Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
t „St. Jugberter Auzeiger⸗⸗ erscheint wochentlich fünfmal: Am Moutag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal woͤchentlich mit unterhaltungs 
jut und Sonntage mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 75 A. einschließlich 
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22. Jahrg. 
* 
Deutsches Reich. 
Mmunchen, 23. März. In allen Städten 
aarlien und Gemeinden drs Königreichs, besonders 
soch auch überall in der Pfalz, wurde das 90. Ge⸗ 
cclofest des deutschen Kaisers mit patriotischer Be⸗ 
serung gefeiert. Der Allerhöchste Befehl war 
gangen, alle Staatsgebäude zu beflaggen und 
ar in den Landesfarhen. 
Muͤnchen, 28. März. Nach dem Pro 
mm⸗Entwurfe für die Reise Se. Kgl. H. des 
anze Regenten in die fränkischen Provinzen tritt 
x. Kgl. Hoheit die Reise am letzten April an 
id ist die Rückkehr nach München auf den 11. 
dai projectirt. Die Reise soll über Bamberg, 
of, Bayreuth, Nurnberg und Regensburg gehen. 
in einem Besuche weiterer Kreise und der Pfalz 
horderhand abgesehen. * 
Berlin, 22. März. Endlos sind die Ge⸗— 
reale und Adressen, welche dem Kaisser aus 
len Theilen der Erde zugingen. Der Geburts⸗ 
gsnsch des Kaisers war im Audienzzimmer der 
ciserin errichtet. Kostbare Kunstsachen, darunter 
ne mächtige Vase, verehrte die Kaiserin ihrem 
emahl; das gemeinsame Geschenk der kronprinz⸗ 
chen Herrschaften und des Prinzen und der Prin⸗ 
„sin Wilhelm war ein lebensgroßes Bildniß des 
einen Prinzen Wilhelm von dem Maler Koppah; 
it badischen Herrschaften schenkten eine große 
ztanduhr mit den Bildnifsen der 7 Urenkel der 
dajestaͤten auf Goldgrund. Die erbprinzlich meinin⸗ 
inschen Herrschaften schenkten ein Pastellbild der 
einen Prinzessin Feodora; dazu kolossale Mengen 
m Blumen aller Arten und in allen Forimen. 
Die ersten Gratulanten waren, wie hier noch 
cwähnt sein mag, die Leibdiener. Auf die Glück⸗ 
vünsche des Intendanten Engel antwortete der 
daiser: „Es ist Gottes Wille gewesen, daß ich 
iesen Tag erlebt habe. Ich habe es nicht gedacht. 
denn es Gottes Wille ist, erleben wir vielleicht noch 
inen.“ Jeder der Leibdiener erhielt eine filberne 
ledaille. 
Das blaue Zimmer des Kaisers glich an 
nem Geburtstage einet Blumen⸗ und Frühlings⸗ 
ale. Hier waren die Blumenspenden aufgestellt, 
je von allen Seiten eingegangen waren. Die 
ürstin Bismarck hatte einen Strauß aus Orchideen 
ud Rosen gesandt, die Gräfin Lehndorff einen 
lchen aus gelben Rosen mit weißem Flieder. Herr 
quuptmann v. Schmidt erfreute den Kaiser mit 
RKosen, von denen die mittelste als letzte von 
uet Reihe von Knospen umringt war. Madame 
unois, eine Freundin des Herrn v. Lesseps, spen⸗ 
ele eine weiße Taube, die über einem Korbe von 
sen schwebte. Aus Erfurt war ein wunderboller, 
tei Meter hoher Blumenaufsatz gesandt worden. 
uch die kleinsten Gaben, welche im Palais abge⸗ 
ꝛen wurden, waren in diesem Zimmer aufgestellt. 
Berlin, 23. Marz. Bei dem gestrigen Diner 
am Reichskanzler, woran die Botschafter und Ge— 
indten der fremden Mächte und die vorkragenden 
lüthe des Auswärtigen Amts theilnahmen, toastete 
t nnalienische Botschafter auf den Kaiser, der 
richskanzler auf die fremden Souveräue und 
claetsoberhüupter und der österreichische Botschafter 
u den Reichskanzlert. 
