Full text: St. Ingberter Anzeiger

bisheriges Leiden verschlimmert, so daß fie das 
Bett jetzt hüten muß. — 
— Frankenthal, 30. Oktober. Gegen⸗ 
värtig ist hier eine Untersuchung gegen etliche 80 
onntagsschulpflichtige Madchen im Gange wegen 
Besuchs offentlicher Tanzböden gelegentlich der in 
ziesiger Gegend stattgehabten Kirchweihen. Da 
dieses Vergehen in der Regel“ mit. 1 Tage Haft 
zeahndet wird, so werden für die Betheiligten 
hränenreiche Tage bevorstehen. * 
vermtichteeee — 
4Metz, 29. Oktober. Generale- Lieutenant 
d. Conrady, Gouverneur von Metz, wird Ende 
dieses Monats seinen Abschied einreichen. Hier 
durch berichtigen sich die verschiedentlich erfolgten 
Mitiheilungen, dak der genannte General bereits 
wirklich um den Abschied eingekommen sei. Als 
ein Nachfolger gilt der General Lieutenant v. 
Berken, Kommandeur der 29. Divifion (Freiburg.) 
Bezüuüglich des Straßburg - Ludwigshafener 
Zanals schreibt man der „Allg. Ztg.“ aus 
Straßburg: „Mit großem Interesse verfolgt 
man hier die Bewegung in der Pfalz. Das Gut⸗ 
achten des Handelsgremiums von Neustadt ˖ Dürkheim 
wird hier viel besprochen. Wenn auch hier unter 
illen Umständen der Rheinlinie Straßburg ˖ Lauter⸗ 
zurg⸗ Germers heim⸗ Speyer ⸗Ludwigshafen den Vor⸗ 
zug gegeben wird, so verkennt man doch nicht, daß 
auch die Haardtlinie Straßburg-Schleithal ⸗Landau⸗ 
Neustadt Ludwigshafen, oder die mittlere Linie 
Straßburg · Scheibenhard⸗ Schifferstadt · Ludwigshafen 
jedenfalls weitere Kreise in's Interesse ziehen und 
so das Gelingen des Ganzen um so wahrschein⸗ 
icher machen würde. Wie sehr unser Handel durch 
diese Fragen in Theilnahme gezogen ist, mag der 
Umstand beweisen, daß die Herstellung einer 
Schienen⸗Verbindung zwischen dem Bahnhof Lau⸗ 
terburg und dem dortigen Rheinhafen genügt hat, 
um dort eine bedeutende Waarenbewegung zu ver⸗ 
ursachen. Eine hiefige Kohlenfirma hat bereits dort 
einen Lagerplatz errichtet; weitere Firmen haben 
ich schon gemeldet, und die Angebote für Lager⸗ 
plaͤtze sind rasch von 8 auf 20 Pfg. pro Quadrat⸗ 
meter gestiegen; die Gemeinde hofft durch öffent⸗ 
iche Versteigeung noch mehr zu erzielen. Die 
ersten Schiffe, welche rheinaufwärts kamen, um in 
Lanterburg umzuladen. sind von der dortigen Be⸗ 
völkerung mit Jubel begrüßt worden. Wenn diese 
lleine Erleichterung schon genügt, neue Handels⸗ 
bahnen zu schaffen, so läßt sich nur Günstiges von 
der Herstellung des Kanals selbst erwarten.“ 
fBaumholder, 2. Nob. In der Nacht 
oom verflossenen Samstag aus Sonntag gegen 
12 Uhr stürzte bei der Aufstellung von Bogen zur 
Woölbung des Obersteiner Tunnels ein Theil des 
Arbeitsgerüstes zusammen, so daß 11 Arbeiter be⸗ 
chadigt wurden. Von diesen sind 4schwer verletzt. 
Das hiesige Amtsgericht war zur Aufnahme des 
Thatbestandes bereits an Ort und Stelle. 
(S.⸗ u. Bl.83.) 
Koͤln, 1. Nob. Mit dem Zuge 11 Uhr 
16 Min. trafen gestern, von Paris kommend, ein 
derr und eine Dame hier ein. Diefelben ver⸗ 
jeinten auf Befragen des Steuerbeamten, daß sie 
teuerpflichtige Gegenstande bei sich führten. Bei 
der darauf vorgenommenen Durchsuchung ihrer 
Reise⸗Effelten wurden eine Menge Seide und neue 
Nleider vorgefunden. Außer dem Verlust der 
Sachen hatle das Paar noch 2770 Mk. zu zahlen. 
