Full text: St. Ingberter Anzeiger

Petersburg, 29. Mai. Nacht der „Deut⸗ 
schen Petersburger Zeitung“ wird gegen Ende des 
Monais hier an und den ausländischen Börsen die 
Emission von Z3prozentigen Obligationen 
der „Transkaulasischen Bahngesell⸗ 
schafte im Betrage von 30 Mill. Metallrubel 
erwartet. 
Petersburg, 29. Mai. Die hiesigen Blaätter 
sind ärgerlich über die „Ausmerzung“ Boulangers 
aus der neuen die französischen MinisterKombination. 
Die ‚Nowoje Wremja“ meint, die Franzosen wür⸗ 
den diesen Fehler noch bereuen, zumal der fried⸗ 
liebende deutsche Kronprinz krank, Prinz Wilhelm 
ber ebenso kriegerisch wie antifranzösisch sei. 
Petersburg, 29. Mai. Der diesseitige 
Botschafter am Beriiner Hofe, Graf Schuwaloff, 
ist gestern hier eingetrofen 
Lokale und prreische Nachrichten. 
* Sit. Inbert, 31. Mai. Am verflossenen 
Samstag wurde zu Schnappach der frähere kgl. 
Bergmeister dahier, Herr Johann Georg Kamann, 
zu Grabe geleitet. Außer den Mitgliedern der 
hiesigen Knappschaft wohnte dem Leichenbegängnisse 
auch eine große Anzahl anderer Personen von 
Schnappach, hier und den angrenzenden preußischen 
Orten an, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu 
erweisen. Vom Jahre 1844 bis zum Jahre 1884 
war derselbe an der hiesigen Grube angestellt, zu⸗ 
erst als Obersteiger, dann als Obereinfahrer und 
zuletzt länger als ein Jahrzehnt, als Bergmeister. 
Was er in diesen Stellungen für die Entwicklung 
der hiesigen Grube mit eisernem Fleiße und rich⸗ 
tigem Verständniß geleistet hat, ist bedeutend. Seine 
Verdienste wurden ihm von höchster Stelle mit dem 
Verdienstorden vom eh. Michael J. Classe gelohnt. 
Nach seiner Pensionirung im Jahre 1884 zog er 
nach Amberg, von wo er nur wenige Tage vor 
seinem Tode zu seinen Kindern nach Schnappach 
zurückgekehrt war, um da, früher als Alle erwar⸗ 
jeten, zu sterhen. So ist ihm beschieden, auch da 
im Tode zu ruhen, wo er fast ein Menschenalter 
in Segen gewirkt. 
*Si. Ingbert, 31. Mai. Gestern Nach⸗ 
mittag zog üͤber unsere Stadt ein von Westen 
kommendes heftiges Gewitter, das von außerge— 
wöhnlich starken und lang andauernden Regen⸗ 
güssen begleitet war. Nach kurzer Zeit glichen 
einzelne Straßentheile und Höfe kleinen Seen. In 
den Stauchgärten richtete das Wasser ziemlichen 
Schaden an. Herrn Adjunkt Peters drang das⸗ 
selbe in den Hühnerstall und ertranken einige Hühner. 
In einem anderen Hause soll sogar eine Ziege er⸗ 
trunken sein. 
* St. Ingbert, 831. Mai. Mit dem 
morgigen Tage, J. Juni, tritt auf den Eisenbahnen 
der Fahrplan für den Sommerdienst in Kraft. 
Abgesehen von einer kleinen und unwesentlichen 
Aenderung — der bisher Abends 6 Uhr 38 Min. 
hier eingetroffene Zug kommt für die Folge 1 Min. 
früher, also um 6 Uhr 37 Min., hier an — bleibt 
dezüglich der Ankunfi und des Abgangs der Züge 
auf hiesiger Station alles beim Alten. 
— die Notiz über die Erwerbung des wissen⸗ 
schaftlichen Zeugnisses für den Einjathig-Frei— 
willigendienst ist dahin zu berichtigen, daß nicht 
der Besuch der zweiten Gymnafialklasse künftig ver 
langt wird, sondern lediglich nur, wie seither, der 
erfolgreiche Besuch der ersten Gymnasialklasse, daß aber 
diese erste Gymnafialklasse auch wirklich besucht 
sein muß und daher eine eiwaige Aufnahmeprüf⸗ 
ung in die zweite Gymnafialklasse, wie solche von 
Privatstudirenden schon öͤfter versucht worden ist, 
den verlangten Besuch der ersten. Gymnasialklasse 
nicht ersetzen kann, wohl aber das Reifezeugniß 
für dritte und vierte Gymnafialklasse. 
