Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 18 A, Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
A 203. Samstag- 17. Oktober 18883. 20 Jahrg 
Deutiches Reich. 
München, 14. Oktober. GBayerischer 
zandtag.) Die Kammer verwies in ihrer heu⸗ 
igen Sitzung das Brennerei⸗Aufschlag; Gesetz an 
ine Kommission von 14 Mitgliedern. Dieselben 
berden auf Antrag Alwens durch Alklamation ge— 
vählt. Nächste Sitzung Dienstag 20. Oktober. 
Einlauf der Kammer der Abgeordneten: Bitte 
er Fabrikräthe der katholischen Pfarrgemeind Dahn 
nd der Filialgemeinde Erfweiler um definitive 
zrrichtung bezw. Dotirung der Kaplanei Dahn 
us Staatsmitteln. — Bitte von 18 Wagen— 
chiebern im Bahnhofe Nürnberg um Aufbesserung 
drer Lage. 
Aus München wird einem Berliner Blatte 
ingeblich von „wohlunterrichteter Seite“ mitgetheilt, 
oaß in Betreff der Schwierigkeiten, in welchen sich 
ie königliche Privat⸗ Schatulle befindet, in aller 
õtille ein Abkommen getroffen worden sei, wonach 
ortan jährlich 2 Millivnen Mact von der königl. 
Fivilliste einbehalten werden sollen, bis die etwa 
8 Millionen Mark betragenden Schulden getilgt 
oorden sind.“ — Nach eingezogenen Erkundigungen 
tfahren die „N. N.“, daß auch diese Mittheilung 
u dem vielen Unverständigen gehört, das seit ge- 
aumer Zeit die auswärtige Presse in Sachen der 
Brivat· Schatulle“ liefert. 
Aus Erlangen wird geschrieben: „Der Fall 
zodlbauer gegen Boshart und die damit in ursaäch⸗ 
ichen Zusammenhange stehende Androhung der 
daßregelung von Unterbeamten der Hagelbersicher- 
ugsanstalt erregt das peinlichste Aufsehen selbst in 
olchen Kreisen, die sich sonst wenig um politische 
dinge zu kümmern pflegen. Theilen wir auch nicht 
ie Meinung Jener, die in dem Vorgehen des 
direktors genannter Anstalt ein Symptom erblicken 
urch welches sich das Wiederaufleben einer reaktio⸗ 
ren Bureautratie ankündigt (es kann glücklicher 
deise dafüt gesorgt werden, daß die Bäume nicht 
den Himmel wachsen), so liegt doch die Gefahr 
ahe, daß durch Maßregeln, wie sie der Herr 
Nirektor v. Jodlbauer deliebt, eine Demoralisation 
ater den niederen Beamten großgezogen wird, die 
hwerlich ohne die übelste Rückwirkung für unser 
esammtes öffentliches Leben bleibt. Das korrette 
erhalten des Redakteurs Boshart findet allerseits 
weit wir Das zu beurtheilen vermögen, vollste 
merkennung.“ 
Berlin, 14. Oktober. In militarischen 
retsen plant man zur Feier des fü n fund⸗ 
wanzigjährigen Regierugsjubi— 
rzums des Kaisers und Königs 
Bilhelm eine besonders großattige Huldigußg. 
* sollen sich nämlich soweit als irgend thuͤnlich 
litkämpfer der Kriege von 1813, 1864 1866 
ad 187071 hier versammeln und in einem großen 
nstzuge sich nach dem königlichen Palais degeben, 
mm dort durch eine Abordnung den Kaiser- beglück. 
unschen zu lassen. Die Einleitungen zu dieser 
undgebung sind bereits getroffen und lassen trotz 
ancher Schwierigkeiten, die zewor zu überwinden 
nd. eine glänzende Ausführung erwarten. 
Als ungefährer Tag der Reichstagser⸗- 
fnung witd der“ ,„N. L. C.“ der 20. No⸗ 
mber bezeichnet. 
