Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Bergzabern, 12. Dez. Vorgestern 
ist auch der letzte Hopfenhändler wieder abgereist. 
Trozdem derselbe mehr als 300 Ballen Hopfen 
aufte, liegen hier und in der Umgegend noch viele 
hundert Zentner. Für die besten Hopfen wurden 
either nur noch höchstens 17—20 Mt. bezahlt, 
mittelmäßige oder gar geringe sind überhaupt nicht 
fortzubringen. Unsere Hopfenbauern haben dieses 
Jahr harte Schläge erhalten. Hoffen wir, daß die 
noch liegende Waare, wenn auch zu niedrigen 
Preisen, adgeht und das nächste Jahr sich besser 
inlassen werde. — Im Weingeschäft geht es immer 
roch flau. wenn auch in einigen Nachbardörfern 
vereinzelte Käufe abgeschlossen wurden. Die Preise 
iind ebenfalls noch sehr niedrig. 
— Ludwigshafen, 14. Dez. Der 
Badischen Analin· und Sodafabrik dahier wurde 
für das Verfahren zur Darstellung gelber bis oran⸗ 
gerother Farbstoffe durch Kondensation von Hydra⸗ 
zinen mit Dioxyweinsaure (Nr. 34,294) Patent 
ertheilt. 
Bermischtes. 
F Straßburg, 12. Dez. Der Fall des 
Notars Roͤsch in Mühlhausen, der bekanntlich wegen 
zahlreicher Veruntreuungen und Unterschlagungen 
hm anvertrauter Gelder verurtheilt werden mußte, 
zat die schwersten Mißstände im Notariatswesen 
der Reichslande blosgelegt. Der Elsaß⸗Lothr. Ztg.“ 
zufolge, hat sich inzwischen die hiesige Regierung 
mit der Frage beschäftigt, wie diesen Mißftänden 
für die Zukunft am wirksamsten vorgebeugt werden 
könnte. Von der Justizverwaltung ist bereits der 
Entwurf einer Verordnung ausgearbeitet worden, 
welcher zunächst dem Staatsrathe von Elsaß⸗Loth 
ringen zur Begutachtung vorgelegt werden soll. 
Kassel, 12. Dez. Heute Mittag fand in 
der hiesigen Gasanstalt eine Explosion statt. Ein 
Gebäude wurde total zertrümmert, drei Personen 
chwer verlttzt. 
Karlhsruhe, 12. Dez. Am 29. Nov. 
wurde dem Herzog Nikolaus von Württemberg in 
seinem neben der kath. Kirche und am Eingange 
des großherzogl. Parkes gelegenen Schlosse ein 
Finbruchsbesuch abgestattet. Die Diebe bemächtigten 
sich der Militärbekleidungsstücke und ließen alle 
Werthsachen wie silberne Bestecke ꝛc. unberührt. 
FMünchen. Der Petitions-Ausschuß der 
Abgeordnetenkammer erledigte u. A. eine Petition 
des Prsidiums des bayerischen Handwerkerbundes, 
hett. den CentralSchulbücherverlag, 
ijerner den Handel der Schullehrer und Schulhaus- 
meister mit Schulutensilien. Referent Biehl hielt 
diese Petition für vollständig gerechtfertigt, da durch 
die Manipulationen des Central⸗Schulbücherverlags 
und durch den bezeichneten Handel von Lehrern 
und Schulhausmeistern das Gewerbe der Buchbin⸗ 
der ⁊c. geschädigt sei, und beantragte Behandlung 
im Plenum. Der Regierung-Kommissär Ober—⸗ 
Regierungsrath Wiesbect theilte mit, daß der Ver— 
trag mit Oldenburg noch bis 1888 laufe; darnach 
dürfe er den Titel „Schulbücherverlag“ nicht mehr 
iühren. Der Handel mit Schulutensilien durch 
Lehrer und Hausmeister werde sich nicht ganz ab⸗ 
ttellen lassen, da eine Gleichförmigkeit in diesen 
Begenständen wünschenswerth sei. Der Antrag des 
Referenten wurde einstimmig angenommen. 