·i- Niederwürzbach, 29. Mai. Heute 
Früh wurde in der Nähe des Bahnhofes im so—⸗ 
genannten Lahnscheiderwalde dicht neben der Straße 
nach St. Ingbert die Leiche eines Mannes an 
einem Bäumchen hängend aufgefunden. Der Selbst⸗ 
mörder hatte sich an einem Halstuche aufgeknüpft 
und war, ausweislich der vorgefundenen Papiere, 
der verheirathele Mühlbursche Franz Joseph Brummer 
aus Hirschborn an der Bergstraße. — Arbeitslosig⸗ 
keit und körperliches Leiden dürften denselben wohl 
in den Tod getrieben haben. 
— Zwelibrücken, 30. Mai. Die diesjährigen 
Pferde⸗Rennen dahier sollen am Sonntag den 25. 
September auf dem Exerzierplatz stattfinden und 
um 3 Uhr ihren Anfang nehmen. 
— Zu dem aml2. Juni in Neustadt im großen 
Saalbausaale statifindenden Concerte des Stratz 
burger Mannergesangvereins sind die Mitglieder des 
ofälzischen Sängerbundes eingeladen worden. Die 
Ddirektion der pfälzischen Eisenbahnen hat diesen 
Mitgliedern überoll die Fahrpreisermäßigung von 
50 pᷣCt. zugestanden, wo mindestens 30 derselben 
den Zug benutzen. Die Mitglieder des Sänger⸗ 
hundes genießen ferner die Vergünstigung, zu dem 
Fommerse, der nach dem Concerte stattfindet, eine 
zesondere Eintrittsgebühr nicht bezahlen zu brauchen. 
— Speier, 26. Mai. Die 1. Kompagnie 
»es 2. Pionierbataislons hier vermißte seit Oktober 
1884 einen Sergeanten Georg Kollner. Heute 
stachmittag fand man zufälligerweise im hintersten 
dellergewölbe der Kaserne, innerhalb eines Bretter⸗ 
erschlages, wohin selten Jemand kommt, die gänz⸗ 
ich verweste Leiche eines Soldaten, neben welcher 
ein Dienstgewehr lag. Bei näherer Besichtigung 
tellte sich heraus, daß es die Leiche des seit 214 
Jabren vermißten Sergeanten Kollner sei. Die 
Sache klärt sich nun dahin auf. Gegen Kollner 
wurde damals im Oktober 1884 eine Untersuchung 
wegen Unterschlagung von Regiegeldern eingeleitet, 
in Folge dessen er sich im genannten Kellergewölbe 
erschossen hat. Es hieß damals allgemein, Kollner 
sei mit den veruntreuten Geldern flüchtig gegangen, 
da von demselben nichts mehr zu sehen, noch zu 
hören war Das Manco fand sich in den Kleidern 
des Unglücklichen großentheils vor. 
Vermischtes. 
Augsburg, 27. Mai. Wegen großer 
Aufträge für die deutsche Marine ließ die Spinnerei 
ind Bundweberei Pfersee 60 czechische Weber aus 
iner geschlossenen Prager Fabrik sammt dem 
Meister (Dolmetsch) für etwa 5000 M. Kosten 
ommen. Gegen die Aufnahme dieser Arbeiter 
zrotestirten die deutschen Arbeiter. Der Führer 
»er Czechen beleidigte das Nationalgefühl der 
Deutschen durch beschimpfende Aeußerungen. Darob 
instand eine große Schlägerei. Die Fabrikleitung 
zriff energisch ein, 20 Tumultuanten wurden so— 
ort entlassen. Gestern wurde in der Fabrik nur 
heilweise gearbeitet. Unter den hiefigen Arbeitern 
jerrscht große Erregung. 
