Full text: St. Ingberter Anzeiger

bdauten bei Verdun bischäftigt gewesen, seiner deut— 
schen Nationalität wegen aber entlassen worden war. 
Die Bauten werden dort mit großer Hast betrieben, 
63 Maschinen zum Bretterschneiden waren aufgeftellt 
und Nachts wurde bei elektrischem Licht gearbeitet. 
Allerdings ist man auch in der Verstärkung unserer 
Forts nicht lässig, an denen 3000 Mann und 1300 
Pferde ununterbrochen arbeiten. — Gestern fanden 
in den Eisenwerken von Karcher und Westermann 
in Ars unter Aufsicht des Herrn Schoeneweg aus 
Dudweiler Spreng-Versuche eiserner Blöcke statt, 
und zwar durch das Securit, eine neue Zusammen⸗ 
setzung, welche ein sehr befriedigendes Resultat 
ergaben . 
. Darmstadt, 23. Februar.“ Beim Fürsten 
Alexander von Bulgarien zeigten sich gestern Abend 
Symptome der Blatternkrankheit? heute haben ·die 
Aerzte das Vorhandensein derselben konstatiren können 
FFrankfurt, 28. Febr. Heute früh wurde 
hier naͤchst der Gerbermühle auf der Frankfurter 
Seite die Leiche eines Infanteristen der 8. Kom⸗ 
pagnie des 115. hessischen Regiments, Darmstädter 
Garnison, in vollständiger Uniform und mit dem 
umgeschnallten Seitengewehre, aus dem Main ge⸗ 
ländet. Die Leiche, welche vollständig in das 
Ufereis eingeforen war und. Verletzungen an der 
Stirne trug,“ mochte schon über einen, Monat im 
Wafser gelegen haben; sie wurde in das Leichen⸗ 
haus des Bockenheimer Militär⸗Lazareihs befördert 
Gerhaftung eines Sawindler⸗ 
Paares.) Aus Würzburg wird gemeldet: Ein 
Schwindlerpaar machte in der letzten Zeit die 
Gegend an der badischen' Grenze unsicher. Beide, 
auch der Mann, als „Schulschwestern“ verkleidet, 
sammelten von Ort zu Ort und von Haus zu 
Haus Beiträge für ein Waisenhaus, so z. B. in 
Boödigheim allein über 50 Mark und brachten auf 
diese Art etwa 1000. Mark zusammen. Dabei 
aßen und tranken fie gut,um Gotteslohn“, ließen 
fich auch von den Bauern fahren, bis sie der Gen⸗ 
darmerie in die Hände fielen, die dann freilich dem 
Schwindel ein kurzes Ende machte . 
7 Ein Kind erstickt. In Herlisheim a. 
d. 3. hat diese Woche ein zweijähriges Kind, wel⸗ 
ches mit einem seiner Geschwisier mit Bohnen ge⸗ 
spielt und eine davon in den Hals bekommen 
hatte, einen schrecklichen Erstickungstod erlitten. Die 
Eltern sind ob dieses Falles untröstlich. Man 
lann nicht oft genug an die Verwerflichkeit solcher 
Spiele erinnern. Möge dieser Fall zur Warnung 
dienen! , 
aref Der für die deutschen Reichs⸗Waisen— 
häͤnusfer gesammelte Fonds hat bis heute die an— 
sehnliche Höhe pon nahezu 700,000 M. erreicht, 
wovon für die drei Häuser Lahr, Magdeburg und 
Schwabach bis jetzt circa 350.000 M. verausgabt 
sinde c —DVV⏑⏑⏑— — 
—Ar München, 23.: Februar. Dem in der 
Frohufeste an der Baaderstraße inhaftirten Herrn 
v. Vollmar wurde das Resultat der Wahl von einem 
Gefinnungsgenossen durch ein; großes an einem 
seiner Zelle gegenüber liegenden Hause angebrachtes 
Transparent bekannt gegeben. — Gestern Vormit⸗ 
tag wurden bei hiesigen Sozialdemokraten, Haus⸗ 
suchungen nach Wahlaufrufen ⁊c. vorgenommen; 
unter den mit Haussuchung Betroffenen befanden 
sich auch wei zur genannten Partei gehörige Jour⸗ 
nalisten, bei welchen Korrespondenzen etc. saisirt und 
zur Polizei verbracht würdem 18 
225 Der am letzten Donnerstag in Munchen be⸗ 
erdigte Rektor der dortigen Handelsschule, Heinrich 
Brentano war“ im Jahre 1810 in Grümstadt von 
israelitischen Eltern geboren. Er hat fich als 
Schulmann einen bedeutenden Namen erworben. 
