Full text: St. Ingberter Anzeiger

der kgl. Staatsbehörde: Herr 2. St.A. Wagner. 
Bertheidiger: Herr Rechtspraktikant Dr. Siern. 
— Gerlinger ist angeklagt. mehrere Brände in 
Fischlingen, Geinsheim und Lachen verursacht zu 
haben, und wurde zu 6 Jahren Zuchthaus, sowie 
Aberkennnng der bürgerlichen Ehrenrechte auf die 
zleiche Dauer und zur Stellung unter Polizeiarf⸗ 
acht verurtheilt. 
— Zweibrücden, 24. Sept., Nachm. 3 
Uhr, Verhandlung“ gegen Julius Adam Ernst, 20 
J.a., Winzer von Maikammer. Anklagesache: 
örperverlezung mite nachgefolgtem Tode. Ver—- 
reter der k. Staatsbehörde: Herr 2. St.⸗A. 
Wagner. Vertheidiger Rechtspraktikant Karl Blum. 
Der Angeklagte, ein äußerst jähzorniger Mensch, 
»erletzte am 18. Juli. abhin seinen Vater am 
Anterleib mit einer Sense derart, daß am 23. Juli 
der Tod eintrat. Das Urtheil lautet auf 2 Jahr 
8 Monate Gefängniß. 
Zweibrücken, 25. Sept. Vorm. ð Unr. 
Verhandiung gegen Adam Weber, 24 Jahre alt, 
Schneider von Billigheim, wegen Verbrechens der 
Nothzucht. Vorfitzender: Herr k. Oberlandesgerichts· 
rath Erbelding; beisitzende Richter:“ die Herren k. 
Landgerichtsräthe Bauer und Schneider. Gerichts⸗ 
schreider: Herr Rechtspraktikant Gustav Herb 
Hertreter der kgl. Staatsbehörde: Herr kgl. III. 
Staatsanwalt Wildt. Vertheidiger: Herr Rechts⸗ 
anwalt Schuler. 
Dem Angellagten liegt zur Laft ein Verbrechen 
gemäß 8177 R.St.G.B. begangen in der Frühe 
des 15. Juni abhin, in der Nähe von Ingenheim. 
Die Geschworenen bejahten die Frage auf Nothzucht, 
sowie die Frage nach mildernden Umständen, wo⸗ 
rauf der Gerichtshof den Angeklagten zu einer 
Gefängnißstrafe in die Dauer von 1 Jahr und 6 
Monaten verurtheilte. 
— Zweibrücken, 26. Sept. Verhandlung 
gegen Karl Michel, 45 Jahre alt, Gerichtsvoll⸗ 
eher in Landau, wegen Verbrechens im, Amte. 
Zelreter der kgl. Staatsbehörde: Herr kgl. 1. 
Staatsanwalt Scherer. Vertheidiger: Herr Rechts⸗ 
anwalt Rosenberger. 
Zur heutigen Verhandlung sind 14 Belastungs⸗ 
ind 12 Entlastungszeugen geladen. Dem Ange⸗ 
ilagten wird zur Laf gelegt: 1) Am 26. Februar 
1888 im Protokolle übec eine gegen einen Schuster 
Jakob Croneis in Leinsweiler vorgenommenen Mo⸗ 
diliarpfandung die Dauer der verwendeten Zeit 
mnuf 31. Stunden angegeben und darnach auch die 
Hebühren bemessen zu haben, während in Wirklich⸗ 
reit nur * bis *4 Stunde zur Vornahme der 
fraglichen Pfändung erforderlich gewesen war. 2 
dAm 31. Dezember 1883 bei Pfändung eines sogen. 
Butscheins auf dem Bureau- des Rechtsanwalts 
Sieben in Landau im bezüglichen Protokolle statt 
Fer verbrauchten 2 Stunden deren 20 zum Zwede 
er Gebührenbemessung fälschlich eingetragen zu haben. 
