Full text: St. Ingberter Anzeiger

London, 24. Januar. Lord Wolseley tele— 
graphirte aus Corti heute Nachmittag, daß die mit 
Geschützen und dem Cavallerie⸗Kameelkorps versehene 
Colonne unter General Carl heute früh von Handab 
via Abudhemed nach Berber aufgebrochen seien. 
Neuere Nachrichten vom Obersten Stewart sind 
nicht eingelaufen. 
London, 26. Januar. Das Dynamitattentat 
am Sonnabend rief im ganzen Lande die größte 
Aufregung und Entrüstung hervor. Die Morgen⸗ 
blätter bringen spaltenlange Berichte und verlangen 
in Leitartikeln eine Verschärfung des Polizei⸗Regle⸗ 
ments und Vermehrung der Geheimpolizisten. Sie 
empfehlen einen energischen Appell der britischen 
Regierung an die Regierung der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika, damit dem weiteren 
Schmieden von Dynamitkomploten durch strenge 
Besetze ein Ende gemacht werde. 
London, 26. Januar. Die „Times“ meldet: 
Die Modifikationen der französischen Gegenvor⸗ 
schläge sind von Frankreich thatsächlich angenommen. 
England setzte fest, die Gesammtgarantie solle auf 
der Basis der englisch-französischen Garantie der 
türkischen Anleihe von 1855 gebildet werden und 
Frankreich keine Einmischung in die egyptische Ver⸗ 
waltung zustehen. Die gemeinsame Garantie solle 
keinen gemeinsamen politischen Einfluß bedingen 
Ekokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 27. Januar. In der 
Samstagsnummer ds. Bl. brachten wir ein Cir— 
kulär des königl. Bezirksamts Zweibrücken, 
betreffend die Errichtung von Sparkassen nach 
dem Markensysteme, zum Abdrucke und wollen wir 
hiermit wiederholt darauf aufmerksam gemach 
haben. Die neue Einrichtung, die für unseren 
Bezirk durch die Initiatide des Herrn kgl. Bezirks⸗ 
amtmanns mit Zustimmung der Distriktsräthe und 
Genehmigung der kgl. Kreisregierung in's Leben 
gerufen wurde, hat an Orten, wo sie schon länger 
eingeführt ift, den wohlthätigsten Einfluß auf die 
Bevölkerung ausgeüdt. Sie wird gewiß auch bei 
uns von segensreichen Folgen begleitet sein, und 
dies um so mehr, je fleißiger die dargebotene Ge⸗ 
legenheit, jeden Pfennig zurückzulegen und zins- 
tragend zu machen, benutzt wird. Das Sparen 
ist durch die neue Kasse ja so leicht gemacht, indem 
schon 20 Pfg. als Sparsumme eingelegt werden 
können. Wie die Sparmarken und -Karten, welche 
von den Distriktsrechnern und Einnehmern zu be— 
ziehen sind, gebraucht werden sollen, haben wir 
schon ausführlich in der Samstagsnummer nach 
dem bezirksamtlichen Cirkulär angegeben und sei 
hiermit nochmals auf das dort Gesagte hingewiesen. 
[*] Schnappach, 26. Januar. Verschiedene 
Zeitungen brachten die Nachricht, daß am 16. dse. 
Mts. in Offenbach am Glan der Bäckergeselle 
G. Münch gestorben ist. Derselbe wollte am 
Abende vorher von diesem Orte nach Lauternken. 
Morgens fanden ihn mehrere Arbeitsleute nicht 
weit von genauntem Orte im Chausseegraben kau— 
ernd, dem Tode nahe. In das nächste Wirths— 
haus verbracht, starb er alsbald. Dieser Bäcker⸗ 
geselle hat auch in hiesiger Umgegend viele Jahre 
in Dienst gestanden und war bekannt unter dem 
Namen der Grenzjäger. 
R.-æ In Kirkel scheinen die Wild— 
schweine recht traulich zu werden; denn neulich 
statteten 6 derselben dem am Hause liegenden 
Garten des Schreiners Friedrich Ebersold einen 
kurzen Besuch ab, indem sich daselbst ein verendetes 
Kalb befand. Doch ehe ein Schütze herbeigerufen 
werden konnte, kehrten die Borstentiere wieder in 
ihr sicheres Versteck zurück. 
