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Alliches Organ des königl. Aumtkgerichtz St Inghert.
der „St: Jugberter Auzeiger“ erscheint woͤchentlich funfmal: Am Montag, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2 mal wochentlich mit Unterhaltungẽ
Zian und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blait kostet vierteljahrlich 1. 60 einschließlich Traägerlohn; durch die Post bezogen 1.4 78 4, einschließlich
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auf welche die Expedition Auskunfst ertheilt, 18 8, Neklamen 80 B. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige beredhnet.
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Zonntag, »
März 1887.
c0
rg.
DSeutsches Reich.
München, 124. März. Der Trinkspruch,
pelchen Se. K. H. der Prinz-Regent bei der vor⸗
estrigen Hoftafel zur, Feier des Geburtsfestes
daiser Wilhelms ausbrachte, lautete: „Ich erlaube
hir, auf das Wohl Sr. Majestät des Kaisers
Bilhelm zu trinken. Gott erhalte den innig ver⸗
hrien Kaiser noch viele Jahre in voller geistiger
und lörperlicher Rüstigkeit. Seine Majestät lebe
hoch, hoch und abermals hoch“; ; *
Berlin, 283. März. Zu den Anträgen auf
olederherstellung des Befähigungsnachweises bringi
ie National Ztg.“ folgenden bemerkenswerthen
—XV
.Es war noch unter der Herrschaft der Ge—⸗
verbeordnung aus dem Jahre 1845 mit ihrem
zJunst· und Gewerbezwange, als ich als junger
luskultator zum ersten Male das Amt eines Ge—
ichtsschreibers bei dem Polizeirichter des kgl—
ʒiadtgerichts zu Königsberg i. Pr. versah. Die
dahl der Sachen, Angeschuldigten und Zeugen
var außerordentlich groß; noch größer war meine
dewunderung über das Geschick und die treffende
Sicherheit, womit der Richter das Recht zu hand⸗
sahen verstand. Da kam eine Sache wegen Ge—
verbepfuscherei zur Verhandlung. Angeklagt war
in Mann, weil er die Flickschusterei betrieben hatte,
wbwohl er nur ein gewöhnlicher Handarbeiter war.
die Verhandlung ergab, daß der Angeklagte in
iner Zeit, wo es ihm an Arbeit gefehlt hatte,
yn einem zünftigen Flickschuster, der auf demselben
gur mit ihm wohnte und gerade Ueberfluß an
Atbeit hatte, als Aushilfe verwendet worden war
ind bei dieser Gelegenheit ein solch natürliches
heschick für die Herstellung von einfachen Schuh⸗
nacherarbtiten gezeigt hatte, daß er in kurzer Zeit
an tüchtiger und gesuchter Flickschuster wurde.
Seine Arbeit war vortreffiich und preiswürdig, wie
jch mehrere Zeugen betundeten, aber ihm fehlte
die zunstige Berechtigung zur Flichschusterei. Mit
ränen in den Augen vertdeidigte der arme Mann
sin Recht auf Arbeit gegen das unnatürliche
besctz; er schilderte die traurige Lage eines Hand⸗
uheilers, wie gering und unsicher dessen Verdienst
fi, wie schwer es ihm früher als Handarbeiter ge—
dorden, Frau und Kind zu ernähren, und wie sich
ine und seiner Familie Lage gebessert habe,seit
dem er die Flickschusterei betriebe und endete mit
den verzweifeinden Worten: „Herr Richter. ich
iahe auf redliche Weife gelernt, Suiefel zu fücken
ich und fleißig ihue ich meine Arbeit, unmeg
i lann das Ünrecht sein, und wenn es als üd—
uht aufgeschrieben steht, so ist das Geschriebene
uhch. Herr Richter, haben Sie Erbarmen mit
ur und meinen Kindern, lassen Sie mir meine
lubeit und bestrafen Sie mich nicht.“
Und doch wurde der Mann bestraft! Unbarm⸗
—X nahm man ihm die Arbeit am Schuster⸗
demel und trieb ihn zurück zu der Arbeit auf der
— mit ihrem geringen, unsicheren Verdienst,
r ahrer Kälte und ihrem Schnaps. Gerechi⸗
wmüstung ergriff mich damals über die harte un
Ariche Behandlung des Mannes, über das un⸗
lnürliche, ungerechle Gesetz. Moͤgen die Gesetz⸗
wy von heute bedenken, daß dieselbe Entrüstung,
r Junge Juriff damals empfand, wiederkehren
eb Kreise durchdringen würde, falls fie es
ich unternehmen solllen, der Bebölkerung im
8 deuischen Reiche dieselben unnatüruͤchen
w anzulegen, unter denen das deutsche Volt
rend seiner staatlichen Zerrissenheit gelitien ban“
Berlin, 24. März. Dem „Deutschen Tag⸗
blatt“ zufolge bleiben die staatsrechtlichen Verhältnifse
Elsaß⸗Lothringens unverändert erhalten; dagegen
wird die organische Gesetzgebung des Landes forlan
mit Hilfe des Reichstages durchgeführt. Von den
organischen Gesetzen sind zunächst in Aussficht ge⸗
nommen: die Gewerbeordnung — namentlich be⸗
freffs des Arbeiterschutzes —, die Neuordnung des
Pypothekenwesens, die Aenderung der Gemeinde⸗
zesetzgebung hinfichtlich der Besetzung der Bürger⸗
meister· Aemter. (Pf. K.)
