Full text: St. Ingberter Anzeiger

ach Amerika. Ungar (dem Reisenden verständnißvoll 
dimlnd): Belieben eisernes Kassa gestohlen zu 
aben? 
J Marseille, 22. Nov. Ein charakteristischer 
diebstahl ist in Saint Cloud (Oran) verübt wor⸗ 
n. Die Diebe hahen aus der Gendarmeriekaserne 
lle Waffen und selbst die Stiefel der Gendarmerie 
oeggeschleppt. 
Ein Milderungsgrund. Aus Paris 
hreibt man: Polizeiagenten verhafteten vor einigen 
Aagen die Bettlerin Louise Marun, die an den 
ufen der Notre⸗ Dame⸗Kirche hockte und einen 
el mit den Worten umgehängt hatte: „Ich 
ibe weder Heimath noch Essen und bin hundert 
sahre alt.“ Thatsächlich zaͤhlt die Frau erst fünf⸗ 
ndsechzig Jahre und der Polizeikommissär, Mr. 
zreivn, sagte ihr: „Sie haben einen Betrug be⸗ 
angen, allein da es zum ersten Male in meiner 
rratis geschieht, daß sich eine Frau älter macht, 
ind zwar fast um die Hälfte, so will ich Ihnen 
esmal die Strafe nachsehen.“ 
(Eine praktische Erfindung.) Einem 
ingländer wurde kürzlich im Restaurant des 
ziaͤdliheaters in Luzern erzählt, wie einem Ein⸗ 
vohner von Luzern diesen Sommer auf einer 
horligen Schiffsstation eine werthvolle goldene Uhr 
ug der Westentasche gestohlen worden, und beige⸗ 
uügt, daß die Engländer eigentlich schon lange eine 
Faschine, wodurch Taschendiebstähle verhindert 
berden können, hätten erfinden sollen. Der Eng— 
inder stimmte zu und entfernte fich. Letzter Tage 
shiell nun der Theaterwirth in Luzern aus Eng ⸗ 
and eine niedliche Kapsel in der Dicke eines ge— 
vöhnlichen Bleistifts und kaum 2 Cm. lang, mit 
zchließhaken an beiden Enden, damit das Ding 
n Uhrenbügel und Kette befestigt werden kann. 
dieht nun ein Unberufener an der Ketle, so ent⸗ 
hlüpfen der Kette vier scharfe, schief auslaufende 
este Stifte, von welchen sicher zwei sofort ins 
Taschenfutter eindringen und beim Weiterziehen 
in der Kette Widerstand leisten, so daß selbst ein 
Schlafender hierbei erwachen müßte. Es fehlt nun 
nur noch ein Sicherheits Avparat für das VPorte- 
nonnaie. 
Vor dem Richter der Englischen Provinzial⸗ 
adt Berwick, Mr. Palmer, erscheint der Kupfer— 
hmied James Stewart unter der Anklage, die 
bzehnjahrige Ellen Macmillan, Tochter eines 
zortiers, entführt zu haben. Stewart war that⸗ 
ichlich mit dem Mädchen, das er vor ungefähr 
ierzehn Tagen in's Theater gefuhrt, länger als 
ine Woche fern geblieben, und verantwortete sich 
amit, daß Ellen ihm selbst wiederholt gesagt: 
Es geht uns so gut, wir sind lustig, warten wir 
och mit dem Heimgehen.“ Der Richter meint: 
Sie als Mann hätten jedoch die Reden eines 
ndischen Mädchens nicht deachten sollen und haben 
ch somit eines schweren Vergehens durch die Ver⸗ 
hrung einer Minderjährigen schuldig gemacht. Der 
ortier, eine stämmige Gestalt, drängt sich zum 
erichtstische vor und ruft: „Eure Lordschaft, wenn 
ch bitten darf, verurtheilen Sie Mr. Stewart zu 
ichts Anderem, als daß er meine Tochter heirathen 
oll, dann ist uns Allen geholsen.“ Kopfschüttelnd 
reint der Angeklagte: „Das ist ein hartes Urtheil. 
uf lebenslängliche Strafe war ich nicht gefaßt.“ 
der Richter sagt: „Ich lasse Ihnen einen Monat 
eit, um den Trauschein zu präsentiren; geschieht 
is dorthin nicht. so werden wir eine andere Sühne 
motdnen.“ Ellen eilt auf ihren Geliebten zu und 
uft: „Jetzt gehörst Du für immer mein. das wird 
ach schöner sein“ 
Markiberichte. 
