Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ausland. 
Paris, 17. Mai. Goblet überreichte Grevy 
die Demission des Kabinets. 
Paris, 17. Mai Das Mißtrauensvotum 
der Kammer gegen das seitherige Ministerium ist 
gestern ausgesprochen worden; das Kabinet Gob⸗ 
let hat seine Arbeit gethan; es kann gehen. Ob 
Boulanger mitgeht, ist noch sehr die Frage. Ein 
Blück für die ganze Welt wäre es schon. Allein 
wir glauben nicht, daß er im neuen Minifterium 
fehlen wird. Daß man sogar in Frankreich nicht 
davon abgelassen hat, diesen Friedensstörer kalt zu 
stellen, beweist folgender Artikel des ministeriellen 
„Sièecle:“ „Die Erfinder von Neuigkeiten lassen 
hrer Phantasie mehr als je am Vorabend parla⸗ 
mentarischer Kämpfe die Zügel schießen. Nicht ein⸗ 
mal den Patriotismus ehren sie, sondern verbreiten 
die widerwärtigsten Gerüchte, ohne sich darum zu 
kümmern, ob dieselben im Auslande eine Ehre 
finden und dazu beitragen könnten, unsere Bezieh—⸗ 
ungen zu den fremden Mächten zu erschweren. 
So hieß es gestern auf den Wandelgängen der 
dammern, General Boulanger hätte an Herrn 
Schnäbele eigenhändige Briefe gerichtet, welche in 
dem Prozeß vor dem Reichsgericht in Leipzig vor⸗ 
Jewiesen werden sollen. Ferner erzählte man, der 
Kriegsminister hätte zu einem Amerikaner gesagt, 
er würde Herrn v. Bismarck so lange reizen, bis 
dieser sich gezwungen sähe, Frankreich den Krieg zu er⸗ 
lären. Diese Geschichten sind genau so viel werth, 
wie die Neuigkeiten, die man über die Unterredungen 
politischer Persönlichkeiten herumbietet, welche par⸗ 
amentarische Intriguen anzetteln möchten. Es ist 
daran kein wahres Wort. Die Abgeordneten werden 
wohl daran thun, dem geheimnißvollen Gewäsch 
zu mißtrauen. Der Zweck Derer, die sich damit 
defassen, liegt offen da. Sie werden Niemand 
äuschen, nur zeigen sie ihren Patriotismus in 
zinem wunderbaren Lichte.“ — Was den Ersatz 
für das Ministerium Goblet anbelangt, so beruht 
dis jetzt alle Namensnennung auf Vermuthung. 
Hoffen darf man schon, daß das alte Sprichwort: 
„Es kommt nichts besseres nach“ nicht zum Wahr⸗ 
wort wird. 
Paris, 18. Mai. Freycinet gilt allgemein 
als künfliger Konseilpräsident. Die schwierige 
Situation läßt eine unmittelbare Erledigung der 
Krisis nicht erwarten. Die opportunistischen Kreise 
sind entschieden gegen die Uebernabme Boulangers 
in das neue Kabinet. 
Paris, 19. Mai. Rappel und Evenement 
bedauern allein den Sturz des Kabinets. Die 
teaktionäre Presse wünscht die definitive Entfernung 
Boulangers. Die Lanterne wirft den Opportunisten 
vor, das Kabinet nur gestürzt zu haben, weil sie 
Boulanger fstürzen wollten. Die übrige Presse 
schweigt fich aus. Das Journal des Debats be⸗ 
merkt, Goblet sei durch eine überwiegend gemäßigte 
Majorität gestürzt worden; danach habe sich das 
künftige Kabinet zu richten. Die Repl. franq. 
derlangt ein charaktervolles Kabinet. Die radikale 
Presse erklärt, die einzige Bedingung für die ünftige 
Regierung sei, eine energische Sparpolitik. Greby 
empfing heute, wie üblich, die ersten Präsidenten der 
Zammer und des Senats, alsdann Clemenceau, 
Ferry und Rouvier. Man glaubt allgemein, Frey⸗ 
cinet habe die meiste Aussicht, ein neues Kabinet 
zu bilden. Die Majorität gegen Goblet bestand 
aus 162 Mitgliedern der Rechten, 79 Opportunisten 
und 43 Radikalen. Fr. Zig. 
