Full text: St. Ingberter Anzeiger

vSt. Ingberter Amzeiger. 
»..... 722 nJ 2* 8 J 327 —E h t z 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Montag, 28. September 1888s. 20. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
eDie diesjahrigen Herbstmandver in Süsd⸗ 
deutschland, bei denen die Truppen des 
adischen und württembergischen Armeekorps unter 
en Augen des Kaisers ihre militärische Thätigkeit 
u erproben hatten, sind nun vorüber und der 
aiserliche Herr erholt sich zur Zeit in dem idylli⸗ 
hen Baden⸗Baden von den Anstrengungen, welche 
wohl die Manöverlage als auch die dazwischen 
egenden Festlichkeiten für den greisen Monarchen 
nit sich brachten. Gleichwie die Leistungen des 
adischen Armeerkorps die entschiedenste Anerkennung 
es obersten Kriegsherrn gefunden haben, so gilt 
niees auch von denen der württembergischen Truppen 
ind in einem Handschreiben an König Karl, sowie 
a einem solchen an den kommandirenden General 
es württembergischen Armeekorps, v. Schachtmeyer, 
at der Kaiser diese seine unumwundene Aner⸗ 
ennung ausgesprochen. Die Ernennung des Generals 
. Schachtmeyer zum Chef eines preußischen Infan⸗ 
erieregiments — des in Stettin garnisonirenden 
zeugt gleichfalls von der kaiserlichen Zufrieden⸗ 
eit mit den Leistungen der württembergischen 
truppen. Am · Sonnabend wohnte der Kaiser 
- dessen Befinden fortgesetzt ein vortreffliches ist 
— nebst der Kaiserin und dem deutschen Kron⸗ 
inzen dem Einzuge des neuvermählten erbgroß⸗ 
jerzoglichen Paares in Karlsruhe bei. Wie lange 
eer Herbstaufenthalt der kaiserlichen Majestäten in 
Zaden⸗Baden dauern wird, ist noch unbekannt. 
»Die Karolinenfrage, welche infolge 
yer Ereignisse auf der Balkanhalbinsel nur noch 
auf ein kleines Winkelchen in den Spalten der 
yolitischer Tagespresse beschränkt war, erweckt durch 
ine sensationelle Meldung plötzlich wieder allsei⸗ 
iges Interesse. Wie die „Agence Havas“ zu 
nelden weiß, soll Spanien die von Deutschland an 
Stelle eines Schiedsgerichts in der Karolinenfrage 
vrgeschlagene Vermittelung des Papsite 8 ange⸗ 
ommen haben. Das Interessanteste an dieser Mit⸗ 
heilung — deren Bestätigung von kompetenter 
zeite allerdings noch abzuwarten bleibt; — ist 
denfalls der Umstand, daß der Vorschlag. den 
apst zum Vermittler in der deutsch spanischen 
Ztreitsache zu wählen, von Deutschland ausgegangen 
1. Daß das protestantische Kaiserreich gerade das 
Iberhaupt der römisch-katholischen Kirche als Mit⸗ 
lsperson vorschlägt, ist als ein Alt entgegenkom ⸗ 
iendster Kourtoisie seitens der deutschen Regierung 
tgenüber⸗ dem katholischer Spanien aufzufassen, 
bie er anderseits auch darauf hinweist. daß gegen— 
zärtig trotz aller entgegengesetzten Mittheilungen 
ehr freundliche Beziehungen zwischen dem Berl iner 
dabinet und dem Valitan herrschen müssen. Man 
sarf wohl annehmen, daß mana sich deutscherseits 
vrhet darüber vergewifsert hat, ob der heilige Vater 
uch geneigt ist, das delikate Amt eines Vermittlers 
wischen Spanien und Deutschland anzunehmen 
ind darf man nur hoffen, daß diese Friedensmission, 
velche Leo XIII. übernommen bat, auch vom besten 
irfolge begleitet sein werde. 
