Full text: St. Ingberter Anzeiger

zedient und vergangenen Herbst vom Militär zurüd⸗ 
gekommen ist, über die Leistungsfähigkeit der deut⸗ 
schen und franzöfischen Armee in Wortwechsel. Der 
Vater ist ein Stockfranzose, der Sohn aber ein 
zuter Deutscher, was zur Folge hatte, daß es 
Fitzige Köpfe gab. Der Widerfiand des Sohnes 
zrachte den Vater dahin, daß er das Wohnzimmer 
derließ und sich auf dem Speicher erhänçte. Eine 
Nachbarsfrau entdeckte noch zur rechten Zeit den 
Selbstmordverstich, ehe es zu spät war und ist der 
detr. L. wieder ganz wohl. (Pf. Vzig.) 
Im Dorfe Wendershausen hatte der 
einzige Sohn wohlhabender Bauern mit der Schwester 
eines Schwagers ein Liebesverhältniß. Zu einer 
Heirath gaben jedoch die Eltern, insbesondere die 
Mutter des Burschen, ihre Zustimmung nicht; sie 
hatten für ihren Sohn ein anderes Mädchen im 
Orte in Vorschlag. Da jedoch dieses über die zu⸗ 
fünftige Schwiegermutter sich in ungebührlicher 
Weise geäußert haben sollte, wurde dieser Heiraths⸗ 
olan fallen gelassen und ein drittes Mädchen für 
den Sohn in Aussicht genommen. Dieser liebte 
aber nach wie vor die Schwester seines Schwagers 
und wollte nicht von ihr lassen. Da die Mutter 
hartnäckig in ihrem Widerstande blieb und von 
dieser Heirath nichts wissen wollte, erhängte sich 
der Sohn in der Scheune. Nun vermißte man 
auch die Geliebte desselben, welche Nachts zuvor 
mit ihm gemeinsam das Haus verlassen hatte. Man 
fand itzrre Leiche in den Fluthen der Ulster. 
FHochfelden, 18. Mai. Von den dressierten 
Ochsen in einem Berliner Theater schrieb ein Be⸗ 
richterstatter viel Rühmliches. In Hochfelden aber 
— 
Zieht da neulich durch unser idyllisches Oerichen ein 
Trupp horngekrönter Ungeheuer, geführt von der 
eitenden Hand eines vielbersprechenden Treibers, 
im Gefolge die ganze Dorfjugend. Mag nun ein 
Blied der letzteren einem jüngeren Exemplar der 
Heerde etwas zu große Ausmerksamkeiten erwiesen 
saben, oder war das Tier selbst sich des traurigen 
Zieles der heutigen Promenade — der Schlachtbank 
— bewußt, genug, plötzlich ein kühner Seitensprung 
aus der dichtgeschlossenen Marschkolonne, eine kleine 
Pause, und dann ging es in einem riesigen Salto 
mortale, der selbst dem besten Clown des Zirkus 
derzog Ehre gemacht hätte, in das erste beste offen 
ttehende Fenster, das, nebenbei bemerkt, das mög⸗ 
ichst kleinste Kalider hatte. Saperlipopette! Der 
irausgelockte Treiber harrt in starrem Schreck fest⸗ 
gebannt der da kommenden Dinge. Doch nicht 
lange soll ihn die Ungewißheit foltern. Lautes 
Bepolter, Gläsergeklirr, Laärtm von umgestoßenen 
Stühlen und Tischen heischen ihn an die Stelle, 
wo das Schreckliche geschehen. Welch ein Anblick! 
Im wilden Urchaos mengen sich auf dem Boden 
Tisch, Stühle, zerbrochene Zimmergeräte u. s. w. 
And unser Held! Nicht als ob er in dem zer⸗ 
knirschenden Bewußtsein der begangenen Unthat sich 
reuig zu den Füßen seines gestrengen Richters und 
Leiters gestürzt hätte, nein, er hatte einen besseren 
Theil erwählt. Hoch auf den Ruinen des zer— 
trümerten nächtlichen Lagers, das ausdrucsvolle 
Haupt wit trefflich gespielter Ironie seinen Ver⸗ 
'olgern darbietend'“ erwartete er hoheitsvoll das 
„Consilium abeundi“. Der Spruch geschah, und 
unser bos verließ seinen erhabenen Sitz, um den 
Spaziergang fortzusetzen. (Str. P.) 