n Bier⸗Exrport. Im VLaufendes letzten 
Jahres haben mehrere deutsche Exporteure von Bier 
nicht unerhebliche Verluste dadurch erlinten, daß 
den Versuch gemacht haben, entgegen den in meh⸗ 
reren südamerikanischen Staaten bestehenden sani⸗ 
tätspolizeilichen · Vorschriften, in jene Lünder salicyl⸗ 
haltiges Bier einzuführen. Es erscheint daher mit 
Rücksicht auf die Ausdehnung, welche die Verwen⸗ 
dung von Salichlsaure bei Herstellung von Erport⸗ 
bier in Deutschland allmählig erlangt hat, ange⸗ 
zeigt, öffentlich darauf aufmerksam zu machen, daß 
in mehreren südamerikanischen Staalen Bier, bevor 
es zur Einfuhr zugelassen, bezw. in freien Verkehr 
gesetzt wird, einer genauen chemischen Analyse unter⸗ 
worfen wird. Findet fich hierbei Salichlsäure, 
wenn auch nur in geringen Mengen vor, so wird 
das Bier aus sanitätspolizeilichen Gründen zur 
Finfuhr bezw. zum Verbrauch nicht zugelassen. 
7 Das Telephon als Eselsbrüce. 
Einen traurigen Abschluß fand am Marzellen— 
Gymnasium in Koln die eben begonnene Abitu⸗ 
rienten⸗Prüfung, indem das ganze Examen kaffirt 
wurde. Gegen ein geringes Bestechungshonorar 
hatte sich der Kastellan des Gymnasiums bestimmen 
assen, die Anlage eines geheimen Telephons aus 
dem Lehrer-Conferenzzimmer nach dem Speicher 
jornehmen zu lassen; hierdurch wurden die Abitu— 
rienten in die angenehme Lage versetzt, die in der 
dehrerkonferenz fesigestellten Aufsatzthemata zu ver 
nehmen. Das Nachspiel war leider ein sehr böses 
Durch irgend einen Zufall wurde die Leitung ent⸗ 
deckt und sämmtliche Abiturienten, auf ein Jahr 
jeruntergesetzt. Da mehrere Schüler nur Mitwisser 
waren und hinsichtlich ihrer Fähigkeiten auch eine 
jolche Eselsbrücle nicht brauchten, so ist die Strafe. 
die sie dafür erhielten, weil sie ihre Mitwisser nicht 
verriethen, eine höchst fatale — dielleicht auch nicht 
janz gerechte. Mehrere Elkern der von der Maß⸗ 
regel betroffenen Schüler beabsichtigen, sich be⸗ 
chwerdeführend eventuell bis zur höchsten Instanz 
i wenden, —2 
Erneute Schneewehen werden dom 
Johen Taunus gemeldet. Dort ist der Reifenberger 
Postwagen im Schnee stecken geblieben; Leute aus 
jenanntem Orte mußten Bahn schaffen, daun erst 
ronnte der Wagen, der mit ca. dreistündiger Ver⸗ 
pätung in Königstein anlangte, durchkommen. 
F Die studentische Feier bei une 
heit des neunzigsten Geburtstages des Kaisers ist 
unmehr, nachdem der Kaiser seine Bewilligung 
zegeben, endgiltig festgesetzt. Es wird am 21. März 
ein Fackelzug gebracht werden, ann dem sich nicht 
allein die Berliner Studentenschaft, sondern auch die 
Deputirten der übrigen deutschen Hochschulen bethei⸗ 
igen werden. Daran wird sich ein Festkommers 
n der Philharmonie anschließen. Hier wird Ernst 
hon Wildenbruch eine eigens zu dem Tage verfaßte 
Dichtung vortragen. Außerdem ist eine Konkurrenz 
inter allen deutschen Studenten für das beste Kai⸗ 
erlied ausgeschrieben. Dasselbe muß nach bekann⸗ 
ier sangbarer-Weise gedichtet sein und einen Stu⸗ 
denten zum Dichter haben. Das Lied soll auf dem 
dommers gesungen werden. Am- 22, findet ein 
Umzug zu Wagen durch Berlin statt,/ der am kaiser⸗ 
ichen Palais vorbei defilirt. Auch ihn hat der 
Kuiser genehmigt und sich bereit erklürt,denselben 
anzusehen. Die Banner der deutschen Hochschulen 
werden von Chargirten begleitet sein. Der Zug 
endet bei Kroll, wo ein musikalischer Frühschoppen, 
bdei dem die akademischen Gesangvexeine Lieder vor⸗ 
ragen werden. abgehalten wird. Ein gemeinschaft⸗ 
iiches Festmahl bei Kroll wird das Ganze beschlie⸗ 
ßen. Es ist ein Festkomitee gewählt worden, be⸗ 
tehend aus vier Mitgliedern des Ausschusses der 
Studentenschaft und je zwei bezw. einem Mitglied 
der übrigen Berliner Hochschulen. 