Berlin, 24. März. Die⸗Reichsregierung
ehnte die Betheiligung an der Weltausstellung in
Paris im Jahre 18889 ab.
Berlin, 25. März. Die Kreuzzeitung meldet
aus Paris: Die Moöglichkeit der Wiederwahl des
Prinzen Alexander von Battenberg zum Fürsten
dvon Bulgarien durch die Sobranje wird vom hie⸗
sigen auswärtigen Amt in Betracht gezogen. Der
Herzog von Leuchtenberg soll wenig geneigt sein,
die Kandidatur anzunehmer..
Berlin, 25. März. Koͤnig Karl von Ru⸗
nänien hatte mit dem Reichskanzler Fürsten Bis⸗
marck eine Besprechung, über welche verlautet, daß
ie politisch bedeutungsvoll gewesen.
Potsdam, 28. März. Vor der Sirafkam—
mer des Landgerichts Potsdam wurde heute gegen
den verantwortlichen Redacteur der „Potsdamer
NRachrichten“ in der bekannten Affaire Villaume ver—
jandelt. Die Zeu zenaussage von Frl. v. Vil⸗
aume ergab die voͤllige Unwahrheit der Sensations⸗
iachricht; andererseits wurde festgestellt, daß der
derausgeber einer Correspondenz, genannt der
„Telegraph“ in Berlin der Verbreiter der Nach⸗
cicht war, dieser konnte seine Nachricht absolut
nicht erweisen. Der verantwortliche Redackeur der
„Notsdarager Nachrichten“ wurde wegen groben
Infugs zu 6 Wochen Gefananiß verunsbeilt
Beistlicher fand sich, die Cermonie zu vollziehen.
Bir befanden uns inmitten der Trauung und der
Zeistliche war im Begriff, die Hande der beiden
diebenden in einander zu legen, da ertönte die
Trompete. Die Franzosen rückten auf Saarbrücken
os. Der Sergeant ergriff seinen Gürtel, schnallte
hn an, und verschwand. In aller Eile waren
aille Bewohner des Gasthofes in die Kellerräume
zeflüchtet, da die Kugeln in das Dach einschlugen.
kine fiel genau in den Kochherd und piatzte, so
daß das feine Hochzeitsessen in der Küche uͤmher⸗
pritzte. Einige Tage später fanden sich die Liebenden
wieder zusammen; die Preußen hatten fich aus
Zaarbrücken zurückgezoger, und die von franzofischen
ugeln erst unterbrochene Trauung wurde jetzt voll⸗
zogen, freilich ohne Festessen. Bald darauf ging
der Höllentanz des Kriegez los. Es war nach
dem Tag von Spichern. als ighüber das von
preußischen Leichen bedeckte Schlachtfels ging. Da
jah ich auch unseren Sergeanten, den Bräutigam
gam von Saarbrücken wieder. Eine Kugel hatte
ihn durch die Brust getroffen, und in seiner Hand
hielt er die von seinem Herzblut beträufelte Photo⸗
zraphie seiner Frau, auf welcher sein brechendes
Auge geruht. · J
7Cetti, der Hungervirtuose, hat am Mitt⸗
woch den Lohn seiner Thaten oder richtiger. Ent⸗
hehrungen erhalten, Professor Senator hat ihm
1200 Mark übergeben, pro Tag der Fastenzeit
also 100 Mark. Nunmehr wird sich Cetti in einer
mderen, aber weniger „brotlosen“ Kunst in Berlin
eigen. Er wird an drei aufeinander folgenden
Abenden als Gedankenleser in einem dortigen Vor⸗
tadttheater auftreten.
r. Eimn verlocendes Anerbieten.)