Ensheim, 26. November. (Viltualienmarkt.) Butter 
ex/2 Kilo 1M. 20 Pf., Eier per Dutzend 100 Pf. 
⸗artoffeln per Kilo O Mk. — Pf. Kraut ver Hundert 
Mark. 
Zweibrücken, 26. November. (Fruchtmittelpreis undd 
alienmarkt.) Weizen 8 M. 55 Pf. Korn 7 M. 39 Pf, 
berste zweireihige 7 M. 16 Pf., vierreihige O M. — Pf., 
spelz d M. — pf., Spelzlern — M. — Pf., Dinkel 
w. — Pf., Mischfruchte7 M. 87 Pf. Hafer 6* W. 
2 8f., Erbsen O M. — Pf. Wicken OM. — pf., 
Xu 3 M. — Pf., Stroh J.Qual. 2 M. 40 Pf., II. Qual. 
M. 80 Pf., Kartoffeln 1 M. 60 Pf., Weißbrod 175 Kilo 
O Pf., Kornbrod 3 Kilo 60 Pf. Gemischtbrod 83 Kilo 
5 pfl, paar Weck 90 Gr. 6 Pf, Rindfleisch J. Qual. 
9 f. jn ODual. 56 Pf. Kalbfleisch 50 Pf.. Hammel⸗ 
eisch 60 Pf., Schweinefleisch 50 Pf. Wein WViter 80 Pf. 
uier J Liter25 Pf., Butter 1,4 Kilogr. 1 M. — vVi. 
Obst- und Gartenbauverein. 
Zwanzig Regeln der Obstbaumzucht. 
1. Auf Höhen pflanze man vorzüglich Kirschen 
n Niederungen Zwetschgen, auf nördliche oder öst 
iche Abhänge Aepfel, auf südliche und westliche 
zirnen. Von allen Obstbäumen verträgt der Kirsch⸗ 
raum die meiste Trockenheit, der Zwetschgenbaum 
die meiste Feuchtigkeit. 
2. Der beste Boden ist feuchter, durchlässiger 
dehmboden, auf dem noch keine Obstbäume gestan⸗ 
den haben. Stehendes Grundwasser ist stets schäd⸗ 
iich (Drainiren im Herbste.) 
3. Man grabe im Herbste große Baumlöcher 
ind dünge sie im Winter zuweilen mit Jauche 
die Bäume pflanze man im Frühjahre. 
4. Man kaufe nie Stämmchen von herum— 
iehenden Händlern, sondern suche sie in guten 
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zesunde Stämmchen mit starken Wurzeln, die in 
der Baumschule schnurgerade gewachsen sind und 
ein⸗ bis zweijähriges Kronenholz haben. 
5. Man wähle die Sorten vorsichtig aus mit 
Rückficht auf rauhe oder wärmere Lagen und auf 
die Feuchtigkeitsverhältnisse des Bsdens. 
6. Man pflanze Kernobstbäume (Aepfel und 
Birnen) mindestens 10 Meter auseinander. Für 
»en Aufang kann man ja einen Zwetschgenbaum 
dazwischen pflanzen, welcher seine Entwickelung ab⸗ 
chließt, ehe die Kronen der Kernobstbäume ihre 
bolle Ausbreitung erlangen. 
7. Vor dem Pflanzen beschneide man die 
tärksten Wurzeln sorgfältig (gatte Schnittfläche) 
ind schlämme sie ein. Braune Ränder auf der 
Schnitifläche deuten auf Frostbeschädigung. Faser⸗ 
wurzeln entferne man nicht. 
8. Ehe man den Baum setzt, cichte man den 
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eisens lothrecht ein, fülle das Baumloch zu drei 
Biertel mit guter Erde auf, breite die Wurzeln 
darüber aus und bringe die Erde des Untergrundes 
»benauf, so daß um das Stämmchen eine muschel⸗ 
artige Vertiefung bleibt. Frischer Dünger darf 
nie in das Baumloch kommen. 
