Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Ingherter Amztiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. J 
— —————— — —e —— — l ü — — She — ZBZMBe2222 — 
der St. Ingberter Auzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhauungs⸗ 
glat und Sonntags mit Sseitiger illnftrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1A 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1.4 75 4, einschließli 
N4 Zustelungtgebuhr. Die Einrücknugsgebühr fur die Agespaltene Sarmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfalzischen und solch n 
auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 H, Neclamen 30 8. Bei 4maliger Einrückhung wird nur dreimalige berechnet. 
3 esee 
M 228. 
Samstag, 20. November 1888. 20. Jahrg. 
Eröõffnung des Reichstages. 
Berlin, 19. Noo. Die Eröffnung 
Reichstages fand heute Nachmittag 
Ahr durch den Staattsekretaäͤr von Bötticher 
zt mit nachstehende Thronrede: 
Geehrte Herren! Seine Majestät der Kaiser 
un mir den Auftrag zu ertheilen geruht, Sie in 
anem und der verbündeten Regierungen Namen 
eim Wiederbeginn Ihrer Arheiten zu begrüßen, 
her Eutwurf zum Reichshaushalts ˖ Etat wird Ihnen 
isbald zugehen. Die Sorge für die Sicherheit 
es Reichs und für die Befestigung und Entwicke— 
ug seiner Einrichtungen veranlaßt die verbündeten 
tegierungen, auf dem Gebiete des Heerwesens, der 
criegsmarine und der Fürsorge für bisher unver 
oxgte Invaliden leider eine Erhöhung der bisherigen 
Leistungen bei Ihnen in Antrag zu bringen. In 
ien erheblich gesteigerten Ueberweisungen aus den 
nanziellen Ergebnissen unseres verbesserten Zolltarifs 
ind des Gesetzes über die Reichestempelabgaben 
verden die Bundesstaaten die Mittel zur Deckung 
arer Mehrleistung an das Reich finden. 
in Folge der Nothwendigkeit, die vom Reich 
adcihrten Mittel wiederum zu den Zwecken des 
teichs zu verwenden, bleiben aber eigene Bedürf- 
qse der Bundesstaaten unbefriedigt, und es liegt 
em Reich die Aufgabe ob, auf dem nur ihm zu⸗ 
anglichen Gehiete der indirekten Verbrauchsbesteue— 
ung weitere Einnahmequellen zu eröffnen. Dem⸗ 
emäß ist die baldige Einbringung eines Gesetzes 
ur Reform der Zuckerbesteuerung in Aussicht ge— 
ommen, da die Schwierigkeiten, welche während 
xer letzten Sessson dieser als dringlich erkannten 
seform mit Rücksicht auf die Lage der betheiligten 
dustrie und Landwirthschaft entgegenstanden, 
iht mehr in derselben Starke vorliegen und durch 
ne Verzögerung der Reform eher wieder ver⸗ 
airft werden köͤnnten. Auch in Betreff der 
»nntweinsteuer sind zu gleichem Zweck Vorlagen 
Vorbereitung, über welche zunächst die 
beretfändigung unter den verbündeten Regierungen 
rrzustellen ist. 
In Uebereinstimmung mit den wiederholt und 
nerlichen kundgegebenen Absichten Sr. Maj. des 
daisers rechnen die verbündeten Regierungen auch 
iesmal auf Ihre Mitwirkung für die schrittweise 
heinerführung des in Angriff genommenen sozialen 
deformwerks. Dank dem verstaͤndnißvollen Ent⸗ 
gekommen der betheiligten Kreise ist es möglich 
wesen, das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 
8804 und zum Theil auch die Novelle vom 28 
Rai d. J. nach Abschluß der organisatorischen 
orarbeiten bereits am 1. Oklober d'J. in Wirtk. 
amkeit treten zu lassen; in planmäßiger Rerfolgung 
vs beschrittenen Weges wird Ihnen der in der 
wigen Session unerledigt gebliebene Entwurf eines 
shes über die Ausdehnung der Unfall⸗ 
hersicherung auf die Arbeiter der Land und 
vorstwirthschaft mit einigen Aenderungen wie. 