Das Kriegsgericht in Nadrid ver⸗ 
ttheilte aus Anlaß der vor 14 Tagen in der 
Nadrider Kaserne vorgekommenen Vorgänge wegen 
ingehorsam und Meuterei den Corporal zum Tode. 
ie Soldaten zu Zwangsarbeit 
Deutsches Reich. F 
Berlin, 26. Sept. Der Papst hat die ihm 
ingebotene Vermittelung zwischen Deutschland und 
Spanien angenommen, falls die zwischen beiden 
Kegierungen schwebenden Verhandlungen zu einer 
Berständigung nicht führen sollten. Vorläufig 
verden diese Verhandlungen fortgesetzt und es ist 
zurchaus nicht ausgeschlossen, daß die Regierungen 
zurch direkte Beziehungen zu einer Einigung ge⸗ 
angen. 
Ausland. * 
Paris, 27. Sept. Auch die „Agence Havas“ 
neldet nunmehr in einem Telegramm aus Peters⸗ 
—X 
u dem Zusammentritt der Boischafter⸗Konferenz 
nn Konstantinopel in der ostrumelischen Angelegen⸗ 
jeit gegeben haben. Der bezügliche Vorschlag sei 
»on Rußland gemacht worden. Nach einem 
donstantinopeler Telegramm derselben „Agence“ hat 
er dortige französische Botschafter, Marquis de 
stoailles, seine Instruktion betreffs Theilnahme an 
der Konferenz bereits erhalten. 
Petersburg, 26. Sept. Der Botschafter 
Braf Paul Schuwaloff ist heute nach Berlin abgereist. 
Petersburg, 26. Sept. Das „Pet. 
Journal“ meldet, es seien vertrauliche loyale Pour⸗ 
jarlers der Mächte im Gange in der bulgarischen 
Angelegenheit ihre Aktion in beruhigendem Sinne 
gemeinsam vorzunehmen. 
Belgrad, 27. Sept. Von der macedonischen 
Brenze wird ein Zusammenstoß türkischer Nizams 
ind Arnauten bei Borani gemeldet, wobei die 
Nizams über hundert Tode verloren; der Verlus' 
der Albanesen ist beträchtlich. 
sonstautinopel, 26. Sept. Die hiesigen 
Botschafter der Mächte treten demnächst zu einer 
onferenz wegen des ostrumelischen Staatsstreiches 
usammen. . 
Die Zusammensetzung des neuen türkischen 
Ministeriums wird in Petersburg günstig beurtheilt 
ind gleichsam als Bürgschaft genommen für das 
ernere freundschaftliche Einvernehmen der Pfarte 
nit Rußland, Deutschland und Oesterreich; der 
Ministerwechsel wird somit im Sinne einer fried⸗ 
ichen Loͤsung der bulgarischen Frage gedeutet. 
Daß die Großbulgaren es fuͤr angebracht 
zalten, für sich allseitig Stimmung zu machen, ist 
vohl erklärlich. Wenn jedoch eine offizielle Depesche 
us Sofia zu berichten weiß, daß „ein türkisches 
Blatt“ die Partei des Battenbergers gegen den 
Sultan ergreift, so erblicken wir darin den Beweis, 
zaß es auch dort schon Offiziöse von ganz sonder⸗ 
harer Farbe gibt. Die besagte Devesche aus Sofie 
neldet: 
„Das türkische Blatt „Hilal“ erkennt den 
Fürsien von Bulgarien als Souverän an und lobt 
ʒessen Haltung gegenüber den Mohamedanern; es 
appelliri an den Sultan, die Union zu sanktioniren. 
Die Mohamedaner betheiligen sich fortgesetzt an den 
HDuldigungen für den Fürsten.“ J 
Serbien macht von allen übrigen Balkan⸗ 
taaten vorläufig am meisten von sich reden. Der 
Appetit scheint dort außerordentlich groß zu sein, 
vas einigermaßen Wunder nehmen muß, wenn 
nan bedenlt, daß Milan Obrenowitsch selbst nie⸗ 
nals so recht warm in seinem Nest geworden ist. 
Die erhitzte Phantasie der Wiener hat schon das 
Herücht von einem Attentat auf den serbischen 
Konig in die Welt gesetzt; doch hat der Oberstadt⸗ 
hauptmann Török von Belagrad sich beeilt, di—⸗ 
Nachricht von der Ermordung Milans für eine 
pure Erfindung zn erklären. 