F Glleiwitz, 4. Dez. Was einem Voks—⸗ 
zähler passiren kann, darüber erzählt der 
„Oberschles. Anz.“ Folgendes: In einem Dorfe 
des Gleiwitzer Kreises ging in der Dunkelheit der 
Zähler in dem naßkalten Wetter in ein ziemlich 
weit entferntes Haus. Er sieht drinnen ein Licht⸗ 
lein blinken und freut sich, daß er wieder in eine 
warme Stube kommt. Aber kaum, daß der Zähler 
den Hof betreten, beißt ihn ein Hund in das rechte 
Hein. Von der Bestie verfolgt, eilt er um so 
schneller zur Hausthür. Er macht sie auf, und 
iehe! eine Kuh brüllt ihm entgegen und versperrt 
— 
den halbtauben Einlieger herausgerufen hatte, konnte 
er zum Zählungsgeschäft ichreiten. Da sich in der 
Stube kein Stuhl befand, so stellt sich der Zähler 
mit gespreizten Beinen auf den Tisch und will 
schreiben. Auf einmal geräth der Tisch ins Wan⸗ 
ten; schnell greift der Zähler nach seinen Papieren, 
ndem sitzt er aber auch schon rittlings auf — 
inem Kalbe, welches unter dem Tische sein Lager 
jatte und eben durch die Stube spazieren wollte. 
— Der Zahler hat aber auch unter solchen Um— 
tänden seine Pflicht gethan. 
F Eine seltene Familienfeier fand unlängst zu 
Albrechtsthal bei Lipte (Neumark) statt. Daselbst 
— 
feierten die Rostin'schen Eheleute ihre goldene 
Hochzeit, zugleich die Verlobung ihrer jüngsten 
Tochter, ferner die Verlobung einer Enkeltochter aus 
Berlin und endlich die Taufe eines Enkelkindes. 
fF Breslau, 10. Dez. Der Koch Max 
Böhm, welcher kürzlich wegen des Verdachts, in 
)er Nacht vom 20. zum 21. Septemder d. Is. 
die unverehelichte Anna Lerche ermordet zu haben, 
nerhaftet worden ist, hat gestern eingestanden, daß 
r den Mord verübt hat. 
Bei dem „KRathhaus⸗Bazar“, der in 
der vergangenen Woche in Berlin stattgefunden 
hat, übernahm der Kronprinz, wie man weiß, mit 
Ktücksicht auf den wohlthätigen Zweck, für kurze 
Zeit das Amt eines Wurstverkäufers. Die Nach— 
rage war eine sehr lebhafte und die „Warmen“ 
tiegen hoch im Preise. Unter denjenigen, die in 
der Nähe des Kronprinzen standen, befand sich auch 
eine geistreiche junge Dame, eine Schrifistellers⸗ 
jattin, deren liebenswürdiger Witz belannt ist. 
Der Kronprinz hatte der schönen Frau soeben mit 
iner einladenden Geberde ein Paar Würstchen an⸗ 
jeboten und mit einer verbindlichen Kopfbewegung 
)as Zwanzigmarkstück in Empfang genommen, als 
hmplößzlich einfiel, daß nach allem Herkommen 
u warmen Würsichen auch Mostrich gehört. Der 
dronprinz bot der Käuferin, die eben im Begrifft 
tand, die Würstchen zu verzehren, Mostrich an — 
aber die Dame lehnte mit einer Verbeugung und 
er scherzenden Aeußerung: „Dazu bin ich nicht 
reich genug, kaiserliche Hoheit“ — die Offerte des 
ronprinzen ab. 
F Um eine Kotelette. In einer 
)eutschen Residenz erregte es kürzlich nicht geringes 
lufsehen, daß der langjährige unzertrennliche Freund, 
Duzbruder und Generaladjutant des Fürften, dessen 
Zosition bis dahin für unerschütterlich galt, kurzer 
dand seine Entlassung erhalten hat, die, um die 
zache nicht gar zu schroff und unvermittelt er⸗ 
heinen zu lassen, in die Form eines vorläufigen 
echsmonatlichen Urlaubs gekleidte wurde. Man 
erbrach sich die Köpfe darüber. was der Grund 
ieser Ungnade gewesen sei, und rieth hin und her. 
Das Cherchez la femmo konnte nach Lage der 
Berhältnisse hier nicht in Betracht kommen, denn 
nan weiß nur zu gut, daß das ewig Weibliche an 
dem genaunten Hofe schon lange keine Rolle mehr 
pielt. Was konnte also den Fürsten veranlaßt 
Jaben, seinen ältesten Freund fallen zu lassen? 