F Die Wetterpropheten haben zwar fast 
allen Credit eingebüßt, insbesondere sofern sie auf 
Monate hinaus das Wetter vorhersagen wollen. 
Doch mag hier Platz finden, was Einer, der sich 
mit Witterungsstudien beschäftigt, der „N. 3. Ztg.“ 
schreibt: „Nach meinen Beobachtungen der atmo—⸗ 
sphärischen Vorgänge find zur Zeit alle Factoren 
vorhanden, welche einen außergewöhnlichen Sommer 
don großer Trockenheit und großer Hitze bedingen. 
Ein bis zwei Kälte-Rückfälle werden im Mai statt⸗ 
finden, hingegen werden dieselben nach meiner 
Berechnung nur in geringem Grade auftreten und 
den Culturen blos in den Niederungen erheblichen 
Schaden bringen. Bis Mitte und Ende Juni 
vird der Charakter des Wetters in einem etwas 
schroffen Temperaturwechsel bestehen. Heiße Tage 
verden öfters mit kühlen Perioden abwechseln. Der 
ganze Sommer wird durch eine auffallende Ruhe 
in der Atmosphäre charakterisirt sein. Gewitter 
sind örtlich möglich, jedoch werden diese von ge⸗ 
ingerer Häufigkeit und Stärke sein.“ 
F München, 14. Mai. Trotz des bestehen⸗ 
en und wiederholt bekannt gegebenen Verbots, den 
Fxerzierplatz bei Oberwiesenfeld zu betreten, kommen 
äglich Uebertretungen dieser Vorschrift vor. So 
etraten vorgestern E Frauenspersonen den Platz 
zei der sog. Melzlremise, um Holler daselbsft zu 
»flücken. Auf den Zuruf des Postens liefen drei 
)erselben davon, auf welche der Posten Feuer gab, 
hne zu treffen. Die drei übrigen brachte er zur 
daft. Gestern wurden an demselben Platz aber⸗ 
nals 2 Frauenspersonen arretirt, die bei derselben 
Zeschäftigung betroffen wurden. 
t München, 14. Mai. Das niederbayerische 
—„chwurgericht hat den 55 Jahre alten Bauern 
9 Sonnleitner von Haid bei Passau und dessen 
29 Jahre alten Knecht Gg. Kohlhofer von Prein⸗ 
ting (Bez.⸗Amt Vilshofen) zum Tode verurtheilt. 
Auf Anstiften des Sonnleitner hatte Kohlhofer des 
ersteren Ehefrau in raffinirter Weise unter Anwend⸗ 
ing von Chloroform und sog. sächsischer Handschuhe 
erdrosselt. 
München, 14. Mai. Zu dem bereits er⸗ 
pähnten Doppelselbstmord bei Starnberg 
rfährt man, daß sowohl der Großvater als die Mutter 
jer beiden unglücklichen Mädden geisteskrank ge— 
vesen sein sollen. Indessen scheint nicht krankhafte 
leberreizung des Gemüths, sondern die bittere Noth 
—„chuld des Selbstmordes zu sein. Die Bedauerns⸗ 
verthen verloren frühe Vater und Mutter, ihre Be⸗ 
nühungen, irgend eine Verdienst bringende Stellung 
u finden, waren erfolglos, das kleine Vermögen 
var bald aufgezehrt, Noth und Entbehrungen 
raten an sie heran und trieben sie, wie sie selbst 
n einem hinterlassenen Briefe angegeben, in den 
Tod. Man fand, wie die „N. Nachr.“ vernehmen, 
n den Taschen der beiden Mädchen eine Baarschaft 
jon drei Pfennigen und eine Aufforderung eines 
Berichtsvollziehers! 
F Der evangelische Verein der Gustaf⸗Adolf⸗ 
5tiftung haält die diesjährige (Kk4.) Haupwer— 
ammlung vom 13. bis 15. Sept. in Nürnberg ab. 
F Regensburg, 14. Mai. Gestern starb 
ahier der älieste Geistliche der Diöcese Regens— 
zurg, der Jubelpriester J. B. Frischholz, im 95. 
debensjahre. 
