Full text: St. Ingberter Anzeiger

troffenen aua der Gemeindekasse diesem Unfug ge⸗ 
steuert wird. 
— Ludwigshafen, 28. Nov. In der 
zestrigen Stadtrathssitzung machte Herr Dr. Brund 
die interessante Mittheilung. daß die pfälzische 
Bahngesellschaft in neuerer Zeit im Prinzip be— 
schlossen haben, Straßen- und Sekundärbahnen in 
der Pfalz selbst zu bauen. Ob sich dieser Beschluß 
auch auf die bereits projektirten Sekundärbahnstrecken 
hezieht, wurde leider nicht gesagt. 
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Vermischtes. 
Am Sonntag verstarb in Saarbrücken 
der aͤlteste Bürger dieser Stadt, Herr Charles 
Thirion, im 91. Lebensjahre. Der Verstorbene 
genoß durch seine Ehrenhaftigkeit. seinen Gemeinsinn 
und seine Wohlthätigkeit die allgemeinste Hoch⸗ 
achtung. Die Stadt Saarbrücken schuldet dem 
Verftorbenen für die unter sehr günstigen Beding— 
ungen gewährte Ueberlassung der Deutschmühle 
aufrichtigen Dank; nicht minder die hiesige kathol. 
Gemeinde für seine großmüthigen Zuwendungen 
zum Kirchenbau. 
Malstatt-Burbach, 29. Nvpo. Auf 
Veranlassung der Verwaltung der Burbacherhütte 
hielt heute im großen Saale der Hüttenschule der 
Knappschaftsarzt Herr Dr. Ruprecht vor den 
Betriebsbeamten, Meistern und Aufsehern der Hütte 
einen populären Vortrag über die Bestrebungen der 
Esmarch'schen Samariter⸗Vereine, indem er an der 
Hand vorliegender, von Professor Esmarch in Kiel 
hoͤlbst gesandter Modelle, Verbandmittel u. s. w. 
zeigle, wie man auf der Stelle sofort ohne Hülfe 
des Arztes den ersten Verband anlegt und dadurch 
dem im Betriebe Verunglückten in vielen Fällen 
das Leben oder seine graden Glieder erhalten, 
bezw. die Heilung beschleunigen und dem Patienten 
vielfach Schmerzen ersparen kann. Herr Dr. 
Ruprecht wird im Laufe des Winters eine Anzahl 
auserwählter Leute aus allen Betrieben der Hütte 
in der ersten Behandlung und in dem Transporte 
Verunglückter re jelmäßigen Unterricht ertheilen und 
so nach und nach ein Korps ausbilden, welches die 
bortrefflichen Wohlthätigkeitseinrichtungen der Bur—⸗ 
bacherhütie um eine weitere vermehren wird. 
Malstatt-⸗Burbach, 29. Nopd. Am 
Samstag, den 28. ds. Mts., Abends 7 Uhr, starb 
zu Eich nach langem schweren Leiden der um die 
Eisenindustrie seines luxremburgischen Raterlaudes 
so hoch verdiente Herr Norbert Metz. Diese 
Nachricht wird in allen Ländern, wo man Eisen 
macht, tiefe Trauer erwecken, denn der Verstorbene 
war anter seinen Fachgenossen in aller Welt be— 
tannt, beliebt und hochgeehrt. Das Großherzsg- 
thum Luxemburg verliert in ihm außerordentlich 
viel, da er nicht allein Führer derjenigen politischen 
Partei war, welche einen möglichst innigen Anschluß 
an das deutsche Reich in wirthschaftlicher Beziehung 
wünscht. Herr Norbert Meßtz gehörte auch zu den 
Begründern der Burbacherhütte, für deren Weiter⸗ 
—XE— 
das wärmste Interesse zeigte. 
Mühlhausen, 29. Nov. Seit einigen 
Tagen zirkuliren hier falsche Thalerstücke. Dieseiben 
find aus Zinn hergestellt und zeigen die Jahres⸗ 
zahl 1858, sowie das Bildniß des Kaisers (eine 
allerdings überaus ungeschickte Fälschung, da Kaiser 
Wilhelm, als König von Preußen. die Regierung 
erst 1861 angetreten hat.) Bis jetzt hat man noch 
keine Anhaltspunkte bezüglich des Ausgebers; die 
meisten Fallsifikate wurden in der Dömmerung 
ausgegeden. 
