Full text: St. Ingberter Anzeiger

k. Ingherter Amzeiger 
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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sen und Eonntagt mit Bseitiger illustrirter Seilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1 A 60 A eiuschließlich Tragerlohn; durch die Vos berogen 14 75 ⸗, einschließaa 
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Montag, 29. März 1886. 21. Jahrg. 
Deutiches Reich. 
Berlin, 26. März. ¶(euischer Reichstag.) 
der Reichstag beginnt, die zweite Berathung des 
Fanntweinmonopols. Fürst Bismarc erklärt, 
venn er das Wert nehme, so erwarte er nicht, die 
lbstimmung zu beeinflussen; man sei der Vorlage 
chon vor ihrem Erscheinen nach dem Grundsatze: 
Ich kenne die Absichten der Regierung nicht, aber 
d mißbillige sie“, enigegengetreten, und habe auch 
der Kommission die nähere Prufung. sogar die 
zezeichnung der Fehler der Vorlage abgelehnt. Es 
andele sich bei dem Monopol nicht bloß um die 
Frennerein, sondern vor Allem um die Erhaltung 
Karloffelbaues — jeder Hektar mehr erhalte 
ine Familie mehr — und um das Bedürfniß des 
gdeichs. Es sei eine falsche Auffassung, daß die 
egierung allein die Pflicht habe, über die Wohl⸗ 
ahrt des Vaterlandes nachzudenken. Die Minister 
aben doch kein Interesse pro domo, obwohl Richter 
lerdings ihm nachgesagt habe, er handle als 
grennereiinteressent. Er halte es unter seiner 
Hurde, ihm im gleichen Tone zu antworten; es 
i für das Ansehen des Reiches gleichgültig, was 
nan über Richter denke, nicht aber, was man über 
en ersten Beamten des Reiches denke. 
Die Petitionen gegen den Imp fzwang sind 
on der Petitionskommission des Reichsstages mit 
2 gegen 2 Stimmen abgelehnt worden. 
Berlin, 27. März. Das Herrenhaus über· 
vies auf Antrag Carolath's das Amendement Kopp 
ur Kirchenvorlage an die bestehende Kommission. 
Berlin, 27. März. Der Reichsanzeiger 
reröffentlicht heute eine VRerordnung betreffend die 
degelung der Verhältnisse infolge der Einverleib⸗ 
ing des bisherigen Stadtkreises Frankfurt a. M. 
jden Kommunalberband des Regierungsbezirks 
Diesbaden und der Vereinigung dieser beiden Ver⸗ 
ande zu einem Landarmenverbande vom 10. März 
886. — Die Abtheilungen des Staatsraths wer⸗ 
en im Reichsamt des Innern tagen; vermuthlich 
bird der Kronprinz den Verhandlungen beiwohnen. 
die ersste Sitßzung findet am Montag siatt. 
Aussslaud. 
Lokale und pfaälzische Rachrichten. 
St. Ingbert, 29. März. Das gestern 
dachmittag im Oberhauser'schen Saale stattgehabte 
rste oͤffeniliche Konzert der hiesigen Bergka⸗ 
se ner Leitung ihres Dirigenten Herrn 
Engel war aus allen Schichten der Bevölkerung 
echt zahlreich besucht. Die Kapelle selbst hat sich 
zurch dasselbe aufs beste eingeführt. Eroffnet wurde 
as Konzert durch den „Mussinan⸗Marsch“ von 
Farl, der sehr schneidig und effektvoll vorgetragen 
hurde. Aber auch bei den solgenden Nummern 
ꝛes reichhaltigen Programms mußten wir staunen 
her die Präzission und Sauberkeit im Vortrage. 
Iuch bei den Piecen, die schon größere Anforder⸗ 
ingen an die Leistungungsfähigkeit einer Kapelle 
jellen, zeigte sich unsere Bergmusik den auftretenden 
Zchwierigkeiten gewachsen. Es war dieses beson⸗ 
derz aus dem Vortrage der Ouverture „Dichter 
id Bauer“ von Suppee, des „Vrautzuges aus 
der Oper Lohengrin“ von Wagner, sowie des 
Zach'schen Liedes Frühlingserwachen“ zu erkennen. 
