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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
de „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2 mal wochentlich mit Unter haltungs
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22. Jahrg.
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Samfstag, 23. April 188s3.
Hap eine das Geschaffene weiter veredelnde Handgeschick⸗
Zur Handwerkerfrage. .Rüichkeit zur Seite zu stehen hat, sein Fortkommen
sss ist eine durch die tägliche Erfahrung bes und eimöglicht es ihm, getrost den Kampf mit der
natigte Thatsache, daß der Handwerkerstand als inscheinend übermachtigen Großindustrie aufzu⸗
cher im Kampfe mit der modernen Productions- ehmen. Hierin allein liegt die Gewahr für die
eise mehr und mehr den Kürzeren zieht und un- Zebung des Kleinbetriebes, nicht aber im Wieder⸗
thig wäre es, nochmals auf die Ursachen dieser jervorkramen verrotteter Institutionen, welche nun
gischeinung zurüchzukommen, sie ergeben sich hin- inmal nicht in den Rahmen des modernen Er⸗
muglich aus der Verdrängung der Handarbeit durch verbslehens passen und von denen der mil dem
je Maschinenarbeit. Der Handwerkerstand muß beiste der Zeit fortschreitende Handwerker wohl
aher neue Mittel ergreifen und neue Bahnen elblt nicht sein Heil erwartei.
nichlagen, will er nicht in diesem Kampfe vollig
mtergehen und glücklicher Weise sind unsere heu⸗
igen Handwerker, mögen sie es auch selber noch
aͤt eingestehen, doch schon mehr oder weniger von
em früheren Betriebe abgewichen und haben von
er Fabrikindustrie eine gute Lehre nach der ande⸗
n gezogen, besonders dadurch, daß sie sich auf
e Massenproduktion von nur wenigen Artikeln
egten und ihrem Erwerbszweig zugleich den Cha⸗
aͤter eines Handelsgeschäftes gaben. Allerdings
ann auf vielen Gebieten des modernen Erwerbs⸗
ehens das Hendwerk überhaupt nicht mehr mit
„em Graßbetriebe concurriren, nämlich überall da,
vo die gewaltige Kraftmaschine die Alleinherrschaft
m sich gerissen hat. wie zumal in der Weberei⸗
ind Spinnereibranche, und mit den Leistungen der
loßen Kraftmaschine, welche das Miteingreifen
nenschlicher Arbeitskräfte fast gänzlich überflüssig
nachte, bermochte die Handgeschidlichkeit nicht länger
nehr in die Schranken zu treten.
Indessen hat der gerade unser Jahrhundert in“
Rhohem Grade auszeichnende Erfindungsgeist
eben der Kraftmaschine auch die Arbeitsmaschine
zeschaffen und mit der letzteren dem Kleinbetriecbe
in Mittel in die Hand gegeben, auch neben der
hroßindustrie in gewissen Branchen seinen Platz
u behaupten. Schon heute würden der Schlosser
xt Buchbinder, der Tischler und andere Berufs—
xten aus dem kleinbürgerlichen Leben die Arbeits⸗
naschine gar nicht mehr entbehren koönnen und die
ortschreitende Technik wird jedenfalls auch eine
aößere Vervollkommnung der Arbeitsmaschinen
serbeiführen und hiermit deren noch weitere Ver⸗
xeiuung und rationellere Ausnutzung ermöglichen.
gereitz sind die Gaskraft- und die Heißluftmaschine
xschafft und auch die Verwerthung des Petroleums
is Betriebskraft für die kleine Arbeitsmaschine
vdird von intelligenten Handwerkern schon in Er⸗
oagung gezogen und je mehr sich der Handwerker⸗
land diese Hilfsmittei, welche ihm die moderne
dechnik an die Hand giebt. bedient, desto besser
ird er sich in dem heutigen erbarmungslosen
oncurrenzkampfe behaupten können. Hierin einer⸗
its, und anderseits in der nach commerciellen
Kundsätzen zu vollziehenden Umgestaltung der
hrodultion im Handwerferstande liegt die Bürg⸗
daft für dessen Wiederemporblühen und Gedeihen.