Berlin, 14. Ottober. Die serbischen Rüst⸗ 
gen richten sich, wie der „Frkf. Z.“ gemeldet 
und zunächst nicht gegen die Tuͤrkei, sondern gegen 
ulgarien Das scheint jetzt festzustehen und soll 
d anf diplomatischem Wege den Machten mitge⸗ 
heilt worden sein. Dadurch erleidet möglicherweise 
nie Absicht der Mächte, die ostrumelisch bulgarische 
Inion zuzulassen, einen Stoß; denn der Gedanke 
iegt nahe, durch die Wiederherstellung des gtatus 
suo den Serben die Grundlage eines Vorgehens 
jegen Bulgarien zu entziehen. Allerdings würde 
ann der Konflikt zwischen den Bulgaren und der 
rürkei ausbrechen, sobald diese zur Wiederherstel⸗ 
ung des früheren Zustandes schritte. Ein Konflikt 
silt daher auch für unmeidlich und man ist hier 
tündlich auf die Nachricht gefaßt, daß er ausge— 
rochen sei. 
Berlin, 15. Oltober. Das Reichsversicher⸗ 
ingsamt hat den Berufsgenossenschaften die An— 
veisung über den Modus der durch die Postämter 
orschußweise zu leistenden Auszahlungen der Ent⸗ 
chädigungen zukommen lassen. 
Ausland. 
Wien, 15. Oktober. Die „Neue freie Presse“ 
neldet aus Berlin, die Verhandlungen Oesterreichs 
nit Rußland haben eine Verständigung in der bul⸗ 
arischen Frage herbeigeführt. 
Paris, 18. Oktober. Wenn die Stichwahlen 
nicht sehr nachtheilig für die Monarchisten ausfallen, 
o wird es allem Anscheine nach nicht blos zur 
lusweisung der Orleans und Bonapartes, sondern 
uch zu einer heftigen Präfektenverfolgung kommen. 
die Auslegung der Anreden von Lockroy und 
zloquet in der „Republique“ läßt darüber keinen 
weifel mehr, was die Opportunisten vorhaben. 
luch „XIX. Sidecle“ ruft Brisson zu, man aͤußere 
iberall in Stadt und Land: „Man gebe uns doch 
denigstens Beamte, die der Republik ergeben sind! 
diese Preffelten, deren Absetzung bevorsteht, sind 
eicht zu finden. Bei den 304 endgültigen Wahlen, 
ie 177 Monarchisten und nur 127 Republikaner 
rgaben, haben nur 14 Departements gänzlich re—⸗ 
;ublikanische, dagegen 20 Departements gänzlich 
eaktionäre Deputierte gewählt. Im Tarn wurde 
ine gemischte Vertretung gewählt. Von den 27 
Departements, in denen Stichwahlen vorkommen, 
jaben 16 blos republikanische Deputierte, 8 dagegen 
los fonservative oder was dasselbe, reakltionaͤre, 
ilso Mouarchisten gewählt, drei dagegen eine gemischte 
Vertretung gewählt. In den übrigen Departements, 
vo die Stichwahl sämmtlichen Deputierten gilt, steht 
über 166 Sitze am 18. Oktober die Entscheidung 
bevor. 
Paris, 15. Oktober. Der ‚Temps“ meldet, 
hiers beantragte bei Bismarck die Herstellung 
des Status quo. Bismarck unterbreitete den 
Untrag Oesterreich, welches denselben von Deutsch- 
ands Zustimmung abhangig machte. 
Athen, 15. Oktober. Die hiesigen Abend⸗ 
eitungen bringen die wichtige Nachricht: „Die 
kretenser proklamirten die Union mit Griechenland.“ 
Fine offizielle Bestätigung dieser Neuigkeit, welche 
»en Ausbruch des Krieges zwischen Griechenland 
ind der Türkei bedeuten würde, liegt noch nicht vor. 
Nisch, 14. Oktober. Von vier in Koestendil 
jelagerten bulgarischen Infanterien-Regimentern, 
edes 3200 Mann stark, sind gestern zwei Regi⸗ 
nenter nach Sofia abmarschiert behufs Okkupierung 
»es Drayomar ⸗ Passes. Vessel Pascha ist ist Skoplye 
ingetroffen, um über die via Salonicht kommen—⸗ 
den Truppen zu disponieren. 
Lokale und pfäl⸗zißksche Nachrichten. 
— Aus der Pfalz schreibt man der „Augsb. 
