Ausland.
Wien, 6. März. Aus glaubwürdiger Buka⸗
rester Quelle trifft hier nachstehende bezeichnende
Meldung ein. Der russische Gesandte Hitrovo
fragte zwei Tage vor dem Aufstande in Silistria
bei der rumänischen Regierung an, wie fich letztere
gegenüber einer eventuellen Bewegung in Bulgarien
verhalten würde. Vielfache Berichté konstatiren,
daß der Straßenkampf in Rustschuk von 5 Uhr
Morgens bis 6 Uhr Abends gedauert habe. Auf
beiden Seiten zusammen wurden 120 Todte ge⸗
zählt. Staunen erregt es hier, daß, nach einer
aus franzosischen Quellen stammenden Nachricht,
Frankreich die Pforte und Rußland aufforderte,
eine diplomatische Aktion behufs des Sturzes der
bulgarischen Regentschaft anzuregen. Offenbar ist
Frankreich hierbei nur das Sprachrohr Rußlands
und will letzterem einen Dienst erweisen. Man
vermuthet, daß eine derartige formelle diplomalische
Anmregung thatsächlich nicht erfolgen werde.
Wien, 7. Marz. Der „Neuen Fr. Presse“
wird, wie die „N. B. L.“ meldet, aus Giurgewo
telegraphirt: Auf Anordnung der Regentschaft
wurden die kriegsrechtlich verurtheilten Urheber des
Rustschuker Aufstandes, Major Usurow, Advokat
Kirajew, Kaufmann Zwetkow, sowie 4 subalterne
Officiere heute Morgen um 8 Uhr außerhalb der
Stadt erschossen.
Wie das ‚Berl. Tagbl.“ erfährt, hält die en g
lische Regierung die Ereignisse der letzten Tage
in Silisstria und Rustschuk für den bloßen
Anfang einer entschlosseneren aktiven Politik Ruß⸗
lands. Oesterreich und Deutschland hätten der
rusfischen Regierung zu verstehen gegeben, sie
wuͤrden gegen eine zeilweilige russische Okkupation
Bulgariens unter gewissen Garantien keine Ein—
wendung erheben. Das Petersburger Kabinet sei
indeß nicht auf diesen Gedanken eingegangen. Deß⸗
halb hegt man jetzt in London die Befürchtung,
Rußland beabsichtige derartige Zustände in Bul—
garien herbeizuführen, daß sein Einschreiten nicht
blos temporär und ohne jegliche Garantie gegen⸗
über den anderen Mächten sich als absolut noth⸗
wendig zur Verhinderung von anarchischen Zuständen
herausstellen würde. Ein derartiges Vorgehen Ruß⸗
lands müßte jedoch unbedingt auch Oesterreichs
Eintreten in die Aktion herbeiführen, und die Be—
fürchtung dieser Möglichkeit sei für den Ton be—
stimmend gewesen, den Graf Kalnoky in seiner
jetzten Rede anschlug, ein Ton, der enischieden
weniger friedensgünstig, als die deutsche Thronrede
aufgefaßt wird. Russische diplomatische Kreise in
London und Paris betonen allerdings noch immer
die. friedlichen Gesinnungen des Czaren und weisen
jeden Argwohn zurück, als seien die jüngsten Er—⸗
eignisse in Bulgarien durch Rußland hervorgerufen
worden, ohne freilich in London selbst viel gläu⸗
bige Gemüther zu finden.
Daß man in Frankreich nicht so friedlich
ist, wie man von dort aus glauben machen will,
geht u. A. des Weiteren aus einem Artikel des
Pariser „Figaro“ hervor. Der betr. Artikel spricht
zunächst von den schönen Zeiten, in denen Deutsch⸗
land noch ein Land der Dichter, Musiker und
Menschenfreunde, in eine Reihe kleiner Staaten
zerfiel, von denen die meisten nur Armeen hatten,
die ausreichten, um einer gut ausgestatteten Ope⸗
retie ewwas Ansehen zu geben. Das sei jetzt anders!