R.— Die Pfennigsparkasse von Kirkel⸗ 
Neuhäusel erfreut sich wieder eines namhaften 
Zuwachses pro 1884; denn dieselbe weist einen 
stassabestand von 5632 Mk. auf. 
W Blieskastel, 26. Ja. (Theater⸗ 
bericht.) Gestern wurde dem hiesigen Publikum 
durch die Aufführung von „Die Grille oder 
Fanchon Vivieux und die Zwillingsbrüder“ von 
Charlotte Birch Pfeiffer ein herrlicher Genuß ge⸗ 
boten. Dieses Lufssspiel, eines der besten Bühnen⸗ 
stücke der genannten Schriftstellerin, wurde in seinen 
rinzelnen Theilen in einer Weise durchgeführt, die 
alle unsere Achtung vor den fleißigen jungen 
Leuten, welche sich einem vollständig uneigennützigen 
Zweck in Dienst stellen, verdient. Tadellos, ja 
mustergiltig, wurden die Stellen der Fanchon 
Vivieux und der alten Fadet durch die beiden hie— 
sigen Fräulein Wack und Schwalb zur Dar— 
ittellung gebracht und ernteten dieselben jedesmal 
in verdienter Weise reichen Beifall. Der Besuch 
des Theaters war am gestrigen Abende ein starkern 
und ist zu wünschen, daß derselbe auch fernerhin 
keine Abnahme erleidet. 
— Das kgl. Finanzministerium hat an die 
einschlägigen Aemter der Pfalz die Instruktionen 
in Bezug auf die Buch und Kassaführung für die 
dagelversicherungsanstalt erlassen. Bekanntlich wird 
die Hagelversicherung für unsere Provinz schon für 
das laufende Jahr in Kraft treten. 
— Kaiserslautern, 23. Januar. Heute 
früh erplodirte in der Kesselschmiede von 
herrmann & Schimmelbusch eine Benzin⸗ 
sampe. Ein in dem Raume beschäftigter Junge 
hefand sich so nahe an derselben, daß seine Kleider 
m Nu Feuer fingen und alsbald lichterloh braunten. 
Trotzdem es gelang, die Flamme zu ersticken, hatte 
der Beklagenswerthe doch bereits schon so schwere 
Brandwunden erlitten, daß an seinem Aufkommen 
Jezweifelt wird. (Pf. Pr.) 
— Kaiserslautern. Am 24. und 25 
Februar nächsthin wird hier im Lokale der Brauere 
Schwarz (Rittersberg) der diesjährige Pfälzischt 
Frühjahrs-Saatgutmarkt abgehalten. Proben sind 
zis längstens 18. Februar an die Saatgutmarkt 
ommission dahier portofrei einzusenden. Bei Kar— 
offeln darf das Sortenmuster nicht unter 5 Kilo— 
zramm, bei Getreidearten, Hülsefrüchten, Mais ꝛc 
nicht unter 2 Kilogr. und bei Kleesamen und son— 
tigen Sämereien nicht unter s Kilogr. betragen 
der Anmeldezettel muß enthalten: Name und 
Bohnort des Ausstellers, genaue Bezeichnung der 
usgestellten Saatwaaren, Garantie für Reinheit, 
deimfähigkeit und Sortenächtheit, wer die Saat 
vaare gepflanzt hat und wo sie gewachsen ist, wel⸗ 
hes Quantum verkäuflich und zu welchem Preis 
per Zentner. Es wird nur vollkommen reine Waart 
zugelassen. 
— Der SGsjaährige Peter Spohn aus 
Heferssweiler arbeitete in Mainz und fuhr 
vor Weihnachten dort weg, um nach Hefersweiler 
zu reisen, wo er im Kreise seiner Angehörigen das 
Weihnachtsfest zu feiern gedachte. Ec stieg in 
Alzey aus, um den ca. S8stündigen Weg zu Fuß 
zurückzulegen, kam aber nur bis vor Dörrmoschel, wo 
er, einige hundert Meter vom Dorfe entfernt, vom 
Wege abkam und sich im Frelde verlor. Er hlieb 
liegen und erfror. Am 19. Januar, also nach 
ungefähr 4 Wochen, wurde er zufällig auf dem 
Felde gefunden. 