Pbdz.“: Der neue Gesetzentwurf zum Maischraum⸗ 
— 
teuergesetz hat bei uns grobe Befürchtungen her⸗ 
vorgerufen und mit Recht. Derselbe begünsügt land— 
virthschaftliche Brennereien bis zu 3000 Ltr. Maisch⸗ 
aum; für den Ausfall an Steuer, die dem Staate 
adurch erwächst, werden die gewerblichön Brenne⸗ 
eien in einer Weise nach dem neuen Gesetzentwurf 
zesteuert, daß ihre Existenz unmöglich gemacht 
vird. Es wird also die Brennerei⸗Industrie, die 
nurch die Einführung des Maischraumsteuergesetzes 
ich entwickelte in Bayern, todt gemacht. Die Er— 
söhung der Steuer beträgt bei einer Ausbeute von 
Proz. des Maischraums für ein Fuder Brannt⸗ 
vein, nach Abzug des im Gesetzentwurf vorgesehenen 
Alkoholverlustes, 37 M. Seil zwei Jahren haben 
ie Breanereibesitzer Bayerns nichts mehr verdient. 
der Spirituspreis sinkt täg lich, von wäs soll denn 
er Brenner die höhere Steuer bezahlen? Soll 
ieser Gesetzentwurf nicht unberechenbaren Schaden 
er Landwirthschaft zufügen, die doch wahrhaftig 
grund hat zu bitten, nicht- noch mehr in ihcer 
dothlage bedrängt zu werden, so muß der Begriff 
landwirthschaftliche Brennerei“ erweitert werden. 
dach 8 833 der Instruktion zum Maischraumsteuer⸗ 
jesetz erfordert der Charakter der Zaudwirthschaft⸗ 
ichteit einer Brennerei, daß der Erntegewinn aus 
»er eigenen Ackerwirthschaft in der Regel für den 
zedarf der Brennerei ausreicht und daß der Bren⸗ 
iereibetrieb zum Zwedee der Unterhaltung des für 
ie Landwirthschaft erforderlichen Viehstandes ftatt⸗ 
indet. Daß eine Brennerei unter jetzigen Verhält⸗ 
nissen überhaupt nur, um Futter in den Wiunter⸗ 
nonaten zu schaffen, in Betrieb gesetzt wird, ist 
icher. Der Zukauf aber fremder Materialien ge⸗ 
jört den landwirthschaftlichen Brennereien freige⸗ 
jeben; nur dann ist es überhaupt noch moͤglich, 
u brennen, falls der neue Gesetzentwurf zur An⸗ 
nahme gelangt. So wie jetzt der Begriff „land⸗ 
vrithschaftliche Brennerei“ genommen wird, wäre 
»on nun an Der begünstigt, der in Folge seines 
niten Kartoffelbodens den Kartoffelbau so weit aus— 
dehnen kann, daß er der Brennerei im Winter ge⸗ 
nügend eigene Produkte zuführen kann. Wer ader 
in Folge schweren Bodens sich mehr dem Getreide 
dau zuwenden muß, muß eben daß Getreide ver— 
aufen und für einen Theil des Erlöses andere 
Kohmaterialien zum Brennereibetrieb einkaufen. 
Beht nun der Brennerei dieses Landwirthes der 
—XX Landwirthschaftlichkeit verloren, so 
nuß er nach dem neuen Gesetzentwurf jetzt den 
zranntweinfabrikat⸗Aufschlag eñtrichten, und das 
ann er nicht: er ist also gezwungen, die Brennerei 
u schließen. Wir hoffen deshalb, daß man im 
andtag, sollte der neue Entwurf zur Aufnahme 
zelangen, den Begriff einer lendwirthschaftlichen 
zrennerei dahin faßt: Eine landwirthschaftliche 
zrennerei ist eine solche, die weder Futter noch 
dünger verkauft, sondern ersteres nur für eigenes 
Bieh und letzteren nur für die eigenen Felder ver⸗ 
verthet. Das Gesetz in seiner neuca Fassung 
vürde seinen Schatten auch noch auf die kleinere 
randwirthe bei uns werfen, welche jetzt jährlich — 
)enn schon seit vier Jahren ist der Kartoffelexport 
n der Pfalz ein sehr geringer — den größeren. 
Brennereien ihre Kartoffeln bringen. Allein in den 
Zezirken Zweibrücken, Pirmasens, Homburg werden 
ährlich 50, 000 Zentner für größere Brennereien 
ingekauft. Wer soll aber daun dem Bauer seine 
dartoffel abnehmen, wenn uns der Beitieb der 
Brennerei nicht mehr möglich ist? Es gibt umge⸗ 
ehrt auch Jahre in der Pfalz, wo es unrentabel 
st, Kactoffeln zu brennen, weil diese nach Belgien.