Brüssel, 17. Mai. Heute fand in der Ort⸗ 
schaft Lacroyere in der Provinz Hennegau ein 
olutiger Zusammenstoß der strikenden Arbeiter mit 
den Gendarmen statt. Zwei Arheiter wurden tödt⸗ 
lich verwundet. 
Brüssel, 18. Mai. Der Zusammenstoß 
zwischen Gensdarmen und strikenden Arbeitern 
in Lacrohere wurde dadurch herbeigeführt, daß et⸗ 
wa 1000 Strickende, unter Voranitagen von rothen 
Fahnen und Abfingen der Marseillaise, vor die 
Werkstätten zog, die dort aufgestellten Gensdarmen 
durch Pfeifen und Zischen verhöhnte und mit 
Pflastersteinen bewarf. Die Gensdarmerie bestieg 
die Pferde und trieb die Ruhestörer auseinander, 
vobei 2 Personen getödtet und mehrere leicht ver— 
wundet wurden. 
Brüssel, 18. Mai. In den Kohlengrnben 
und Bassins von Charleroi ist bisher nur in Billy 
ein Strike ausgebrochen; die übrigen Gruben 
arbeiten. Von Namur und Tournai sind hier drei 
Eskadronen Lanciers eingetroffen, wovon eine be⸗ 
reits nach Gilly abgegangen ist. Im Bassin des 
Lentrums (Mons) ist dagegen die Zunahme der 
Strikebewegung erheblich. In Mauroge, Braqueg— 
ties, Calouviere, Boisdulue, Sarlongchamps, 
honhsu, Haine, Saintpiere und Chernase ist die 
Arheit größtentheils eingestellt; in Francobelge 
eiert dreiviertel der Arbeiter; in Mari⸗mont wird 
»doch die Arheit fartoesetßt. 
kosale und pfälzische Rachrichten. 
* St. Ingbert, 20. Mai. Bei der jetzigen 
Brutzeit der Vögel wollen wir nicht verfehlen, auf 
»en 8 368 Ziffer 11 des R.Sts. G.⸗B, hinzuwei⸗ 
en, welcher lautet: Mit Geldstrafe bis zu 60 
M. oder mit Haft dis zu 14 Tagen, wird be— 
traft, wer unbefugt Eier oder Junge von jagd⸗ 
jarem Federwild oder von Singvögeln ausnimmt. 
Dieser Hinweis dürfte sich insbesondere den Eltern 
und Lehrern für die Kinder resp. Schüler empfehlen. 
* St. Ingbert, 20. Mai. Dem Jahresbericht 
»es deutschen Hülfsvereins in Paris, 
welcher der unter dem Vorsitz seines Präsi- 
denten, des Geheimen Legationsrathes von 
Reither, abgehaltenen Generalbersammlung des 
»eutschen Hülfsvereines zu Paris vorge— 
egt wurde, entnehmen wir folgende Ziffern: die 
Finnahmen pro 1886 betrugen Fr. 58,944.85 
die Ausgaben pro 1886 betrugen Fr. 50,982. 10, 
harunter für Krankenpflege Fr. 13,353 20, und 
ür Unterstützungen Fr. 28,428. Von den be— 
ahlten Vercinsärzten wurden 1,658 Patienten be⸗ 
jandelt; im Vereinslokale selbst ertheilten die ärztlichen 
Nitglieder des Vereins 1873 Kranken unentgeld⸗ 
iche Konsultationen. Der Armen, welche in ihre 
deimath befördert wurden, waren 608, was einen 
dostenaufwnand von 8095 Fr. verursachte, Noch 
derdient nachstehender Passus des Berichts beherzigt 
uind verbreitet zu werden: „So oft wir auch und 
noch in jedem Jahre unseren Warnungsruf 
zaben erschallen lassen, daß nicht so viele 
Deutsche auf's Gerathewohl, ohne eine 
»estimmte Aussicht oder Zusicherung auf 
Arbeit sich nach Paris begeben möchten 
o können wir gleichwohl nicht umhin, denselben 
auf's Neue und dringendste zu wieder— 
holen. Die gegenwärtigen Verhältnisse liegen 
hier der Art, daß es nur in einzelnen Ausnahme⸗ 
ällen solchen Leuten gelingt, Arbeit zu finden. 
