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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöͤchentlich füufmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal woͤchentlich mit Unterhaltungs
glati und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blait kostet vierteljährlich 1 .M Go einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 , einschließlich
D Zustellungsgebuhr. Die Eiurückungsgebühr fur die 40gespaltene Garmondzeile oder deren NRaum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfaͤlzischen und solchen
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 , Neklamen 30 . Bei 4maliger Einruckuna wird nur dreimaliage berechnet.
F 153.
Deutsches Reich.
Müuͤnchen, 4. Aug. Zur Errichtung don
Arbeinerkolonieen in Bayern hat der dieses Ziel
zerfolgende bayerische Verein in soe Zeit eine
— beachtenswerthe literarische Propaganda in's
Herk gesetzt; liberale und klerikale Zeitungen haben
ich einstimmig für das Bedürfniß solcher Anstalten
usgesprochen und der Ueberzeugung von ihrer
Fesprießlichkeit Ausdruck gegeben. Unrichtig ist
ber die Aeußerung einiger bezüglicher Artikel,
Iz ob die Staatsregierung Interesse fur das Zu⸗
andekommen von Ärbeiterkolonieen zu wünschen
ibrig lasse. Vielmehr ist es der Mangel thatkraf⸗
igen Interesses auf Seite der Landrathsversamm⸗
— D
Hebiete das Vorgehen der Staatsregierung erschwert
st. Der Schwerpunkt zur Erlangung öͤffentlicher
Mittel für die Errichtung von Arbeiterkolonieen
iegt im Schooße der acht Landrathäversammlungen
— I—
Veriretungen der Regierungsbezirke Anträge und
Beschlüsse zu Gunsten von Arbeiterkolonieen vor⸗
liegen, dann wird die Frage der Bewilligung von
zuschussen aus dem Zentralstaatsfonds in den
hordergrund treten.
Stuttgart, 4. August. Der „Staatsanzeiger
ur Württemberg“ meldet die Erhebung des Staats⸗
ninisters Mittnacht in den erblichen Freiherrn⸗
tand.
Straßburg, 3. August. Die Str. Post
chteibt: Den Arbeitern der durch Erlaß des Prä⸗
ekten Schnerb von Nancy plötzlich geschlossenen
zabrik der Gebrüder Weisbach in Embermenil ist
etzt durch die französische Lokalbehörde mitgetheilt
vorden, sie hätten die sofortige Aus—
veisung zu gewärtigen, falls sie nicht
nnerhalb dreier Tage den Nachweis zu liefern im
Stande seien, daß fie anderweitige Beschäftigung ge⸗
wunden. Das letztere ist unmöglich; wo und wie
ollten die rauer Hantirungen ungewohnten Leute
meiner lediglich ackerbautreibenden Gegend Be—⸗
chäftigung erhalten? Der Gewaltstreich wird also
wohl zur Ausführung gelangen, wenn nicht schleunige
dilfe durch die deutsche Regierung eintritt. Unter⸗
)essen ist auch bekannt geworden, daß die franzö⸗
ische Regierung sich zur Rechtfertigung der von ihr
angeordneten Schließung der Fabrik auf ein Gesetz
uus dem Jahre 1791 stützt. Hiernach hätten die
Bebruüder Weisbach bei Grundung der Fabrik unter⸗
assen, eine Anzeige an die Zoll-Verwaltung zu
nachen. Es verdient hierauf bemerkt zu werden,
aß der Maire des Ortes selbsi die vor Eroffnung der
Fabrik nothwendigen Formalitäten besorgt und den
Jabrikbesitzern gesagt hat, es sei alles in Ordnung
ẽs verdient ferner hervorgehoben zu werden, daß
die französische Regierung ausdrücklich die Erlaub—
iiß zur Eröffnung der Fabrik gegeben und die
ztere sechs Jahre ungehindert hat bestehen lassen.
ẽs verdient schließlich hervorgehoben zu werden,
daß französische Fabrikinspektoren den Betrieb revidirt
und in Ordnung befunden haben. Unter diesen
Umssänden erscheint die Maßregel der franzöfischen
kegierung gradezu barbarisch.
