Full text: St. Ingberter Anzeiger

die Spielwüihigen wieder nieder, bis dann die 
Polizei eiwas energischer einschritt. 
FCEin ungemeines Aufsehen erregendes Urteil) 
hat das Fraukfurter Oberlandesgericht ausgesprochen. 
Vor einigen Jahren wurde der in Bockenheim an⸗ 
gestellte Postbeamte Bechtel wegen Urkundenfälschung 
und Unterschlaqung zu mehreren Jahren Gefängniß 
berurtheilt. Der Angeklagte leugnete, mußte aber 
ins Gefängniß und fstarb dort. Der Fiskus strengte 
hierauf gegen die Erben der kleinen Bürgschaft eine 
Entschädigungsklage an; seitens der Civilkammer 
des Landgerichts wurde ein neues Sachverständigen⸗ 
Gutachten angeordnet; dasselbe bezeichnete die Schuld 
des Angeklagten als zweifellos, und das Urtheil 
erging zugunsten des Fiskus. Die Kinder des 
Verurtheilten gaben sich hiermit nicht zufrieden und 
veranlaßten einen neuen Prozeß beim Oberlandes⸗ 
gerichte. Das von letzterem ergangene Urtheil sprach 
sich nun dahin aus, daß die Klage des Fiskus 
abzuweisen sei, da der Gerichtshof durchaus keine 
Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten 
habe gewinnen können. J 
F Frankfurt a. M., 6. Januar. Vor 16 
Jahren verschwand von hier der Schüler aner 
höheren Schule, der mit seinen Lehrern in bestän⸗ 
diger Fehde lebte. Trotz aller Nachforschungen ge⸗ 
lang es nicht, seinen Aufenthalt zu ermitteln. 
Sechszehn Jahre lang ließ er nichts mehr von sich 
hören und sehen. Die Eltern hielten ihn schon für 
todt; da traf am Neujahrstag von ihm aus Ameriko 
eine Anweisung an sie auf 3000 Mark ein. Gleich— 
zeitig folgte ein Brief, in welchem er mittheilte, 
daß er, nachdem er Hausknecht, Straßenkehrer, 
Schornsteinfeger u. s. w. gewesen, endlich in einem 
Bankhaus Stellung gefunden, wo er sich bis zum 
Prokuristen hinaufgearbeitet habe. Im nächsten 
Frühjahr werde er, so Gott wolle, seine Eltern hier 
besuchen. 2. 
FKarlsruhe, 10. Januar. Ouuartier⸗ 
meister Peter hat sich heute Nachmittag erschossen 
Vermuthlich steht der Selbstmord in Zusammen— 
hang mit den gegenwärtig im Gange befindlichen 
Untersuchungen wegen Unterichleife beim Militär 
— f MGMeberseeische Auswanderung. 
Nach amtlicher Quelle wanderten im November 
1886 über deutsche Häfen und Antwerpen aus 
5797 Personen, davon aus Bayern 612 (458 aus 
Bahyern rechts des Rheines, 154 aus der Pfalz.) 
Feiner über Rotterdam 215 und über Amsterdam 
128. 
München. Da bei Erhebung von Pen— 
sionen schon mehrmals Unregelmäßkeiten vorkamen, 
wurde vom Pensionszahlamte angeordnet, daß Of⸗ 
ficiere, Sanitäts Officiere und Beamte ihre Pen⸗ 
fionen womöglich eigenhändig in Empfang nehmen 
mögen; im Verhinderungsfalle ist die zum Erapfange 
bevoslmüächtigte Person auf der Quittung namentlich 
zu bezeichnen was durch Unterschrift zu bestätigen 
ist. In zweifelhaften Fällen, z. B. an Undekannte, 
wird keine Zahlung geleistet. Auf der Jahres⸗ 
Haupiquittung ist durch eine Behörde bestätigen zu 
lassen, daß der Pensionär noch am Leben und im 
Besitze des deutschen Heimathrechtes ist. 
F Munchen. Die Landescultur-Reutenan⸗ 
stalt belehnte im Jahre 1886 (bis 1. Oktober) 
176 Personen mit 51,622 M., im Jahre 1885 
127 mit 49,648 M. und im Jahre 1884 10 mit 
76,360 M. 