F Heidelberg, 15. Mai. Die 162 Jahre 
ilte Anna Merckel von Neidenstein, welche im Hause 
ẽppelheimerlandstraße 15 dahier bei ihren Eltern 
vohnte, unterhielt mit dem im gleichen Hause woh⸗ 
renden, 19 Jahre alten Taglöhner Anton Brahner 
ein Liebesberhältniß, welches die Mutter der Ersteren 
zald bemerkte und dem jung verliebten Herzen 
charfe Zügel anlegte, um ihr Töchterchen vor dem 
Umgang mit Brahner zu behüten. Das Mädchen 
pußte deshalb nichts besseres zu thun, als gestern 
Hormittag gegen 9 Uhr, oberhalb der alten Brücke, 
in der Nähe der Hirschgasse, in den Neckar zu 
pringen, welcher sie, durch das Murmeln seiner 
Wellen, noch ehe sie gerettet werden konnte, in den 
wigen Schlaf einwiegte. Der Leichnam, welcher 
ald geländet worden ist, wurde ins acad. Todten⸗ 
hjaus verbracht und erhielt auch der Liebhaber des 
Mädchens bald von dem unseligen Schritt, welche 
dieses gemacht hatte, Kenntniß. „Wenn Anna 
nicht mehr lebt, springe ich auch in den Neckar“ 
rang es sich, bei dieser Hiobepost, aus der Brust 
)es jugendlichen Liebhabers und hat dieser auch 
eine Worte heute früh zur Wahrheit gemacht, 
udem er um dieselbe Zeit und an der gleichen 
Ztelle in die Fluthen des Neckars sprang. Er 
rrieb eine ziemliche Strecke den Neckar hinunter, 
his er von den kräftigen Armen der beiden Schiffer 
Rohrmann von Schlierbach, welche den Unglück⸗ 
lichen von der entgegengesetzten Seite des Neckars 
zeobachtet hatten und ihm nachgerudert sind, er⸗ 
aßt und dem nassen Element entrissen wurde. 
Die Wiederbelebungsversuche waren von Erfolg 
ind bald war der Bursche in einem warmen Bette 
intergebracht, von wo er heute noch seiner elter⸗ 
ichen Wohnung wieder zugeführt werden konnte. 
F Mannheim, 8. Mai, Eine imnteressante 
Berichtsverhandlung spielte sich nach der „B. L. Z.“ 
ieser Tage vor der hiesigen Strafkammer ab, 
velche verdient, auch in weiteren Kreisen bekannt 
u werden, da sie einen Beitrag zum modernen 
Industrie⸗-Reichthum liefert. Vier internationale 
zchwindler, nämlich der Kaufmann Winterfield von 
dondon, der Handelsmann Heineburg aus New— 
hork, der Kaufmann Lowin aus New⸗NYork und der 
andelsmann Waßmann aus Mulsten a. Harz suchten 
n verschiedenen Städten Deutschlands mehrere Banken 
uurch Ausgabe gefälschter Checks zu betrügen, was 
hnen thatsächlich mehreremals gelang, und trieben 
udem noch den sogen. Firmenschwindel, d. h. sie 
sellten sich gegenseitig Vermögenszeugnisse aus 
machten dann Waarenbesiellungen, verschwand 
iber, sobald die Waare eintraf, aus ihrem —8 
otal und mietheten unter anderen Namen un — 
mderen Platzen wieder ein solches und trieben d 
—„chwindel von N.uem. Hier jedoch ist ihnen — 
ührige Polizei auf die Spur gekommen und b 
vor ungefähr einem Jahre einen der Gauner in 
»em Augenblicke verhaftet, als er den Goldarbeite 
Schneider um werthvolle Ringe beschwindeln wollle 
56 gelang bald, auch die Anderen dingfest u 
nachen. Obwohl die Angeklagten sämmtlich leug⸗ 
neten, wurden sie durch die umfangreiche Vewen 
zufnahme überführt und zu 214 bis zu 5 Jahr 
Zuchthaus verurtheilt. Außerdem haben sie ed 
ammiliche Kosten zu tragen. 
Großzherzige That. Eine hochgestelltePershr- 
ichkeit kaufte vergangene Woche durch ein Münchene 
Bankhaus 500 Haßfurter Loose und deponirte die 
elben zu Guasten eines Wohlthätigkeitszweces 
Möge Fortuna den edlen Gönner der Haßsurser 
Marienkirche bei der bevorstehenden Ziehung mis 
einem großen Gewinne für die bedachte Woblihane, 
keitestiftung lohnen. 
