Full text: St. Ingberter Anzeiger

handlung, die wohl mehrere Tage in Anspruch 
nehmen wird, Anfangs April stattfinden. 
FBayreuth. 11. Marz. Bei dem Wett⸗ 
hewerb für das Liszt; Denkmal erhielt den' ersten 
Preis Architekt Dollinger in München und den 
weiten Preis Architelt Bruno Schmitz in Berlin. 
Nürnberg, 9. März. Die Strafkammer 
verurtheilte heuer einen Bierpantscher, den Bier⸗ 
brauer Mathias Harrer von Laibstadt, der seinem 
berdorbenen Bier, welches er sonst nicht absetzen 
konnte. Natron beimischte, zu 15 Tage Gefängniß. 
Der Wirth Joseph Sedlmaier von Heideck, welchen 
das Bier ausschenkte, erhielt 5 Tage Gefängniß. 
FReutlhingen, 9. März. Ein Selbst⸗ 
mord⸗ Versuch unter eigenthümlichen Umständen dildet 
hier augenblicklich das Tagesgespräch. Von der 
Familie R. starb der Vater im Irrenhause, die 
Mutter ist gleichfalls geistesgestört und in letzter 
Zeit haben sich Symptome der gleichen schrecklichen 
rankheit auch bei der ledigen ca. 40jährigen Tochter 
gezeigt. Unter dem Einflusse derselben ist es un⸗ 
zweifelhaft auch geschehen, daß sich die Dame gestern 
Nachmittag aus dem obersten Stockwerk des Hauses 
hinab in den Hof stürzte. Im Fall aber prallte 
sie auf einer Wäscheleine auf, überschlug sich da⸗ 
durch und kam mit den Füßen zuerst auf einen 
Holzhaufen, wobei sie sich beide Beine brach. Da 
die Unglückliche auch schwere Verletzungen am Kopfe 
davontrug, wird an ihrem Aufksmmen gezweifelt. 
FAus Ettlingen wird der „Freib. Zig. 
zeschrieben: Zum Kapitel von der Starrköopfigkeit 
liefert folgender in hiesigem Orte pafsfirter Vorfall 
einen hübschen Beitrag: Zwei Bürger, Nachbars⸗ 
leute, konnten sich wegen eines nur einige Geviert⸗ 
meter großen gemeinschaftlichen, unabgetheilten 
Stalles auf friedlichem Wege nicht einigen und 
wurde derselbe infolge richterlichen Vergleichs öffent⸗ 
lich auf dem Rathhause versteigert. Die beiden 
Gegner trieben nun in der Hitze des Kampfes die 
Steigerungssumme derart in die Höhe, daß der im 
Vergleich zum Hauspreise auf etwa 100 Mark zu 
bewerthende Stall von einem der beiden Steigerer 
zum Preise von 2400 Mark erworben wurde. Das 
ganze Haus des einen der Streitenden hat nur 
einige hundert Mark mehr gekostet. 
7 Wahlschied, 12. März. Im nächsten 
Monat soll mit der Angelegenheit der neuen Grube 
zu Göttelborn begonnen werden. Der zulünftige 
Direktor und der Bauwerkmeister der neuen Anlage, 
sowie ein älterer Steiger und der Maschinenfteiger 
sind, wie die Sbr. Ztig. schreibt, bereits ernannt. 
Die Anlage dieses Bergwerks wird für unsert 
Gegend gewiß von größter Wichtigkeit sein, Nicht 
nur dem armen Dörfchen Göttelborn, sondern auch 
den umliegenden Ortschaften wird diese neue fis⸗ 
kalische Grube Vortheil bringen. Besonders die 
Bergleute aus Holz, Wahlschied, Kutzof, Lummer⸗ 
schied, Göttelborn. Merchweiler und Uchtelfangen 
find froh, daß sie nach Vollendung der Grube nicht 
mehr stundenweit zu ihrer Grubenarbeit wandern 
müssen. 
F Berlin. Von der Redaction der „Deut⸗ 
schen Militärmusiker Zeitung“ wird eine Lotterie 
vorbereitet, deren Ertrag den Militärmusikern zu 
Gute kommen soll. Die Gewinne der Lotterie 
sollen in Geschenken bestehen, von denen bereits 
eine ansehnliche Anzahl zusammen gekommen ist. 
