Full text: St. Ingberter Anzeiger

8t. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmalz Am Montang, Dieustag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöobchentlich mit Unterhauungs⸗ 
zlati und Sonntagt mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich J A 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1 AJ) 75, einschliekßli 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 —, Neclamen 30 —4. Bei 4maliger Cinruckung wird nur dreimalige berechnet. 
Donnerstag, 3. Dezember 1885. 
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M 237. 
Deutsiches Reich. 
Muüͤnchen, 30. Nodo. Wie bereits mitge 
heilt. hat der Abg. Kopp seinen vom Präsidium 
xAbgeordnelen ⸗ Kammer beanstandeten Antrag 
uf Kündigung des bayerisch . russischen Ausliefer⸗ 
ingsvertrages in folgender veränderter Fassung 
pieder eingebracht: „Die Kammer wolle beschließen: 
z8 sei an Se. Maj. den König die allerehrfurchts⸗ 
sollste Bitte zu stellen: Allerhöchstdieselben wollen 
mzuordnen geruhen, daß die baldmöglichste Um⸗ 
ꝛesialtung des zwischen Bayern und Rußland ver⸗ 
inbarten Auslieferungsvertrages vom 1. Okt. (19. 
ʒept.) 1888 — enisprechend den über die Aus⸗ 
eferung flüchtiger Verbrecher seither geltenden, 
asbesondere auch im bayerisch- russischen Ausliefe⸗ 
ungsbertrage vom 26. Febr. (14. Febr.) 1869 
cachteten Grundsätzen und mit Berüchsichtig ung 
Her anarchistischen Verbrechen — herbeigeführt 
verde.“ 
Berlin, 1. Dez. (Reichstag.) Bei Eintritt 
a die Tagesordnung — Interpellation weqen der 
lusweisungen — verliest der Reichskanzler eine 
aiserliche Botschaft, in welcher, als gegen die 
teichsverfassung verstoßend, dagegen protestirt wird, 
aß die Reichsregierung in die Landeshoheit Preu⸗ 
ens oder eines anderen Bundesstaates eingreifen 
hnne, wie die von der Mehrheit des Reichstags 
interzeichnete Interpellation es verlange. Fürst 
Zismarck begründet die Botschaft mit dem Hinweis 
arauf, daß nicht bloß Polen, Sozialdemokraten ⁊c., 
ondern das Zentrum, die stärkste Fraktion, einen 
rinbruch in die Hoheitsrechte des Koͤnigs von 
Breußen versucht. Auf Antrag Windthorst's, aber 
jegen Richter, beschließt der Reichstag die Absetzung 
Jer Interpellation von der Tagesordnung. 
Beriin, 1. Dez. Die Aufregung im Reichs⸗ 
age ist anhaltend. Die Verlesung der kaiserlichen 
gotschaft machte der Diskussion ein Ende, worauf 
‚er Kanzler an der Spitze des Bundesrathes das 
daus verließ. Allgemein unterhält man sich über 
die Folgen der heutigen Szene. Windthorst's 
Brodokation, von Richter unterstuͤtzt, wird verurtheilt. 
Berlin, 2. Dez. Der Reichskanzler hat 
estern unmittelbar nachdem er aus dem Reichstage 
ortging, erst den öslerreichischen, dann den russi⸗ 
hen Botschafter besucht. 
Berlin, 30. Nov. Wie bereits kurz mitge⸗ 
heilt, wurde in der heutigen Sitzung der Budget⸗ 
Immission Minister Bronsart v. Schellendorf um 
Auskunft über die Verhaftung von Zahlmeistern 
rsucht. Der Kriegsminister stand nicht an, zu er⸗ 
laren, daß die Zeitungsnachrichten über die be⸗ 
auerlichen Unfälle sich bestätigten. Der Minister 
onnte nur sagen, daß einzelne der Verhafteten 
chwer belastet erscheinen, andere minder. Die 
Antersuchung werde mit rüchichtsloser Schärfe ge⸗ 
ührt, das Ergebniß veröffentlicht wetden. — Um 
Aufstellung einer Selbstmord⸗Statistik im Heere 
ersucht, erkllärte der Minister, daß eine solche Auf⸗ 
tesllung angeordnet, jedoch nicht zum Abschluß ge⸗ 
tommen sei. 
»er Monarchie werden alle Verfügungen der Regie⸗ 
rung während der Minderjährigkeit des Prinzen 
oder der Prinzessin, welche nach den Bestimmungen 
deß Artikeis 60 der genannten Verfassung zur ge⸗ 
etzmäßigen Nachfolge auf dem Thron meines ver⸗ 
orbenen Gemahis, Alfons XII. berechtigt ist, in 
neinem Namen als der Regentin des Königreichs 
deröffentlicht werden. Gegeben in Pardo, den 27. 