Da der Zug 12 Uhr inzwischen abgefahren war, 
nußten sie beide bis zum Abend 8 Uhr in dem 
hnen verhängnißvoll gewordenen Köln bleiben, um 
Aber die kostspielige Schmuggelei nachzudenken. 
Der Rhein steigt seit eirigen Tagen in 
jolch' rapider Weise, daß es wirklich besorgnißer⸗ 
regend wird. Hoffentlich werden fich die Witter⸗ 
ungsverhaltnisse günstiger gestalten und nicht 
Veronlafsung zur Zufübrung weiterer Wassermassen 
geben. 
4Bielefeld, 29. Oltober. Die Straf⸗ 
kammer unseres Landgerichts hatte sich gestern mit 
einer romantischen Entführungsgeschichte zu be⸗ 
chaftigen. Ein hiesiger Kommis knüpfte nach der 
Elb. Ztg.“ mit einem aus Halle herstammenden 
ungen Dienstmädchen ein Verhältniß an und ver⸗ 
sprach ihr die Heirath. Die Eltern verboten dem 
Nadchen den ferneren Umgang. Als dieselbe nun 
m August mit der Herrschaft nach Rittershausen 
deiste, wußte sie ihr Liebhaber auch dort aufzufinden 
ind beredete sie, sich mit ihm nach Hamburg zu 
zegeben. Dort wohnte das Liebespaar mehrere 
— — 
— 
Tage lang, bis ploͤtzlich der Vater des Mädchens 
erschien und dem glücklichen Leben ein trauriges 
Ende machte, Der Kommis wurde verhaftet und 
zestern wegen Entführung zu drei Monaten Ge—⸗ 
fängniß verurtheiit.... 
FVom Hochwald, 28. Okt. Gestern 
Morgen und heute fiel der erste Schnee, welcher 
edoch bald wieder verschwand. Die Kartoffelernte, 
»egünstigt durch das gute Wetter voriger Woche, 
st als beendet zu betrachten. Die Keller sind 
allenthalben dis oben angefüllt, leider find, die 
Zreise sehr gering. Auch für den Hafer sind die 
Zreise sehr gesunken. Es wird hierorts schöner 
dafer zu 556.Mt. pro Centner perkauft. 
F. AuUs Nassau, 26. Olt. Ein Handels⸗ 
nann eines kleinen Landfleckens, erzählt die Kob⸗ 
enzer Ztg.“, war von einem witzigen Photographen 
aufgenommen worden, während er in charalkteristi⸗ 
cher Stellung in einem offentlichen Lokale eben 
ein Mittagsschläfchen hielt, und dieses Bild war 
mehrmals vervielfältigt und verkauft worden. Um 
hen Neckereien, denen der also VPhotographirte aus⸗ 
jesetzt war, zu entgehen, strengte er eine Klage 
segen den Photographen an, woraufhin dieser vom 
„choffengericht für schuldig befunden und in eine 
heldstrafe und die Kosten, in Summa von nahezu 
.00 Mt. verurtheilt wurde. P, An 
F Die erste deutsche Wein-Aus stellung 
n Frankfurt a. M. die vom „Deutschen 
Hastwirth⸗Verband“ für das nächste Jahr projektirt 
st, nimmt von Tag zu Tag greifbarere Gestalt 
in. Bereits hahen sich über Hundert der bedeu⸗ 
endsten Produzenten und Großhändler zur Theil⸗ 
jahme gemeldet, und mit vielen anderen schweben 
die Unterhandlungen. Aber auch aus anderen 
Bewerbekreisen, welche mit dem Weinbau, Handel 
ind Vertrieb in Verbindung stehen, äußert sich 
das ungetheilte Interesse an diesem Unternehmen, 
o daß das Anfangs mißirauisch betrachtete Projekt 
ich nicht nur Bahn bricht, sondern auch als ein 
esichertes in jeder Beziehung betrachtet werden 
ann. Ganz besonders aber ist hervorzuheben, daß 
ich die Behörden der Sache nicht nur wohlwollend, 
ondern auch fördernd gegenüberstellen, und deßhalb 
ewinnt dieselbe auch an kommerzieller Bedeutung. 
