Euren überwiegenden Einfluß in
Europaverlorenhabt.
„Wir haben überhaupt ein unglückliches Geschick
mit unsern Nachbarn: Ihr in Frankreich denkt nur
an die Vergangenheit, die Russen nur an die Zu⸗
kunft.
t allen Euren Depeschen kann man zwischen
den Zeilen lesen: „O, wenn wir nur erst einmal
wieder wären, was wir waren!“ In den Peters—
burger Noten liest man: .O, wenn wir nur schon
einmal wären, was wir sein werden!“
„Sie können begreifen, welchen Eindruck das
auf den Fürsten Bismarck hervorbeingen muß, einen
Mann, der sich weder mit der Vergangenheit noch
der Zukunft, sondern ausschließlich mit der Gegen⸗
wart beschäftigt.
„Man kann es dem Fürsten Bismarkk nicht ver⸗
zeihen, daß er auf dem Berliner Kongreß die Rolle
eines „ehrlichen Maklers“ gespielt hat. In Peters
burg wollte man einen gefälligen Freund; man hat
sich getäuscht. Und wie man Andern die Fehler
nie verzeiht, die man selbst begeht, werden Sie
die Gefühle begreifen, die man an den Ufern der
Newa nun zur Schau trägt. Dort will man eben
einen neuen Fehler begehen durch die Zurückberuf⸗
ung des Giafen Schuwalow. Der Graf liebt
Deutschland, kennt die Ideen Bismarcks; er wird
keinen Krieg bringen, es müßte denn sein, daß er
einem Drucke des Volkes weicht; denn, merken Sie,
in jenem Lande ohne Freiheit, wo der „Despo—
tismus“ herrscht, hat die öffentliche Pression die
größte Wichtigkeit und läßt die Regierung die
meisten Fehler begehen. Kein Minister — auch
der unfähigste nicht — käßt sich mit Leichtigkeit in
einen Krieg treiben, aber das Volk oder vielmehr
die Volkshefe, was liegt der daran? Das ist's
ja, was wir in unsern Beziehungen zu Euch fürch⸗
ten, daß Ihr einem solchen Druͤcke. weicht. Ihr
werdet uns bereit finden jeden Tag, aber umsons
werden wir keinen Krieg führen.
„Gehen Sie nicht zu Moltke um zu fragen,
was er zu thun gedenkt! Er spricht nicht gern;
er mißtraut den Journalisten und hat Recht. Ich
habe Ihnen gesagt, was ich sagen konnte: Legen
Sie die Gwohnheit ab, von einer „Politik des
Kanzlers“ zu sprechen und „von einem Frieden,
der gesichert ist, so lange der Kaiser lebt.“ Es
gibt nur eine Deutsche Politik und um ihr zum
Triumphe zu verhelfen, ist der Kaiser zu jedem
Opfer bereit.“
Hiermit schlossen die Ausführungen des Diplo—
maten, welche der Korrespondent des „Figaro“
ihrer Bedeutnng wegen unverkürzt und ohne Rand⸗
bemerkung wiedergegeben zu haben erklärt, — wenn
auch mit einiger Selbstverleugnung als Franzose
— was wir gerne anerkennen wollen, wie mht
minder den seinen Staatsmännern ertheilten Rath
eine kleine Reise nach Deutschland zu machen.
Eotale uno psgisce —6
(3) St. Ingbert, 83. Juni. Wie wir aus
zuverlässiger Quelle erfahren, wird der am hiesigen
Platze neu gegründete Zentrumsbverein dem—
nächst ein eigenes Blatt hier erscheinen lassen.