5) Am 26.Juni 1888 gelegentlich einer Pfändung 
bon Früchten auf dem Halm in Oberlustadt in 
wii Fällen die Zeit, die zutr Vornahme der Pfändung 
hothwendig gewesen, auf je 8*)4 Stunden bemessen 
zu haben, ährend sie sicher von kürzerer Dauer 
Jewesen, indem nachgewiesener Maßen der Ange⸗ 
lagte um etwwa 9 Udhr erst in Landau wegfuht 
und einige Minuten nach 12 Uhr schon wieder den 
Heimweg antrat; in beiden Füllen auch das Pro⸗ 
otoll so abgefaßt zu haben, als habe er selbst die 
pfandung an Ort und Stelle vorgenommen wãh⸗ 
rend in Wirklichkeit der Pfändungsakt in der 
Wohnung des Schuldners errichtet und die Pfand 
zeichen vom Feldhüter an den betreffenden Grund⸗ 
ftüden angebracht wurden. Verbrechen beziehungs⸗ 
deise Vergehen gemäß 8 348, 8349. 352 R.St. 
B.B. 
Der Angeklagte gibt an. er habe in den ge— 
nannten Faͤllen die verbrauchte Zeit richtig angegeben 
ind die Gebühren nicht zu hoch bemessen. Vei den 
Mobiliarpfändungen sei ihm don Seiten der 
Schuldner Widerfland entgegengesetzt worden und 
habe er durch gütliches Zureden und langes Ver⸗ 
handeln, theils auch durch Inanspruchnahme des 
Bürgermeisteramts erst sich die Möglichkeit ver⸗ 
schaffen müssen, seines Amtes walten zu können. 
Bei“ der Pfändung des Gutscheins habe er erst 
inen umfangreichen Akt durchsehen und später ein⸗ 
Jehende Gesctzesstudien machen müssen, da er sich 
icht klar darüber gewesen sei, ob eine solche 
Pfaͤndung gesetzlich zulassig sei. Bezüglich der 
pfändung von Früchten auf dem Halm habe er 
ucht gewußt und sei dies auch im Gesjetze nirgends 
orgeschrieben. daß die Pfändung an Ort und 
Stelle vollzogen werden müsse; es sei vielmehr all⸗ 
zemein Brauch, daß die Pfändung in der Wohnung 
des Schuldners oder auf dem Gemeindehause vor⸗ 
genommen und die Pfandzeichen sodann durch den 
Feldhüter an den betreffenden Grundstücken ange⸗ 
hracht würden. Die Vorgesetzten des Angeklagten 
childern denselben als einen pflichteifrigen Beamten, 
der sich im allgemeinen gut geführt habe; Unregel⸗ 
mäßigkeiten seien selten porgekommen und nur in 
zwei Fällen sei ein allzuhoher Gebührenansatz zu 
rügen gewesen, dies sei aber zu einer Zeit geschehen, 
vo der Angeklagte in Urlaub— und —durch einen 
Amtsverweser vertreten war. Die Belastungszeugen 
childern die Vorgänge im 'allgemeinen so, wie sie 
»on der Anklage dargestellt werden. Die Verhand⸗ 
lung vurde um 12 Uhr bis zum Nachmittag aus- 
zeseßzt. Nach längerer Replik ünd Duplik seitens 
er igl. Staatsbehörde und der Vertheidiguñg, worin 
reide ihre vorherigen Ausführungen aufrecht erhielten 
ind an der Hand der gesetzlichen Bestimmungen 
ihren klar gelegten Standpunkt behaupteten, zogen 
sich die Geschworenen zurück und verkündeten nach 
einstündiger Berathung den Wahrspruch dahin, daj 
ämmtliche Schuldfragen verneint wurden, worau 
der Gerichtshof ein freisprechendes Erkennt⸗ 
niß fällte. — 
—Die Abrechnung der Brandversiche⸗ 
rudgs⸗Anstalt der Pfalz für das Jahr 
1884 wird im „Kreisblatt veröffentlicht. Der Be⸗ 
rag für Brand⸗Entschädigungen in sämmtlichen 
Bezitksämtern war 620,679.24 Mark, wovon 
567,207. 32 M. ausbezahlt wurden, so daß ein 
Rest von 53. 471.92 M. verblieb. Die Abschätz- 
ungsgebühren beliefen sich auf 12,123. 14 M. In 
den einzelnen Bezirksämteru wurden folgende Bei— 
räge wirklich ausbezahlt: Kaiserslaulern 74,585. 29 
M., Kirchheimbolanden 99,281. 21 M., Bergzabern 
38,176.27 M, Frankenthal 56,744. 21 M., Ger⸗ 
mersheim 15,236.20 M., Homburg 20,832. 19 M., 
Zusel 19,709. 48 M., Landau 835,708.92 M., 
Reustadt 45,738. 61 M., Pirmasens 21,288. 16 M. 