.borgelegt werden, durch welche einer An—⸗ 
J von Vorschlägen ihrer zur Vorberathung 
Entwurfs gewaͤhlten Kommission Rechnung 
nagen wird. Schon bei der Berathung des 
asallversicherungsgesehes wurde die Nothwendigkeit 
horgehoben, auch die Unfallfürsorge für die Be— 
men und für Personen des Soldatenstandes ent⸗ 
dend zu regeln. Es wird Ihnen ein Gesetz 
urf zugehen, welcher diese Aufgabe, soweit die 
nsgesetzgebung fie zu lösen hat, gerecht zu werden 
estimmteh 
Die von fünf zu fünf Jahren gesetzlich vorge⸗ 
ehene Revision des Servistarifes und der Klassen⸗ 
eintheilung der Orte ist der Gegenstand eingehender 
Vorberathungen gewesen. Ueber das Ergebniß 
herselben wird Ihnen eine entsprechende Vorlage 
Jemacht werden. Im Interesse der wirksamen 
Vertheidigung der deutschen Küsten durch unsere 
Marine ist die Herstellung eines Schifffahrtskanals 
»on der Elbmündung nach der Kieler Bucht in 
Aussicht genommen, ein Unternehmen, welches zu⸗ 
gleich wirthschaftlichen Interessen dienen wird. Das 
zur Verwirklichung des Planes erforderliche Reichs— 
zesetz wir ihrer verfassungsmäßigen Beschlußfassung 
unterliegen. 
Die Rechtspflege in den unter den Schutz des 
Reiches gestellten überseeischen Gebieten bedarf der 
Regelung, ·behufs deren Ihnen die erforderliche 
Vorlage gemacht werden wird. Ueber die Aus— 
dehnung, in welcher deutsche Unternehmungen und 
Erwerbungen in fremden Welttheilen ferner in den 
inmittelbaren Schutz und unter die Aufsicht des 
Reiches zu nehmen sein werden, sind Verhandlungen 
nit den Regierungen von England, Spanien 
Frankreich, Portugal und mit dem Sultan von 
Sansibar gepflogen worden, deren Ergebnisse Ihnen 
auf Befebl Seiner Majestät des Kaisers mitgetheil 
verden sollen, sobald sie feststehen. Lethzteres iss 
kngland gegenüber im Wesentlichen schon jetzt der 
Fall, und die Verhandlungen mit Spanien lassen, 
in Folge der Vermittelung seiner Heiligkeit des 
Papstes, die den freundschaftlichen Beziehungen 
beider Länder entsprechende vergleichsweise Beileg— 
ung ihrer Meinungsverschiedenheiten über die Prio⸗ 
rität der Besitzergreifung der Karolinen-Inseln in 
sturzem erwarten. F 
Das Deutsche Reich erfreut sich friedlicher und 
freundschaftlicher Beziehungen zu allen auswärtigen 
Regierungen. Seine Majestät der Kaiser hegt die 
zuversichtliche Hoffnung, daß die Kämpfe der Bal⸗ 
kanstaaten untereinander den Frieden der europä— 
schen Mächte nicht stören werden, und daß es den 
Mächten, welche den für jede von ihnen gleich 
verthvollen Frieden Europas vor sieben Jahren 
zurch ihre Verträge besiegelt haben, auch gelingen 
werde, diesen Verträgen die Achtung der durch sie 
zur Selbstständigkeit berufenen Volksstämme im 
Balkangebiete zu sichern. Seine Majestät der 
Taiser ist von dem Vertrauen beseelt, daß Gottes 
Segen den bisher erfolgreichen Bestrebungen unserer 
Politik zur Erhaltung des europäischen Friedens 
nuch in Zukunft nicht fehlen werde. 
Berlin, 19. Nop. Der Reichsanzeiger. 
publizirt eine Bekanntmachung, betreffend die in 
Berlin 1886 stattfindende große akademische Jubi⸗ 
läumsKunst⸗Ausstellung. Auszustellende Kunstwerke 
sind vom 1. März bis zum i. April 1886 abzu⸗ 
liefern. Die Ausstellung soll umfassen: Wate 
lebender Künstler des In und Auslandes, Werte 
aus den Gebieten der Malerei, Bildhauerei, Bau— 
kunst, graphische Künste, dekorative Kunst, ferner 
Werke, welche einen Ueberblick über die vaterlän— 
dische Kunstentwickelung seit der Zeit Friedrich's 
des Großen bietet. . 
Berlin, 19. Nov. Die Annahine des Ver— 
nittelungsentwurfs des Papftes in der Karolinen⸗ 
rage seitens Deutschlands und Spaniens bestätigt 
sich; dieser Spruch des Papstes wird zur Basis 
dienen für die ferneren direkten Schlußverhandlungen 
wischen Deutschland und Spanien. 