Wer sich für diesen wohlthätigen Zweck interessirt, 
kann Gaben an die Redaction des genannten 
Blattes (Berlin 8W, Lindenstraße 106) richten. 
FBerlin. Ein vom religiösen Wahnfinn 
befallener Mann versuchte letzten Mittwoch in das 
kaiserliche Palais einzudringen. Er war aus Alten- 
Platow nach Berlin gekommen, um dem Kaiser zu 
sagen, daß es Krieg geben werde; auch wolle er 
aus der Handfläche des Kaisers erfahren, wie lange 
derselbe noch zu leben habe. Aus den Psalmen 
wolle er beweisen, daß ein Krieg unvermeidlich sei. 
Als man ihn befragte, wie er nach Berlin gekom⸗ 
men, anwortete er im Kanzelton: „Zu Fuß! Denn 
es steht geschrieben: gehet in alle Welt! Von 
„fahren“ sage die h. Schrift nichts.“ — Der 
Geisteskranke wurde in Sicherheit überführt. 
AusmerzungvonFremdwör— 
nern. Die Bestrebungen betreffs Beseitigung der 
Fremdwörter im Eisenbahnverkehr haben eine Fort⸗ 
setzung gefunden. Für Barriere soll jetzt, Wege— 
ichranke“ für Extrazug „Sonderzug“, für Rangieren 
„Zugvberschiebung“, für Niveau „Schienenhöhe“, 
für à féends pordu-, nicht zurückzahlbarer Zuschuß“ 
für Central⸗Weichen⸗Apparate Weichenstellwerke“ 
gebraucht werden. 
7GEreubis inden Tod.) In einer 
Destillation hatten sie sich kennen gelernt — der 
-chneidergeselle A. und der Barbiergehilfe B. Einige 
Blaäser Korn, die der Schneider bezahlt, bildeten 
die Bafis ihrer unerschütterlichen Freundschaft. Mit 
edem neuen Glase, das aufgefahren wurde, stiegen 
die zärtlichen Gefühle des Barbiers, bis er endlich 
aus fich heraus und seinem Herzen Luft machen 
mußte. „Freund“, rief er, „ick bin Dein wirklicher 
ind wahrer Freund, worüber nichts jehen thut 
Uf mir kannst Du Dir in allen Fällen des mensch- 
ichen Daseins verlassen. Wenn et Dir mal schlecht 
ehen sollte, dann weeßte, wo ick bin. Wenn Du 
eenen janzen Rock mehr am Leibe haben thust 
venn Du baarfuß auf der Erde rumloofen thust, 
venn der Hunger Deine Einjeweide verzehrt, — 
a, wenn Dir Vater und Mutter verlassen haben 
»ann kommst Du zu mir, dann helfe ick Dir, dann 
verde ick Dir — jratis balbieren“ 
F GOer Kaiser) hat auf dem Wege der 
Znade eine 2tägige Gefängnisstrafe, zu welcher ein 
eẽrfurter Dienstmädchen wegen Unierschlagung von 
2 Pfg. verurtheilt worden war, in einen gerichtlich 
zu ertheilenden Verweis umgewandelt. 
(Das Hunger⸗Erperimenh) des Nor⸗ 
vegers Franzisko Cetti im Castan'schen Panopti- 
um zu Berlin wird von einer Anzabl medizinischer 
lutoritäten, an ihrer Spitze Geheimrath Professon 
Dr. Virchow und Professor Dr. Senator mit 40 
Assistenzärzten, gewissenhaft überwacht. Der The— 
itersaal, in welchem Cetti die 80tägige Hungerkur 
ibsolviren will, ist von einem kleinen Schlafzimmer 
zegrenzt, welches weitere Zugänge nicht besitzt; 
isse Thüren, mit Ausnahme der Zugangsthür zum 
Zaal, selbst die Schloßvorrichtungen der Fenster 
ourden von den Aerzten versiegelt. Cetti wird sich 
den größeren Theil des Tages dem Publikum aus 
inem Podium präsentieren, auf welches man ihm 
„ur Vermeidung der allzugroßen Langweile, ein 
Fianino, Schreibutensilien und verschiedene andere 
Interhaltungsgegenstünde geschafft hat. Die über⸗ 
vachenden Aerzte wechseln sich in gewissen Zwischen⸗ 
äumen ab, jedoch derartig, daß Cetti auch nicht 
ine Sekunde unbeobachtet bleibt. Der Hungerer 
vird während der 30 Tage nur destillirtes und 
Bichy-Wasser genießen. Dem Publikum wird der 
zutritt gegen Extra⸗Entre gestattet, jedoch nur bis 
zu einer Barriere, damit auch hier eine Verbindung 
mit fremden Personen unmöglich wird. 