r Von der wunderbaren Heilung 
»ines jungen Mädchens, welches mehrere 
Monate stumm war, wird in französischen Bläitern 
Folgendes erzählt: Die zwanzigjährige Unterlehrerin 
Camille Watigny wurde im September v. J. 
während sie eine Unterrichtsstunde ertheilte, ploöͤtzlich 
djmmlos, und konnte lein Wort mehr hervorbringen. 
Nachdem die Eltern vergeblich alle Aerzte des Aisne⸗ 
Departements zu Rathe gezogen hatten, begleiteten 
ie das Mädchen nach Paris, wo die verschiedensten 
Mittel, namentlich aber die Elektrizität an ihr per⸗ 
sucht wurden. Während der elektrische Strom auf 
die Patientin eindrang, die sich übrigens daneben 
ver“ besten Gesundheit erfreute, konnte sie! kurze 
Sätze stamieln, aber sobald diese Einwirkung auf⸗ 
—V 
schließlich erschütterten die Experimente ihr Nerben⸗ 
ystem dermaßen, daß sie eingestellt werden mußten. 
Ha ertheilte ein Bekannter den Rath, Dr. Berillon 
u konsultiren,“ der eine Revue de l'hypnotisme 
herausgiebt und im Rufe steht, Nervenlrantheiten 
gründlich zu heilen. Ich begab mich“, so erzählt 
as Mädchen selbst,“ , mit unserem Freunde, Herrn 
Achille, und seinem kleinen Jungen, zu dem Doktor. 
dieser setzte mich in einen Lehnstuhl zurecht, sah 
nir etwa zwei Minuten lang' in sdie Augen und 
erührte mir dann leicht die Lider. Ich fühlte, wie 
Schlüfrigkeit mich befiel, und hörte den Doktor zu 
derrn Achille sagen: I schläft fie, ich will ihr 
ine Nadel m's Fleisch stecken.“Ich hatte die Ab⸗ 
icht, zu protestieren, vermochte mich aber nicht zu 
ꝛegen, mein Wille war zu schwach. Als er mit 
iber eine Nadel in die Hand stecte, schlug ich die 
Rugen auf und gab ihm durch einen Wink zu ver⸗ 
stehen, daß er mir weh that. Nun heftete er wi 
der seine Augen auf die meinigen und fuhr 
den Fingern über meine Lider hin und her. * 
mal verlor ich ganz und gar die Besinnung, un 
als ich aufwachte, sagte der Doltor: „Wie alt ß 
Sie?“ — Ich antwortete sofort mit klarer Sum 
Ich bin zwanzig Jahre alt. — Niemand war d 
aͤber mehr erstaunt, als ich selbst, und ich wol 
nun das Gespräch mit Herrn Berillon forieh 
aber ich konnte nichts Anderes sagen, als; P 
bin zwanzig Jahre alt.“ Den nächsien Tag id 
en wir zu dem Dobtor zurlickk. Er wandie d 
selben Mitlel an. Kich schlief ein, wachte auf in 
ing sofort mit dem Doktor zu schwatzen an, bo 
cine Elster. r hatle mir während meines Schles 
befohlen, auf alle seine Fragen zu antworten. Mi 
dreude war jeht groß. Richt minder große 
mein Schmerz, als Herr Achille ebenfalls eine X 
an mich richtete und ich ihm keinen Laut entge 
nen konnte. Jetzt schläferte mich der Doktor v 
Neuem ein und sagte nur, wie ich hörle, wahren 
des Schlafes: »gIch befehle Ihnen, fortan Allen 3 
antworten, welche das Wort an Sie richten un 
immer mit Ihnen zu reden.“ Eine Minute spüs— 
war mir die Sprache wieder gegeben und seilde— 
plaudere ich, wie nur zuvor. 