FBremen, 15. Mai. Der wegen Wechsel 
fälschung in Chicago verhaftete Direktor Graeber 
nus Stettin, dessen Auslieferung das auswartige 
Amt veranlaßte, hat sich auf dem Rücktranspock 
von Amerika auf dem Dampfer „Aller“ am Frei— 
tag Abend kurz vor der Ankunft des Schiffes in 
Bremerhaven erhängt. 
F In Kassel haben sich in den jüngsten acht 
Tagen acht Selbstmorde zugetragen; für eine 
Stadt von 65,000 Einwohnern eine ebenso uner— 
jörte Erscheinung. 
FGMNan wasche den Kopf.) Eine berühmie 
medizinische Autorität macht darauf aufmerksam, 
daß die Reinlicherhaltung des Kopfes bedeutend die 
Besundheit fördect. Und ein anderer Arzt, der 
lange Zeit an einer Quarantäne angestellt war, 
macht darauf aufmerksam, daß seiner Beobachtung 
nach Personen, welche jeden Tag ihren Kopf grüßnd— 
tich wuschen, selten von ansteckenden Krankheiten 
defallen worden sind; daß diejenigen aber, welche 
hre Haare schmutzig und verwirrt ließen, ebenso 
jelten der Ansteckung entgangen sind. Viele Per⸗ 
'onen finden; auch bei Kopfleiden Erleichterung 
wenn sie sfich den Kopf in schwachem Sodawasser 
waschen. — Hsh.⸗Ztg. — 
Ein Kampf mit Wilden hat auf dem Jahr⸗ 
narkt in Nordhausen stattgefunden. Es handelte 
ich um die Observierung einer Athletenbude, di⸗ 
zepfändet war, durch mehrere vom Gerichtsvollzieher 
jestellte Personen. Die letzteren wurden des Nachte 
von deu „Athleten“ angegriffen und bald mischten 
ich auch „wilode Karaiben“ aus einer Negerbud⸗ 
nit in den Kampf, indem sie ihre Lanzen, Keulen. 
Speere wacker gebrauchten. Die ganze Nachtpolizen 
und ein Zug der Feuerwehr wurden schließlich 
allarmirt, so daß sich ein Massenkampf entspanu, 
in welchem den Ruhestörern das Handwerk geiegt 
vurden. Es ist eine ganze Anzahl von Kämpfern 
nuf heiden Seiten verwundet. Die Untersuchung 
ist bereits im Gange. 
F Der zweite deutsche Skatkongreß wird vom 
25. bis 27. Juni in Leipzig abgehalten. Die 
Preise für die dauerhaftesten und glücklichsten 
Spieler sollen 100 bis 500 Mark betragen. Das 
zus einem Regierungsrath, einem Amisrichter und 
inem Kaufmann bestehende Komitee spricht die 
hoffnung aus, daß der Aufruf zu einem neuen 
Skatkongreß „in allen das deuische Skatspiel pfle⸗ 
gjenden Kreisen einen freudigen Widerhall finden 
ind daß der neue Kongreß auf dem gelegten guten 
Zrunde zum Nutzen des edlen Spieles glüchich 
weiter bauen werde.“ Schön gesagt! 
Berlin, 13. Mai. Ein entse zzliches 
Anglück, welchem drei Menschenleben zum Opfet 
jefallen sind, ereignete sich heute Nachmittag gegen 
344 Uhr in dem nahen Weißensee. Das dort ge⸗ 
egene Pulver Laboratorium der Herren Feuerwerket 
gock und Sohn explodirte unter donnerähnlichem 
enallen, nach wenigen Sekunden erfolgte eine zweite 
und gleich darauf eine dritte Detonation. Nach 
einer Viertelstunde etwa wagten sich die ersten ve 
vohner Weißensee's heran. Hier bot sich ein ern 
etzlicher Anblick. Die beiden Söhne des obenge⸗ 
naͤnnien Feuerwerkers sowie die Frau desselben— 
velche den Söhnen gerade Vesper gebracht hatt, 
lagen verstümmelt und vollständig verkohlt todt ar 
Hemn Schuppen. Hier lag ein Kopf, dort u 
urm und an dritter Stelle“ein Bein. Rähere De— 
ails, wodurch die Explosion entstanden, feblen.