Außer diesen Piecen sprachen noch besonders an 
ie Ouverture „Husarenbraut“ von Hampe, der 
Valzer „Röelein im Walde“ von Strauß, ein 
dolta für zwei Trompeten von Lemnitz und der 
ZolkanDer flotte Trompeter“ von Curth, welch' 
etztere da Capo gespielt werden mußte. Aber auch 
aͤnden übrigen Nummern largten die Zuhoͤrer 
iicht mit dem wohlverdienten Beifalle. Und so 
arf denn unsere wackere Bergkapelle auf ihren 
estrigen Erfolg mit großer Befriedigung zurück ˖ 
hauen. Ihr strebsamer Musikmeister aber hat 
ewiesen, daß er zur Lösung seiner Aufgabe nicht 
nur die nothwendige Ausdauer und Energie, son⸗ 
ern auch das erforderliche musikalische Geschick und 
herständniß besitzt. Möge die Kapelle auf dem 
ʒetretenen Wege nur rüstig weiterschreiten, in Be⸗ 
ichtung des bekannten Sprichwortes: Stillstand ist 
Rückgang.“ 
HEnsheim, 29. Marz. Gestern tagte in 
den Raäumen des Schulhauses in Erfweiler die 
Hheneralversammlung des Obstbauvereines an der 
Zlies. Herr Pfarrer Rütter, als Pomologe wohl⸗ 
zekannt, erfreute die ungemein zahlreich Erschienenen, 
achdem er Mittheilungen über den Stand des 
Vereines gemacht, mit praktischen Winken und Rat⸗ 
chlagen bei der Behandlung der Bäume, empfahl 
die größte Vorsicht beim Setzen und lud Herrn 
Bezirlsbaumwart Betsch aus Zweibrücken ein, die 
hersammlung mit einem Vortrag, über das Ber⸗ 
deln zu erfreuen, welchem Wunsche Herr Betsch 
o trefflich nachkam, daß die Versammlung ihn zum 
danke als Ehrenmitglied aufnahm. Da der Praͤ⸗ 
ident des Vereines Herr Mathias Braun aus Erf⸗ 
veiler gestorben ist, übertrug die Versammlung 
herrn Pfarrer Rütter in Hinblick auf seine Ver⸗ 
jienste die er sich um Hebung der Obstbaumzucht 
rworben, diese Ehrenstelle. Die Verloosung be⸗ 
achte jedes Mitglied mit einem schönen veredelten 
Abstbaumchen. Der Verein zählt 150 Mitglieder. 
Möchten die Anregungen auf diesem Gebiete in immer 
veitere Kreise getragen werden. 
Blieskastel, 209. März. Soeben er⸗ 
ahre ich Folgendes: Gestern war in Erfweiler 
Heneralderjammlung des Obstbauvereins. Nach 
Schluß wollten Herr Buchheit aus Heckendalheim 
ind Herr Bürgermeister Wannenmacher aus Om- 
nersheim zurückkehren, das Gefährt schlug um und 
ie Genannten lagen auf der Straße. Dabei soll 
derr Bürgermeister bedeutende Verletzungen davon⸗ 
etragen, Herr Ludwiag Buchheit mit dem Schrecken 
davongekommen sein. Da, wie mir gesagt wurde, 
den Herrn in St. Ingbert vor 2 Jahren dasselbe 
Ungluͤck wiederfuhr und Herr Wannenmacher ge⸗ 
faͤhrliche Verlezungen davontrug, ist die Teilnahme 
ine aügemeine. Mochte er sich auf dem Wege 
der Besserung befinden. 
Speyer, 26. Marz. Die hiesige Volks⸗ 
ank erzielte im abgelaufenen Jahre einen Umschlag 
jon über 20 Millionen Mark, etwa eine halbe 
Nillion weniger als im Vorjahre. Die Mitglieder⸗ 
ahl ist um 47 gestiegen und betrug am Anfang 
es Jahres 9575 Der Reingewinn blieb um 
766 Mi. hinter dem des vorhergehenden Jahres 
uruck, weßhalb statt 8 nur 7 pPCt. Dividende ver- 
heilt werden. 
— Ludwigshafen, 26. März. Zur 
nRichtigstellung der in verschiedenen pfälzischen Blat⸗ 
ern enthaltenen Notiz bezüglich der unbesetzten 
—chulstellen in der Pfalz sind wir in der Lage 
nitzutheilen, daß zur Zeit nicht 144, sondern 3 
zchulfiellen ohne eigene Lehrkräfte sind. 
Bermischtes. 
