st. Jugherter Anzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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143.
Deutsches Reich.
München. 21. Juli. Dem Landtage sollen
ach einer Meldung der „Korr. Hoffmann“ auch
vorschlage zur Ausdehnung der Unfallbersicherung
uuf forst- und landwirthschaftliche Arbeiter unter—
reitet werden. Doch dürfte deren Berathüng ersi
gegen Ende der Sitzungen erfolgen.
Berlin, 19. Juli. Zur bulgarischen Frage
jegen neue Nachrichten nicht vor. In hiesigen
wůtischen und diplomatischen Kreisen ist wenig
hzlauben an eine Thronbesteigung des Prinzen von
doburg bemerkbar. — Die „Kreuzztg.“ bringt
inen zweiten heftigm Artikel gegen Rußland. Die
hefahr eines kriegerischen Zusammenstoßes sei nahe
erückt und daher sei es hohe Zeit, daß der deutsche
Inhaber russischer Werthe baldigst so viel
u retten sucht, als zu retten ist. Daß die
nternationale Stellung der Berliner
görse durch Rußlands Ausschließung vom deutschen
Finanzmarkt empfindlich geschädigt wird, sei richtig—
daz dürfe aber nicht hindern zu thun, was nöthig
t, denn für absehbare Zeit sei nicht mehr auf
die Wiederkehr der Freundschaft Rußland's zu
deutschland zu rechnen.
Berlin, 20. Juli. Nach den bisherigen Be⸗
timmungen wird Kaiser Wilhelm bis zum
6. August in Gastein bleiben; doch hängt der
ndgültige Beschluß von dem Befinden des Kaisers
ind dem Erfolg des Gasseiner Aufenthaltes ab.
darnach wird sich auch die Zeit und der Ort für
ie Zusammenkunft mit dem Kaiser von Oesterreich
ichten. Man nimmt hier indessen als ziemlich ge—
viß an, daß diese Begegnung in Gastein statt⸗
inden wird. Mit dieser Annahme stimmt auch
überein, daß sich Prinz Wilhelm in der erften August⸗
woche von Potsdam nach Gastein zu begeben
redenkt.
Berlin, 21. Juli. In einem Leitarükel über
oulanger und der Friede“ bemerkt die „Vossische
zeitung“: Zwischen dem Kabinet Rouvier und
houlanger bestehe hinsichtlich der Stellung zu
deutschiand nur der Unterschied des Temperamenis.
das Ziel sei dasselbe, nur die Methode sei eine
imndere. An demselben Tische, wo Minister Spuller
»n den unqualifizirbarem Ehrgeiz Boulangers
hrach, konnte auch General Davoust erklären, daß
vie Armee die Augen beständig auf die Grenze
detichtet habe. Herr Ferron, der gegenwärtige
driegsminister, ser nicht weniger rebanchedurstig ait
ein Vorgänger. Herr Spuller sollte in seinen
keden nicht vergessen, daß man vergeblich vor der
Unbetung des Triumphators warnt, wenn nicht die
duellen dieses Kultus abgegraben werden, nämlich
xt Deutschenhaß, die Reonuchelust und die Sehn⸗
ucht nach Triumphen.
Berlin, 21. Juli, abends. Es fällt auf
ß der aussische Boischafter Graf Schuwalow, der
id erf vor kurzem auf Urlaub nach Medlenburg
Agen hatte, hierher zurüdgekehtt ist und die Ver—
nutung liegt nahe, daß er eine amtliche Veranlass⸗
ang dazu hat. — Fürst Bismard wird Ende
suli bier wieder eintreffen und nach kurzem Aufent-
polt sih nach Kissingen begeben
Einer der wenigen noch lebenden großen Heer⸗
—— aus dem letzten Kriege, General der In—⸗
annnie Graf Bluͤmenthal. Kommandeur des
F Armeelorps, begeht am 30. Juli sein 60jähriges
enstsbilaum. Graf Blumenthal wird an diesem
oae 77 Jahre all.
Samstag, 23. Juli 1887.