— Eine höchst interessante Antiquität besiztzt 
iach der „Pf. Pr.“ der Metzger Karl Michel von 
dertlingshausen. Es ist dies das alte 
Testament in hebräischer Sprache auf zirka 70 bis 
30 melangem Pergament. Das ganze, aus dem 
14. Jahrhundert stammend, ist noch sehr gut er⸗ 
halten und dürfte für Museen oder Synagogen 
Interesse bieten. 
— Landau, 24. Januar. Der ‚Land. Anz.“ 
chreibt zur Berichtigung einer auch in den „St. 
Ingb. Anz.“ übernommenen Notiz: „Zu unserer 
zestrigen Mittheilung über die Sitzung der Zivil— 
tammer des k. Landgerichts, betr. die Verflichtung 
der Hausbesitzer zur Herstellung des Trottoirs, theitt 
man uns berichtigend mit, daß in der Hauptsache 
weder plädirt, noch erkannt wurde, sondern daß es 
sich lediglich um die Zuständigkeitsfrage handelte 
welche das Gericht verneinte, sodaß die Angelegen⸗ 
heit nunmehr auf dem Verwaltungswege weiter 
verfolgt wird.“ 
— In Weisenheim a. S. ging dem Ackerer 
B. Korb das Pferd mit einem Wagen durch und 
überfuhr so unglücklich den 15jährigen kurzsichtigen 
Johannes Weber von dort, daß derselbe sofort 
eine Leiche war. 
— Maikammer, 283. Januar. Schon eine 
Reihe von Jahren will man behaupten, daß es nie 
mehr einen Batzenwein geben werde, nämlich einen 
olchen, der per Schoppen oder halben Liter zu 
12 Pfg. verzapft werden kann. Die Weinpreise 
Jaben sich seither auch so hoch gehalten, daß man 
den niedrigsten Preis zu 20 Pfg. annehmen konnte. 
Nun aber, durch den günstigen 84er Herbst sind 
die Preise der älteren Weine so gefallen und diese 
wegen ihrer geringeren Qualität so vernachlässigt, 
daß wieder ein Batzenwein zu 12 und 13 Pfg. 
aufgetreten ist. Ein solcher findet sich hier und 
nuch in mehreren Orten des Oberlandes. Die 
Arbeiter sind es besonders, welche solche Strauß— 
virthschaften frequentiren, d. h. diesen Wein dem 
Biere, welches ebenso viel kostet, vorziehen und — 
das mit Recht. 
— Aus Hambach wird berichtet: Laͤngs de 
Oberhaardt sind noch nie so viele Aecker zu Reh 
eldern bestimmt worden, wie im laufenden Winter 
Ueberall findet man Arbeiter mit dem Roden be— 
schäftigt, selbst in Lagen, wo eine andere Cultu 
vielleicht einträglicher wäre. Der Eifer, jung 
Wingerte anzulegen, hat infolge des reichen Herbsta 
jo um sich gegriffen, daß kaum ein Tagner p 
erhalten ist. 
— Vor etwa zwei Jahren' reiste der Tagnu 
Vregor Lösch von Leimersheim nach Amerike 
sich goldene Berge da versprechend. Derselbe hatt 
daselbst schon Angehörige und ließ sich in St. Man 
bei seiner Schwester nieder, wo selbst er sich vo 
einem Jahre verheirathete. Als seine Schweste 
zestorben war, brachte ihn Arbeitsmangel mit seine 
Frau nach New⸗-NYork zurück, wo eine zweite Schweste 
von ihm lebte. Hier scheint es ihm nun rech 
kümmerlich gegangen zu sein, denn es reifte in ihn 
der schreckliche Entschluß, sich und seine Frau z 
ödten. Nach eingelaufenen Nachrichten schoß e— 
eine Frau in den Rücken und sich in die Vrus 
Die Verwundung der Frau soll keine lebensge 
ährliche sein, dagegen ist der Zustand des Thäter 
der bei Abgang der Nachricht noch lebte, ein hoff 
nungsloser. Manchem Auswanderungslustigen dürfn 
dieser Vorfall zu denken geben und auf Aenderun 
seiner Gesinnung einwirken! 