Verthvolle Preise find bereits gestiftet und 
nuch von Staatswegen werden solche wohl 
icher vergeben, da es sich um die Foͤrderung der 
jeimischen Industrie, um die Hebung eines wichtigen 
vewerbes handelt. Als Lokal, in dem die Aus⸗ 
tellung abgehalten werden soll, ist dem Vernehmen 
aach die dazu sehr geeignete landwirthschaftliche 
dalle ausersehen. Der Architelt Kaiser wurde mit 
jer Ausarbeitung des Planes betraut und wurden 
dessen Vorlagen auch vom provisorischen Ausschuß 
icceptirt. Demzufolge würde die Herrichtung der 
roßen Halle ca. 100,000 Mt. kosten, wobei noch 
u erwähnen ist, daß außer der Halle bedeutende 
UInnexbauten errichtet werden sollen. Es ergibt 
ich hieraus zur Genüge, daß es sich bei dem Ar⸗ 
angement der Ausstellung nicht um ein lokales 
AInternehmen im kleinen Maßstabe handelt, sondern 
im etwas Vollständiges in seiner Art. Es wäre 
aher zu wünschen, daß sich die deutschen Wein⸗ 
nroduzenten und Weinhändler allgemein daran be⸗ 
heiligten, da doch zweifellos ihrem Produkte nie⸗ 
nals mehr Interesse zugewandt werden kann, als 
jerade bei Gelegenheit einer solchen Spezialaus⸗ 
dellung. Nellen der kommerziellen Bedeutung 
jerkörpert sich aber auch darin ein ausgeprägter 
iationaler Sinn, den zu äußern sich wohl Nimand 
ntziehen wird. 
feFrankfurt a. M.. 1. Nov. Heute 
rüh stürzte sich eine kranke Frau aus dem zweiten 
Stocke des Bürgerspitals auf die Straße und blieb 
nuf der Stelle todt. Die Unglückliche litt am 
Magenkrebs; sie hatte schon wiederholt geäußert, 
aß es wohl am Besten sein würde, ihrem schweren 
deiden durch Selbstmord ein Ende zu machen. 
f In Karls ru he hat eine Verfüngung des 
Jezirksamts gegen die Studirenden der technischen 
hochschule, wonach dieselben in Zulunft auch von 
edem Schutzmann arretirt werden können, böses 
Blut gemacht. Gegen hundert Polhtechniker sollen 
chon damit gedroht haben, Karlsruhe zu verlassen, 
venn die Verfügung nicht rückgängig werde. Am 
Sonntag wollen die Studirenden in einer allge⸗ 
neinen Versammlung gegen die bezirksamtliche Än⸗ 
dnung Pro test erheben. 
f.Nurnberg, 80. Olt. Das Schwurge⸗ 
icht beschäftigt sich heute und morgen mit dem 
staubmord. der vor 12 Jahren. am 23. De—⸗ 
ember 1873, auf der Straße von Neukirchen nach 
Wolfshöhe an dem mit seinem Fuhrwerke neg 
Schnaittach fahrenden Mühlknecht Friedrich Paulu 
mit Messer und Prügel verübt wurde. Angellagt 
ist der 31jährige verheirathete Drechslergehilfe Geon 
Bundel von Lauf, der die That im Verein mi⸗ 
dem inzwischen verstorbenen Zimmergesellen Paui 
Meier von Lauf verübt baben soll. Dem im Schlafe 
überfallenen Mühlknecht war der ganze Schäde 
ertrümmert und die Schadeldecke durchstochen, sowir 
ꝛein Geldbetrag von 30 fl. geraubt worden. Gumdel 
ind Meier waren schon früher verhaftet, jedoch 
vieder außer Verfolgung gesetzt worden, bis Gundel, 
pegen Diebstahl neuerlich verhaftet, verdächtige 
Aeußerungen gegenüber einem Mitgefangenen machte 
Er leugnet eine Betheiligung an dem Morde um 
vill von Meier, der den Paulus erschlagen habe 
nur einen Thaler geschenkt bekommen haben. Es 
ind 59 Zeugen geladen... 