'Trier, 28. Nov. Eine neue Ofenkon⸗ 
struktion. Herr Rechtsanwalt Haag in Trier hat 
eine Erfindung gemacht, die ganz dazu angethan 
ist, eine Revolution in der Art unserer Zimmer ⸗ 
wärmung zu verursachen. Es handelt sich um eine 
verbesserie Methode der Kohlenverbrennung. Be⸗ 
fanntlich geht bei allen bis jetzt gebräuchlichen 
Defen in Foige des zur Unterhaltung des Feuers 
nothwendigen Luftzuges ein sehr werthvoller Be— 
standtheil der Kohlen, das beim Brennen flüchtig 
werdeude Kohlengas unverbrannt und unbenutzt 
zum Schornstein hinaus. Die neuerfundene Me⸗ 
hode sammelt dieses Gas in einem Behälter. der 
einen Theil des Ofens bildet und zwingt dasselbe 
durch das Feuer zu streichen. Durch diese Methode 
wird der gesammte Gasgehalt der Kohlen ausge— 
nutzt. Die Flamme wird stärker und man kann 
mii einem bestimmten Quantum Kohlen wenigstens 
Fahnest so niel heizen als hei den Oefen alte— 
ronstruktion. Die Erfindung ist durch das Reichs— 
zatentamt patentirt und der Oefen macht schon in 
einer äußeren Erscheinung den Eindruck der Neu⸗ 
seit. Die Hantirung beim Füllen des Ofens und 
UAnmachen des Feuers ist leicht und höchst einfach. 
Die Füllung geschieht durch einmaliges Einschütten 
der Kohlen für den Ta ganzeng. Nach mehr⸗ 
stündigem gleichmäßignde em Bralegt sich allmählich 
der Rost mit Asche zu. Der Verbrennungsprozeß 
zuht und zwar mehrere Stunden, ohne daß das 
Feuer erlischt, welches mittels des Stocheisens io⸗ 
sort wieder angefacht werden kann. Der Ofen 
eignet sich, da kein Nachlegen stattfindet, besonders 
für Bureaus und Krankenzimmer. 
fFKoblenz, 27. Nov. Die originellen 
kngländer sind doch noch nicht ganz ausgestorben; 
don Zeit zu Zeit taucht immer wieder einer auf, 
dem die Weise gewöhnlicher Menschenkinder nicht 
zusagt und der dann namentlich auf Reisen seiner 
Ldaune nachgeht, wenn's ihm seine Mittel erlauben. 
SFin Sohn Albions dieser Sorte, er führt den 
nicht ungewöhnlichen Namen Mr. Smith von 
London, traf gestern Abend, von Bingen kommend, 
hier ein und ging heute nach Köln weiter. Er 
macht laut der „Kobl. Ztg.“ mit seiner Familie 
die ganze Reise von Italien über den Gotthard 
bis Hannover⸗⸗Hamburg im eigenen vierspännigen 
Wagen, seine Reisedienerschaft besteht aus einem 
italienischen Stallmeister, einem russischen Kutscher, 
einem deutschen Kammerdiener und einer dito 
Jungfer. Zwei Hunde laufen während der ganzen 
Fahrt neben dem Wagen her. 
F Friedberg (bei Augsburg.) 28. Novb. 
Der letzte Apell.) Dahier ist der Schmiedmeister 
Joseph Rolly, der als Chevauxlegers des 4. Regi⸗ 
ments die Feldzüge 1814 und 1815 mitgemacht 
hdat, im Alter von 9084 Jahren gestorben 
F Passau, 27. Nov. GGefährlicher Ritt.) 
Borgestern rannte ein Stier, den der Bursche des 
Metzgers Fischer dahier transportirte, mit seinem 
Führer in die Donau und zwar an einer Stelle, 
wo das Wasser sehr tief ist. Der Knecht ließ trotz 
ber Lebensgefahr das Thier nicht los, sondern 
suchte auf dem Stiere reitend und mit Hilfe des 
Hundes, der ins Wasser nachgesprungen war, ihn 
wieder ans Land zu bringen. Mindestens eine 
Stunde mühte er sich stromabwärts. treibend ver 
zeblich ab, bis es ihm endlich bei Erlau gelang, 
das Ufer zu erreichen. Zitternd vor Frost und 
pollständig abgemattet übernachtete er im nächsten 
Wirthshause und traf gestern wohlbehalten mit 
dem Stier hier ein. 