Kodember 1885. Maria Christina.“ Da dite 
Zroßjahrigkeit des spanischen Königs verfassungs⸗ 
näßig mit dem Eintritt in das 17. Lebensjahr 
hbeginnt, so wird die Regentschaft der Königin für 
hre Tochter Mercedes 11 Jahre, bis zum II. 
September 1896, dauern; sollte aber Maria Chri⸗ 
tina einen Sohn gebären, se würde sie volle 16 
Jahre die Regierung als Regentin zu führen haben. 
London, 2. Dez. Hier is das Gerücht 
bon einer Rebolution in Mexiko verbreitet. 
Nisch, 2. Dez. Offiziell wird gemeldet, daß 
rotz der Waffenruhe gestern früh ein bulgarischer 
Angriff auf die serbischen Positionen bei Wlasina 
nit' vier Bataillonen und einer Eskadron erfolgte. 
Belgrad, 2. Dez. Heute fand in Nisch 
zroßer Kriegsrath über die militärische Lage statt. 
xẽs heißt, bei der Fortsetzung des Kriegs würde 
in Coalitions · Ministerium gebildet werden. um 
ille Parteien im Kampfe gegen Bulgarien zu einigen. 
Pirot, 2. Dez. Die Ankunft des serbischen 
Dbersten Milanswitsch im bulgarischen Hauptquar⸗ 
ier zur Verhandlung über die Waffenstillstands 
Bedingungen wurde für heute offiziell angezeigt. 
behaupten. Und doch gibt es noch solche. Heut 
morgen wurde uns nämlich ein kräftiges Exemplar 
von einem Schulknaben überbracht. Der lebens⸗ 
frohe Bursche hat sich in seiner Entwickelung be⸗ 
Zeuiend verfrüht und in der Zeitrechnung kolossal 
eirrt. 
— Gür Kaufleute) ist nachfolgende ge— 
richtliche Entscheidung, welche beweist, daß nicht 
inter allen Umständen und namentlich nicht im 
heschäftsverkehr der Kaufleute untereinander in 
allen Fällen der Rechtssatz, daß nicht bestellte 
Waaren nicht bezahlt werden brauchen, gilt von 
zroßem Interesse; hier der Thatbestand: „Die 
Parteien haben längere Zeit miteinander in Ge⸗ 
chaftsverbindung gestanden. Wenn unter solchen 
Imständen ein Kaufmann dem anderen neben be— 
ellten Waaren aach einige unbestellte unter Bei⸗ 
ügung der Rechnung zusendete, aus welcher sich 
die Verkaufsbedingungen ergaben, so war der Em— 
pfänger verpflichtet, wollte er dieselben nicht behalten, 
dies alsbald dem anderen Kaufmann anzuzeigen, 
da sonst sein Stillschweigen als Genehmigung der 
Zaufs⸗Offerte galt. Es folgte dies zwar nicht aus ge⸗ 
etzlichen Bestimmungen, wohl aber aus der Rücksicht 
auf die Billigkeit im kaufmännischen Verkehr, nach 
weicher Einwendungen gegen Leistungen und Ab⸗ 
lehnung von Aufträgen, wenn sie nicht unberück⸗ 
ichtigt bleiben sollen, mit thunlichster Beschleunig⸗ 
ing ausdrücklich mitgetheitt werden müssen. Erfolgt 
die Ablehnung einer solchen Sendung erst nach 
Wochen und nachdem andere Sendungen desselben 
daufmanns angekommen sind, so ist die Ablehnung 
zu spät geschehen und muß die Offerte als ange—⸗ 
aommen gelten.“ 
— Zweibrücken, 1. Dez. Dem Ver— 
nehmen nach werden bei der am aächsten Montag 
beginnenden 1V. Schwurgerichtsperiode nut 6 Fälle 
zur Verhandlung kommen, deren Verhandlungsdauer 
kaum eine Woche in Anspruch nehmen wird. 
— Homburg, 30. Nov. Auf der Rück⸗ 
jahrt von einer Inspektionsreise zu Eichelscheiderhof 
scheuten die Pferde des Herrn Gestütsdirektors 
Adam von Zweibrücken beim Vorüberfahren an dem 
Anwesen des Herrn Siebert von hier, woselbst eine 
Dreschmaschine in Betrieb war, und gingen durch. 
derr Adam fiel aus der Chaise und zog sich einen 
lomplizirten Beinbruch zu. Aerztliche Hilfe, welche 
sofort zur Hand war, legte einen Gypsverband an, 
und wurde der Schwerverletzte mit der Bahn nach 
Zweibrücken verbracht. 