xRemontirung der Armee. Um das 
Mögliche zur Hebuag der Pferdezucht in Bayern 
jeizutragen; wurden von der Militarverwaltung die 
Preise für die im Königreiche zu erwerbenden drei— 
ährigen und zur Einstellung in die Remonte-Depots 
zestimmten Pferde in der Art festgestellt, daß für 
in solches Reitpferd 800 Mark und für ein Ar— 
illeriezughferd 900 Mark bezahlt werden, während 
der Durchschnittzpreis im Auslande um 100 Mt. 
riedriger genommen ist; der Ankauf der Remonten 
ür die Equitationsanstalt soll nunmehr auch in 
—L 
im 100 Mark, namlich von 1100 Mark auf 1000 
Nark herabgesetzt. Ebenfalls im Interesse der 
ayerischen Pferdezucht sollen fernerhin alljährlich 
35 edle Zuchtstuten angekauft werden, welche an 
Mitglieder der Remontezuchtbezirke bedeutend unter 
dem Beschaffungspreise abgegeben werden. 
f München, 30. Oktober. Der diesjährige 
Staatskonkurs für das Lehromt der klassischen 
Philologie hat ein sehr ungünsliges Resultat er⸗ 
jeben. Von den 40 zum Examen zugelassenen 
dandidaten haben nur 19 bestanden, von welchen 
einer die J. 8 die II. und 10 die III. Note er⸗ 
zielten. Mehr als die Hälfte der Kanditaten ist 
purchgefallen oder während des Examens zurück⸗ 
getreten. 
F München, 30. Oktober. Der Zuwachs 
der Bevölkerung des deutschen Reiches seit der letzten 
Volkszählung wird nach der „Magdeb. Zig.“ in 
nilitarischen Kreisen zu rund zwei und eine halbe 
Nillion angenommen und dementsprechend bei einer 
Zemessung des Heeresstandes zu einem Prozent der 
Bevölkerung der Zuwachs, welchen die stehende 
Armee bei Feststellung des nächsten Septennats 
erfahren müßte. zu etwa 25000 Mann berechnet. 
Begenüber diesem Thatbeftande wirft das genannte 
Blatt die Frage auf, ob der bisherige Rechnungs⸗ 
nodus nicht nur in Rüchssicht auf die Finanzkraft 
)es Landes, sondern auch im Hinblick auf den 
Rahmen der gegenwärtigen Armeeorganisation auf 
die Dauer wird aufrecht erhalten werden lönnen? 
Schon mit 1888 würde, die vorangeführten Zahlen 
ils richtig angenommen, die Armeestärke auf rund 
170000 Mann anwachsen, mit den nächsten 50 
Jahren aber den Stand von 600000 Mann über⸗ 
schreiten. Bereits mit dem Erreichen eines Frie⸗ 
densstandes von 300000 Mann könnten jedoch alle 
nilitärischerseits noch erhobenen Forderungen, die 
zollstandigt Kompletirung des 158., wie des 18. 
ind 14. Armeekorps, eine Steigerung der Feld⸗ 
irtillerie · Stärke, die Trennung der Pionierwaffe in 
Feld. und Festungs⸗Pioniere und die dadurch be⸗ 
ingte Verdoppelung der Pionier⸗Bataillone und die 
enkbar größte Verstärkung der Spezialtruppen durch 
xrrichtung noch mehrerer Eisenbahnregimenter, einet 
Lelegraphen · und Ballontruppe etc. nicht nur be⸗ 
riedigt werden, sondern es würde dieser Heeres⸗ 
tand wahrscheinlich auch noch weitere Neufoꝛma⸗ 
cionen in sich aufzunehmen im Stande sein. 
fBerlin. Der Aufzug der Kampfgenossen, 
der für das 25jährige Regierungs⸗Jubildum des 
daisers geplant wird, scheint großartige Formen 
inzunehmen; denn dieser Festzug der Mitkampfet 
er drei letzten Kriege von 1864, 1866 und 
187071 wird nach den getroffenen Vorbereitungen 
»iele Tausend Theilnehmer aus allen Theilen des 
deutschen Reiches nach Berlin führen. Die Sonde⸗ 
rung des Zuges soll dabei, wie die Magdeburger 
Zeitung mittheilt, nach den einzelnen Provinzen 
und Bundesländern erfolgen, und werden, in Wagen 
vorauffahrend. die noch lehenden Beteranen 
Zefreiungskriege denselben eröffnen. Schon einmal.