die weitaus größte Mehrzahl findet sie nicht, 
ommt beinahe miittellos hier an und fällt sofort 
em Hülfsvereine zur Last. Dieser aber ist außer 
Sztande, mit seinen unzureichenden Mitteln und 
jegenüber den von allen Seiten an ihn gestellten 
Inforderungen, denselben, namentlich den zahlreichen 
ungen Leuten dieser Art, die nöhtige und erwünschte 
hzülfe zu bringen. Wir bitten daher wiederholt 
ind inständig unsere Mitglieder und Gönner und 
nsbesondere die Presse, die uns stets in so bereit— 
villiger Weise ihre freundliche Unterstützung ange⸗ 
deihen ließ, dieser dringenden Warnung erneuert 
ie möglichste Publizität geben zu wollen.“ 
— Zur Aufbringung der Mittel für den Neu⸗ 
au einer katholischen Kirche in Uffenheim (Mittel⸗ 
ranken) wurde die Vornahme einer Collecte in 
en katholischen Kirchen der Regierungsbe⸗ 
irke von Niederbahern, der Pfalz und von 
Dittelfranken genehmigt. 
— Deidesheim, 17. Mai. Der Groß— 
serzog von Baden hat dem Gutsbesitzer Emil 
zassermann-Jordan dahier das Ritterkreuz 
rster Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen 
erliehen. 
— Die Pfälz. Bahnen haben in den ersten 
Monaten von 1887 um 202,545 Mk. mehr 
ereinnahmt, als in dem gleichen Zeitraum von 
886. 
— In das Comtior der Ritterspach'schen Fab⸗ 
ik in Kirchheimbolanden wurde in der Nacht 
um Montag eingebrochen. Der Dieb mußte mit 
eerer Hand abziehen, da das Geld, welches der 
rinbrecher in einem Holzpult bermuthet haben mochte, 
m Kossenschrank untergebracht worden war. — 
Erfolgreicher operirte in derselben Nacht ein Spitz— 
zube in der Mühle zu Eisenberg. Es gelang 
—V 
Mark. baares Geld zu stehlen. 
— Mutterstadt, 16. Mai. Bezüglich der 
Diebstahlsaffaire in hiesigem Ort verdient noch er⸗ 
wähnt zu werden, daß einer der Verhafteten über 
die gestohlenen Gegenstände Listenführer war und 
ledem seinen Theil eintragen mußte; wenn der Be⸗ 
treffende seine Buchführung nicht in Ordnung hat, 
önnte er wegen Unterschlagung von den andern 
noch belastet werden. Es ist traurig,d 
ämmtlichen Verhafteten stämmige, kräftige * d 
fast alle in den dreißiger Jahren sind sann 
eicht durch ihrer Hände Arbeit ehrlich e 
önnen. unr⸗r 
Vermischtes. 
Fe Metz, 17. Mai. Schnäbele's Nachfolge— 
Bagnh, Herr Ritter, ist Elsasser und —* 
Freund des „Helden von Pagny.“ Nin 
F Metz, 17. Mai. Seit einer langen Rea 
von Jahren waren die Eier nicht so hen 
Metz, als auf dem letzten Samstags-Macke 
kostete das Dutzend 52, ja sogar nur 48 8* 
Voraussichtlich ist ein bedeutendes Steigen — 
uicht zu erwarten. Jedermann kennt di— r 
Bedeutung der Eier für bie Volksernähcung. 
diesen dilligen Preisen sind Eier vortheilhaftet 
wohlfeiler als Ochsenfleisch. In lehler den 
sich eine rationelle Hühnerzucht in Lothringen p 
gebürgert, daher die starke Eierproduction. 