Man höre und staune!“ Die Geschichte dreht sich 
um eine Kotelette. Nun ja, warum denn nicht? 
Wenn Königin Anna den allmächtigen Marlborough 
ines Glases Wassers wegen fortschickte, warum 
ollte ein deutscher Furst nicht wegen einer Kotelette, 
die doch, wenn schon einmal Eßbares und Trink— 
zarrs als Grunde gelten sollen, jedenfalls ein kon— 
istenterer Genuß ist, als das nasse Element, und 
noch dazu „ohne“, seinen Generaladjutanten aus 
einer Nahe verbannen können? Die Geschichte ver 
jält sich folgendermaßen. Der in Rede stehende 
dof weilte während der Sommermonate in einem 
Schlosse an den Ufern eines großen Binnensees 
Der Fürst, so ungern er sich vor seinen eigenen 
randeskindern sehen und sich von ihnen angaffen 
äßt, liebt es, von dort aus incognito Ausflüge in 
die den See begrenzenden Staaten zu machen und 
ich dort unter das Volk zu mischen. So machte 
»er Fürst denn auch im Spätsommer mit seinem 
Beneraladjutanten — wir wollen ihn d. X. neunen 
— eine Tour per Dampfer nach der Stadt C. im 
Zischen. Dem Fürsten hatte die Seeluft Appetit 
jemacht, und da man unerkannt war, trat man in 
as erste beste Wirthshaus ein. Die Wirthin hatte 
jerade Kotelettes auf dem Feuer, die sich die beiden 
ßäste serbiren ließen, und welche dem Fürsten be— 
onders gut mundeten. Seit jener Zeit hatte der 
johe Herr eine förmliche Leidenschaft für Kotelettes 
zefaßt. Die Hofköche mußten dieselben in den der— 
chiedensten Formen auf die fürstliche Tafel bringen: 
Ila Nelson, à la Robert, en papilotte ꝛc ec. 
Man feierte bei Hofe wahre Koteleite-Orgien. Aber 
eine dieser Nuancen fand Gnade vor der fürst- 
ichen Zunge. Herrn v. X. gegenübrr war immer 
»er Refrain: „Lange nicht so schmackhaft, wie in 
5.!“ — Die Hofköche geriethen in die gellste Ver⸗ 
weiflung, die Küchenjungen hatten noch nie so 
iele Ohrfeigen bekommen, und der Roͤtisseur trug 
ich allen Ernstes mit Selbstmordgedanken. Da 
ines Tages kommen wieder NKotelettes auf die 
ürstliche Tafel. Der Fürst bediente sich und hatte 
aum den ersten Bissen in den Mund gesteckt, als 
r, mit der Zunge schnalzend, erfreut austief 
„Endlich einmal Kotelettes, wie sie sein sollen 
Der Küchenmeister ward herbeigerufen und gefragt 
vie er zu dem Rezept gekommen. Nachdem 
Jehört,“ erwiderte der Mann, „daß vie Koieleite 
vie in C. fein sollen, bin ich dort hingereist und 
jabe mich in dem Wirthshaus nach der Zubereitun 
erselben erkundigt. “ Der Fürst mußte lächeln 
äber diese einfache Lösung der Kotelette · Frage 
und nachdem der gelobte Küchenchef drautzen war 
vandie sich Serenissimus ziemlich ungnädig on 
derrn v. X.: „Das hätteft Du auch schon lange 
thun können.“ Am nächften Tag hatte der Gem 
raladjatant seinen sechsmonatlichen Urlaub in der 
Tasche. — Ich aber kann diese wahrhafte —XX 
nicht schließen, ohne mein Bedauern daruber aus 
zudrücken, daß ich nicht im Stande bin, den freund⸗ 
lichen Leserinnen mit dem ohne Zweifel ebenso 
köstlichen wie verhangnißvollen Kotelettetezept dienen 
zu koͤnnen. CGB. T.) 
