Full text: St. Ingberter Anzeiger

Munchen. Gegenwärtig präsentirt sich 
den Besuchern des Pollinger⸗Kellers eine seltene 
Erscheinung, nämlich ein Riese von 2,14 Mtr. mit 
einem Körpergewicht von 820 Pfund. Er heißt 
Wilhelm Otte und stammt aus Oesterreich⸗Schlefien 
aus ganz normaler Familie. Bis zu seinem 7. 
Jahre wich er nicht im Wachsthum von seinen 
Altersgenossen ab; dann fing er an, ewwas schneller 
als ein normaler Mensch zu wachsen, so daß er 
schon im 10. Jahre wegen seiner Größe die Schule 
perlassen mußte. Von seinen Schulkamertaden wurde 
er damals mit dem Spitznamen ‚Riese Goliath“ 
belegt. Darauf trat er in die Lehre, leinte das 
Metzgerhandwerk in der Stadt Breslau und meldete 
sich im Jahr 1875 bei der Festungsartillerie in 
Brünn. Er maß zu dieser Zeit erst 1, 78 Mtr. — 
eine nicht bedeutend über das normnle menschliche 
Maß hinausgehende Größe. Während seiner Mili⸗ 
särzeit nun machte sein Wachsthum euorme Fort⸗ 
schritte. Mit seiner Riesengröße ist auch eine 
Riesenkraft gepaatrt. Er vermag einen Centner mit 
ausgestrecktem Arme dreimal horizontal zu strecken 
und 150 Pfund 6— 7 Mal auf dieselbe Weise in 
die Höhe zu strecken. Als „Athict“ producirte er 
sich bereits seit mehreren Jahren im In⸗ und Aus⸗ 
lande, vor allem in Rußland und erregte allent- 
halben große Bewunderung. 
F Bamberg, 26. Juli. Der 7o0Ojaährige 
gichtleidende katholische Pfarrer Bäumel hat sich den 
Hals abgeschnitten. Das schwere körperliche Leiden 
hatte die Sinne des alten Herrn verwirrt. 
FGUlmer Münster-Loose. Infolge der 
Mittheilung, daß ein Gewinn der jüngsten Aus— 
loosung auf zwei Loose gefallen und daher eine 
Neuloosung nicht ausgeschlossen sei, erhalten die 
„M. N. N.“ von genau informirter Seite die 
Nachricht, die Ziehung sei ordnungsgemäß vor fich 
gegangen und in keiner Weise zu beanstanden. 
Allerdings befindet sich in der gedruckten Ziehungs⸗ 
liste der bewußte Fehler; da aber diese Liste nach 
der amtlich beurkundeten schriftlichen Originalliste 
hergestellt wird und letztere den Fehler nicht ent⸗ 
hält, so handelt es sich lediglich um einen Druck 
und nicht umseinen Ziehungsfehler. 
F In Oberwhil bei Waldshut schlug der 
Blitz in das Wohnhaus der Wittwe Leopold Frank 
das Haus brannte gänzlich nieder und im Schutte 
desselben fand man die verkohlten Ueberreste des 
72jährigen Wittwers Joseph Hosp. 
Würzburg, 25. Juli. Der 8gjährige 
Universitätsprofessor Dr. d. Edel, welcher im Mai 
eine Reise nach Amerika unternahm, um seinen in 
New-York lebenden Sohn zu besuchen, ist am 18. 
d. M. wieder von dort abgereist und dürfte in 
rinigen Tagen dahier eintreffen. 
FWürzburg, 26. Juli. Gestern fand die 
Vermählung des Fräulein Helene König, Tochter 
des Fabrikbesitzers Wilhelm v. König, mit Herrn 
Ingenieur Bolza, der seit 192 Jahren der Ge— 
schäftsleitung der Firma König und Bauer mit 
vorsteht, einem Sohne des früheren Reichstags— 
abgeordneten M. Bolza von Germersheim, statt 
F Studentenst reik. An der landwirthschaft⸗ 
lichen Akademie in Hohenheim bei Stuttgart ifl 
eine Art Studentenaufstand ausgebrochen. Einer 
der Studierenden, ein Russe, wurde wegen eines 
geringfügigen Vergehens ieiner nicht besonders er⸗ 
hebliche n Ausschreitung gegenüber einem untern 
Bedieusteten der Akademie) durch einen Gendarm 
der Staatsanwaltschaft überliefert, welche ihrerseits 
selbst üher diese Art des Vorgehens nicht wenig 
erstaunt gewesen sein soll. Infolge dessen haben 
von eiwa 80 Studierenden gegen 70 ihren Aus 
tritt erklärt, und zwar sofort, als kurz vor den 
bevorstehenden Prüfungen. 