Paris, 28. Februar. Heute früh zwisqhen 
õ und 8 Uhr fanden mehrere Erdstöße stattn 
Toulon, Cannes,“ Avingnon, Nizza, Besseges un 
inderen Orten der Provence. In Nizza ist 
Haus eingestürzt, wober drei Personen verschüit 
vorden; von mehreren Häusern wurden die Dache 
ortgerissen. In Mentone sollen mehrere Persone 
getödtet sein ) der- Eisenbahnverlehr ist suspendit 
da zunächst die Tunnels untersucht werden sollen.— 
In Mailand fand um 6 Uhr 25 Minut. Morgen 
»in wellenförmiges Erdbeben statt, welches auch ir 
Livorno verspürt wurde. Dasselbe dauerte 12 Sefun 
den, kein Unfall ist vorgekommen. — In Turit 
und Genug wurden um 6* Uhr Morgens heftig 
länger dauernde Erderschütterugen wahrgenomme 
In Genua fluchteten viele Bewohner aus den Häusern 
mehrere Rauchfänge wurden herabgeworfen, biel 
Zäuser erhielten- Risse. Der ersten Erfchütlerun— 
folgten mehrere weitere. Gleichzeitig wurde in Aqu 
eine starke Erderschütterung verspürt; worauf mehret 
leichte folgten. Die gesammte Provinz Pabia, sow 
Lucca und Savona wurde von stärkeren oder schwächeren 
Erderschütterungen heimgesucht. In letzterer Stadl 
stürzten mehrere Häuser ein, wobei 110 Personen 
zetödtet · wurden.“ — In Cuneo stürzten einig⸗ 
Schornsteine und mehrere Gewölbe ein; die Bebö 
kerung flüchtete aus den“ Häusern.In mehrerer 
anderen Orten sind durch eingestürzte Häuser zahl 
reiche Personen verunglückt. Zu Sabona wurden 
bisher acht Todter und fünfzehn Verwundete, dar⸗ 
inter vier Schwerberwundete, aufgefunden, in Noli 
ünfzehn Todte, in Albissola zwei Todte, in Dnegli 
jechs Todte, darunter ein Soldat, und 28 Ver 
wundete, darunter zehn Soldaten und drei Gendarmen 
in Portomaurizio ein Todter und acht Verwundete. 
In Dianomarino ist der dritte Theil der Haͤuser 
eingestürzt; sehr viele Personen sind. todt und ver⸗ 
wundet. In Mondobi kam bei den Erderschütter 
ungen kein Unglücksfall vor. — In Deuischland 
hat man von dem Erdbeben glücklicherweise nicht⸗ 
berspürt· 
4.7 Paris, 24. Febr.“ In Sudfrankreich wur 
den drei neue Erdftöße verspurt; 10.000 Personen 
yerließen Nizza; Mentone hat stark gelitten; au 
zielen Gemeinden fehleninfolge der Verkehrsstor 
ungen die Nachrichten günzlich. Bisher wurden: 
Todte und 22 Verwundete als Opfer der Erdstör 
iestgestellt. 4 J 9 
—7Loheugrin sin Paris.“ Mit der Bih 
nen ˖ Aufführung des Lohengrin““ in Paris schein 
s Ernst werden zu sollen zum wievielten Male 
hereits ). Dieser Tage verweilte der bekanni 
Pariser Kapellmeister Lamoureux in Karloruhe 
vohin verabredetermaßen Frau Cosinia Wagner au 
Bayhreuth gekommen war, um im Verein mit geli 
Moitl denLohengrin“ am Klavier durchzunehmen 
die Tempi festzustellen, sowie die szenische Anord 
nung und die Coftümfrage zu besprechen. 
—7 Shylochs Tocht er. Der alte Milliond 
Zunot, ein Pariser Wucherer, dem die geldbedürf 
ige Jugend den Spitznamen „Papa Shylock“ ge 
geben, ist Vatet einer achtzehnjührigen Tochtet— 
Namens Esther, deren Schoͤnheit das Entnuan 
iller französischen Maler hervorruft. Junot hi 
zas reizende Pädchen sehr strenge, ja, er hieli s 
zrmlich in Gefangenschaft. als er erfubt. daß sie ein