f Ueber das Paschawesen in der Justiz bring! 
die Deutsche Rebue“ einen beachtenswerihen Aufsatz, 
dem wir folgendes entnehmen: „Unsireitbar bestehen 
in dem Verkehre der Gerichte mit dem Publikum 
dielfach Gewohnheiten, deren Beseitigung dringend 
zu wünschen ist. An Stelle höflichen Benehmens 
findet der Rechtsuchende an der Gerichtsstelle nicht 
selten ein Verhalten, das an das Auftreten eines 
Pascha erinnert. Der Ton, welcher im Verkeh— 
des Gerichts mit dem Publikum vielfach herrscht, 
dient weder zur Erhöhung des Ansehens der Ju⸗ 
stiz, noch zur Verstärkung der Ehrfurcht ihrer Or⸗ 
jane. Die Abneigung gegen den gerichtlichen 
Berkehr, welcher man so oft gerade bei den gebil⸗ 
yeten Klassen begegnet, beruht nicht zuletzt auf dem 
AUmstande, daß viele Richter glauben, verpflichtet zu 
ein, im Interesse des Ansehens der Justizbehörden 
»ie Haltung annehmen zu sollen, in welcher 
supiter tonans die erlauchten Bewohner des hohen 
Ilymp abkanzelt. Es fehlt den Richtern vielfach 
zie Einsicht, daß sie lediglich im Interesse des 
echtjuchenden Publikums zur Verwaltung ihres 
Imtes berufen find.“ Anderseits gibt es eine 
sroße Zahl von Richtern, welche das rechtsuchende 
Zublikum acrtig behandeln, stets die notwendige 
Zeduld, die erforderliche Ruhe behalten, und doch 
zie Würde des Amtes zu wahren wissen. Ja, im 
illgemeinen wird man anerkennen muͤssen, daß die 
Behandlung des rechtsuchenden Publikums seitens 
der Richter im Vergleiche mit früheren Zeiten eine 
hessere geworden ist. Aber gerade dieser Umstand 
eweist, daß „der Pascha“ auf dem Gerichte kein 
nothwendiges“ Uebel ist. J 
FGEine politische Scherzfrage.) 
Warum heirathet Eugen Richter nicht? Anwort: 
Ddamit er Ja sagen muß!, Darum bleibt er 
ieber Junggeselle, um seinem Prinzip — nicht 
intreu zu werden. 
F Hamburg, 9. Maärz. In dem benach— 
harten Moorburg verstarb am Samstag eine am 22 
März 1797 geborne Altersgenosfin unsers Kaisers, 
zie Wittwe Nibbe. Die alte Frau erhielt seit 
Jahren regelmäßig an ihrem Geburtstage Geldunter— 
tutzung von Sr. Majestät. — Der Thierhaändlen 
Dagenbeck von hier verlud kürzlich mit dem Dampfe 
Elektra“ sechs Hirsche und neug Rehe nach Jaben 
Die japanische Regierung beabsichtigt ihre Walde 
nit diesen Thieren versuchsweise zu besetzen. Ge 
ingt der Versuch, so werden größere Sendungen 
ener Thiere nach Japan erfolgen. 
7Osnabrück, 11. März. Der Haupt. 
jewinn der Kölner Dombau-Lotterie im Betrage 
on 75,000 M. fiel nach hier auf Nr. 315,561 
Auch der Haupigewinn der letzten Ziehung der 
zreußischen Classenlotterie in Höhe von 600, 000 M 
vurde einer Anzahl hiesiger Eingesessenen zu Theil. 
— Der Ingenieur und Chemiker Herr Beal 
Broncs aus Wisener Neustadt traf vor einigen 
Tagen in Przibram (Böhmen) ein, um dort Ver— 
uche mit dem neuen Sprengstoff „Bronolith“ ju 
internehmen. Er verfügte sich in Begleitung des 
Bergverwalters in den Marienschacht, wo die 
Sprengbersuche vorgenommen werden sollten. Kaum 
war das erwähnte Präparat in das erste Loch 
nersetzt, so entstand schon bei einem unbedeutenden 
Zusammendrücken desselben mit einem Holzstempel 
ine Explosion. durch welche Herr Broncs zu Bo— 
den geschleudert wurde. Durch diese Explosion er— 
litt er schwere Verletzungen im Gesichte, so daß er 
'ofort erblindete. Außerdem wurde ihm die recht⸗ 
zand in der Handwurzel gänzlich abgerissen und 
rst nach einigen Stunden gefunden. 