Ein interessanter Versrecher 
ttand unlängst vor der Strafkammer zu Lyck, der 
Pole Klimmasch aus Kusdubba in Polen, der sein⸗ 
Verbrecherbahn seit 1829 begonnen und seit dieser 
Zeit 30 Jahre im Gefängniß und Zuchthaus zu— 
gebracht und außerdem gegen 5000 Knuten⸗ und 
Beitschenhiebe in Polen und in Preußen bekommen 
hat. Die Lycker Strafkammer verurtheilte Klim— 
masch wegen mehrerer Pserdediebstähle zu 15 
Jahren Zuchthaus. Klimmasch ist schon über 70 
Jahre allt. 
— Ueber einen neuen Fall von Schlassuch 
wird der „Neuen Freien Presse“ aus Gahya in 
Mähren geschrieben: In dem don hier eine halbe 
Stunde entfernten Dorfe Kunewals EStoronetz) 
chläft die 22jährige ledige Marianne Ingr nun 
chon fünf Wochen mit einer einzigen vor drei 
Wochen stattgehabten kurzen Unterdrechung. Die 
Schlafende hat während dreißig Tagen keine Nah⸗ 
rung zu sich genommen; erst seit einigen Tagen 
wird ihr durch die Nase Milch verabreicht, da di⸗ 
dinnlade krampfhaft geschlossen ist und nicht geöff⸗ 
net werden kann. Dieser seltsame Zustand hatte 
sich bei dem Mädchen schon vor 15 Wochen einge 
ttellt, währte jedoch damals nur einige Tage. Der 
Fall erregt hier großes Aufsehen. 
F Wien, 12. Dez. In der Alservorstadt er 
mordete der 59jährige Hausmeister Wenzel Schuster 
seine 56jährige Frau, die ihm im Laufe einer 
40jährigen Ehe 20 Kinder geboren hatte, indem er 
ihr mit einem Hammer Schlaäge auf den Kopf 
versetzte und dann mit dem Taschenmesser den Hals 
durchschnitt. Er wollte entfliehen, als sein ällester 
Sohn hinzukam, der ihn verhaften ließ. Schuster 
war einst sehr reich und Besitzer einer Glasfabrit 
in Brünn und mehrerer Häuser in Wien. Ei 
ging zu Grunde weil er arbeitsscheu und dem 
Trunke ergeben war. Im Jahre 1869 verließ er 
xrau und Kinder und begab sich unter Mitnahme 
von 40.000 fl. nach Amerika. Er war auch schon 
inmal im Irrenhause. 
t Aus Irkutsk Gibirien) wird gemeldet, 
daß in einer Goldwäscherei bon Pletjuchin ein Ex⸗ 
plosion von 400 Pud Dynamit stattgefunden 
hat und über 100 Menschen das Leben verloren 
hahen. Einige sprechen gar von 1000 Opfern 
dieser Katastrophe. 
Das berühmte Stradivarius-Cello, welches 
im Besitz der zwei Cellisten Serbais, Vater und 
Sohn, war, ist in Brüssel für 50 000 Fr. ver- 
kauft worden. 
F(Aus der Schweiz.) An einem der 
letzten Bettage sagte Kaplan N. in Mosnang in 
seiner Predigt der Zuhörerschaft so herbe Wahr⸗ 
heiten, wie man sie sonst im Gotteshause nicht mehr 
zu hören gewohnt ist. Was den Maunern beson— 
ders wohlgefiel, war der Umstand, daß der Prediger 
auch den Weibern die Pflicht des Gehorsams gegen 
hre Obrigkeit, d. h. gegen den Ehemann eiudring— 
ich an's Herz legte. Er erklärte, daß in 90 von 
100 Fällen der Fehler bei der Frau liege, wenn 
im ehelichen Leben Gewitter und Hagelschläge in 
der Stube hausen und die junge Saat verderben. 
Die Weiberseite war während der Predigt des 
Studiums werth; die Frauen schauten zerknirscht 
auf ihre Schürzen wieder und bissen sich auf ihre 
Zungen. Die Männer aber werden au nächster 
stirchengemeinde ihrem Kaplan ein Einfehen thun 
und den mageren Gehalt ein wenig streckeli. Diese 
Predigt hat pämtch schon ihre guten Früchte ge⸗ 
regen. Die Foguen sprechen nuͤr noch das No⸗ 
higste, sie sind süßer, freundlicher und lenksamen 
jeworden; sie kochen besser ꝛzc. Kurz, die Mos⸗