22. Jahrg.
Ausland.
Wien, 21. Juli. Nach übereinstimmenden
Meldungen ist die Sache des Koburgers abgethan
und Bulgarien bereitet eine Unabhängigkeitserklär—
ung vor: die Wahl des Battenbergers ist unmittel—
har bevorstehend.
Brüssel, 21. Juli. Die Gährung unter der
Arbeiterbevölkerung hat schon wieder ein Attenta
jerbeigeführt. In Chatelineau hat man versucht,
das Haus des Präsidenten der Kohlen-Gesellschaft
Bouffre mit Dynamit in die Luft zu sprengen
Der angerichtete Schaden ist beträchtlich.
Paris, 19. Juli. Gestern also hat die Ab⸗
zeordnetenkammer und heute der Senat die Vor—
sage wegen der Versuchs⸗Mobilmachung eines
Armeekorps angenommen. Vergebens haben die
militärischen Fachblätter, vergebens noch gestern
der Abg. Baron Reille dringend von diesem Ver—⸗
uche abgerathen; die Furcht vor dem üblen Ein⸗
druck, welchen das Zurückziehen der Vorlage auf
das von den radikalern Wühlern verhetzte Voll
machen könnte, war stärker als politische und mili⸗
tärische Einsicht. Wir werden als) im Herbst
irgend ein Armeekorps mobil machen und auch zu⸗
ammenziehen. Handel und Wandel werden einig—
Wochen lang in der betreffenden Gegend stocken
neue Beunruhigungen ins Land getragen werden,
aber was thuts? Der gallischen Kriegslust muß
ein Opfer gebracht werden, koste es, was es wolle
Bei dem Mangel jeglichen militärischen Nutzens
jucht man vergeblich nach stichhaltigen Gründen.
Vielleicht ist dies einer, daß man eine auf das
Höchste angespannte Kriegsbereitschaft sämmtlicher
Armeekorps erzielen will. Selbstverständlich wird
doch wohl die Nummer des zu mobilisierenden
Armeekorps bis zum letzten Augenblick geheim ge⸗
halten werden, also sämmtliche Korps des Befehles
Jewärtig sein müssen. Der ganze kostspielige Ver—
such wäre also ein Sporn für das ganze fran⸗
zösische Heer. Was nun die concentration des
mobilisierten Korps betrifft, so ist sie eitel Humbug
VBon dem Kriegsbild, welches doch in die Erschei
aung gerückt werden soll, bietet sie gar nichts; de
nur ein Armeekorps Wege und Eisenbahnen benutzt
nit anderen Armeckorps aber nicht zusammenstößt
o wird die concentration lediglich den Werth von
Spaziergängen und Fahrten haben. Um darin
wirklichen Nutzen zu erzielen, müßte man daher
das ganze französische Heer versuchsweise mobili—
ãeren und auf die Eisenbahn setzen; vielleicht käme
dann nebenbei auch das dickflüssige Blut Europas
in etwas schnelleres Rollen.
Paris, 20. Juli. Die „France“ veröffent—
liicht heute einen neuen Brief aus Clermond⸗ Fer⸗
tand, der des Langen und Breiten berichtet, wie
ich Boulanger bei Kenntnißnahme des Berichts
iber die Kammersitzung vom 11. Juli, wo alle
Ubgeordneten ihn im Stiche ließen und Laifant
llein sich zu seinem Vertheidiger aufwarf, aufgereg!
jabe. Ueber den Abfall Clemenceaus sei der
Beneral besonders erbittert. Der Brief hat hier
großes Aufsehen erregt, obgleich man nicht weiß,
ob der Indtalt nicht übertrieben oder erfunden ist.
Zugleich kündet die „France“ einen weiteren Brief
über die Vorschläge zu einem Staatsstreiche an,
welche Boulanger von monarchistischen Abgeordneten
gemocht worden seien.
London, 18. Juli. Krieg den Russen!