Zpeyer 100,257. 66 M., Zweibrücken 89,649. 17 M. 
— Kaiferslautern; 28. September. 
Gestern Nachmittag wurde durch die drei 1120 und 
L2jährigen Früchtchen Ludwig Herzhauser, Peter 
tlug und Friedr. Hupp das zum Aufbewahren 
don Sprengpulver dienende Häuschen des Maurer⸗ 
meisters Hocke im Pfeiferthälchen erbrochen; nachdem 
der Deckel der Kiste, in der das Pulver aufbewahr' 
vird, mittelst einer Winde abgesprengt war, füllten 
ich die drei Bürschchen ihre Taschen mit Pulver, 
singen dann aufs Feld, machten von dem Pulver 
og. Spauzteufel und zündeten sich auch ein Feuer 
in. Das in den Taschen derselben vorhandene 
Pulver entzündete fich — wahrschtinlich kamen sie 
»em Feuer zu nahe — und verbrannte denselben 
ie Kleidungsstücke; auch erlitten sie derartigt 
Bgrandwunden, daß sie fast ganz nackt ins Hospital 
serbracht werden mußten und sogar an dem Auf-⸗ 
ommen des einen — Hupp — gezweifelt wird. 
— Die Heimath', pfälzisches Sonntags⸗ 
»latt. Nr. 52 enthält: Gedächtnißtage. Irene 
kine Verlobung mit Hindernissen. Schreckenstage 
Die Schlacht am Hasenbühl Hervorragende Pfälzer. 
stundschau im Pfälzer Land. Blätter und Blätt 
hen. Der Bauernfreund für 1866. In's Merk 
huch. Raäthsel. Briefkasten. 
⸗Ein erschütternder Un glücks fall pas 
irte der Familie des Herrn Bürgermeisters Franz 
WBagner von Hermersberg. Sein fünfjähriges 
Söhnchen kletterte am Kartoffelwagen am— Rade 
auf, die Pferde zogen an, das Kind stürzte, das 
stad ging über dasselbe und sofart war das arm 
dind eine Leiche. — GPf. 3. 
— Deidesheim, 27. Sept. Gestern Rach 
nittag passirte dem Portier Becker vom Bahnhoft 
»ahier das Unglück, beim Rangiren eines Güter⸗ 
uges zwischen die Puffer zweier zusammenstoßenden 
hüterwagen zu gerathen: und dabei bedeutend 
Quetschungen zu erleiden, deren Folgen sich augen⸗ 
zlicklich noch nicht ermessen lassen, da innerliche 
Berletzungen vorzuliegen scheinen. Becker wird hier 
illgemein bedauert, denn es war derselbe jederzei 
ꝛin gewissenhafter, dienstwilliger und gefälliger Be— 
imter. 
— Haßloch. Der Distriktösrath hat zur 
Bründung eines vor der pfälzischen Foh— 
enhofes, zu welchem die alte Fohlenweide 
ahier ausersehen ist, und zu Rennzwecken die 
Summe von je 500 Mk. auf die Dauer von fünf 
Jahren bewilligt. Der hiesige Gemeinderath hal 
n voller Würdigung der Sachlage den Platz un⸗ 
entgeltlich, sowie ebenfalls die Summe von 500 M 
zu Rennzwecken zur Verfügung gestellt. 
— Speyer, 24. Sept. Das Areisblat 
Nr. 46 bringt folgendes Ausschreiben: „Um g 
messen zu können, ob die Abhaltung einer zweiten 
Prüfung für Hufschmiede im Laufe des Jahres 
noch angezeigt erscheint, werden hiermit alle jen 
Hufschmiede, welche sich einer solchen Prüfung unter⸗ 
ziehen wollen, aufgefordert, ihre Gesuche bis zum 
15,. Oktober nüchsihin bei der kgl. Regierung der 
Pfalz, Kammer des Innern, unter Anfügung der 
vorgeschriebenen Nachweise einzureichen.“ 
Die „Pfälzische Lehrerzeitung“ schreibt: 
„Der in Ludwigshafen zum städtischen Lo. 