Berlin, 3. August. Der rege Verkehr, den
der preußische Gesandte bei der Curie, von Schlozer,
wvährend seines Wiener Aufenthaltes mit dem
dortigen paͤpstlichen Nuntius Galimberti unterhalten,
st nach der „Köln. Zig.“ zwar vorwiegend auf
ꝛie persönlichen freundschaftlichen Beziehungen zu—
üczuführen, welche die beiden Staatsmänner schon
eit mehreren Jahren verbinden; aber es ist nicht
Samstag, 6. August 1887.
322. Jahrg⸗
inwahrscheinlich, daß bei dieser Gelegenheit auch
noch manch Anderes zur Sprache gebracht worden
st. Herr v. Schlözer gedenkt sich hier nur kurze
Zeit aufzuhalten und sich alsbald zum Besuch seiner
zerwandien nach Lübeck zu begeben. Erst vor
einer Rückkehr nach Rom dürfte er hier einen
angeren Aufenthalt nehmen.
Berlin, 4. Aug. Das gouvernementale
Deutsche Tageblatt“ mahnt wiederholt zu Re⸗
ressiv Maßregeln gegen Frankreich und schreibt:
Man könnle fragen, ob dieses ganze Spielen mit
dem Feuer die Knochen nicht nur eines, sondern
bieler Tausender braver deutscher Soldaten werth
wäre? Wir glauben, daß es gar nicht nöthig ist,
mit der Armee in Frankreich einzurücken. Dauern
die Hetzereien fort und gesellen fich dazu noch ent⸗
prechende Maßnahmen der französischen Regierung,
jo betrachten wir die Franzosen einfach als ein
vildes, uncivilisirtes Volk — das heißt: wir rufen
die diplomatische Vertretung ab. Der Eisenbahn⸗
und Postverkehr und der Grenzverkehr wird einfach
den Anordnungen der militärischen Vorpostenlinie
unterstellt. Das Recept von 1870, die Franzosen
in ihrem eigenen Fett schmorren lassen, könnte
gegen ganz Frankreich in Anwendung gebracht
werden, welches in seinem Berkehr mit dem gesamm⸗
ten mittleren und östlichen Europa, auf den Weg
über Brüssel oder durch die Schweiz beschränkt
würde. Weisen die Franzosen unsere Landsleute
aus, so thun wir das Gleiche energisch in Deutsch⸗
and und besonders in Elsaß⸗-Lothringen. Wir
zlauben nicht, daß Deutschland schließlich dabei den
Zürzeren zieht.“
Die National ⸗-Zeitung“ schreibt zur selben
Frage: Wir glauben allerdings nicht, daß das
Jesammte Frankreich in diesen Taumel bere its
hdineingezogen ist, aber hochbedeutsam bleibt immer
in so überhitzter Zustand in den leitenden politischen
Zreisen. Die Besürchtung, daß die wilden Massen
in einem gegebenen Augenblick das Uebergewicht
dekommen und das Staatsschiff in den Strudel
hineingerissen wird, kann man nicht allen Grund
ibsprechen. Auf der anderen Seite lähmt diese
äch immer steigernde innere Unruhe, die Actions-
traft Frankreichs in allen Richtangen.