F München. Ueber einen seyr dummen 
Witz berichtet der „Bayerische Landbote:“ Am 
Neujahrstage machte sich Einer hier den Scherz, 
seinem Bekannten im Wirthshause zuzurufen: 
„Weißt Du, Deine Frau liegt im Sterben, mache, 
daß Du heim kammst.“ Der also Angesprochene 
stürzte sein Bier hinunter, eilte der Thüre zu und 
fiel noch im Hausflur vom Schlage getroffen zu 
Boden. Man brachte der natürlich gesunden Gattin 
den sterbenden Gatten heim. Solche frevelnde 
Witze verdienten eine exemplarische Strafe, wie sie 
auch nur eine sträfliche Rohheit der Gesinnung be⸗ 
kunden! 
F(ieh—,Dungeund GewerbeSalz.) 
Das kgl. Staatsministerium der Finanzen giebt be— 
kannt: „Durch Beschluß des Bundesrathes vom 
9. December ist es für statthaft erklärt worden, 
daß der den Landwirthen abgabenfrei verabfolgte 
unzerkleinerte, undenalurirte Pfannenstein und das 
an die Landwirthe ohne weitere künstliche Denaturir⸗ 
ung in Stücken zur Verwendung als Viehleckstein 
steuerfrei abgebene Berchtesgadener Steinsalz von 
ihnen zerkleinert und in diesem Zustande. oder auf— 
gelöͤst dem Viehfutter bezw. der Viehtränke beige— 
geben werden darf.“ 
F Augsburg, 9. Januar. Aus Oettingen 
wird eine grauenhafte Mordthat gemeldet. Es 
wurde in der Nacht zum 9. d. Mis. die Gärtners 
wittwe Anna Huber, welche mit ihren zwei Schwä 
gern und einer alten Magd ein im Entengarten 
hefindliches Haus bewohnte, auf wahrhaft entsetz— 
liche Weise ermordet. Die alte Magd fand frül 
morgens die Thüren geöffnet, Schränke und Kom— 
moden erbrochen und ausgeraubt. Die Anna Huber 
lag mit zerschlagenem Schädel, mit Hiebs und 
Stichwunden bedeckt im Bette. Da das Blut bei 
Auffindung der Leiche noch floß und der Leichnam 
noch ganz warm war, ist anzunehmen, daß die 
Mordthat in den Morgenstunden verübt worden ist. 
Man glaubt, daß der Mord von mehreren Menschen 
»egangen wurde, auch die Beraubung ist in dem 
ebhaften Gärtnerviertel nur so zu erklären, daß die 
Effekten von mehreren weggeschleppt wurden. Noch 
am Vormittag des 9. ds. wurde ein Individuum 
namens Christian Ullmann gefänglich eingezogen 
ind in ihm ein oft bestrafter Einbrecher erkannt. 
Der Mann leugnet, doch passen seine Stiefel voll 
ommen in die in der Gartenerde hinterlassenen 
Spuren. Auf der Landstraße bei Oettingen wur⸗ 
den Effekten aus dem Eigenthum der ermordeter 
Zuber, die in wenigen Tagen ihr 70. Lebensjahr 
vollendet hätte, gefunden. 
F Aachen, 8. Jan. Drei Kolossalgeschütz 
passirten unlängst in drei Separatzügen auf eigente 
zu diesem Zweck konstruirten 16achsigen Wagen 
don Essen kommend, die hiesige Station Templer 
hend auf dem Wege nach Sofia. Jedes der zu 
Füstenbertheidigung bestimmten Geschütze hat ein 
Rohgewicht von 2400 Zentnern, eine Länge von 
14 Metern, eine innere Weite von 40 Centimetern 
ede Ladung erfordert 7 Zentner Pulver, das Ge⸗˖ 
choß wiegt 950 Kilogramm, die Tragweite ill 
14-17000 Meter. 