F Verlegung des Sabbath. Unter den 
mmerikanischen Israeliten ist eine Bewegung im 
Hauge, aus Zwecmäßigkeitsgründen den wöchent⸗ 
lichen Feiertag von Sonnabend auf den Sonntag 
zu verlegen. Die Bewegung scheint Erfolg zu 
Jaben. Wie aus Pittsburg gemeldet wird, faßten 
die am 18. November dort versammelten Rabbiner 
der reformirten hebräischen Kirche eine Resolution 
»es Inhalts, daß nichts im Geiste des Judenthums 
»der irgend welche Gesetze die Abhaltung von 
Bottesdiensten an Sonntagen verhindere. Bekannt⸗ 
ich hat die jüdische „Reformgemeinde“ in Berlin 
ängst diese Verlegung eingeführt. 
F In einem böhmischen Kurorte stellt der Bade⸗ 
'ommissär vor: „Erlauben die Damen, daß ich 
Sie mit einander bekannt mache: Frau X. aus 
Wien, Oberstlieutenantsgattin — Frau Y. aus 
Zrünn, Fabrikbesitzersgattin — Frau Z. aus Eger, 
sentnersgattin — Frau v. L. aus Berlin ... 
stockt), Frau v. L. (einfallend): „Ruderklub— 
Ehrenmitgliedsgattin!“ 
fF Wien, 28. Nov. In Kronenburg, in der 
Nähe von Wien, ist heute Nacht die große Schau— 
mann'sche Weberei, welche zwanzigtausend Militär⸗ 
mäntel für Bulgarien demnächst liefern sollte, sammt 
den Vorräthen total niedergebrannt. Die Lieferung 
»er Militärmäntel ist dadarch unmöglich. (Die 
vackeren Bulgaren werden trotzdem hoffentlich nicht 
erfrieren.) 
7 Es ist eine alte Geschichte, daß viele Aerzte 
ranke Zähne „schmerzlos“ ziehen, d. h., daß die 
Aerzte selbst keine Schmerzen dabei empfinden. 
Was der Kranke selbst leidet, kann Jederinann er⸗ 
ählen, der die kummervollen Nächte in seinem 
Bette weinend verbrachte. Nun soll aber allen 
deuten geholfen werden, die Zahnschmerz haben. 
In Paris wurde in den letzten Tagen nicht nur 
die „Elektricitat übertragen“, die „Hundswuth“ 
jeheilt, sondern es soll auch der Zahnschmerz aus 
serofttet morden sein Mi⸗e man dort anlin 
allerdings vorläufig nur in ärztlichen Kreisen — 
erzählt, hat ein amerikanischer Zahnarzt. der in 
Paris domizilirt, ein Mittel zu Stande gebracht 
das jeden Zahnschmerz im Augenblicke stiut ung 
den Zahn, respektive die Neiben derart unempfind. 
lich macht, daß nicht der mindeste Schmerz zu em— 
afinden ist, während der kranke Zahn gezogen wird. 
Die Proden, welche der Arzt vor einem Kreise von 
Gelehrten machte, sollen überraschende Resultate cr. 
zehen haben. Um zu beweisen, daß die Sache 
virklich schmerzlos ist, ließ der betreffende Arzt sich 
rinen gesunden Zahn, den er vorher mit feine 
Tinctur präparirt hatte, reißen und erklärte, daß 
er nicht nur keinen Schmerz. sondern geradezu 
Vergnügen gehabt hätte. Wir wollen nicht au— 
nehmen, daß der Amerikanische Arzt aus Geschäfts- 
rücksichten gelogen hat. 
F London, 28. Noo. Don Carlo⸗ 
hat seine in Paris befindliche kostbare Rüftung und 
seine Waffensammlung hier Herrn Brett für 
150,000 Pfd. St. zum Verkaufe angeboten. 
Wippchens erster Kriegsbrief aus Sofia. 
