 
polemisiert eine hochoffiziöse Berliner Korrespondenz 
der Koln. Ztg.“ aufs heftigste gegen die fran⸗ 
oͤsische Prefse, namentlich gegen die Agentur Havas, 
eren offiziöser Charakter verrathe, daß trotz der 
Friedensliebe der Rebublik in der Regierung einzelne 
klemente existieren, welche unkontrolierbar einen 
ntgegengesetzten Einfluß ausüben. Man werfe 
deutschland vor, es beabsichtige den französischen 
kinfluß in Spanien zu unterdrücken, das sei un⸗ 
ichtig. Deutschland würde sogar gegen eine fran⸗ 
ösisch⸗panische Fusion nie Einspruch erheben. Man 
ehe aber Deroulede's Bestrebungen hatten Wurzel 
jeschlagen und die Regierung sei nicht mehr im 
„tande, dem Strom der Revanche Einhalt zu ge⸗ 
zdieten. Das sei im Interesse des dauernden Frie⸗ 
deus wenig trostreich, und allmaählich dränge sich 
illen die Ueberzeugung auf, daß die jahrelangen 
Bemühungen der deutschen Politik, auf die Bahn 
»er Versöhnung einzulenken, verlorene Mühe waren. 
Die Spanier scheinen ein natürliches Interesse darin 
zu finden, Verwirrung zu ftiften. Ein Schachzug, 
den sie soeben thun, indem sie England weitgehende 
dandelsvoriheile in Aussicht stellen, mag von diplo⸗ 
natischem Standpunkte aus so plump wie nur 
noͤglich sein, seine Wirkung völlig verfehlen wird 
er aber darum doch nicht. Jedenfalls sind sich die 
Spanier klar darüber, daß sie Deutschland nicht 
chwerer treffen koönnen, als indem sie unsern 
dandel schädigen. Zum Glück ist die Meistbegünftig⸗ 
ingsklausel vorhanden, um uns vor den gröbstten 
Benachtheiligungen zu bewahren, aber man soll 
ich nicht darüber täuschen, daß Spanien auch 
indere Mittel hat, um uns in handelspolitischer 
Beziehung seine Feindschaft fühlbar zu machen. 
Sssbkale und pfalzische Nachrichten. 
— Vom Empfang des Prinzen Luitpold in 
domburg berichtet man der Zw. Zig.“ eine 
interessante Episode: „Herr Bezirksamtmann 
Spöhrer stellte bei den kgl. Beamten zuerst den 
Quartiergeber des kgl. Prinzen im Jahre 1870, 
den kgl. Notär Bartels vor. In herzlicher 
Weise reichte Se. kgl. Hoheit letzterem die Rechte 
und nach dem Wechsel freundlicher Worte verab⸗ 
chiedete er sich bei wiederholtem Händedruck mit 
einem Gruß an die Familie. Nach Verabschiedung 
des Hrn. Notärs mit Sr. kgl. Hoheit stellte sich 
derselbe Sr. Excellenz dem kgl. Regierungsprasidenten 
Hrn. v. Biaun vor, nach welcher Vorstellung es 
fich im Laufe der Unterhaltung ergab, daß unser 
Notär im Jahre 1841 in Würzburg als Rhenanen⸗ 
fuchs seine erste Mensur mit der Excellenz als 
Mainländer machte, die ihm die Reception ins 
Zorps der Rhenanen eintrug. Beide Herren 
jchlofsen bei Handedruck Freundschaft und Frieden!“ 
— Kaiserslautern, 16. Sept. Am 
Donnerstag verläßt Se. Kgl. Hoheit Prinz Luit⸗ 
pold unsere Stadt mit Extrazug. Derselbe geht 
3Uhr 10 Min. Vormittags hier ab, fährt 8 ühr 
48 Minuten langsam in Reuftadt durch und trifft 
in Ludwigshafen 9 Uhr 20 Minuten ein. 
