Full text: St. Ingberter Anzeiger

Rohmer in Schleitstadk ist zum ersten Ergän⸗ 
zungsrichter bei dem Amtsgericht in Schlettstadt. 
und der Amisgerichtsschreibet a. D. Binder in 
Münster zum Ergänzungsrichter bei dem Amtsge⸗ 
richt in Münster ernannt worden. — Dem Notar 
Wanten, früher in, Faargemünd, z. Z. in Kö— 
nigswinter, ist die nachgesuchte Entlassung aus dem 
Amte als zweiter Ergänzungsrichter hei dem Amts- 
gerichte in Saargemünd ertheilt worden. 
Kreuznach, 7. Oktober. Zwei Kinder 
von hier, Katharina Barth, ein Mädchen von 11 
Jahren, und ihr Bruder Peter, ein Knabe von 9 
Jahren, haben ohne jede Begleitung von hier aus 
die Reise über den Ozean zu ihrem in Pori 
Washington in den Vereinigten Staaten wohnenden 
Oheim unternommen. Nachdem die Eltern der 
Kinder hier vor Kurzem gestorben, theilte der 
Oheim, Besitzer einer Schuhwaarenfabrik in Port 
Wajshington, den hiesigen Behörden mit, daß er 
die beiden Waisen an Kindesstatt annehmen möchte; 
man möge ihm dieselben schicken. Gleichzeitig 
übersandte der brabe Mann das Geld für die Reise 
Den Kleinen wurde nun hier ein Zettel auf die 
Kleider genäht, worauf in großen Buchstaben das 
Reiseziel der beiden Kinder geschrieben stand. Am 
6. August landeten dieselben in New York. Die 
Vorsteher des Auswandereramtes widmeten den 
Kleinen die größte Sorge, bevor sie dieselben in 
den Zug nach Ohio steigen ließen, gaben fie ihnen 
ein großes Packet mit Lebensmitteln. Katharina 
die eine gute Hausfrau zu werden verspricht, be⸗ 
mächtigte sich alsbald des Packets, „ich muß das 
Packet gut verwahren,“ sagte sie, „sonst wird der 
kleine Peter bald alles aufgegessen haben und krank 
sein.“ Ein Brief aus Port Washington zeigt an— 
daß die kleinen Reisenden in bester Gesundheit bei 
ihrem Oheim angekommen sind. 
FKreuznach, 8. Oktober. Das Projekt 
einer dirckten Eisenbahn von Brüssel nach 
Mainz tritt in Belgien, wo es bereits öfter die 
Kammer beschäftigt, jetzt wieder in den Vorder⸗ 
grund. Nunmehr hat auch der Gemeinderath von 
Brüssel in seiner Sitzung vom 5. dos. einstimmig 
beschlossen, auf Ausführung der genannten Linmie zu 
dringen. Der Bau dieser Eisenbahn würde für 
unsere Gegend, sagt das „Krzu. Tgbl.“ von großer 
Bedeutung sein, da dieselbe über den Hundsrücken 
geführt und bei Langenlonsheim die Nahe über— 
schreiten soll, um bei Ingolheim in die Bahnlinie 
Bingen⸗Mainz einzumünden. 
F Mannheim, 9. Oktober. In 5 Bezirken 
siegten bei den Landtagswahlen die Nationallibe⸗ 
rxalen; in einem die Demokraten, in zweien muß 
wegen Stimmengleichheit zwischen Nationalliberalen 
und Demokraten das Loos entscheiden und in einem 
fiegten die Sozialdemokraten. 
4 Mannheim, 11.Okt. Die kürzlich ober⸗ 
halb der Rheinbrücke gefundenen Kleider, in denen 
sich ein Brief vorfand, sollen dem Kaufmann Gustav 
Hirsch von Deidesheim gehdren, der sich 
wegen Geldverluft durch eine Bürgschaft von M. 