Aus der neuesten Nummer der Stettenheim'schen 
„Wespen' ersehen wir, daß Wippchen in fliegender 
Eile und selbst ohne einen Vorschuß abzuwarten, 
nach Sofia abgegangen ist. In seinem ersten 
Kriegsbriefe erzühlt er von dem Eindruck, den die 
Zriegserklärung Serbiens auf den Fürsten Alexander 
zemacht habe, der gerade mit seinen Ministern Va 
anque spielte. Der Fürst sei aufgesprungen und 
jabe ausgerufen: „Wenn ich nicht Alexander wäre, 
jo möchte ich wohl Diogenes sein!“ Gefragt, was 
er damit sagen wolle, antwortete er: „Dann würde 
ich den Koͤnig Milan mit der Laterne suchen und 
ihn an dieselbe hängen!“ Die Minister verbeugten 
sich starr: fie sahen ein, daß der Mars zwischen 
Bulgarien und Serbien ins Rollen kam. Und so 
siegesgewiß ist der Fürst, daß er ausrief: „Auf 
nach Nisch!“ Man warf ein, daß der Czar ihm 
dies verbieten könnte. Da lachte er: „Wo Nisch 
ist, hat der Kaiser sein Recht verloren!“ 
f König Milan und der Wiener 
Fiaker. Der Serbenkönig dürfte im gegenwär— 
tigen Augenblicke wohl keine Ahnung davon haben, 
daß sich die Wiener Zensurbehörde mit ihm de— 
chaftigte. Und dennoch ist dem so. Das durch 
einen Wohlthätigkeitssinn bekannte „Neulerchen⸗ 
'elder Lumpenball⸗Komitee“ gibt soeben einen 
jumoristischen Wandkalender heraus, auf welchem 
die markantesten Ereignisse dieses Jahres in humo⸗ 
cistischer Weise in Wort und Bild dargestellt sind. 
In der Mitte des Tableaus sieht man die in 
Lumpen gehüllte Gestalt eines der bekanntesten 
Wiener Fiaker „(Schusterfranzl)“ als Verkörperung 
des Jahres 1885. Als nun vorgestern ein Pflicht⸗ 
xemplar dieses Kalenders der Staatsanwaltschaft 
als Zensurbehörde vorgelegt wurde, glaubte diese 
in den Zügen des genannten Fiakers jene des 
stönigs Milan und eine Verhöhnung desselben zu 
erbliceen. Der Inhaber der lithographischen Anstalt, 
in welcher der Kalender verfertigt wird, wurde 
'ogleich zur Staatsanwaltschaft zikiert, erbrachte 
edoch durch die Vorweisung der Photographie des 
Fiakers den Beweis, daß thatsächlich letzterer und 
nicht König Milan als das Jahr 1886 figuriere. 
— Ueber den gepanzerten König wird dem „B. 
T.“ aus Belgrad geschrieben: Wie die Kriege 
elbst, so sind bekanntlich auch Wehr und Waffen 
»on einst und jetzt grundverschieden von einander. 
stüstungen und Requisiten, wie sich deren in aiten 
Zeiten die zur Fehde ziehenden Helden be⸗ 
dienten, sind heutzutage nicht mehr üblich und er⸗ 
regen ellenfalls nur noch unsere Bewunderung, 
wenn wir sie in Museen oder auch in alten 
Schlössern als Zeugen dahingeschwundener Geschlech⸗ 
ter und Epochen oder als Meisterwerke einer früheren 
unstindustrie betrachten. Manchmal soll es indessen 
auch in der Gegenwart noch vorkommen, daß ein⸗ 
zelne Herrführer, wenn sie in den Krieg ziehen, 
dem Geschmacke unserer antikisierenden Zeit so weit 
Rechnung tragen, daß sie mindestens theilweise die 
Rüstungen von ehedem nachehmen. Dies wird bei⸗ 
pielsweise auch vom Konig Milan von Serbien 
allen Ernstes berichtet. Als der serbische Herrscher 
uuf die Kunde von der ostrumelischen Revolution 
eine Kur in Gleichenherg unterbrach, um übet 
Wien heimzukehren, da ließ er in der österreichischen 
Residenz einen in der inneren Stadt wohnenden 
Inhaber eines Militär⸗-Equipierungs Geschäftes zu 
ich bescheiden und trug ihm auf, unter Beobach— 
ung der nöthigen Diskretion einen Panzer ichleu— 
tiast z2u bherferfigen und nach Nassenhdung unverme