F (GGerüsteinsturz in Köln.) Am Sam— 
dag Nachmittag brach an dem Neubau Gereons⸗ 
straße 63 ein in Höhe des vierten Siockwerkes ar 
der Schauseite angebrachtes Holzgerüst zusammen 
Ein Schreinermeister und zwei Arbeiter, welche sich 
auf dem Gerüste befanden, ftürzten in die Tiefe 
Einer der Arbeiter fiel auf eine Straßenlaterne und 
don da todt zu Boden. Der andere, welcher schwere 
innere Verletzungen und einen komplicirten Beinbruch 
erlitten hatte, wurde von der Feuerwehr nach dem 
Bürgerhospital gebracht. Der Meister zog sich 
weniger erhebliche Kopfverletzungen zu. Die Leiche 
des Verunglückten wurde nach dem Leichenschauhaust 
geschafft. Mangelhafte Befestigung soll die Ursach 
des Unfalls gewesen sein. 
fUeber das Schickhsal einer Flasche erzählt die 
Charlottenburger „N. Z3.“: Am 5. September 
reisten zwei Kaufleute von Charlottenburg über 
Oftende nach England. Auf dem Wasser kamen 
sie auf den Einfall, in eine Flasche, nachdem fise 
dieselbe auf das Wohl der Lieben in der Heimath 
geleert, eine Karte folgenden Inhalts zu stecken: 
„Wer diese Flasche findet und an die umstehende 
Adresse sendet, erhält 5 Fr. per Post. 5. Sep⸗ 
tember.“ (Folgen die Namen) Die Flasche war—⸗ 
fen sie dann wohlberkorkt in das Meer. Kürzlich 
rhielten nun die Herren nachstehenden Brief: 
„Lauekullen, den 26. Dezember 1886. Diese 
Flasche ist am 23. Dezember 1886 zwei Meilen 
vor Christiania von dem königlichen Lotsen E. Eiler⸗ 
strerem gefunden worden. Achtungsvoll Olaus 
Eilerstreem. Lauekullen, Dilling, Station Nor— 
wegen.“ Natürlich haben die Reisenden ihr Worl 
gehalten; das Geld ist bereits an den Finder 
unterwegs. 
F Die rothe Fahne. In der Shlvester⸗ 
nacht wurde eine circa 4 Meter lange und 1 Meter 
breite rothe Fahne in der Nähe des Landsberger 
Thors in Berlin an einem der höchsten Bäume des 
Friedrichshaines befestigt. Dieselbe trug die Auf—⸗ 
schrift: „Nieder mit Barharei, hoch lebe die Re— 
polution!“ Am anderen Morgen um 8 Uhr be— 
merkte ein Polizeibeamter diesen anarchistisch klingen— 
den Neujahrsgruß; doch gelang es erst einer vollen 
Stunde ziemlich halsbrecherischer Arbeit den vereinten 
Anstrenungen mehrere Schutzleute und Wärter des 
Haines, die Fahne von ihrem Standorte loszulösen. 
F Die „Kreuzztg.“ erhielt aus Pommern 
nachstehende Zuschrift: Die Leute erzählen lich 
hier allgemein und in größter Aufregung: „Dit 
Franzofen hätten dem Kaiser die Kriegserklärung 
geschsickt. Der Kaiser aber hätte die Krieaserklär— 
ung nicht angenommen — zurüchgeschickt und sag. 
lassen: Er lkönne die Kriegserklärung noch nie 
brauchen.“ 
7 Breslau, 10. Jan. Die ‚Bresl. Zig. 
neldet: Der gestern Abend um 8 Uhr in Zahrz 
eingetroffene Personenzug stieß mit einem Rangin 
zug zusammen; Die Maschiene und drei Wager 
des Letzteren entgleisten. Der Lokomotivführer un 
der Heizerdes Rangirzuges sind schwer, jedoch nich 
jebensgeführlich verletzt. Von den Passagieren de⸗ 
Perso nenzuges ist Niemand verletzt. 
F Wien. Ein Zeugschmied in Hernals hat 
eine nette Frau, die sich in einen Schreiber der 
iebte. Obgleich Mutter von sechs Kindern erklär 
ie dieser Tage ihrem Manne in bestimmtest— 
Form. daß sie das Haus verlassen werde. Gegen 
über dieser Erklärung wich die lange geübte Lam 
mesgeduld des Mannes und er schritt zu eine 
zanz merkwürdigen Execution. Unter Beihül, 
seines Bruders schnitt er der Ungetreuen i 
vunderschönes, oft bewundertes Haupthaar ab, en 
riß ihr das aus seinen Mitteln angekaufte falsch 
Bebiß und warf sie aus dem Hause. „So, nu 
schau', ob er Dich jetzt noch mag.“ waren seir 
Abschiedsworte. 