fJeder deutsche Soldat, der künftig 
ins Feld zieht, wird vor dem Ausmarsch ein Ver— 
jandpäckchen erhalten, das ihn in die Lage versetzt, 
jei Verwundungen den ersten Verband selbst an— 
ulegen. Mit der Anfertigung des größten Theils 
ieser Verbandpäckchen ist eine Berliner Firma 
in der Oranienburgerstraße seitens des Kriegs⸗ 
ninisteriums betraut worden. Jedes dieser Ver—⸗ 
andpäckchen enthält eine Cambrichinde, zwei Kom⸗ 
Fressen aus entfettetem Mull und eine Sicherheits⸗ 
nadel. Diese Gegenstände sind in eine Umhüllung 
von wasserdichtem Verbandstoff eingenäht. Die 
tinden sowohl als die Kompressen werden, bevor 
ie eingenäht werden, mit einer Sublimwatlösung 
Quecksilberchlorid, das stark desinficirend wirkt) 
zetrünkt. Man kann sich einen Begriff von dem 
Imfang der Lieferung machen. wenn man erwägt, 
daß ca. 18.000 Kilo Sublimatlösung zu der be⸗ 
reffenden Inprägnirung verbraucht werden. Die 
Bestimmung der Binden und Kompressen sowohl, 
vie auch das Sublimat erfordern die groͤßte Sau⸗ 
hberkeit und Umsicht bei Anfertigung von Verband⸗ 
zäckchen. Deshalb sind auch, wie die Post berichtet, 
zie 200 Mädchen, die dieselben herstellen, mit weiß⸗ 
einenen Mänteln bekleidet, während zugleich in 
einem Vorraum zu den Arbeitssälen Reihen von 
Waschgefäßen aufgestellt sind. Für die Garderobe 
der Arbeiterinnen ist wiederum ein besonderer 
Raum bestimmt und ebenso ist ein besonderer Saal 
für sie hergerichtet, in dem sie ihr Essen einnehmen, 
da es ihnen aufs strengste verboten ist, während 
der Arbeit zu essen. Die Herstellung der Verband⸗ 
päckchen geschieht unter steter Kontrole der Militär⸗ 
verwaltung, die ein eigenes Bireau neben den 
Arbeitssälen hat, in dem der mit der Kontrolt 
beauftragte Sanitätsoffizier mit dem ihm beige— 
gebenen pharmazeutischen und militärischen Personal 
die Abnahme bewirkt. Je 10 Verbandpäckchen 
werden zusammengeschnürt und mit einer Marke 
bersehen, welche die Unterschrift des kontrolirenden 
Sanitätsoffiziers trägt. Die Versendung an die 
einzelnen Truppentheile geschiehtt von der Fabrik 
aus. Die täglich fertiggestellten Packete werden 
unter militärischer Bewachung zur Post geleitet 
Täglich werden über 15,000 solcher Verbandpäck 
hen hergestellt. 
f Aus Bruchsal wird der „R. B. g. 
colgendes saubere Histörchen bn 
Authentisch und unanfechthar klar zu erfahren n 
die Mitmenschen über einen denken, ist wohl ad 
interessant und für manchen unschätzbar werheg 
ald n Guten. dald im Schiechen, wie a 
lommt. Eine tkief eindringliche Lehre solchet 
erhielt in diesen Tagen ein von hier —E 
unger Mann, der nach mehrjähriger Abwese 
a Amerika kürzlich infolge Erbschafltsangelegenhe 
—X— 8 
und Erscheinen wirkte durchaus sensationell, nn 
die meisten Menschen hier wußten nicht Anden 
als der junge Mann sei vor einiger Zeit in Vin 
ils verurtheilter Anarchist erhäagt worden, dem— 
jatten verschiedene Blätter berichtet. Ja, sehr dien 
erklärten rückhaltslos, das hätten sie ja längst qe. 
vußt, daß wie man es treibt, auch geht, und i 
ei ja selbstverstandlich, daß es so hätte kommen 
nüssen. — Das Wahre an der Sache ist, daß da 
unge Mann — J. E. — aus sehr achtungswertho 
ind wohlhabender Bürgerfamilie entsprossen, don 
Jugend auf als heller Kopf viel Talente umd 
Heist erwies, aber einen ausgesprochenen Hang zu 
Neckereien und Schabernack besaß, die engen Schranlen 
des Philisterthums gründlich mißachtete und nach 
derzenslust über die Stränge schlug. wo ihn di 
Lust lockte. Hiedurch hat er gewiß den Seinigen 
ziel Kummer und Verdruß bereitet, viel Geld ver. 