Trier, 25. Marz. Das Hochwasser hat 
sier bereits ein Opfer gefordert. Als sich heute 
Morgen zwei junge Leute auf den hochgehenden 
Wogen der stark angeschwollenen Mosel mit Kahn⸗ 
ahrien vergnügten. wurde das leichte Schiffchen 
on dem heftigen Wellenschlag des sjarken Stromes 
in einen Brückenpfeiler geschleudert und umge⸗ 
vorfen. Einer der Einsassen, ein hoffnungsvoller 
Jüngling, fand seinen Tod in den Wellen. während 
der andere gerettet wurde. 
FLorchingen Greis Saarburg) Das 
deinlichste Aufsehen macht, nach manchem vorher⸗ 
Jegangenen ähnlichen Falle in ElsaßLothringen, 
Zie Zahluugseinstelung und Fallimenterklärung des 
Notats Ancel. Abermals große und kleine Sum⸗ 
nen in Menge von reichen und armen Leuten, die 
n blindem Vertrauen ihre Gelder in die eine Hand 
egten, um jetzt wahrscheinlich um alles zu 
ommen. Heuie erst bringt das Amisblatt die 
sachricht. „dem Notar, Ancel in Lorchingen ist 
ie nachgesuchte Entlassung aus dem Justizdienste 
des Reichslandes ertheilt worden.“ Inzwischen 
zestatigt fich die Kunde von der am vorigen Sams ⸗ 
ag erfolgten Verhaftung des ungetreuen Verwal⸗ 
ers. Die Passiva sollen sich auf eine halbe Mil⸗ 
jon Mark belaufen, die Aktiva unbekannt und 
wahrscheinlich nur unbedeutend sein. Die Gesetz⸗ 
gzebung wird schließlich nicht laͤnger zögern dürfen, 
der Moglichkeit der Wiederkehr ahnlicher Vorkomm⸗ 
nisse energische Schranken zu ziehen. 
Worih Eine vorübergehend hier weilende 
zosnische Familie bezog aus dem Thiergarten in 
Zsuttgart einen '« J. a. Bären um 220 Mark; 
derselbe war jedoch nicht, wie erwartet, zahm, son⸗ 
hern geberdete sich so wild, daß er mit Mühe in 
ganden gelegt werden konnte und schließlich, nach⸗ 
dem die Siuttgarter Direktion die Zurüchnahme 
verweigert, erschossen wurde. 
palzey, 26. Maͤrz. Gestern Vormittag 
machte die bilbschone Ladnerin eines größeren Schuh · 
vaarengeschafts dahier, Rosa Lud w ig, geboren 
am 7. Februar 1866 zu Dreißigocer in Thüringen, 
n ihrer Wohnung durch einen Rebolverschuß in 
Hen Kopf ihrem jungen Leben ein Ende. Die 
Waffe, welche das Mädchen gegen sich gerichtet, 
jatte es kurz zuvor in einer hiesigen Eisenhandlung 
zekauft und ging die Kugel an der rechten Seite 
der Schläfe“ ein. um bis zum Nasenbein zu 
Bruͤssel, 27. Marz. Im gestrigen Minister⸗ 
athe, welchem der Bürgermeister von Brüssel beie 
ohnte, ward beschlossen: die Garnison Brüssels 
ereit zu halten, um nach Charleroi abzurücken 
die Burgergarde solle dann theilweise den Diensi 
er Brüsseler Garnison übernehmen. 
Bruͤssel, 28. März. Die Ausschreitungen 
der Streitenden haben einen so gefährlichen Cha⸗ 
alier angenommen, daß sich die Regierung veran⸗ 
aßt gesehen hat, zwei Jahrgünge der Reserve ein⸗ 
uberufen. General Van der Smissen hat das 
nilitärische Kommando in Charleroi übernommen. 
zn Roux fand gestern wieder ein Zusammenstoß 
zer Streikenden mit dem zweiten Jägerbataillon 
jatt, welches zweimal feuerte, wobei zwei Personen 
etödtet und viele verwundet wurden. Auch aus 
zardoux und andern Orten wird von ernsten 
donflilten der Streikenden mit der bewaffneten 
Nacht gemeldet. Die Aufrührer plünderten und 
zrannten Fabriken, Klöster und Privathäuser nie⸗ 
der; der Schaden im Charleroi-Distrikt beläuft sich 
chon auf viele Millionen. Hier hielten die Anar⸗ 
histen gestern ein Meeting ab, bei welchem auf—⸗ 
ührerische Reden gegen den König und den 
züͤrgerme ister von Brünel gehalten wurden.