Wir lesen in einem weitverbreiteten deutschen Blatte
folgende Annonce: Die Besitzerin einer im besten
Betriebe befindlichen Abdeckerei nebst Landereien
und Wiesen und neuer massiver Siallung ist willens,
zieselbe zu verkaufen, resp. zu verpachten; event.
vaͤre sie auch geneigt, sich oder ihre Tochter an
einen ordentlichen erfahrenen Mann zu verheirathen,
der das Geschäft weiter führen könne. Der Be—
treffende müßte jedoch „gelernter Scharfrichter sein.“
Für heirathslustige Gemüthsmenschen eröffnei sich
hier also eine erfreuliche Perspellive.
Der „Weg“ ist schon länger“ nicht mehr
angewöhnlich, als man zu glauben geneigt sein
dürfte/ Als Aufsehen erregende Neuerung ersten
stanges brachte die Berliner Spener' sche Zeitung“
»om 3. Februar 1797 den Abdruck des solgenden
deirathsgesuchs aus einem Wiener Blatte: Zum
dheiraten wird ein Weibsbild gesucht. Ein ver⸗
wittibter Mann, von gesetzten Jahren, munter und
frisch, der sich bei höchsten und hohen Herrschaften
Meriten gemacht hat, und noch machen kann, auch
kein Kind hat, aber an Wert und Wissenschaften
vieles! besitzt, ist gesonnen, ein offenes Gewerb
mit extra Vorteil anzutreten, und sucht ein Weibs⸗
zild: sie muß dreißige oder mehrere Jahre haben,
ann ledig oder eine Wittib mit zwei unerzogenen
dindern sein, er scheut auch keinen Naturfehler, sie
muß aber dreihundert Gulden haben, welche er ihr
durch seine Sachen genugsam versichern und er⸗
proben kann. Wann ein solches Weibsbild zu
dem Vorbeschriebenen ein Belieben trägt, so kann
sie ihn holen lassen oder in sein Logis kommen.
er wohnt am Spitalberg in der Fuhrmannsgasse
beim goldenen Lux Nr. 98 im ersten Stock bei
Bartholomäus Graf, penfionierten Bedienten“. —
deuftzutage werden die Heirathsgesuche etwas wenid⸗r
Lorale und vfälzische Nachrichten.
— Zweibrücken, 26. März. (Schwur—
zericht.) Heute Vormittag wurde Herr Redakteur
Paul Listowsky von der „Pfälz. Volkszeitung“, an⸗
geklagt der Beleidigiung Seiner Majestät des
deutschen Kaisers in idealer Konkurrenz mit einer
Beleidigung des Fürsten Bismarck, begangen durch
die Vresse, zu 2 Monaten Fesfunasbaff veruriheilt
Vermischtes.
F Ueber eineblutige Hochzeit,
velche sich, nach der Sbr. Ztg., in Saarbrücken
or Jahren zugetragen haben soll, erzählte unlängst
)er berühmte englische Kriegskorrespondent Archi⸗
hald Forbes in einer Abend-Gesellschaft in London
inter anderen Kriegserlebnissen folgendes: Es
var in Saarbrücken 1870.. Mit noch mehreren
dollegen vonder Presse logierte ich in einem
ßasthof außerhalbe der von einer schwachen preuß⸗
schen Garnison besetzten Stadt. Es waren Tage
jochgradiger Spannung. Hinter dem Höhnzug
lag sicherlich ein französisches Armeekorps, vielleicht
ꝛine, ganze Armee. Da langte in unserem Hotel
ein junges Mädchen an; sie war ihrem Bräuti⸗
zam nachgereift, der als Sergeant in dem in
Saarbrücken liegenden Bataillon diente. Wir
chlugen dem Maschen vor, sie solle sich vor Aus⸗
zruch der Feindseligkeiten mit ihrem Geiliebten ver⸗
heirathen. Der Vorschlag wurde mit Freuden an⸗e
genommen und der Oberst gab seine Zustimmung,
unter der Bedingung, daß der Sergeant beim ersten
Frompetenstoß auf seinen Poslen zurückkebre. Ein