Das heißt, zuächst den papiernen, wie er auch in
Deutschland geführt wird. Das isft die Lofung
des hiesigen Geldmarktes. Lard Rothschild kehrte
heute von einer erst am letzten Donnerstag unter—
nommenen Reise nach Deutschland hierher zurück—
Diese rait solcher Eile durchgeführte Reise erreg—
viel Aufsehen und wird mit einer Besprechung, die
Lord Rothschild über die geplante russische Anleihe
mit dem Fürsten Bismarck gehabt haben sollin
Verbindung gebracht. Hier wird die neue russische
Anleihe ebenso links liegen gelassen wie in Deutsch—
land. —
Petersburg, 20. Juli. Zufolge Zeitungs⸗
nachrichten will Prinz Ferdinand von Coburg hier⸗
her kommen. Unter anderen Umständen würde
nan sich bei Hofe sehr freuen, den hier im bestem
Andenken stehenden Prinzen zu empfangen. Wenn
jedoch der Prinz hofft, durch diesen Besuch die
russische Einwilligung zu erlangen, so verkennt er
die hiesige Stimmung. Der Czar wird niemals
einer Wahl zustimmen, die seiner Ansicht nach auf
ungesetzlicher Grundlage erfolgt ist. Man hofft
hier übrigens, wo man seit einem Jahre den Ber⸗
liner Vertrag so gern im Munde führt, noch immer
einen russischen Generalgouverneur für Bulgarien
durchsetzen zu können, der mit diesem Vertrage be⸗
kanntlich nicht vereinbar wäre.
Sofia, 20. Juli. Es geht nach der „N. N.“
das Gerücht, Slawejkow, der in der Sobranje
jegeü den Coburger und für Rußland gesprochen,
jei ermordet worden. Die schwankende Haltung
des Coburgers hat einen gänzlichen Umschwung
der Stimmung herbeigeführt. Die Tage des Mi—
nisteriums sind anscheinend gezühlt, die Rückberu⸗
zung Radoslawow's und Nikolajew's bevorstehend.
Ernste Ereignisse bereiten sich vor. Doch während
der Verhandlungen mit dem Coburger hat Major
Popow den Battenberger gebeten, zurückzukehren
Der Letztere antwortete: „Insgeheim nicht
Lo?dale und vialzische Rachrichten.
* St. Ingbert, 22. Juli. Auf gestern
Nachmittag 4 Uhr ab hatte die Gesellschaft „Har⸗
nonie“ für ihre Mitglieder im Heusser'schen Garten
eine Unterhaltung veranstaltet, die sehr gut besucht
war und aufs Angenehmste verlief. Der musikalische
Theil wurde zur allgemeinen Befriedigung ausge—
jührt von einer Abtheilung der rühmlichst bekannten
Heinitzer Bergkapelle. Die Unterhaltung setzte sich
bis in die späte Abendstunde fort.
* St. Ingbert, 22. Juli. Gesitz⸗
wechsel.) Wie wir hören, ist das in der Haupt-
straße gelegene Haus der Wittwe Langenbrunner,
in dem bisher Wirthschaft mit Herberge betrieben
wurde, durch Kauf um die Summe von 6750 *.k.
in den Besitz des Hercn Weinhändlers Heinr. Laur
ibergegangen.
** Am Nachmittag des kommenden Sonntag
findet in Hassel die Fahnenweihe des dortigen
Gesangvereins statt. Dreizehn Vereine haben ihre
Betheiligung bei diesem Feste zugesagt. Abends
wird im Saale des Herrn Bohnert ein Festball
abgehalten. Auf dem Festplatze, woselbst Nach⸗
mittags die Weihe der Fahne vollzogen wird, wird
keine Entree erhoben.
— Der Geschaftsgang in der Pfalz im Jahre
1886 war nach dem Bericht der Handels⸗ und
Gewerbekammer für die Mehrzahl der großgewerb⸗
lichen Betriebe besser als 1885, wie sich denn auch
der Großhandel befriedigt erklärte. Dagegen
nahmen die Klagen . des Kleinhandels über den
Zausirhandel und den Verkauf an Private durch
deisende zu, weßhalb die Kammer hierwegen gesetz