Metz, 18. Nov. Der Statthalter, Fürst 
dohenlohe, besichtigte gestern die oͤffentlichen Gebäude 
und Anstalten und empfing die Generalität. An 
dem um 5 Uhr Nachmittags im Europuiischen Hof 
tattgehabten Galodiner nahmen die Spitzen der 
Behörden, sowie mehrere Gemeinderäthe und Mil. 
Jieder des Bezirksrathes Theil. Bei dem Diner 
hielt der Statthalter, Fürst Hohenlohe, folgende 
Rede: „Mein Amtsvorgänger, der verstorbene Feld 
marschall Freiherr von Manteuffel, hat einmal ge⸗ 
'agt, er begreife, daß man in Elsaß Lothringen die 
Zusammengehörigkeit mit Frankreich noch nicht ver⸗ 
gessen habe, man könne — so lauteten seine Worte 
— nicht seine Gefühle wechseln wie ein Rock. Das 
war ein gerechtes und humanes Wort. Ich gehe 
aber weiter, ich sage, ich begreife, daß die Bewoh ⸗ 
ner dieses Landes, als fie vor zwei Jahrhunderten 
von Deutschland getrennt und mit Frankreich ver⸗ 
einigt wurden, diese Aenderung nicht allzuschwer 
empfanden, weil Deutschland damals ein zerrissenes 
dand war, das weder seine Angehsrigen schutzen, 
noch deren Wohlfahrt fördern lonnte, waͤhrend 
Frankreich nahezu auf der Höhe seiner jetzigen ma— 
ceriellen Entwickelung stand; da konnte die Trenn⸗ 
ung von Deutschland leicht verschmerzt werden 
Wenn ich aber so der historischen That gerecht 
werde, darf ich nun auch auf die Gegenwari ver— 
weisen. Aus dem machtlosen, zerrissenen Deutsch⸗ 
land ist ein mächtiges Reich geworden; und wie 
die Einigung zu Wiedergewinnung verlorener Landes⸗ 
theile geführt hatte, so hat sie uns auch die Macht 
zegeben, das Wiedergewonnene festzuhalten und die 
Angehörigen zu schützen, ihnen die Bedingungen 
geistigen und materiellen Gedeihens zu bieten Ja— 
mit schwindet ein Motiv mehr, das die Bewohner 
des Landes auf Frankreich blicken läßt. So gebe 
ich mich der Erwartung hin, daß Elsaß · Lothringen 
mehr und mehr erkennen werde, daß die Trennung 
von Frankreich kein Unglück, die Wiedervereinigung 
mit Deutschland die Gewähr für eine glückliche gu— 
lunft ist. In dieser Hoffnung erhebe ich das Gias 
und trinke auf das Wohl des Landes und der Stadt 
Metz.“ 
Deutsches Reich. 
München, 19. Nov. In der heutigen 
Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde der Antrag 
Soden's auf Errichtung einer staatlichen Mobiliar— 
Brand-Versicherung erörtert. Gegenüber Soden's 
Begründung erklärte der Minister des Innern, der 
ẽntwurf errege Hoffnungen, die größtentheils un⸗ 
rfüllbar seien. Die Regierung veranstaltete eine 
ẽnquete und behalte sich ihre Entschließung vor 
Der Antrag beunruhige weite Erwerbskreise. Die 
dertreter aller in Bayern zugelassenen Gesellschaften 
oären gleichzeitig heute versammelt, und erklärten 
ich zu etwa gewünschten Erleichterungen bereit. 
Hört! Hört!) Der Minister des Innern schließt 
nit Hervorhebung aller Bedenken, die bei der so 
imfangreichen Staatsanstalt zu Tage treten würden. 
Auf Marquardsen's Antrag wurde der Gegenstand 
mit Sodens's Einwilligung einstweilen vertagt. 
Ausland. 
Wien, 19. Nob. Die „Presse“ meldet, daß 
Widdin kapitulirte und die Garnison gefangen wurde. 
Die Serben besetzten Radomit. Die vereinigten 
Divisionen marschirten auf Sofia, welches die Vor— 
Jjut der Serben wahrscheinlich noch heute erreicht. 
Die bulgarische Armee ist sodann umzingelt. — 
Die Mächte werden die Serben auffordern, zum 
tatus quo ante zurückzulehren und ihre endgiltigen 
Irrangements abzuwarien.