Eine Kaiserslauterer Druckerei soll in erster Lini⸗
bveranlaßt werden, den Druck zu übernehmen und
sollte diese sich nicht dazu bereit erklären, so wird
Herr Dr. Jäger aus Speyer den Druck besorgen,
jedoch um mit seinen eigenen Worten zu sprechen,
„nur ungern“. Ein hiesiger Buchbindermeister,
dessen Name aber noch nicht spruchreif, soll die
Erpedition übernehmen. Derselbe wird sich binnen
Kurzem nach Speyer verfügen, um sich daselbst in
der Jäger'schen Expedition in dieses Geschäft ein⸗
zuschießen. Durch das neue Zeitungsunternehmen
hofft man, einem längst gefühlten Bedürfniß Rech—⸗
nung zu tragen und dem Arbeiter höheren Lohn,
die Ruhe und Zufriedenheit und, nicht zu ver⸗
gessen, einen Fingerzeig bei den kommenden Wahlen
— Reichstags⸗, Landtags- und Stadtrathswahlen
— zu geben.
St. Ingbert, 3. Juni. Seit 1. Juni hat
die k. Gendarmerie ihre Wohnung in das Haus
des Herrn Pet. Uhl, Privatmann, Unterstadt,
verlegt.
L. Kommenden Sonniag nachmittags 2 Uhr
feiert der hiesige Diakonissenverein sein
Jahresfest durch einen Gottesdienst in der evang.
Kirche, in welchem Herr Vicar Hust von Nieder⸗
auerbach die Festpredigt halten wird. Es ist zahl⸗
reiche Betheiligung zu wünschen zur Förderung des
Interesses für diesen wichtigen Zweig christlicher
Bereinsthätiakeit.
— Dahn, 31. Mai. Auch hier und in den
umliegenden Orten macht sich die Auswanderung
nach Amerika wieder fühlbar. So sind heute früh
von hier 6 junge Leute, sowie aus Bundenthal 24
Personen, daruunter auch Verheirathete mit Familie,
ausgewandert, um jenseits des Occans ihr Glück
zu suchen. (L. A).
— Vom Glan, 31. Mai. (Pf. Pri). Gesiern
ehrte Herr Adolf Munzinger, Sohn des
herrn Bürgermeisters Munzinger von Quirnba ch,
der seit vorigem Jahre als Braumeister in Besangon
in Stellung war, wieder in seine Heimath zurück
Schon seit der letzten Reichstagswahl, besonders
aber seit dem Fall' ,Schnäbele“, soll die Erbikter—
ung gegen die Deutschen dortselbst einen so hohen
Grad erreicht haben, daß er in letzter Zeit, wenn
er sich öffentlich sehen ließ, thätlich bedroht wurde.
An die Abnehmer des Bieres in Besançon und
inderen Orten, selbst nach Paris, wurden Briefe
zerichtet, worin die Brauerei denunzirt wurde, daß
sie einen deutschen Braumeister habe, sodaß sich
Herr Munzinger entschloß, seiner eigenen Sicherheit
vegen den Staub Frankreichs von den Füßen zu
chütteln.
— Kaiserslautern, J1. Juni. Zum An—
denken an den verstorbenen Direktor der Kamm—
zarnspinnerei, Herrn Commerzienrath Jean Schön,
st in den Gartenanlagen der Kammgaruspinnerei
'in Denkmal gesetzt worden, welches am Sonntag
Morgen unter enfssprechender Feierlichkeit enthüll
wurde. Das Denkmal, eine Büste des Verstorbenen,
ist von Herrn Blaser, Bildhauer am hiesigen Ge—
verbemuseum, modellirt und in Dresden in Bronze
zegossen worden. Das Postament, auf dem die
Büste ruht, ist von Herrn Bildhauer Jausel hier⸗
elbst ausgeführt worden. (Pf. Post)
— Zum Verwalter der Kreis-Irrenanftalt
dlingenmünster wurde der erste Rechnungs
Behülfe bei der Kreis-Irrenanstalt Werneck. K.
Wunderlich ernannt.
— Dem Anscheine nach, steht dieses Jahr eine
reichliche Kirschen-⸗Ernte im Dernbacher und
Ramberger Thal in Aussicht. Trotzdem fich dort
die Kirschbäume sehr geschüttelt haben, weisen die
elben doch immer noch eine Menge Früchte auf.