kalschulinspektor gewählter Dr. Geistbesck aus 
München hat, wie wir hören, im Jahre 1870 da 
Seminar in Freising absolviert und auch 1874 
seine Prüfung els Schuldienstexspektant bestanden 
Er war Lehrer an der Seminarübungsschule zu 
Freising, besuchte später die polytechnische Schul 
in München und erwarb sich auch den. Doktoriite, 
zur Zeit ist er Hauptlehrer an der städtischen Han— 
delsschule in Munchen. Dr. Geistbeck ist demnaq 
in ordnungsgemäßer Weise zum Volksschuldiensu 
vorgebildet und hat auch die vorgeschriebene Dienst 
prüfung abgelegt; seine fachmännische Vorbildung 
kann somit nicht angezweifelt werden. Was den 
pfälzischen Volksschullehrerstand aber noch immei 
kränken muß, ist das Ausschreiben der Stadt Lud 
wigshafen, die einen Mann suchte, der an einer 
„hoͤheren“ Anstalt mit Erfolg gewirkt habe, und 
dadurch den im Volksschuldienste stehenden Lehrern 
die Bewerbung vollständig abschnitt. Ebenso sehr wie 
auf die fachmännische theoretische Ausbeldung mus 
doch auch Gewicht gelegt werden auf die praktische Er⸗ 
fahrung, und dann war das Vorgehen Ludwigshafent 
vieder nur zu sehr geeignet, das gegen den Volksschul 
lehrerstand im allgemeinen noch vorhandene ungerecht⸗ 
Vorurtheil neu zu bestärken. Dem Volksschullehrer 
als solchem ist keine Aussicht auf Avancement er— 
oͤffnet/.. 
Vermischtes. 
fFHeusweiler, 26. Sept. Zur Geschicht— 
der weiblichen Reisenden. Damit dir 
Süddeuischen nicht etwa glauben sollen, sie hätter 
allein weibliche commis-voyageurs beeile ich mich 
nitzutheilen, daß ich vor ca. drei Wochen das Ver— 
aunügen haite, ein derartiges hübsches Exemplar zr 
sehen. Nicht wenig erstaunt, hörte ich ihre Vor— 
stellung „mein Name ist ...... und Vertreter 
der Firma L... in St.... kann ich Ihner 
aufwarten in Wintersachen — o gewiß haben Si 
etwas nothwendig, wenn es nur eine Kleinigkei 
ist und dabei uuspielt ein liebenswürdiges Lächeln 
das reizende Mündchen — natürlich wie anders 
—. wer kann einem solchen Zauber widerstehen — 
und die Besiellung auf diese und jene Kleinigkei! 
wird gemacht; mil einem zufriedenen Lächeln ver— 
abschiedet sie sich — sie ist mit dem gemachter 
Geschäfte zufrieden. Sonach ists gar keine üblt 
Idee und wird recht bald Nachahmung finden. Aber 
unsere Süddeutschen haben gewiß die zwei Punkte 
welche dem Erfinder der genialen Idee vorgeschwebt, 
nicht errathen ? Der Erfinder erhälte, Palent“ auf 
die Einrichtung. Er will nämlich 1) die Einricht⸗ 
ung der Tournilre sich zu Nutzen machen. Die 
maännlichen Reisenden muͤssen gleich einen Wagen 
haben, wenn ihnen ein Koffer eiwas schwer erscheint, 
anders bei den neuen Reisenden, sie befestigen an 
dem Koffer einen Riemen, ähnlich wie bei Dreh— 
orgeln, ftellen den Koffer oder das Gepäch hinten 
auf die Tournure legen den Riemen am Halse 
über die Schultern fest und fort gehts in die weite 
Welt, ohne Wagen —, welche Ersparniß von 
Spesen —; Fur den Fall der Müdigkeit und da 
mit die Reisenden überall ruhen lönnen, nehinen 
sie eine Urt Jagdstuhl mit, welcher in der 
Gegend, der Tournuce befeftigt vnd an der 
beliebten Ruhepunkten untergestellt. wird und st 
als Stützpunki dient und L). will er dem — 
stande des so ungesunden „Sitzenbleibens a 
heifen, indem er den heiralhslustigen Reisenden 
des zarten Geschlechts genügende Gelegenheit — 
will, sich unter ihren mannichen Kollegen etwa— 
Haltbares, Solides herauszusuchen, dessen Schluf 
vom Liedchen sei, Entflieh min mir und sei mein 
Associs.“ 7 .Wieute— 
FStraßburg, 26. Sept. Generallien 
nant v. Alvensleben, welcher im Auftrage * 
aisers in Frankreich den Mandvern der rn 
chen Truppen beigewohnt hal, kam, der „Sttatzb. 
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