20,000 an seinen in Konkurs gerathenen Bruder 
wahrscheinlich ertränkt hat. 
fF Ein schreckliches Unglück hat sich in 
Mannz zugetragen. Am Freitag Abend sandte 
ein in der Augustinergasse wohnender Kolonial⸗ 
und Materialienwaarenhändler seinen Hausburschen 
in den Keller, um Spiritus zu holen. Plözlich 
erdröhnte eine laute Detonation und eine kolossale 
Flamme, die den Kellerhals vollständig ausfüllte, 
schlug auf die Straße. In der Mitte der Flamme 
sprang der Hausbursche, einer Feuersäule gleichend. 
markerschütterndem Geschrei die Stiege herauf; be⸗ 
herzte Männer zogen ihre Röcke aus und warfen 
sie dem Unglücklichen über; vergeblich, die Flammen 
schlugen wieder an andern Stellen empor; erst als 
ein gegenüber wohnender Sattlermeister einige 
Pferdedecken herbeischaffte, die den Brennenden voll⸗ 
fländig umhüllten, ward man des Feuers Heir. 
Der Anblick des Verbrannten war gräßiich, die 
Kleider waren gänzlich vom Koͤrper herunter ge⸗ 
fallen, das Fleisch theils verkohlt, theils in Stücken 
von den Knochen abgefallen; trotzdem lebte der 
Mann noch und ward so in das Hospital gebracht, 
die Nacht wird er nicht überleben. Der Mann isl 
erst vor kurzem Vater von Zwillingen geworden 
und erst seit 1122 Jahren verheirathet. Das Un⸗ 
glück ist wahrscheinlich dadurch entstanden, daß sich 
der Spiritus im Faße entzündet und exrplodirte, 
das Feuer im Keller ward erst nach einer Stund⸗ 
durch die Feuerwehr bewältigt. 
7 Vor drei Jahren vergriff sich eine bei Au⸗ 
verwandten in Frankfurt a. M. in Erziehungç 
gewesene Amerikanerin thätlich an ihrer Tante 
Sie schlug ihr die Ofenthür derart auf den Kopf 
daß eine mehrmonatliche Krankheit die Folge war. 
In der Angst, bestraft zu werden, reiste das Mäd— 
chen so schnell als möglich nach Amerika zurück 
bon wo sie am 28. September auf die Nachricht 
pom Tode der kinderlosen Tante wieder nach 
Frankfurt kam, um die Erbschaft zu erheben. Wie 
sehr war fie jedoch erstaunt, als ihr das von der 
Tante hinterlassene Testament vorgelegt wurde, in 
welchem ihr statt Geld, das sie nach Amerika hätte 
mitnehmen können, nur die Ofenthür, mit welcher 
sie seiner Zeit der Tante eine schwere Kopfwunde 
beigebracht hatte, als Erbtheil vermacht worden war 
FFrankfurt, 10. Oktober. Ein junger 
Mann (Ingenieur bei der Frankfurter Wasserleitung) 
war von einem Mädchen, mit dem er verlobt ge⸗ 
vesen, auf Etfüllung des gegebenen Eheversprechens 
»der auf angemessene Entschädigung verklagt wor⸗ 
den. Nachdem das Mädchen geschworen, daß der 
Beklagte ihr in der That die Ehe versprochen, 
vurde der Ingenieur verurtheilt, die Klägerin 
hinnen zwei Monaten zu heirathen oder sie schad⸗ 
los zu halten. In diesem Falle soll die Höhe der 
Entschadigung nach dem Vermögen des Verurtheilten 
bemessen werden. 
fAßmannshausen, 10. Olktober. Heute 
wurde die Zahnradbahn Aßmannshausen ˖ Niederwald 
eierlich eröffnet. Unter Musikbegleitung und 
Böllerschüssen erfolgte die Abfahrt des geschmückten 
Zuges zur Station Jagdschloß. Die Zeit der 
Auffahrt betrug 10 Minuten, die Zurückkunft er⸗ 
olgte in gleicher Weise. Die Bahn bleibt bis 
Ende Oktober im Betrieb. 
F Meisenheim, 9. Okt. Hier erhängte 
iich der dreizehnjährige Sohn der Wittwe Schl. aus 
Kallbach an einem Baume. Derselbe hatte fahr⸗ 
lässiger Weise einen Kameraden beim Obsftabwerfen 
mit einem Steine verletzt und scheint er dadurch, 
daß man ihm damit Angst machte, er müsse die 
Kosten der Heilung des übrigens nur wenig ver⸗ 
letzten tragen, zu dem verzweifelten Schritte getrieben 
worden zu sein. 