f Auf dem Bahnhof in Singen wurde ein 
Uhrmacher aus Horb (Württemberg) verhaftet, der 
im Begriff war, aus der Schweiz 75 theils goldene, 
theils silberne Uhren einzuschmuggeln. Sein Ge—⸗ 
schäft in Horb wurde auf behördliches Ersuchen 
geschlossen. 
F Frankfurt a. M. Einem armen Musiker 
wurde in seiner Abwesenheit die Visline gestohlen 
Der Verzweiflung nahe über den herben Verlust 
eilte er hülfesuchend zu einem hiesigen Baron und 
bat um Unterstützung. Der wohlthötige Herr frug 
den Bittenden, der ihm sehr gefiel, ob 1000 M 
genügen würden, worauf der Musiker erwiederte: 
„Das glaube ich aber auch.“ „So, dann nehmen 
Sie den Schein und kaufen Sie sich eine schöne 
Violine', waren die letzten Worte des Barons 
Der Mußtus ginz höflich darkead davon. Als er 
nun das Haus des Wohlthäters verließ, hatte er 
bereits den 1000 Martschein verloren. Er kehrte 
sogleich zurück, fand jedoch den Schein nicht mehr. 
Der Baxon hielt Recherche und ermittelte einen 
seiner Diener als Finder Da derselbe offenbar 
die Absicht hatte, den Schein zu behalten, so wurde 
er sofort aus dem Dienst entlassen. J 
4Einerschütterndes Unglückversetzte 
die Familie des Klavierfabritanten Wilh. Günther 
„on Klein Heubach am Main in Entsetzen und 
iesste · Trauer. Drei hoffnungsvolle Söhne des 
Benannten, im Alter von 20, 18 und 14 Jahren 
‚adeten am 25. d. M. abends gegen 6 Uhr im 
Main, der jüngste derselben gerieth in eine tiefe 
Stelle, die deiden andern wollten helfen und alle 
)rei erkranken dicht an der untern Groß-Heubacher 
Steinhütte. Auf den Hilferuf eilten die Steinhauer 
herbei, einer derselben hatie den jüngsten gefaßt, 
za aber alle drei krampfhaft sich anklammerten, mußte 
er, zur eigenen Reuung, die Unglücdklichen fahren 
ossen. 
F Bingen, 27. Juli. Gestern Abend kurz 
»or 11 Uhr erschoß in Dromersheim ein aus 
Nieder · Ingelheim gebürtiger und daselbst beschaftigter 
unger Schuhmacher seine Geliebte und dann fich 
elbst. Während des ganzen Nachmittags hatte er 
n anscheinend größter Gemüthlichkeit bei dem un⸗ 
Jlücklichen jungen Mädchen und in Gefellschaft von 
deren Mutter verweilt. 
Neuwied, 24. Juli. Folgende wahre 
—X 
Daie, die vor 25 Jahren in England in einem 
Benfionat war, lernte dort einen jungen Engländer 
ennen, in den fie fich verliebte. Da auch sie dem 
Engländer gefiel, wurde schnell der Herzensbund 
zeschlossen. Die Eltern der Dame waren dagegen 
und kaum geschlossen, wurde das Verhältniß ge⸗ 
öst. Die junge Dame überwand bald ihren Schmerz 
und heirathete einen Andern, der Englaänder blieb 
ledig. Inzwischen ist die Dame Wittwe geworden. 
Der Engländer kommt zufällig hierher, fieht seine 
⸗hemalige Geliebte wieder und — verlobt sich mit 
hr. Man hatte sich viel zu erzählen, daß der 
Wittwe, der glücklichen Braut, wohl der Verstand 
illegestarden haben muß. Der Engländer schlägt 
hr vor, Alles zu veräußern und ihm das Geld 
u übergeben, damit er es in „Sicherheit“ nach 
dondon bringe, wo das Paar später wohnen sollte. 