Ns Kaifers Geburisgedenktag ist ein Jubel- 
gewesen, soweit die deutsche Zunge klingt. Der 
aser ist nun in sein 91. Lebensjahr, — „eine 
ltersstufe, welche beinahe niemals die Geschichte, 
it nur die Sage für ihre Helden kennt, fut 
le dem Menschenmaß nahezu entrückten, grauer 
VHorzeit angehörigen Nordlandskönige, welche, nach 
uhmvollen Jahren unfehlbarer sfieghafter Kriegs⸗ 
ahrung, ihrem dankbaren Volk eine Zeit glüclichen 
jriedens gewähren, bis sie zu den Göttern entrückt 
verden“, — wie Felix Dahn seine Festrede an 
zer Hochschule in Königsberg einleitete. Und eben⸗ 
o, wie die Heldengestalt, wird die ihr gewidmete 
onldigungsfeier, wenn die Jahrhunderte darüber 
erauscht sind, einen sagenhaften Eindruck bewirken 
ind Vergleiche herausfordern mit den nationalen 
JFesten in der alten und der neueren Geschichte: 
o einig und ungetrübten Frohsinns aber wird 
eine zweite Feier aufzuweisen sein, wie diese, auch 
eine so prunkreich und doch voll von unmittelbaren 
Impulsen des Volkslebens. Den großen Städten, 
ind vor allem der Hauptstadt selbst, gebührt hierbei 
atürlich der Löwen⸗Antheil. Aber auch allenthalben 
us kleineren Städten und Orten zeugen die Fest⸗ 
zerichte von einer rührenden Verehrung des glor⸗ 
eichen Greises auf Deutschlands Kaiserthron. Jeden⸗ 
alls wissen wir, daß unserem Kaiser beim Rückblick 
ruf diesen Ehrentag zwei Wahrnehmungen über alles 
berth und lieb sein werden: die Bekräftigung der 
Friedenszuversicht die mit den Glückwünschen der 
remden Machthaber nach Berlin gebracht wurde, 
ind die mit großem Erfolg durchgeführte Ueber⸗ 
bindung der Partei⸗ und Klassengegensätze im Lande 
elbst. Und unser bleibender Wunsch ist es, daß 
ie Saze von den Nordlandskönigen an unserem 
daiser zur That und Wirklichkeit werde, daß der 
zreise Held auch beim Abschluß dieses neuen Lebens⸗ 
ahres „seinem dankbaren Volke eine Zeit glücklichen 
zriedens“ gewöhrt haben möge. 
Ausland. 
Paris, 28. März. Etwa 800 Mitglieder 
der deutschen Colonie waren gestern Abend zu 
inem Festmahl im Continentalhotel zur Feier des 
Beburtstages des deutschen Kaisers versammelt. 
der Vorsitzende, Botschafter Graf Münster, 
rachte folgenden Trinkspruch aus: „Meine Her⸗ 
ten! Es ist mir eine große Freude, so viele Lands⸗ 
eute hier versammelt zu sehen, eine noch größere 
Freude, ein donnerndes Hoch auszubringen auf 
inseren geliebten, verehrten Kaiser! Meine Herren, 
ch weiß, daß kein Rednertalent, keine große Rede 
jeute dazu noͤthig ist, um Ihre Begeisterung zu 
niflammen. Ich brauche nur daran zu erinnern, 
daß heute vor 90 Jahren, am 22. Marz 1797 
der Kaiser des neuen deutschen Reiches geboren 
vurde. Es liegt im 22. März eine große Be⸗ 
»eutung. Es ist die Zeit, in welcher der Frühling 
»en Winter verdrängt, der erste Tag des Frühlings. 
Und so hat das Kind, welches am 22. März 1797 
jeboren wurde, Deutschland einen neuen Frühling 
jegeben. Es hat nach langem Winter, nach langer 
Zerrissenheit Deutschlands wieder geeinigt. Und 
seshalb wird auch heute dieses Fest in allen Gauen, 
n allen deutschen Städten, an allen Enden der 
Welt, wo Deutsche leben, gefeiert, wie so ein Fest 
gefeiert werden muß. Und das Schoͤnste für uns 
Deutsche im Auslande ist, daß keiner fragt, woher 
»er andere kommt, ob aus Nord- und Süddeutsch⸗ 
and, aus Preußen, aus Bayern, aus Sachsen, aus 
Frankfurt oder Straßburg. Nein, alle vereinigen 
vir uns unter dem Namen des deutschen Kaisers. 