— Gommersheim. Die Untersuchum 
wegen Tödtung des vor etwa einem Jahre ab 
Leiche in dem Speierbach aufgefundenen 19jährigen 
etwas geistesbeschränkt gewesenen Jakob Braua 
von hier scheint noch nicht zu Ende geführt zu 
sein, denn vor einigen Tagen war das k. Amts 
gericht Edenkoben wieder hier und verhörte aber 
mals mehrere Zeugen. Wie verlautet, soll ein hie 
bedienstet gewesenes Dienstmädchen ihr bisherige— 
Stillschweigen gebrochen und über seine Beobach 
tungen zur Zeit des Verschwindens des junger 
Brauch gegen eine bestimmte Person belastende An 
gaben gemacht haben. (Gwt.) 
— Oggersheim, 26. Januar. In eimn 
Schafheerde, die in der Nähe Mundenheims einge 
pfercht war, geriethen gestern früh zwei groß— 
Hunde, welche zwei Schafe tödteten, 18 verwundeten 
und 4 versprengten. 
— Speier, 23. Januar. Sergeant und 
Musiker Fischer vom 2. Pionier-Bat. ist sei 
Montag spurlos verschwunden. Derselbe — 
verheirathet — hat sich am Weihnachtstage an 
einem Mädchen von 10 Jahren vergangen und 
'ollte gestern verhaftet werden. (Sp. 3.) 
Bermischtes. 
F Die Entstehung des Bieraufschlags ir 
Bayern fällt in die Zeit der Regierung Herzos 
Albert V. von Bayern. Im 13. und 14. Jahr 
hundert, als die große Maß herrschaftlichen Bieré 
im Winter 2 Pfennige und im Sommer 3 Hellst 
zalt, standen die Braäuer noch in keiner Beziehun 
n solchen Verhältnissen wie jetzt. Jede Famili— 
»der mehrere zusammen brauten damals, wie not 
gegenwärtig in einzelnen Höfen der oberen Pfal, 
hren „Haustrunk“ selbst und die zu der schweren 
Arbeit hiebei nöthigen Handknechte oder Nachhelfer 
sind noch heutzutage unter dem Namen „Schrollen 
bekannt. Diese einfache Gattung Bierbrauer be— 
schäftigte sich dann zur Sommerzeit auf Ziegelöfen 
mit Lehmtreten, Steinschlagen ꝛc. Im Jahre 1540 
brach unter Kaiser Karl V. der Türkenkrieg an 
und Herzog Albert V. von Bayern hatte ab— 
Reichsfürst hiezu 600,000 fl. nöthig. Da nu 
eine solche, für diese Zeit außerordentliche un 
groke Summe nicht leicht aufzubringen war, ent 
stand in eben diesem Jahre der Bieraufschlag 
welcher sich leider bis auf unsere Tage erhalte 
hat. Wir haben es also nur den Türken, dieser 
Erbfeinden des christlichen Wohles zu danken, dah 
dieser Nationaltrank seitdem besteuert wird. 
F Eine folgenschwere Empfehlung 
Die Handelskammer am Landgericht München J hu 
in Bezug auf die Verantwortlichkeit bei Ausstellung 
von Referenzen und Dienstattesten eine beachten⸗ 
werthes Urtheil gefällt. Eine Münchener Firm— 
hatte ihren bisherigen Reisenden als treu und ver' 
sässig empfohlen, obschon sich nachträglich herau— 
stellte, daß derselbe sich einige Uuregelmäßigkeiten 
zatte zu Schulden kommen lassen. Der Reisend 
wurde auf Grund des empfehlenden und nicht so 
ort auf die gemachte Wahrnehmung hin berichtit