Die Dame übergibt dann ihrem wiedergefundenen 
Beliebten 200,000 Mt. und er verspricht, nach 8 
Tagen wieder zu ihr zurückzulehren. Auf Flügeln 
der Liebe eilte sie am bestimmten Tage zur Land— 
ungsbrücke der Düsseldorfer Dampfboote, doch ihr 
Bräutigam erscheint nicht. Sie wartet mehrere 
Woche und immer noch bringt ihr Bräutigam das 
Beld in Sicherheit. Und da sage einer noch, die 
diebe sei nicht blind! 
F Vier Personen vom Blitg gestötet. 
Der „K. V.“ wird berichtet: Bei dem amdvorigen 
Freitag über Solingen und in der Umgegend 
aiedergegangenen Geritter, das stellenweise auch 
»on Hogelschlag begleitet war, wurde im nahen 
Hensburg ein Mann vom Blitz erschlagen, eine 
Frau und ein Kind verwundet und erstere gelähmt. 
Zei Lengenfeld erschlug der Blitz einen vom Felde 
hdeimkehrenden Bauer und in Siepen bei Remscheid 
sötete er eine unter dem Baume stehende Frau, in 
Lennep einen Maurer. Der fast wolkenbruchartig 
Jerabstürzende Regen richtete auf den Fluren viel⸗ 
achen Schaden an. 
In Schönwald wurde der AMAjährige ledige 
Joseph Dorer, der sich während eines Gewitters 
inter einen Baum flüchtete, vom Blitze erschlagen. 
Der bei ihm befindlich gewesene ledige Gust. 
Winterhalter, wurde vom gleichen Blitzstrahl, der 
Dorer tödtete, betäubt und ist an dem Tage, an 
dem sich das Unglück ereignete, noch nicht zum 
Bewußtsein gekommen. 
FLeipzig, 27. Juli. Das Reichsgericht 
verwarf die Revision des vom Schwurgericht Berlin 
wegen Totschlags und schweren Raubes, begangen 
an dem Kaufmann Max Kreiß-Berlin, zu lebens⸗ 
anglicher Zuchthausstrafe verurtheilten Buchhalters 
GBünzel. (Frf. 3) 
F Oberschlesische Eisenbahnbedarfs— 
BGesellschaft. Ueber den in der Nacht vom 
Sonntag zu Wontag stattgehabten Unglücksfall au 
der Friedenshuͤtte theilt der „Oberschl. Anz.“ fol⸗ 
gende Einzelheiten mit: Das gewaltige Hochofen 
verk der Friedenshütte ist in seinen Haupttheilen 
oweit das Auge reicht, ein Schutthaufen. Das 
esamm“e Kesselhaus mit seinen 23 kolossalen 
Dompfkesseln ist dem Erdboden gleich gemacht. g 
Zesselkörper sind hunderte von Metern weit 8 
geflogen, theitweise ganz, theilweise in —— 
als ob es Federbälle gewesen wären. Einen —* 
gessel im Gewicht don diell ichn 100 Centteean 
es über ein etwa 60 Fuß hohes Gebäude n 
geschleudert, daan ist dieser Koloß auf die —* 
Straße aufgeschlagen, hat dort ein großes — 
gerissen, dann aber ist er noch etwa 40 a 
weit auf ein Stallgetäude geflogen, das er n 
tich in Grund und Boden zertrümmert hat. Cenn 
schwere Eisenstücke, Millionen von Mauean 
vaben das Tertain auf reichlich 2 gilomenn 
Umkceise geradezu übersät. Bei dem in Folge n 
krplosion entstandenen Feuer find Menschen * 
»erunglückt, um so schweren Opfer hat die —— 
ion gefordert. Man zahlt bis jetzt 7 Todte und 
atwa 40 schwerer und leichter Verwundete. Uehe 
die Zahl der Vermißten kann man noch mich 
Authntisches, erfahren; die Hüttendirektion hul 
ich in tiefes Schweigen; vielleicht kann fie aug 
m Moment selbst das ganze Unheil nicht übersehen 
lleber die Ursache der Explosion war bis jtzt — 
Zuverlässiges zu ermitteln, da die Kesselwärter mi 