Aus dem Deutschen von damals sei wieder der
Teutone in seiner alten Wildheit erstanden. „Die
Operettenfürsten der alten Zeit“, heißt es dann
wörtlich weiter, „die für einen Parquetplatz zu
einer Pariser Premiere ihr Fürstenthum hingaben,
find jetzt zu behelmten Panzerreitern geworden, die
nur von Feuer und Schwert träumen. Der träu⸗
merische Landmann von damals ist gegenwaͤrtig
ein streitsüchtiger Händelsucher, der jeden Tag mit
dem Gefühle des Bedauerns daran denkt, daß noch
in den französischen Kellern Wein liegt, und daß
in Frankreich noch manche schöne Uhren auf dem
Kamin stehen. Heute führe man keine Eroberungs⸗
kriege mehr; die vorhandenen Gegensätze bezögen
sich nur noch auf Grenzregulirungsfragen () Bei
einer Absitimmung, in der alle Mittel der Beein⸗
flussung zur Verfügung Deuischlands waren, daben
die beiden ehemaligen französischen Provinzen so⸗
eben ihr Verdiet laut und vernehmlich abgegeben
—XXD
nene Schlacht. Die Völker wollen heute weder er⸗
obern, noch erobert werden. Das ist das große
Princip im nationalen politischen Leben, um welches
»s fich handelt. In ihm liegt die Zukunft; eine
zukunft, der wir Franzosen vertrauen, moͤgen wir
eselbe auf friedlichen oder blutigen Bahnen er⸗
weichen. Was aber immer kommen moͤge: Deutsch⸗
and muß wissen, daß wir keinen Rassenhaß hegen,
ind daß der Krieg, wenn er einst ausbricht, kein
drieg barbarischer Revanche, sondern daß er ein
Zrieg der Gerechtigkeit und des Rechtes ist; des⸗
elben Rechtes, das Deutschland angerufen hat, um
ein einiges Volk und ein starkes Reich zu werden!“
Von den in diesem Aufsatze gegen die Deutschen
jerichteten Frechheiten kann wohl füglich abgesehen
verden. ist dies doch oft aufgewärmter Kohl aus
ranzösischen Lügenfabriken. Fur den bewußten
Krieg der Gerechtigkeit“ wird sich das deutsche
holt sicherlich, wenn die Franzosen solchen herbei⸗
ühren, als fertig gerüstet erweisen!
London, 6. März. Gestern Abend fand
rinweihungs⸗Bankett des national⸗konservativen
Flubs statt. Bei demselben hielt Lord Salisbury
ine Rede, in welcher er ausführte, daß die Lage
»er auswärtigen Angelegenheiten zur Zeit wieder
ine günstigere sei; trotz der starken Rüstungen Eu⸗
copa's habe es den Anschein, als ob die Aussichten
ür Erhaltung des Friedens entschieden größere ge⸗
vorden seien. Bei Besprechung der irischen Frage
agte der Redner, es seien gewisse Maßregeln not—
vendig, um das Loos des irischen Volkes zu
zessern, jedoch müsse man zunächst dem Gesetze Ach-
ung verschaffen; er hoffe, daß mit Geduld and
Ausdauer es der Regierung gelingen werde, die
Wohlfahrt Irlands wieder herzustellen.
nuen
und piest Nachrichten.
fKaiserslautern, 6. März. Die Be⸗
zölkerung unserer Stadt beläuft sich gegenwärtig
nuf 35,424 Seelen.
— Landau, 7. März. Am Samstag tra⸗
en bei dem hiefigen Infanterie⸗Regiment eine An⸗
ahl Repetirgewehre ein, von denen jedes Bataillon
orläufig 8 Stück erhält, um zunächst die neue
Fðeuerwaffe kennen zu lernen. Im Laufe der
zächsten Zeit darf nunmehr auch die Bewaffnung
»es 18. Inf.⸗Regts. mit diesem Gewehre erwartet
verden.