Die albernen Auslassungenfranzs—
scher Blätter über die angebliche Vergiftung
Zatkows müssen der allgemeinen Kenntnis aus⸗
ührlich zugänglich gemacht werden. „Paris“
chreibi: „Katkow ist iot. Die Deutschen können
ich beglückwünschen. Noch ein Feind der ver—
chwindet. Sie find in Wahrheit zu glücklich. Sie
ehen, einen nach dem andern, alle die sterben,
eren Einfluß oder Genie sie fürchteten, und sie
ehen sie gerade in dem Augenblicke sterben, wo sie
hnen am meisten furchtbar erschienen. Erst Sko—
Jelew, dann Gambeita, dann Chanzy und heute
datkow. So mögen sie sich denn freuen und in
hollen Zügen den Geruch des neuen Kadavers ein⸗
ithmen; er muß gut riechen; denn er hat fie
zruͤndlich verabscheut. Aber ihr mysteriöses Glück
vird nicht verhindern, daß die Ereignisse sich er—
üllen. Frankreich ist mit Gambetta nicht gestor—
den. Ebenso kann der Tod Katkows an der rus—
ischen Politik nichts ändern. Die Stärke des
Journalisten⸗-Apostels lag in der Sache, die er
zertrat, und diese Sache, die Sache des unab—
jängigen Rußlands, als eines altiven Elements
Res europäischen Gleichgewichts, ist in dem Zaren
erkörpert, der die Macht und auch den Willen
4dieselbe zum Triumph zu führen.“
In der „France“ liest man: „Katkow hatte
zegriffen, daß die französisch-russische Allianz allein
ie Weli von der Suprematie der anglo⸗sächsischen
stassen befreien kann. Und er stirbt, wie Skobelew,
nfolge einer geheimnisvollen Krankheit, die zu
nanchem Verdacht berechtigt! Dr. Potain kam
zu spät aus Paris, um ihn zu retten. Aber er
wohnte wenigstens seinen letzten Augenbliden bei
uind er wird 'uns vielleicht über die Ursache dieses
zür die Feinde Frankreichs und Rußlands so ge⸗
legenen Todes aufklären können. Ein Trost bleibt
uns, nämlich, daß Katkow mit der Ueberzeugung
tarb, daß die von ihm empfohlene Politik ange⸗
ommen ist. Der Zar und das ganze rusfische
Hoik sind die Schüler Katkow's und werden sein
Testament ausführen. Der Tod des großen rus⸗
sischen Publizisten trifft Frankreich ebenso grausam.
wie Rußland.“
Der „National“ endlich leistet folgendes: „Die
dand, welche Skobelew verräterisch ermordete, ist
dieselbe, welche Katkow getötet hat. Alle beide
wurden vergiftet. Vergiftet von wem? Derjenige
Allein, der an ihrem Tode ein Interesse hatte,
ann deuselben beschleunigt haben. Es giebt Repe
ile für ale Aufgaben und tötliches Gift für alle
zinderlichen Opfer. Katkow und Skobelew liebten
hr Land und sie liebten Frankreich, ein doppeltes
Verbrechen in den Augen des verhängnißvollen
Henies, welches, selbst der Agonie nahe, für sein
Werk zittert. Sieht es dies sein in Blut gegrün—
detes Werk schon so sehr schwanken, daß es zum
Hift, dieser Waffe der Borgia, seine Zuflucht neh⸗
men muß, um es zu stützen ?“
Ausland.
Gastein, 4. Aug. Kaiser Wilhelm besuchte
gestern Abend die Gräfin Lehndorff in der Soli—
dude und machte dann einen kurzen Spaziergang.
Heute früh nach dem Bade promenirte der Kaiser
auf dem Kaiserwege.
Wien, 83. August. Die Nachricht hiesiger
Blätter, daß der Prinz Ferdinand von Ko⸗
burg gestern schon nach Bulgarien abgereift
ist. erwäsi sich als falsch. Auch der Minister
—XXR noch einige
Tage hier verweilen.
Bern, 3. August. Schon in der nächsten
Woche erfolgt die Prüfung des Anschlusses der
alienischen an die Symplondahn seitens italienischer
Regierungsingenieure.
Genuaga, 3. Aug. Die Leichenfeier Depretis'
heranlaßt eine kleine Volkerwanderung aus allen
Richtungen Italiens nach Stradella, das seit Sonn⸗
ag wie die Nachbarstädte überfüllt ist. Letztere
emisenden zum Begcäbniß Extrazüge. Acht Bataillone
Infanterie mit Reiterei und Artillerie bezogen in
der Umgegend von Stradella Kriegsquartiere, um
bei der Beerdigung Depretis, als einem Ritter
des Anunziatenordens, die militärische Ehren zu
rweisen. Die Betheiligung der Geistlichkeit war
zestern Nachmittag noch ungewiß, ja unwahrschein⸗
ich, da Depretis, ein ausgesprochener Freidenker,
hne Religionstrost gestorben ist. Zwei Bürger
Stradella's begaben sich mit einem Briefe des
ßfarrers zum Bischof, der sich nach der eingeholten
ẽutscheidung des Vatikans richten wird. — Das
Ministerium soll heute in Mailand tagen und nach
der Beerdigung förmlich Entschlüsse über die Lösung
der Krise fassen. Die politische und diplomatischen
Zreise nehmen an, Crispi werde vorläufig das
leußere fortführen und wahrscheinlich im Herbste
digra dieses Portefeuille übertragen.