F Aus Karlsruhe wird der „N. B. L.3.“ 
zeschrieben: „Die Firma K. Retelsdorf, Dampf— 
taffeebrennerei und Rohkaffee-Lager en-gros in 
Hamburg, empfiehlt durch gedruckte Circulare, welche 
in zahlreiche hiesige Adressen versandt werden, ver⸗ 
chiedene Sorten rohen und gebrannten Kaffees 
Die Zusendung geschieht bei Abnahme von 4*4 Kilc 
zollfrei und franko gegen Nachname. Da die billigen 
Sätze des Preisverzeichnisses Bedenken bezüglich der 
Reellitat der Waare wachrufen mußten, so ließ der 
hiesige Ortsgesundheitsrath durch eine Mittelsperson 
Bestellungen machen, um die Waare untersuchen zu 
können. Dabei ergab sich folgendes Resultat. Statt 
des bestellten Perl · Ceylon wurde zu Mk. 1.05 das 
Pfund Westindischer Perl (en-gros⸗Preis 85 Pf 
das Pfund) geliefert; statt des bestellten Plantagen⸗ 
Ceylon zu 1 M. das Pfund gleichfalls ein West⸗ 
indischer Kaffee (en-gros . Preis 85 Pf.), statt des 
bestellten Mocca⸗Kaffees zu 1I M. das Pfund ein 
mit Eisenocker künstlich gefärbter Brasilkaffee (en- 
gros.Preis ca. 66 Pf.) In keinem Falle wurde 
also die bestellte in der Preisliste bezeichnete Kaffee 
sorte geliefert, sondern jedesmal eine andere, 
minderwerthige. Der Preis der wirklich gelieferten 
—A 
joliden hiesigen Geschäfte bei Detail⸗Verkauf ge⸗ 
fordert wird. Dem Ortsgesundheitsrath gebührt 
daher Dank, daß er das Publikum auf die obige 
Firma in gebührender Weise hingewiesen hat.“ 
f Essen, 10. Oktober. In der Zeitschrift 
des Vereins deutscher Eisenhütienleute „Stahl und 
kisen“ berechnet ein rheinischer Industrieller in dem 
soeben ausgegebenen Oktoberheft den effeltiven 
Schaden an Arbeitslohn. welcher der Arbeiterbe⸗ 
ↄölkerung aus einer gänzlichen Einstellung der 
Arbeit an Sonntagen erwachsen müßte. Bis 
her wurden an Sonntagen Ausbesserungen ar 
Puddel· Schweiß⸗ und Wärmesfen, Revisionen 
»ezw. Reparaturen an sämmtlichen Maschinen 
Dampfhämmern und Walzenstraßen, das Reinigen 
der Dampflessel, das Aufräumen in der Hülte, 
sowie auf dem Platz und das Entladen der am 
Sonntag, bezw. Feiertag zugestellten Eisenbahn⸗ 
waggons ausgeführt. Wird die Ausführung solcher 
Arbeiten an Sonn- und Feiertagen untersagt, so 
nuß nothwendigerweise eine weitere Kürzung der 
virklichen Betriebstage erfolgen, so daß im ganzen 
nur 216 wirkliche Betriebstage verbleiben würd 
Für die Arbeiter würde das nach der ingeheen 
Berechnung des rheinischen Fachmannes, da s 
Aufstellung die Verhältnisse eines Kessciplaenteh 
werks mit einer Arbeiterzahl von 878 Mann 
Grunde legt, einen Ausfall an Arbeitslohn 
190 Mk. pro Mann und Jahr ausmachen. * 
Grund dieser Zahlen ergibt sich fur die de 
theinischewe tfälischen Hütten · und Walgwbetlsheen 
zenossenschaft angehörenden 80,000 Ärbeiler eir 
ahrlicher Verlust an Arbeitslohn von dot. 
Willionen Mt. Solche Zchlenwollen doch 
der Regelung dieser Frage beruüdfichtigt werden. 
Letmathe, 7. Olktober. Entdedtet 
Verbrechen.). Vor 6 Jahren (am 20. Oklobe 
1879) fand man in dem hiesigen Lehmentschen 
AX Grothe mi 
Namen, todt vor und nahm man an, daß derselt— 
vom Felsen in die Dunkelheit hinabgestürzt sei un 
so seinen Tod gefunden habe. Kürzlich ha un 
ein in Graudenz inUntersuchung befindliche 
Schreinergeselle seinen Mitgefangenen —XX 
daß er den alten Mann getoödtet, nach der Klipp 
zetragen und von da hinabgestürzt habe; er hab 
agar ruhig am nächsten Tage die gerichtliche Be 
sichtigung des „Verunglückten“ mit angefehen. Di— 
hierselbst nun neuerdings angestellten Erhebungen 
lassen nahezu keinen Zweifel mehr an der Wahrhen 
des Geständnisses. 