Es ist ein sellenes Fest, das wir heute feiern. Die 
Zeschichte zeigt uns keinen MHerrscher, der in so 
johem Alter in so bewunderungswürdigem Grade 
einer PPpflicht genügte, der für sein Volk mit 
iner solchen Aufopferung sorgte, die jedem 
Unterthanen als Beispiel dienen sollte. Des⸗ 
jalb vereinigen fich heute Millionen Deutsche 
in den Guf: „Gottüsegne, Gott beschütze unsern 
daiser !“ Se. Majestät der deutsche Kaiser und 
dönig von Preußen lebe boch, hoch, hoch!“ Die 
Bersammlung stimmte in voller Begeisterung in 
en Hochruf. Dann wurde „Heil Dir im Sieger⸗ 
ranz“ gesungen. Ein erneutes dreifaches Hoch 
chloßz sich an. Der Ouarteitverein tirug später 
ine Reihe von Liedern vor. Während des gan⸗ 
en Abends herrschte eine herzliche Stimmung und 
ie Gesellschaft blieb bis gegen halb 3 Uhr früh 
eisammen. 
London, 24. März. Nach einer Meldung 
)»es „Standard“ aus Newyork haben die dortigen 
steichsangehörigen den Geburtstag des deutschen 
daisers darch ein Bankett gefeiert und ein 3000 
Worte enthaltendes Glückwunschtelegramm nach 
Berlin gesendet. 
Zokate und psoordische Nachrichten. 
— Neustadt a. H., 22. März. Bei der 
jeute Nachmittag stattgefundenen Wiederversteige- 
rung des früheren Gasthauses zur Post, z. Zt. 
Restauration Bried, ging dasselbe um den Preis 
von 64,000 Mark an Hern Bierbrauereibefitzer 
Metzner aus Frankenthal über. Besagtes Anwesen 
rsteigerte Herr Bried um 80,000 Mark, worauf 
derr Metzner 20,000 Mark Anzahlung machte. 
VPfalzisches Schwurgericht. 
4. Quartal 1887. i 
Zweibrücken, 22. März, Vormittags 8 
Ahr. Verhandlung gegen Jakob Appel, 34 
Jaͤhre alt, Schuhmacher von Neusiadt, des Mordes 
angeklagt. Zu dieser Verhandlung, in deren Ver⸗ 
auf 72 Zeugen zur Vernehmung kommen werden, 
ind 3 Tage angesetzt. Vertreter der kgl. Staats⸗ 
hehörde: Herr Wagner, königl. 2. Staatsanwalt, 
hertheidiger: Herr Trier, Rechtsanwalt. 
Am 12. Mai 1886 verstarb zu Neustadt an 
der Haardt die Frau des Angeklagten, Magdalena 
seb. Clemens. Da dieselbe vor ihrem Hinscheiden 
ich der besten Gesundheit erfreut hatte, fiel ihr 
Ilötzlicher Tod auf und wurde allgemein als ein 
gjewaltsamer angenommen. Der Verdacht, sie um's 
deben gebracht zu haben, lenkte fich vor Allem 
zegen ihren eigenen Ehemann, weshalb schon am 
solgenden Tage dessen Verhaftung erfolgte. 
Der Angeklagte stellte heute, wie auch schon in 
der Voruntersuchung entschieden in Abrede, seiner 
Frau, mit der er im besten Einvernehmen gelebt 
sabe, Gift beigebracht und dadurch ihren Tod her⸗ 
veigeführt zu haben. Wenn als Todesursache eine 
Bergiftung konstalirt werde, so wisse er keine andere 
rrklärung zu geben, als daß seine Frau freiwillig 
hift genommen habe, vielleicht grüne Farbe, die 
r zum Anstreichen benützt habe. Nach der Ver⸗ 
jehmung des Angeklagten wurde mit der Beweis⸗ 
ufnahme begonnen. Dr. Schröder, kgl. Bezirks⸗ 
irzt in Neustadt, schilderte zunächst seine Behand⸗ 
ung der Verlebten kurz vor ihrem Tode. Am 4. 
Naĩ v. Is. sei der Angeklagte zu ihm gekommen 
nit der Bitte, seiner Frau, welche über heftige 
deibschmerzen klage, etwas zu verschreiben, was er 
jethan und sie einige Tage nachher auch besucht 
jabe. Am 6. und 7. Mai seien schlimme Er— 
cheinungen aufgetreten, am 8. und 9. Mai da⸗ 
jegen wieder auffallende Besserung; er habe ihr 
Arzneien gegeben, welche gegen Erbrechen und'gegen 
ie Schmerzen gerichtet gewesen seien; am 12. Mai 
n der Frühe sei der Tod eingetreten. Die Sektion,