— In Klingenmünster hat sich am 4.
o8. die Gemeinde-Versammlung mit 143 gegen
.Stimme dem vom Gemeinderate einstimmig ge⸗
aßten Antrage angeschlossen, zum Secundärbahn⸗
»au Klingenmünster ˖Rohrbach einen Beitrag von
600 M. zur Erwerbung des Landes zu bewilligen.
Sollten sich diese Kosten höher belaufen, so ist die
Zemeinde Klingenmünster bereit, verhältnißmäßig
nit den anderen Gemeinden noch einen weiteren
geitrag bis zu 1000 M. zu zahlen. Der nöthige
heldbeirag ist durch ein Anlehen, rückzahlbar in
iwa 25 Jahren zu beschaffen.
— Kapsweiher, 6. März. Eia schweres
Anglück traf gestern Abend eine hiesige Hausirer⸗
amilie. Vater und Mutter waren mit dem Fuhr⸗
verke in Schaidt. Auf dem Heimwege scheute das
Pferd. Der Lenker wollte abspringen und gerieth
anter die Räder. Bewußtlos blieb er liegen. Die
Frau wollte nachträglich gleichfalls abspringen;
aebei brach sie einen Arm. Der Mann ist zwei
5ztunden darauf, trotz gewordener Hilfe, verschieden.
Die arme Familie zaͤhlt zwölf unmündige Kinder.
J (C. Tgbl.)
— Speyer, 5. Februar. Von dem pfaälzischen
dreisstiftungsrath wurde als Mitglied des Landes⸗
tiftungsrathes der Wittelsbacher Landesstiftung zur
oͤrderung des bayerischen Handwerks in Stadt und
jand Se. Exc. Herr kgl. Regierungspräsident v.
Zraun gewählt. Als Siellvertreter wurde von Sr
gl. Hoheit dem Prinz Regenten ernannt: Ferdi⸗
nand Bernatz, Baumeister in Speyer; von dem
Zreisstiftungsrath gewählt: Phil. Karcher, Kom⸗
merzienrath und Fabrikdirektor in Frankenthal.
Bermischtes.
St. Johann, 7. Maͤrz. Herr Bürger—
neister Falkenhagen zu St. Johann wird, wie die
„S. Z.“ aus sicherer Quelle erfährt, sein Abschieds⸗
Jesuch einreichen, jedoch bis zum 1. October d. J.
roch sein Amt verwalten.
f'Augsburg, 3. März. Vom hiesigen
Schöffengerichte wurde der 44 Jahre alte, ganz
Jesunde Josef Mayer von Landsberg wegen Bettelns
zu 28 Tagen Haft verurtheilt. Merkwürdig ist,
zaß Mayer im Besitz eines Vermögens von 15,000
M. ist, don welchem er jedoch nicht lebt, vielmehr
rwirbt er seinen Lebensunterhalt lediglich durch
getteln:
In Augsburg erfolgte am 4. ds. früh
n der Station beim Rangiren des Sammelzuge
761 ein derartiger Zusammenstoß der Wagen, 8*
zie im Dienstwagen befindlichen Zugsbeamten in
ille 4 Ecken desselben förmlich geschleudert worden
iind, wobei der Eisenbahncondukteur Martin Furbꝛ
o unglüclich auf den eisernen Ofen fiel, daß ihn
die 5. Rippe der linken Seite gebrochen wurde.
Auch eine Verwandtschaft. Bein
dandgericht I in München antwortete am Freit,
in Zeuge auf die Frage des Vorsitzenden, ob
nit dem Angeklagten verwandt sei: „Ja, wir ar
zeiten zusammen im Viehstalle.“
r Freising. Die Taglöhnersfrau Franzishe
dartl ließ sich für ihre wegen Bettelns zu die
Tagen Haft verurtheilte 82jährige Mutter ein
perren, — in Anerkennung dieser kindlichen Auf
ppferung erfolgte Freisprechung.
fFGrafenau, 3. Mäniz. Eine hiesige
Bauersfrau rieb ihre Füße mit Weingeist um
legte dann einen Wollverband an. Den weg
dehenden Bindfaden wollte sie nicht mit Scheeu
»der Messer, sondern durch Abbrennen beseitigen
Zu diesem Zwecke zündete sie denselben an; der
herband fing Feuer und der mit Weingeist he
euchtete Fuß stand in Flammen. Eine rasch hinzu⸗
jekommene Wohnungsnachbarin befreite die DVer—
inglückte aus ihrer gefährlichen Lage.