— Speier, J1. Juni. Die Prüfungen an
den Seminarien der kgl. LehrerbildungsAnstalten
der Pfalz werden an den nachgenannten Terminen
abgehalten werden. J. Seminarschlußprüfung: 1)
die schriftliche Prüfung findet an beiden Ansialten
am II., 12. 14. und 15. Juli statt; 2) die
mündliche Prüfung beginnt am Seminar zu Kaisers-
autern am 18. Juli, am Seminar zu Speier am
25. Juli. II. Die Seminar-Aufnahmsprüfung
beginnt am Seminar zu Speier am 1. August.
am Seminar zu Kaiserslausern am 8. August
Hierbei wird bemerkt, daß zu den Seminarschluß⸗
prüfungen auch weibliche Schulamtszöglinge zuge—
lassen werden, welche eine seminarisische Ausbil⸗
dung nicht genossen haben, und solche, wie auch
Aspiranten, welche sich an einer der Prüfungen
hetheiligen wollen ohne ein Seminar, bezw. eine
Präparandenschule besucht zu haben, ihre Zulassungs⸗
gesuche längstens bis zum 1. Julil. J. bei der
al. Regierung einzureichen und sich über ander—
veitig entsprechend genossenen Unterricht, über sitt⸗
iiches Wohlverhalten und über ihren Gesundheits
justand auszuweisen haben. (K.)
— Aus der Pfalz. Wie die Protestanten
»er Pfalz schon öfters auf ihren Protestantenber—
instagen des Besuches von Abgeordneten aus der
Zchweiz sich erfreuten, so wird auch auf dem dies⸗
ührigen Reformfeste der Schweiz in Herisau der
Pfälzische Protestanten · Verein durch Delegirte ver⸗
reten sein und zwar durch den Herrn Pfarrer und
Districtsschulinspektor Heß von Kaiserslautern und
Herrn Oberamtsrichter Kuby von Edenkoben. (G.
Nermischtes.
Derf Würzburg, 31. Mai. Am Pfingst—
montag früh wurde im Walde bei Geroda, Bez.A.
Zrückenau, der Forstaufseher Schmitt von Seiferts
jofen, offenbar von Wilderern erschossen, aufgefunden.
Schmitt war am Abend vorher noch in Gesellschaft
Er ist verheirathet und Vater von drei Kindern.
—, Ein Opfer der Faulenbergkatastrophe. Josef
Schneller, 29 Jahre alt, Kaufmann und Safen⸗
fieder, geboren zu Donauwörth, ist heute Nacht ge⸗
dorben. Schneller war einer der Schwerverletzten
und führte seit dem Unglückstage ein qualvolles
deben, so daß der Tod eigentüch Erlosung für
»nselhen war
Am Pfingstsonntag Morgen hat die &
macherswittiwe Gachstatter in Rothenburg, s
hzei ihr in Konkubinat lebenden 80 Jahre *
-chumacher Wiatter infolge ein s gwwistendt
— Aus Württemberg wird berichtet *
zer Erbgraf Friedrich von Waldburg-⸗WolfeghewW
see auf das Erbe seiner Väter verzichtet im
in Blyenbek in Holland in den Orden der ut
eintreten wird.
r Metz, 80. Mai. Die gerichtliche Verhand
sung gegen den vormaligen Notar Gandar *
Kemilly „wegen Unterschlagung“ ist auf den
Juni angesetzt. Nach dem öffentlichen Urtheile gi
Ser hochbetagte auch geistig geschätzte Aned
mehr als Opfer der Spekulationen Anderer 9
als bewußter Vollbringer verbrecherischer —8B
Inzwischen fand vom jüngsten Montag bis gesein
unter erheblichem Andrang Schau⸗ und Kauflusige
auss dem hiesigen Stadt und Landkreise, ja bis bon
Nanch her, in Remilly die Versteigerung des be.
weglichen Inhaltes statt. Mobiliar, Bilder, Büchen
u. s. w. gingen durchweg zu hohen Preisen wig
ür eine Bronzeuhr u. a. erz'elte man 1100 M
von den Gemälden wurde das theuerste zu giß
Mk. ersteigert. Der Gesammterlös des öffentlichen
Verkaufs mag sich auf 22,000 bis 24,000 M
»elaufen. Die Versteigerung des Schlosses zu Ri
nillh, das Gandar bewohnte, sowie überhaupt der
Immobilien der Konkursmasse dürfte in 8 bis i
Wochen erfolgen Man schätzt deren Werth au
ungefär 400,000 Mk.