In Mountenegro waächst die Begehrlichkeit 
gleichfalls mit Macht; bald wird es so weit auf 
der Balkanhalbinsel sein, daß kein Einziger dem 
Andern traut. Der Kampf Aller gegen Alle droht 
nuszubrechen. Da mag heute jeder kleine Fürft 
oder Adlige das Haupt erheben und denken, daß 
er sich morgen selber in den Sattel schwingen 
könne, wenn er auch noch den Bügel hält. 
Eine Depesche aus Cattaro meldet: 
„Nach hier eingegangenen Berichten aus Mon⸗ 
lenegro werden daselbst Vorkehrungen für eine 
eventuelle Mobilisirung getroffen·“ 
Griechenland lann natüriich nicht zurück⸗ 
bleiben, wo alle Nachbarn wettrennen, um bei der 
Sequestration des kranken Mannes vom goldenen 
dorn ein Stückchen zu erwerben. Die „Agence 
davas“ berichtet aus Athen: 
„Der Minister⸗Präsident Delyannis reist heute 
Abend zum Könige, der in Korinth angekommen 
ist und dort eine zweitägige Ouarantäne bestehen 
muß. Er wird demselben die Verfügung zur Ein⸗ 
berufung der Kammer unterbreiten, die demnächst 
zusammentreten soll.“ * 
In Macedonien wollen die „bulgarischen 
Brüder“ nicht die einzigen sein, die unter dem 
„türkischen' Joch“ verbleiben. Die Gährung hat 
dort ihren Höhepunkt erreicht und bedarf offenbar 
nur eines schwachen Anstoßes, um mit aller Macht 
auszubrechen. Eine diesbezügliche Depesche lautet: 
„Aus Macedounien werden heftige Agitationen 
zum Zweck einer Erhebung gegen die Herrschaft 
der Pforte gemeldet. Berichte aus Prizrend signali⸗ 
siren einen allgemeinen Aufstand Albaniens, welches 
größtentheils von Truppen entblößt sei und von 
Arnautenbanden terrorisirt werde. Diese Alarm⸗ 
nachrichten dürften vor der Hand wohl eiwas 
ühertrieben sein.“ 
Lnd e ANachrichten. 
St. Ingbert, 128. Sept. Dem uns 
vorliegenden Rechenschaftsberichte des 
hiesigen Borschußvereins pro 1. Halb— 
ahr 1885 entnehmen wir, daß die Zahl der Mit— 
glieder in dem genannten Zeitraume von 646 auf 
672 stieg. Das StammantheilConto 
betrug am Schlusse des Halbjahrs 231,357 Mt. 
33 Pf. das RefervefondConto 86,920 
Mark, das Sparkassen⸗Con'to 549,289 
Mark 55 Pf. das Conbto⸗CorrentConto 
793,278 Mk. 31 Pf. Der Gefammtum— 
schlag belief sich auf 3,615,7389 Mi. 79 Pf. 
und der erzielte Reingewinn auf 9846 Mt. 
94 Pf. *2 2*2* ——A 
* St. Ingbert, 28. Sept. Am 1. Ok⸗ 
ober tritt der Winterfahrplan, auf den deutschen 
disenbahnen in Kaaft. 
* St. Ingbert, 28. Sept. Wir wollen 
nicht verfehlen, die Ersazreservisten I. Klasse, 
welche in dieser Woche, am 1. Oktober, nach fünf⸗ 
jähriger Dauer der Ersatzreserde I1. Klasse über— 
wiesen werden, hiermit nochmals darauf aufmerksam 
zu machen, ihren Ersatzreserveschein behufs Vermerk 
der Uebertragung bei dem kgl. Bezirksfeldwebel 
inzureichen, da sie sonst leicht in der Liste der 
Ersatzreserve J. Klasse weitergeführt werden könnten. 
— Rheingoͤnheim, 25. Sept. Der 
draltische Arzt, Herr Scharff, welcher vor nicht langen 
Zeit von Meckenheim hierher seinen Wohnsitz verlegte 
hat sich gestern Nachmifstag wohl in einem Anfos