— Pirmasens, 1. Dez. Vor Handwerks⸗ 
hurschen kann nicht genug Vorsicht anempfohlen 
werden. So kam heute einer beim Fechten in das 
Hhaus des Hrn. N. hier und als er Niemand an⸗ 
traf, hieß er ein Paar neue Stiefel im Werthe 
pon 20 Mk. mitgehen. Es scheinen zum Glück 
teine Siebenmeilenstiefel gewesen zu sein, denn die 
Polizei holte ihn bald ein, um ihm in beschauer—⸗ 
icher Ruhe Zeit zu lassen, über den Begriff von 
Mein und Dein nachzudenken. 
s. Kaiserslautern, 2. Dez. Die gestern 
vorgenommene Volkszählung ergab für unsere Stadt 
nachstehendes Resultat: 15540 männliche, 15878 
veibliche Anwesende zusammen also 31418 Seelen. 
Vorübergehend abwesend sind 413 Seelen. Es 
ergibt sich also eine Mehrung der Bevölkerungs— 
ziffer in Hinsicht zur letzten Volkszählung von 
5095 Seelen. 
— Maikammer, 30. Nov. Heute Vor— 
nittag wurde am Bahnhof hier eine Weinfuhre 
angehalten, deren Pferde scheu und führerlos an— 
Ao*ale und pfaälzische Nachrichten. 
O St. Ingbert. 8. Dez. Am Dienstag, den J1. 
„8. Mis. feierte Herr Bahnverwalter Eifler in 
er Wirthschaft der Wittwe Schmelzer am Bahn⸗ 
jof sein 28jähriges Dienstjubiläum. Zur Feier 
jatten sich an sechzig Freunde des Herrn Jubilars ein⸗ 
jefunden. Eingeleitet wurde die Festlichkeit durch 
ine Ansprache des Herrn Güterexpeditors Böhm. 
der Herr Jubilar dankte für das zahlreiche Er⸗ 
qheinen seiner Freunde und Gonner. Hierauf 
rachte Herr Pfarrer und Distriktsschulinspektor 
zerckel die Verdienste des Gefeierten in beredten 
Vorten zum Ausdruck. In begeisterten Worten 
ühmte er die aufopfecnde Hingabe der Gematzlin 
»es Jubilars in Tagen, wo derselbe von seinem 
ilten, schwierigen Leiden, dem berüchtigten Rheu⸗ 
natismus, heimgesucht wird. In mehr humoristischer 
Weise schilderte der Kgl. Bergmeister Herr 
Fünther die Genauheit und Punktlichkeit, mit 
velcher der Gefeierte, selbst in Tagen der Krank⸗ 
heit, sich seinem Berufe widmet. Der Redner 
santte dem Gefeierten dafür, daß er stets bereit 
ei, mit ihm nicht bloß St. Ingbert und Umgebung, 
ondern soweit das Eisenbahnnetz reiche, die ganze 
Welt mit St. Ingberter Kohlen, deren Beförder⸗ 
ing jetzt ganz enorme Dimensionen annimmt, 
ruͤßig und schwarz“ zu machen. Mit einem 
türmisch aufgenommenen „Hoch!“ auf den Jubilar 
ndete der Herr Bergmeister seine Ansprache. Im 
zaufe der Unterhaltung kamen verschiedene Klavier⸗ 
ind Gesangspiecen zum Vortrage, so daß die Ver⸗ 
ammelten in fröhlichster Stimmung bis zur späten 
Ibendstunde aushielten. Erst nach und nach 
rennten sich die Festgenossen, wohl alle von dem 
Wunsche beseelt, es möge dem Jubilar vergönnt 
ein, in 25 Jahren auch jein goldenes Dienstiu— 
iläum zu feiern. 
GO St: Inabert. 3. Dez. „Im Dezember 
zibt es doch keine Maikäfer mehr!“ wird mancher 
Ausland. 
Paris, 2. Dez. Eine Havasmeldung aus 
gelgrad sagt gerüchtweise, die Bulgaren hätten 
tirot in Brand gesteckt. 
Madrid, 1. Dez. Der königliche Erlaß, 
urch welchen die Koͤnigin bekannt gibt, daß sie 
ae Regierung übernommen habe, hat folgenden 
vortlaut: „Gemäß dem Artikel 22 der Verfassung