erunglückt sind. Es bleibt vorläufig ein Kathsel 
vie es möglich war, daß die Explosion diese Au— 
zehnung annahm und auch nicht einen einzigen 
eessel übrig ließ. Von ihrer Geschichte kennt ma 
bis jetzt nichts weiter als den entsetzlichen Krach 
der heute Nacht zwischen 12 bis 1 Uhr die Ba 
vohner von Friedenshüte und Umgegend jaäh au 
dem Schlafe weckte und aufs Tiefste erschreckt 
Es wird bebauptet, daß das Dröhnen und Krccha 
neilenweit gehört worden sei. Der Boden behh 
in dem Moment unter den Füßen und dann fotgt 
der Hagel von Steinen, Eisentheilen und Feuet 
der bald die helle Lohe aus den Arbeitshäuser 
chlagen ließ. Die Katastrophe vollzog sich in Zer 
bon 3 Sekunden. Der gesammte Schaden wird 
auf Millionen geschätzt. Im Kesselhause waren 
16 Personen thätig, diese sollen gegenwärtig nos 
ammilich fehlen. Der eine Hauptschornftein de 
ↄüttenwerks ist von oben bis unten geborsten 
Sein Einsturz muß jeden Augendlick erwarcte 
werden, wenn man ihn nicht. um weiteres Unhel 
zu vermeiden, baldigst niederlegt. Ein Glün 
hei allem Unglück ist es, daß die Explosion gerad 
in der Ruhepause von 12 bis 1 Nachts einkro 
Fine Stunde später wären 300 Menschen in der 
dochofenwerk in Thätiagkeit und Kinder des Tode 
gewesen. 
f Berlin, 26. Juli. Ein Fall von Poden 
frankung ist hier vor einigen Tagen zur amtliche 
Meldung gelangt, der unler sehr seltsamen Um 
ttänden zu Stande kam. Oer Sachbverhalt ij 
solgender: Der Schutzmann Lemke hat mehrer 
dinder, darunter ein einjähriges und ein 25 
sähriges. Der 2s jähriges Knabe Fritz ist bishe 
noch nicht geimpft worden, weil er an einem skrophu 
lösen Ausschlag leidet. Am 22. Juni wurd⸗ 
das einjährige Kind vorschriftsmäßig geimpft, urd 
war mit Kalberlymphe, und bekam auf jeden X 
bier Pocken, die sehr schön aufgingen und in gen 
normaler Weise abheilten. Als nach acht Tagen 
am 29, Juni, das Kind dem Impfarzte zur Nah 
besichtigung vorgestellt wurde, fand derselbe nicht 
Abnormes. Am 10. Juli erkrankte der ältere un 
geimpfte Bruder Fritz unter Fieberscheinungen, nad 
sinigen Tagen steute sich ein starker Hautausschle 
mit Pusteln ein, der namentlich das Gesicht urd 
den Operkörper sehr stark befiel. Der am ls 
Juli hinzugezogene Arzt Dr. M. stellte fest, den 
das Kind an den Pocken leide, aber nicht an der 
richtigen Menschenpocken, fondern an Impfpocen 
Daß die Kranitheit nur durch Anstecung erfolu 
sein konnte, stand fest, und über die Quelle di 
Ansteckung wurde Folgendes ermittelt: Die Mutte 
des Kindes hatte die Gewohnheit, jeden Morget 
zuerst das jüngere Kind zu daden und daselbe 
Zadewasser auch für das Bad des Fritz zu r 
nutzen. Auf diese Weise wurde das pogengt 
auf den Bruder übertragen, welcher wunde duu 
stellen hatte. Derselbe hat übrigens dieses Leider 
glücklich überstanden und befindet sich auf dem — 
der Besserung. Weitere Erkankungen sind an 
vorgekommen. In der arztlichen Welt erregt dien 
Fau lebhaftes Interesse, zumal eine der 
ebertragung des Pockengiftes durch das Badewah 
noch nicht beobachtet worden iß. 
ꝓ Einen Hetzog spielen wollte der — 
eines Berliner Kasehandlers. Von seinem An 
Iber war er nach Spandau gesandt worden, un