9. Bei zu feuchtem oder zu seichtem Boden ist 
die Hügelpflanzung anzurathen. Der frischgepflanzte 
Baum soll mit dem Wurzelhalse stets höher siehen. 
als er in der Baumschule stand und nicht eher 
restgebunden werden. als bis sich der Boden gesetzt 
hat. Tiefpflanzen ist ein großer Fehler. 
10. Der Pfahl darf die Krone nicht berühren 
ind muß auf der Südwestseite stehen. Besser be— 
zestigt man das Stämmchen zwischen zwei Pfählen. 
velche keine Reibung zulassen. 
11. Es ist zu rathen, daß frischgepflanzte 
Ztämmchen zum Schutze gegen die austrocknenden 
Frühjahrswinde mit Stroh umwickelt werden. Zum 
Schuhe gegen den Wildfraß bestreiche man die 
Z„tämmchen im Herbste mit Speckschwarte oder Kalk 
nilch, oder binde sie in Dornen ein. 
12. Aepfel⸗, Birn- und Kirschbäume sind beim 
Setzen gar nicht, oder sehr wenig zurückzuschneiden; 
erst im zweiten Jahre ist ein stärkeres Zuschneiden 
zu rathen, namentlich bei schwachen Trieben. 
Zwetschgen sind auf 516 Augen zuzuschneiden. 
13. Anfangs jährlich, dann alle 23 Jahre 
chneide man im Herbste alle zu dicht stehenden, 
ich kreuzenden und nach innen wachsenden Kronen⸗ 
weige aus. Dürre Aeste und Wasserschosse sind 
edes Jahr zu entfernen. 
14. Alle Wunden am Stamme und an Aesten 
iind sorgfältig auszuschneiden und mit Baumwachs 
zu verstreichen; bei älteren Stämmen ist das blos⸗ 
iegende Holz (nicht die Rinde) mit Theer zu be⸗ 
treichen. Stümpfe und kranke Aeste schneide man 
zlatt am Stamme weg und verstreiche die Wunde. 
15. Moos, Flechter und vertrocknete Rinde 
verden mit Baumscharren eutfernt und zeitweilig 
ind der Stamm und stärkere Aeste mit einer Misch 
ing von Kalkmilch und Kuhdünger oder Lehm zu 
hestreichen; die Klebringe nicht zu vergessen. 
16. Die Erde um den Baumstamm herum ist 
urch Reingraben locker zu erhalten und mit ver— 
rottetem Dünger oder umgekehrten Rasen zu belegen. 
17. Bei Brand und Krebs ist außer dem 
lusschneiden und Verkleben der kranken Stellen, 
düngung mit Jauche und Kalisalz (oder Holz- 
ische) zu empfehlen; dei Stammschwäche mäßiges 
Zchröpfen der Rinde, bei Gummifluß Ablösen 
iniger Wurzeln. 
I8. Die Obstbäume sollen im Frühjahre (zur 
Erzeugung kräftigen Holzes), im Juli und August 
zum Ansatz der Blüthenknospen), gedüngt werden 
uind zwar ist die Jauche mit Kali und Phosphor⸗ 
säure am wirksamsten (3 Theile Superphosphal 
und 2 Theile schwefelsaures Kali) Die Düngung 
muß in verh iltnißmäßiger Entfernung vom Stamme 
durch Löcher oder einen ringförmigen Graben zu 
den Wurzeln geführt werden. 
19. Aeltere absterbende Obstbäume sind durch 
Zurückschneiden der Aeste zu verjüngen; werthlose 
Sorten sind durch Umpfropfen zu verbessern. In 
alte Baumlöcher dürfen nie junge Obstbäume der⸗ 
selhen Art gepflanzt werden (Fruchtwechsel.) 
20. Baumwachs: 250 Gr. Harz in 4050 
Gr. Spiritus bei gelindem Feuer gemischt. Kleb⸗ 
leim aus 5 Theilen Rüböl. 1 Theil Schweinefett, 
1 Theil Terpentin, 1 Theil Kolophonium, oder 
3 Theilen Aether und 1 Theil Terpentin. 
Zum Anhau auch in rauherer Lage konnen 
empfohlen werden: 1. Aepfel auf feuchtem Boden: 
Gravensteiner, Prinzenapfel, desgleichen Kurzstiel, 
gjelber Edelapfel, Haberts, Baumanns Reinette und 
Boldreinette von Blenheim; 2. auf trockenem Boden: 
Alantapfel, Graf Nostiz, Kaiser Alexander, grüner 
Fürstenapfel; 3. auf jedem Boden: Sommerge— 
vürzapfel. virginischer Rosenapfel, Pleißner Ram— 
»our, Sommerparmäne, gestreifter Herbstkalvill. 