m letzterer Beziehung ist die Absonderung der
mzelnen Arbeitsbranchen in den verschiedenen
)andwerken selbstverstandlich und würde sie sich
noder Art zu vollziehen haben, daß in der Haupt.
ache nur ein oder zwei Arlikel gefertigt. die anderen
cdoch, insoweit die Nachfrage der Kundschaft es
ietlangit, durch den Hondel bezogen werden. Ein
Mwisses Capital ist auch für den Handwerker hier
eine unerläßliche Vorbedingung für den dau⸗
inden Erfolg seiner Leistungen, ist aber dieses
vrhanden, dann sichert eine kaufmännische Ver⸗
vendung des Capitais in Verbindung mit einer
anonellen Benutzung der Arbeitsmaschinen, welcher
zur Zeit Gesandter in Kopenhagen, nach Madrid,
destand thatsächlich alsbald nach der Demission des
Herrn d. Keudell. Es scheint aber nach dem Fr.
Jour. eine Entscheidung noch nicht ergangen zu sein.
Berlin, 20. April. Bei den diesjährigen
aisermandvern wird, wie der „Graudenzer Ge⸗
zellige“ mittheilt, das Haupttreffen nach den neuesten
Anordnungen am 8. September um Königsberg
ttattfinden. Der Kronprinz und Prinz Wilhelm
werden ausnahmsweise selbst den Oberbefehl über⸗
nehmen. Ganz besonders wird darauf geachtet
verden, ob sich das neue Gewehr beim ichnellen
Feuern gegen den Feind ebenso füüchtig beweist,
vie gegen die Scheibe. Die Festungswälle werden
nit Kanonen gespickt und ebenso die Foris mit
chweren Geschützen vertheidigt werden. Gleiche
kraft soll auch der Ansturm haben, so daß der
dampf wohl ein recht erbitterter werden dürfte,
umal die Stadt unter jeder Bedingung genommen
verden soll. Den Oberbefehl über die angreifende
Truppenmacht wird Prinz Wilhelm führen, wäh⸗
tend der Kronprinz die Vertheidigungsmacht leiten
vird.
Berlin, 21. April. (Abg.⸗-Haus.) Bei der
Berathung über die kirchenpolitische Vorlage nahm
nuch Fürst Bismarck das Wort. Er drückte den
Wunsch aus, daß alle nationalen Parteien der
irchenpolitischen Vorlage zustimmen möchten. Der
Moment des Friedens dürfe nicht versäumt werden.
Man müsse ihm vertrauen.
Bismarck erklärte, er würde in der einstimmigen
Annahme der Vorlage, um welche er alle natio⸗
nalen Parteien ersuche, den Beweis erkennen, daß
nan ihm nach 258jähriger Thätigkeit zutraue, daß
er das Stagtsschiff richtig und glücklich lenke.
Fürst Bismarck fuhr fort: Wenn Sie dies
Vertrauen nicht haben, wenn mich meine Freunde
nier im Stiche lassen sollten, was ich nicht hoffe.
o würde ich an einem Staatawesen, welches mir
eine solche Erfahrung bietet, nicht mehr mitwirken
können. Ich würde mich aus dem Staatsdienst
urückziehen und nur dem Reiche meine Dienste
vidmen können, und zwar im Interesse meines
igenen politischen Ansehens und meiner politischen
ẽre.
Ich muß vermeiden, daß man denke, ich hätte
neinen sonstigen Freunden, wenn diese heute gegen
nich ssimmen, vorher meine Zustimmung gegeben.
Juf dem Vertrauen zu meiner politischen Recht⸗
ichkeit und Zuverlassigkeit beruht ein wesentlicher
Theil meines Einflusses in Europa.
Wir können schweren Prüfungen entgegengehen
in auswärtigen und in innern Kaͤmpfen gegenüber
ven Umsturzparteien verschiedener Kategorieen. Mein
Bedürfniß war es, ehe wir diesen Prüfungen aus⸗
esetzt waren, alle innern Streitigleiten von uns
ibzuthun, die entbehrlich für uns find, und für
nibehrlich halte ich für Preußen den lirchenpoli⸗
ischen Streit, wenn er mit dieser Vorlage beseitigt
werden kann. (Lebhafter Beifall)
2 3D.