F In Schweinfurt wurde ein Schüler det 
dortigen Gymnasiums gleich zu Beginn des Schul— 
jahres mit einer vierstündigen strengen Carcerstrafe 
empfangen, weil er bei einem Ferienaufenthalt in 
Weimar sich ein Stückchen Holz vom Sarge seines 
Lieblingsdichters Schiller zum Andenken abgeschnitten 
hatte. Die eifrigen Recherchen der Weimaraner nach 
dem Thäter führten diese Bestrafung herbei. Ein⸗ 
Warnung zugleich für alle Reliquien⸗Liebhaber. 
fF München, 7. Oktober. Die Herausfor⸗ 
derung des Gemeindebevollmächtigten Seyboth durch 
Rechtsanwalt Graf Arco zum Duell hat bereit 
sein erstes Nachspiel gehabt; Graf Arco wurde 
wegen Herausforderung zum Zweikampf nach 8 
201 des St.⸗“G.B verhört. 
F München, 9. Oktober. Vorgestern wurde 
ꝛin junger Mann aus Pradl bei Innsbruck ber⸗ 
jaft, welcher sich hier schon seit zwei Jahren damit 
hbefaßte, junge Mädchen die Ehe zu versprechen, 
förmliche Verlobungen zu feiern, ihnen den größten 
Theil ihres Vermögens abzulocken und wenn das 
Geld verbraucht war, die Verbindung zu lösen und 
neue Opfer zu suchen. Auf diese Weise hat der 
Verhaftete mehrere tausend Mark einkassirt und eir 
flottes Leben geführt. Bald trat er als Sprach 
lehrer, bald als prot. Theologe auf und wußte sich 
namentlich in angesehenen Familien Eingang zu 
verschaffen. Strafrechtliches Verfahren ist veranlaßt. 
fGera, 9. Oktober. Vergangene Nacht er⸗ 
eignete sich in unmittelbarer Nähe der Stadt ein 
exschütternder Unglüchks fall. Der Referendar 
Sorger kehrte Abends mil einem bei ihm zum Be⸗ 
suche anwesenden Freunde dem Studiosus H. aus 
Gießen, von einem Spaziergang und einer gemüth— 
lichen Kneiperei in dem Dorfe Giblach zurück. In 
der Nähe des Dorfes fielen fie in einen Steinbruch 
Der Student aus Gießen war sofort todt. Sorget 
wurde schwer verletzt erst heute morgen von nach 
der Stadt gehenden Landleuten gefunden. Ob er 
mit dem Leben davonkommt ist fraglich. 
F Gewegung der Bevolkerung der 
Stadt Bersin.) In der Woche vom 20. bis 
26. September fanden 307 Eheschließungen statt. 
Lebendgeboren wurden 896 Kinder, darunter 97 
außerehelich; todtgeboren waren 831 mit 9 außer⸗ 
rhelichen. Die Zahl der Sterbefälle betrug 4097. 
Von den Gestorbenen erlagen an Masern 2, Schat⸗ 
ach 18, Pocken 1. Diphiherie 883, Bräune 2. 
deuchhusten 6, Kindbettfieber 2, Tyhphus 3, Ruhrt 
2, Altersschwäche 14, Gehirnschlag 24, Lungen⸗ 
entzündung 82, Lungenschwindsucht 55, Durchfal 
16, Brechdurchfall 18, Magendarmkatarrh 83. Durch 
Vergiftung kamen 2 Personen um, 1 durch Selbst⸗ 
mord, 1durch Alloholvergiftung (del. trem.) 
Eines gewaltsamen Todes starben 12 Personen, 
durch Ueberfahren 1, Sturz oder Schlag 5. Er· 
schießen 1, Erhängen 2, Ertrinken 2, Schnitwunn 
1. Durch Selbstmord wurden 6 Aneeise 
herbeigeführt. Es wurden 2898 Zugezogene, 18 
Weggezogene gemeldet, so daß sich die Bevölkerung 
einschließlich der nachträglich gemeldeten geterane 
um 1244 vermehrt hat. Die vevoikerungszahl Betlin 
heziffert sich sonach am Schlusse der Berichtswoch 
be