schlagen und sich ficher geschadet, gerieth auch 
chließlich mit der Familie in Zerfall, worauf er 
aach Amerika ging, nach mancherlei Abenteuern ip 
Rewyork sich derheirathete und ein gut frequentirtes 
Basthaus gründete. Was J. E. auch begangen 
jatte, sein Leben lang ist er mit dem Strafrichter 
nicht in Konflikt gekommen und hat seine Ehre nicht 
heflekt, auch traf ihn von keinem Gerechten der 
Vorwurf der Bösartigkeit, vielmehr der einer zu 
zroßen Gutmüthigkeit und Leichtlebigkeit. — Bedentt 
man nun, daß an der ganzen Geschichte von dem 
Wiener Anarchistenprozeß, so weit er den J. E. be⸗ 
rrifft, auch nicht ein Buchstabe wahr ist, ja nicht 
einmal ein Irthum durch Namensvbverwechslung 
möglich ist, daß des Mannes Mutter um jene Zeit 
als die Schreckartikel erschienen, bereits der Auf⸗ 
lösung entgegenging und zu testiren hatte, so erräth 
sich der weitere Zusammenhang leicht. Zum Glüch 
hat sich aber die sterbende Mutter an dem Sohn 
nicht irre machen lassen und die ganze Intrigue 
durchschaut, wie das Testament bewies. 
F Im Rheine in der Nähe der bej Nekarau 
zelegenen Flußbauhütte wurde am Donnerstag früh 
eine Leiche männlichen Geschlechtes ohne Kopf, Arme 
ind Beine aufgefischt. Nach Ansicht des Leichen- 
chauers liegt dieselbe ein halbes Jahr schon im 
Wasser und glaubt derselbe, daß in Folge dessen 
fich die Körpertheile von dem Rumpf getrennt 
jaben, denn sämmiliche Theile sind aus den Gelenkb⸗ 
virbeln entfernt. Der Rumpf war noch mit einer 
halben Weste von schwarzem Tuch belleidet. 
(Während der Narkose gestorben.) 
Aus Bensheim an der Bergstraße wird mitgetheilt: 
Hier macht ein höchst betruͤbender Unfall viel von 
aäͤch reden. Eine schon ältere Frau hatte sich bei 
inem unglücklichen Sturze den Arm aus der Pfanne 
jefallen. Die Wiedereinrichtung des Armes geschah 
zurch den behandelnden Arzt unter Anwendung von 
Thloroform. Als die Operation zu Ende war, er⸗ 
zab es sich, daß die Behandelnde nicht mehr zum 
Zewußtsein zurückgebracht werden konnte. Die groß⸗ 
herz. Staatsanwaltschaft schritt alsbald ein zut Er⸗ 
nitlelung der Frage, ob hier eine Fahrläöhsfigkeit 
nsbesondere in der Richtung vorliege, daß nicht 
— wie sonst üblich — ein zweiter Arzt zur Ueber⸗ 
wachung des Betäubungsgrades zugezogen worden 
i. Die Untersuchung wird die erwuͤnschte Auß— 
larung geben. Jedenfalls mahnt der Vorfall wieder 
dringend zur Vorsicht bei der Betäubung durch 
Thloroform oder ähnliche Mittel. 
peSreslau, 26. Mai. Die Vermähr 
sung FranzvonLenbachs mit der Komtesse 
MNort ke, einer Tochter des verstorbenen Rittmeisters 
Brafen Friedrich Moltke, ist auf den 4. Juni fest 
sesehn. Die kuchliche Einfegnung der Ehe wird 
n der Breslauet Salvakorkerche staitfinden. 
Zur Verwählungsfeier werden der Feldmarf dall 
hraf Moltke Graf Perbponcher und andere 
hochgestellte Personen erwartet. 
FDie Reklame hreibt immer sonderban 
Blüthen Ein Gastwirth in der Chausseestrehe 
u Berlin läßt seit einigen Tagen im nodn 
Stadiiheil Zetlel vertheuen, duf denen der Wirh