Wachsreinette, Langtons Sondergleichen, Winter⸗ 
zoldparmäne, Danziger Kantapfel, deutscher Gold⸗ 
pepping, Muskat⸗, Gäsdonker-⸗, Orleans⸗, große 
asseler Reinette. purpurrothe Cousinot, Eiserapfel; 
Edelborsdorfer und Ananasreinette sind auf kräftige 
iltere Stämme zu pfropfen. 4. Birnen (in mehr 
zeschützter und wärmerer Lage) auf feuchtem Boden: 
Juli⸗Dechantsbirne, Williams Christbirne, Andenken 
an den Kongreß, Kusuß (Kochbirne), gute Louise, 
Tolomas Herbstbutterbirne, Gellerts. Napoleons, 
Liegels, Diels Butterbirne, Edelkrassane, Forellen; 
birne, Winternelis, Regentin, Winterdechanisbirne; 
5. auf jedem Boden: Jakobsbirne, grüne Magda— 
iene, grune Tafelbirne, Peters- und Reitigbirne, 
qzute Graue, rothe Bergamotte. deutsche National⸗ 
bergamotte, Esperens Herrenbirne, runde Mund—⸗ 
netzbirne, Clairgeau, Lolks Flaschenbirne, Marie 
Louise, Hardenponts Winterbutterbirne, Josephine 
pon Mecheln. Kamberronus (Kochbirne.) 
Fur die Redaktion verantworilich: F. X. Demeß. 
Einer der besten der alljährlich in ziemlicher 
Anzahl erscheinenden Kalender ist wohl der Illu— 
Jrirte Bayerische Familien⸗Kalender, derselbe traf 
zereits für 1886 ein. Doch nicht allein einer der 
hesten, ganz entschieden auch der reichhaltigste ist 
er und für 1886 scheint er gar alles bereits Da— 
Jewesene zu übekbieten. Da sind außer dem Ka⸗— 
endarium für Katholiken, Protestanten, Russen und 
Israelcten noch der Hundertjährige. Kalender 
Bauernregeln, Himmelserscheinungen, bdayerische 
Messe und Märkte, Geneglogie der baherischen 
Standesherren. Kardinals-Kollegium, Verzeichniß 
der im Königreich Bayern funktionirenden auswär— 
igen Konsulur-Beamten ꝛc. Dem folgen wirklich 
zübsche Erzählungen und viele Humoresken im 
wahren Sinne des Wortes, fast alle sehr reich illu⸗ 
trirt, bunt abwechselnd mit Artikeln belehrenden und 
Jeiteren Inhalts, sowie zahlreichen Vollbildern. 
gesonders hervorzuheben ist ein Artikel über die 
Heilung der miasmatischen Krankheiten (Masern, 
Scharlach, Diphtheritis, Brechruhr, Tyhus, Cholera, 
Blattern ꝛc.), von Oberstabsarzt Dr. Dyes. Dem 
olgen Nekrologe 1884 und 1885 mit 18 Por— 
räis und sogar über Neu⸗Deutschland findet sich 
in erschöpfender Artikel vor, welcher durch Beigabe 
»on Karten über Afrika, Lüderitzland, Kamerun⸗ 
Hebiet und Neu⸗Guinea besonderes Interesse in 
Anspruch nimmt. Außer zwei Beilagen, einem 
Wandkalender, und einem Portemonnaiekalender, 
ämmtlich prächtig ausgestattet, enthält derselbe 
aoch ein schönes Oeldruckbild „Mutterglück“ und 
in 1l Meter 55 Centimeter langes und 24 Cen⸗ 
imeter breites RheinPanorama, mit 44 Jullustra⸗ 
jonen in roth, blau und schwarz gedruckt. Und 
zies Alles kostet nur 50 Pfennig. 
Der Kalender ist eine billige Unterhaltungs— 
ektüre ersien Ranges, weßhalb wir den Illustrirten 
Zayerischen Familien⸗-Kalender unseren Lesern hier— 
nit bestens empfehlen. — Zu beziehen durch die 
xrpedition ds. Blattes.