FStromberg, 5. März. Meuterei. Gestern
Nachmittag brachen zwei Brüder aus Waldalges-
jeim aus dem hiesigen Gefängniß aus. Sie rissen
den Ofen aus der Wand und entkamen durch die
dadurch entstandene Oeffnung in den Hausgang
und von da in den Hof, über dessen Mauer si
nit einer Leiter entkamen. Ein dritter Bruder
ind ein Handwerksbursche in derselben Zelle ver⸗
chmühten das ihnen gebotene Mittel zur Flucht
jatten aber aus Furcht vor Prügel nicht den Muth
die Flucht der beiden Ausreißer zu verhindern.
(Ger Hauptgewinn.) In einem
dandstädtchen des Rheinbacher Kreises ereignete sich
vie dem „Rh. Merk.“ von glaubwürdiger Seite
zerichtet wird, während der jüngsten Ziehung der
hreuß. Klassen⸗Lotterie folgende, noch ein Nachspiel
erursachende Begebenheit. Mehrere hiefige Einwohnet,
meist zum Mittelstand gehörend, wurden durch die
reudige Nachricht per Telegraph überrascht, daß
jortuna ihnen den Hauptgewinn bescheert. De
erste, dem die Nachricht überbracht wurde, war eben
eschäftigt, eine Schüssel gequellter Kartoffel zu ver
ilgen; im Uebermaß der Freude flog die Schüssel
jom Tisch und sein Töchterchen Gretchen muß so⸗
zleich im nächsten Geschäfte auserlesene Leckerbissen
solen, während der Vater in's Nachbarhaus springt.
vo der älteste Sohn, ebenfalls ein Mitspieler, den
r sofort anredet: „‚Wilhelmchen, du bist ein ge—
nachter Mann, denke, 6 mal 100,000 Mark dürfen
vir unser nennen!“ Auch hier blieb es nicht meht
zeim Alltäglichen. Am freudigsten ging es zu bei
inem Wirth, auch Antheilhaber. Sofort wurde
)en Anwesenden ein Faß Bier traktirt und Ale
zeglückwünschten, aber beneideten auch den Glüt⸗
ichen; besonders hatte es einen anwesenden Glaset
erfaßt, der mehrere Fenster einschlug und fie auf
dosten des Wirthes wieder hersiellen wollte. Der
Zchluß machte ein Gerbergeselle, der sofort zu seinen
derrn eilte, um das ganze Geschäft zu übernehmen,
iber welche Enttäuschung! als die Gewinnlift
amtliche) eintraf, war Alles eine Finte und ein
zifferchen verstellt. Ratürlich kehrte sich gegen di
AJufgeber der Depesche jetzt der ganze Zorn, urd
eine gerichtliche Klage soll der Schluß aller Fteude
und Leides sein.
Barmen, 5. März. Kürzlich wurd
hierselbst ein Pianino auf folgende originelle Weit
ausgerathen. Ein sog. Einmachglas wurde bis an
den Rand mit Erbsen gefüllt und gegen Erlegunt
bon 80 Pfennig konnte jeder rachen, wie viel
Erbsen fich in dem Glase befinden; derjenige
velcher die richtige Anzahl rieth. wurde glüdlichet
Besitzer des Instruments, und wenn Niemand die
virkuͤche Zahl traf, der, der dem Ziel am nächsen
am. An 3000 Personen betheiligten sich ar
diesem Wettrathen, und der Lehrer Hesselmann
Schwelm war der Gewinner des Pianinos, dau
die richtige Anzahl, 4016 Erbsen kraf. Außerden
waren nur zwei Personen dem Ziele nahe gelom
nen, die übrigen haiten theils weit darunier, theit
weit darüber gerathen.
7 Daß das Wort „Du“ gegen fremde Personn
ehraucht, eine Beleidigung ist, entschied jüngst de
—chöffengericht in Leipzig. Ein Ärbeiler K. we