F Millionendiebstahl. Die Polizei haf
allen Frankfurter Hotels ein Circular zugehen lassen
in welchem auf ein flüchtiges Ehepaar mit zwei
dindern aufmerksam gemacht wird, welches die
dleinigkeit von 2 Milllonen Francs unterschlagen
haben soll.
f Ein Vater, der seine Kinder ver—
kaufte, tauchte auf dem Jahrmarkt in Erlbach
dei Markneukirchen (Sachsen) auf. Dieses Mustet
ines zivilisirten Staatsbürgers lebt in Zwota dei
lingenthal. Er verhandelte seine beiden, im Alle
von 10 und 4 Jahren stehenden Kinder an einen
Zirkusbesitzer, „weil ihm die Frau gestorben und
er der Kinder überdrüssig sei.“ Auf das Geschrei
der Kinder mischte sich die Polizei hinein, nahm
den gefähllosen Vater in Haft und übergab die
Kinder dem Gemeindevorstand.
F Nord hausen. Durch Vermittelung der
Regierung hat die hiesige Firma Tuch u. Kruse
jetzt 60,000 Stück japanesische Seidenspinnerraupen
Welche sich von Eichenblättern nähren) erhalten
und in hiesigen Landkreise gegen 40 Seidezzucht⸗
Stationen eingerichtet, um ebent. zu versuchen,
Jier einen neuen Industriezweig zu schaffen.
r Aus dem Storchleben. In Seesen am
darz bewohnte ein biederes Storchenpaar seit vielen
Jahren ein auf dem Kirchthurm erbautes Nest. Die
Ehe war anscheinend stets friedlich und glücklich
gewesen. Auch im Jahre 1885 ging alles gut,
ie Störchin legte ihre Eier und brütete fleißig.
Da kam es eines Tages zu einem heftigen Streit
wischen den Gatten, und der unhöfliche Gemahl
aiß schließlich seine schönere Hälfte und vertrieb sie
für immer aus dem Hause. Er selbst brütete die
Sier aus, zog die Jungen auf und ging mit ihnen
im Herbst fort. Im nächsten Jahre kam er wieder,
bezog die alte Wohnung, nahm aber keine neue
Gattin, sondern lebt nun schon im zweiten Jahre
alz Einsiedler.
Für das Fremdwörterbuch. Die
Wuth mancher Leute, mit Fremdwörtern um sich
zu werfen, geißelt der Sonndags-Feuilletonist der
„Bresl. Ztg.“ folgendermaßen: „Wie geht es
Ihnen, Frau Schulze?“ „Ich danke schön, Frau
Müller!“ „Ich habe mir jetzt eine Villa in Ober⸗
nigk gekauft, die ich nächstens mit meiner Tochter
beziehen werde. Vorn heraus haben wir eine schöne
Referende, hinten ein Babylon. Von der ersten
Ftagere bis zu der zweiten führt eine Lavendel⸗
treppe von barbarischem Marmor in die Hohe,
und da hat sich meine Tochter, die ja sehr schön
malt, eine kleine Artillerie eingerichiet, und da
sehen wir jeden Morgen die Herren Offiziere vor⸗
»eidestilliren. Sie müssen naͤmlich wissen, Frau
Müllern, meine Tochter leidet an zerrissenem Ner⸗
»enkostüm und ich wollte mit ihr letzthin zu einem
Professor fahren. Aber denken Sie sich nur, als
vir auf die Bahn kamen, war die Karriere schon
Jeschlossen, der Paragraph gezogen und das Vomitiv
sing ab. Na, wir nahmen uns eine Drcoschle,
ind als wir zum Professor kamen, war nur der