F Warnung vor Grenzüberschreitung 
Der „Köln. Ztg.“ zufolge ist den Truppen d 
15. Armeekorps, insbesondere der Metzer Garnison 
aufs strengste anbefohlen worden, jede Betühnn 
der französischen Grenze mit peinlichster —* 
zu vermeiden. Außer den Officieren sind nament⸗ 
ich auch die Mannschaften, welche an —X 
Tagen in größeren oder kleineren Gruppen die um 
iegenden Schlachtfelder zu besuchen pflegten, ent 
prechend angewiesen worden. Bei einem solchen 
Besuch ist übrigens die unfreiwillige Ueberschreiuue, 
zer Grenze um so leichter möglich, als diesch 
tellenweise in ganz unregelmäßigen Linien da— 
duft und dabei das Schlachtfeld vom 16. in 
18. August 1870 mitten durchschneidet. Außa 
dem ist die Grenze in einer äußerlich oft kau 
wahrnehmbaren Weise bezeichnet. 
F Forbach, 18. Mai. In der Anstreicha⸗ 
verkstatt der Adt'schen Fabrik brach gestern 
Abend 8 Uhr Feuer aus, dessen Bewältigung ers 
nach 219 Uhr der Fabrik⸗ und Bürger⸗ Feuerweh 
jelang. Der Schaden soll ein nicht unbeträh 
icher sein. 
F München. Vor der Straflammer des 
ꝛandgerichts München J. wurde der Cigarrenfabti 
ant Karl Trunz in Ehiagen a. D. in Würkh 
emberg, welcher im Mai vor. Is. der Cigarten— 
Jeschäfts-Inhaberin Karolina Achtleitner in Ge— 
neinschaft der Lucas Mader'schen Eheleute hie 
eine schlechten, bezw. minderwerthigen Cigarren— 
'abrikate für Bremer Waare oufhängte und di 
däuferin bei einem Betrage von 2207 Mark ur 
rirca 5 bis 600 Mark schädigte, heute zu sec 
Monaten Gefängniß verurtheilt. 
fFGEGn Nürnberg) zerriß ein Geschäftsmann 
einen von ihm ausgestellten Wechsel über 10 
Mtk. als derselbe ihm zur Zahlung präsentirt wurd⸗ 
Die Strafkammer verurtheilte infolge dessen der 
Otann zu einer Gefängnißrafe von einem Monat. 
Der Rerteidiger hatte in der Verhandlung ab 
mildernden Umstand geltend zu machen versucht 
daß durch das Zerreißen des Wechsels eine Ver⸗ 
nögensschädigung nicht habe eintreten können, de 
der Betreffende so wie so keinen Wechsel zahle! 
fSaaz, 17. Mai. Infolge Wolkenbruch 
jberschwemmte der SausBach 300 Joch Hopfen- 
— 
erg werden ähnliche Verheerungen durch den Niia 
Bach gemeldet. 
F Speichern, 16. Mai. Der hiesige Kirch 
jof war gestern der „F. Z.“ zufolge der Schau— 
glatz einer entsetzlichen That. Der 56jährige Ackere 
sticolaus Wagner hatte zu seinen Angehörigen ge⸗ 
agt, er wolle zur Kirche gehen, war aber nur nach 
»em Kirchhofe gegangen und hatte fich dort mit 
inem Rafirmesser den Hals durchgeschnitten. Sein 
Zohn, welcher Verdacht geschöpft hatte und ihm 
nachgegangen war, kam eben dazu, als die grausige 
That geschehen war und der Unglückliche seine lezen 
Au 
ist die geistige Strörung die Ursoche des Selbt 
mords gewesen. 
fkFrankfurt a. M., 17. Mai. Heut 
Morgen wurden am Nadelwehr die Leichen 
zweier weiblicher Personen geländet. Die 
rine der Ertrunkenen ist die 18jährige Rosa 
Beer aus Griesheim, die andere die 1 7jährige 
Fäthchen Breier aus Oberrad. Beide Mädchen 
arbeiteten in einem Damenconfeltionsgeschäft un 
verden seit zwei Wochen vermißt. Sie waren mi