Paris, 20. April. Kriegsminister Boulanger
bekommt jetzt tagtäglich von der Pariser Presse
weise Lehren. Bald hält man ihm vor, die Armee
sei viel kostspieliger als im Verhältnis die deutsche,
»ald sagt man ihm, wie am besten die Manoͤver
und Uebungen einzurichten seien. — Das hat der
derr Boulanger von seinem ewigen Tam⸗Tam.
— Der deutsche Botschafter Graf Münster
nachte vorgestern dem Minister des Auswärtigen
Deutsches dieich.
München, 19. April. Der Prinz * Regent
jat an die Wittwe des Justizministers Dr. von
Fäuslle nachstehendes Handschreiben gerichtet: „Frau
S„taatsminister von Fäustle! Die Nachricht von
dem plötzlichen Hinscheiden Ihres theueren Gatten
zat Mich tief ergriffen. Im Besitze des reichsten
Wissens und einer bewunderungswürdigen Arbeits⸗
raft hat der Verlebte, der nun nahezu 16 Jahre
in der Spitze der vaterländischen Justizverwaltung
tand, der Krone und dem Lande mit unerschütter⸗
liicher Treue die ersprießlichsten Dienste geleistet.
Ich verliere an ihm einen Mann, der Mein vollstes
Pertrauen genoß und von dem Ich hoffte, daß es
hm noch lange beschieden sei. Mir unter den be⸗
vährten Räthen der Krone zur Seite zu stehen.
Dem viel zu früh Dahingeschiedenen werde Ich
tets ein dankbares Andenken bewahren. Möge die
Anerkennung, welche dem Verstorbenen in das Grab
'olgt, für Sie mit eine Quelle des Trostes in dem
jerben Schmerze werden, welchen die Vorsehung so
unerwartei über Sie verfügt hat. Mit den ge—
neigtesten Gesinnungen Ihr wohlgewogener Luitpold,
Prinz von Bayern ·“·.
Muüͤnchen, 19. April. Die Landtagsur⸗
wahlen werden an dem ersten oder zweiten Diens⸗
lag im Juni stattfinden, die Abgeordnetenwahlen
lieben Tage später.
München, 20. April. Gestern Vorraittag
wurde der k. Staatsminister Frhr. Dr. v. Lu tz
pon Sr. Kgl. Hoh. dem Prinz « Regenten, wie es
heißt, in Angelegenheit des zu besetzenden Justiz⸗
Ministerpostens in Audienz empfangen. Darnnach
var, wie weiter verlautet, in derselben Sache
Ministerraih.
München, 21. April. Finanzminister v.
stiedel und Oberzollrath Geiger reisen Morgen zu
)en Bundesrathsverhandlungen nach Berlin ab.
Muͤnchen, 21. April. Staatsrath Pfister⸗
meister ist mit der interimistischen Leitung des
Justizministeriums beauftragt.
Metz, 20. April. Der französische Grenzpoli⸗
eikommissar Schnäbele wurde heute auf deutschem
vebiete vom Polizeikommissar Gautsch aus Ars
erhaftet und ins hiesige Untersuchungsgefängniß
iugeliefert.
Berlin, 20. April. Auf der Tagesordnung
der morgigen Plenarsitzung des Bundesrathes be⸗
indet sich der Nachtragsetat und das Anleihegesetz,
velche mit geringen Abanderungen von den Aus⸗
chüssen des Bundesrathes angenommen worden
ind. Der Gesammtbetrag, um den es sich handelt,
osl jedenfallzs erheblich mehr als 35 Mill. Mk.
»etragen. — Zu der Berathung der Bundesraths⸗
nusschüsse über die Branntweinsteuer wird auch
Finanzminister v. Riedel aus München hier er—
vartet. — Die Combination, Graf Solms, zur
zeit Gesandter in Madrid, solle an Stelle des
derrn v. Keudell nach Rom gehen, und Stumm.