— In Landau hat sich ein seit einigen 
Jahren dort wohnender alterer vermöglicher Herr 
anscheinend in einem krankhaften Anfalle erschossen. 
hkAus dem Siebeldinger Thal, 
16. Sept. Unsere Weinberge erfreuen sich heuer 
eines besonders guten Standes. Obwohl die 
doffnungen zu Anfang des Jahres mitunter groß 
waren auf eine reiche Crescenz. so ist man jetzi 
Algemein zu der Ansicht gelommen, daß es kaͤum 
inen Viertel⸗Herbst geben dürfte. Die Ursache 
zjievon ist zunächst zu suchen in dem anhaltenden 
Kegenwetter der letzten Tage, durch welches die 
Faulniß der Trauben in so hohem Maße begunstigt 
vurde, daß vollstaäͤndig faule Trauben keine Selien⸗ 
jeit mehr sind. Auch der Hagel hat seine verderb⸗ 
üchen Wirkungen gezeigt, wiewohl nur strichweise. 
Quantitat und Qualitat des diesjährigen Weines 
find somit wenig versprechend und ist es darum 
auch sehr zu wundern, daß der 1884er immer noch 
nicht im Preise steigt. Für die westpfälzischen 
Wirte ware gerade in unserm Thale Gelegenheit 
zeboten, fich einen preiswuürdigen und dabei guten 
Wein anzulegen. WM 
— Bergzabern, 14. Sept. In der 
Umgegend wurden verschiedene Hopfen · Verkdufe zu 
15 Mark pro Zenmer abgeschlossen. 
— Speyer, 15. Sepi. In der gestern auf 
hem Peterskeller dahier abgehaltenen Volksversamm⸗ 
ung mit der Tagesordnung Arbeiterschutz und 
S„onntagsruhere, in welcher an Stelle des 
Astzlich derhinderten Herrn Aug. Dreesbach Herr 
Ehrhart von Ludwigshafen referirte, wurde folgende 
Resolution gefaßt: Die heutige Versammlung er⸗ 
klärt sich mit den Ausführungen des Referenten 
posllommen einverstanden und beauftragt das Bu⸗ 
reau, an maßgebender Stelle kund zu thun, daß 
wir mit den von den sozialdemokratischen Abge⸗ 
ordneten eingebrachten Arbeiterschutzgeseße, einder⸗ 
tanden sind undb es als den einzig realisirbaren 
Weg betrachten, den heutigen anarchischen Zuständen 
inserer gesellschaftlichen Verhältnisse einigermaßen 
ein Paroli zu bieten. Gleichzeitig erblicken wir 
jierin den Weg. auf welchem eine gesunde Soziol 
reform angebabnt werden kann* 
* Aus Italien ist nunmehr das erste offi⸗ 
ielle Cholerabulletin eingegangen. Dem selben zu⸗ 
olge find vom 6. August bis zum 12. September 
n Italien im Ganzen 146 Choleraerkrankungen 
ind 86 Choleratodesfälle vorgekommen. In Pa— 
ermo wurden am Sonntag eine Choleraerkrankung 
und 4 Choleratodesfalle konstatirt, in der Prodinz 
Barma 17 Erkrankungen und 5 Todesfälle. 
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Deutsches Reich. 
Berlin, 16. Sept. Die Kommission für 
Antersuchung und Prüfung von Sicherheitsmaß⸗ 
egeln gegen jchlagende Wetter ist soeben mit dem 
Abschluß ihrer Arbeiten beschäftigt, über welche dem 
dandtag berichtet werden wird. 
Berlin, 16. Sept. Der deutsche Minister⸗ 
resident in Maroceo, Testa, hat sich nach Varzin 
bdegeben. 
Karlsruhe, 16. Sept. Der Kaiser wohnte 
uch dem heutigen, glänzend verlaufenen Manöver 
ei. Waährend der Hinfahrt sowohl wie Rückahrt 
and eine ftürmische Begrüßung von Seiten des 
JZublikums statt. Bei der Durchfahrt in Ettlingen 
vurde ihm rin festlicher Empfang bereitet. Das 
Wetter ist wundervoll. 
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Ausland. 
Paris, 16. Sept. Nachrichten aus Saigun 
dom 15. September zufolge herrschte in Kambod⸗ 
cchn Ruhe. In Folge der Massacres in Annam 
ind mehrere Tausend Christen nach Saigun ge⸗ 
lüchtet.