GElub der „Kurzsichtigen“) In Pari⸗ 
vurde dieser Tage ein neuer Klub gegründet, in 
velchen nur Kurzsichtige autgenommen werden. Um 
Zutritt zu erlangen, muß man, gerade wie bei 
»er Stellung zum Militär, Kurzsichtigkeitsproben 
ablegen, wer gute Augen hat, wird unbarmherzig 
urückgewiesen. Der Klub wird eine Herren⸗ und 
»ine Damen⸗ Abtheilung haben; Präsident der 
ersteren ist der ob seiner Kurzsichtigkeit viel ge⸗ 
neckte Kritiker Sarcey, Vize-Präsident wird Aurelien 
Scholl werden. Bei der Damenabtheilung wurde 
die Operetten⸗sSängerin Judic einstimmig zur Vor 
itzenden gewählt, die letztere sieht nämlich so schlecht 
daß sie auf der Bühne die Schritte auszählt, un 
uf jene Plätze zu gelangen, welche ihre Rolle vor⸗ 
chreibt, und es ist ihr schon häufig passiert, daf 
sie zum Schlusse des Stückes irgend einem Gegner 
in die Arme sank. Das Tragen von Augengläserr 
ist innerhalb des Klubgebäudes strenge verboten 
da dies die ganze Unterhaltung stören würde. Wenn 
die extravaganten Klubs“ in Paris so fortwachser 
so wird schließlich ein „Klub der Vernünftigen“ 
nur noch wenige Mitglieder finden. 
F Bitte, mich nicht zu grüßen. Ein französisches 
Blatt erzählt eine kleine Geschichte, die einem Pa—⸗ 
iser zur Zeit des Czaren Nikolaus in Petersburg 
yassierte. Damals war es verboten, in den Straßen 
non Petersburg zu rauchen, was der Pariser nich! 
vußte. Als er eines Motgens an der Thür seines 
Zotels stand und rauchte, kam ein General an ihm 
orüber, der, als er den Tabaksqualm bemerkte, 
tehen blieb und den Pariser fragte: „Sie sind ge⸗ 
wiß ein Fremder? — Ja mein Herr, ich bin diesen 
Morgen aus Paris gekommen.“ — „Dann madh 
ich Sie aufmerksam, daß in den Straßen von 
Petersburg das Rauchen verboten ist, damit Si 
veiteren Unannehmlichkeiien entgehen!“ Der Pariser 
varf seine Zigarre fort, der Gernal entfernie sich 
m nächsten Augenblicke jedoch kam ein Polizeiagen! 
nuf den Freniden zu, und erklärte ihn fut 
»erhaftet, denn es war auf das strengft 
mterfagi. den Czaren anzusprechen — und det 
heneral war niemand anders gewesen als der 
Tzar ... Der Cjzar erfuhr davon und sprach den 
Bunsch aus, daß der Fremde, den man mittler⸗ 
veile in Freihein geseßt hatte, zu ihm gebrach 
verde. Der Franzose erbleichte, ais man ihn holle 
r witterte schon eine Deportation nach Sibirien. 
Der Czar aber sagte iym wohlwollend, er moͤg 
has kleine Abenteuer vergessen, und wenn er längete 
Zeit in Petersburg bieiben wolle, würde et ihn 
jJerne sbeweisen, daß die Russen durchaus nicht se 
Jarbarisch seien, als es den Anschein habe. 
Darf ich nach dieser Versichernng eine Bitte an 
Fure Mäjestät wagen ?“ sagte der Pariser. 
Welche 7* frug der Zar. — „Nun, Eure NMaje 
jat“ — erwiderte der Fremde — ,wenn ich Ihne: 
wieder auf der Straße begegnen sollte, dann gr 
zen Sie mich nicht wieder!,... 
Brufssei, 138. Rärz. Das Bruͤfele 
Blatt ,Lo Peuple“ behauptet, daß sich unter der 
Opfern der Gruͤbenkatastrophe 830 junge Mädchen 
m Alter von 17—24 Jahren und 20 Kind