Fe Ueber „kostbares“ Pelzwerl geh 
dem französsischen Handelsminister verblüfsende En 
hüllungen zu. Wie der „Voss. Ztg“. aus Par 
mitgeteilt wird, hat der Kürschnermeister Grutie 
welcher zur Ausstellung in Amsterdam gesandt war 
folgenden Bericht erstattet: „Dank geeigneter Für 
bdung überschwemmt der Balg des französischen ode 
zsahmen Kaninchens die ganze Welt. Er seellt si 
unter den verschiedensten Namen vor, denen er si 
nach Bedürfnis trefflich anbequemt. Wenn d 
Kaninchenbalg mit seinen langen Haaren zugericht 
wird, nimmt er den Namen sibirischer Pelz (ibe 
rienne) an; öfter noch heißt er Marder und gil 
vbor, aus allen möglichen Ländern zu stamme 
Werden ihm die hervorstehenden Haarspitzen ausg 
rissen, dann heißt er Castor. Wird er mittel! 
Maschine nach Art des Sammets kurz geschoren 
dann tritt er als Otterpels vor den Kaäufer un 
nennt alle Meere, selbst das Porlarmeer, seir 
Heimath. Die Katzenbälge machen ihrerseits fa 
alle Wandlnngen der Kaninchenbälge und noch einit 
weitere durch.“ — Grutier erzählt nun, wie eint 
Tages eine Dame, welche 20 Jahre in Amerik 
gelebt hatte, ihn wegen ihres von dort mitgebrachtt 
Muffs, eines „kostbaren Otterpelzes“, der von Mo 
ten heimgesucht war, angstvoll zu Ratte zog. S 
wollte das „kostbare Pelzwerk“ um jeden Preis rei 
ten, wieder herstellen lassen. Grutier erkannte so 
fort, daß dieser kostbare Otterpelz nur ein geschic 
zugerichteter Pariser Katzenbalg war; die Dam 
hatte ihn mit 120 Fres. bezahlt, der wirkliche Wert 
war 6,50 Mk. „Unsere Kaninchenbälge liefer 
mindestens zwei Drittel alles Pelzwerkes, welche— 
in der ganzen Welt verbraucht wird“, schließt Grutie 
seinen Bericht. Diese Offenheit muß ihm als be 
sonderes Verdienst angerechnet werden, zu eine 
Zeit, wo die tugendsamen Franzosen ihre fitilich 
Entrüstung über die unverschämten Fälschungen nn' 
Betrügereien der Deutschen mit so großem Getö 
üußern, daß alle Welt es hören muß. Wenn dr 
Franzosen dergleichen begehen, so ist es nur Geschic 
lichkeit und Kunst, welche sich lohnen müssen. J 
umfassender solsche Fälshungen betrieben werder 
desto größer sind Gewinn und Verdienst, desto mel 
rühmen fich die Franzosen derselben. 
Friedrich v. Hellwald schreibt in seinen 
Werke: „Frankreich in Wort und Bild“: „Ici on 
fabrique de vins“ (,„Hier befindet sich eine Wein 
fabrik“) — diese Ankündigung kann man in 
Tette mehrfach lesen, denn dort werden alle Wein 
der Welt gemacht. Man braucht nur Johanni 
berger oder Tokayer oder Madeira zu bestellen, di 
Cetter Fabrikanten werden prompt liefern; natürlich 
nehmen sie die schlechtesten Weine dazu und mischet 
mit Veilchenpulver, Cochenille, Sonnenblumen und 
anderen Mittelchen die verlangten Sorten fertig — 
und die armen Weintrinker bezahlen dafür schwer⸗ 
Geld.“ 
F Eine sehr hübsche Kußanekdote wird aus der 
Leben des bekannten belgischen Staatsmannes Frer— 
Orban berichtet, der von Hause aus nur Frer 
hieß, ein armer Student der Rechte war und ei 
sehr reiches Fräulein liebte. Die Aussichten f' 
ihn waren keine sehr günstigen, wie man sieh 
als aber der Tag seines Examens herankam, sag 
das Fräulein zu ihm: „Wenn du morgen glücklit 
hestanden hast, so komme Abends in die Oper un