Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
zlait und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1. 60 — einschließlich Träägerlohn; durch die Post bezogen 1./4 75 , einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 4. Neklamen 80 4. Bei 4maliger Einxückung wird nur dreimalige berechnet. 
22. Jahrg. 
Deutsches Reich. 
München. Vom Landtage. Die Apanage 
»g Prinzen Luitpold von Bayern beträgt 171,429 
Pl. als Prinz⸗Regent sind ihm von der Kammer 
m 30. Juni v. J. verfassungsgemäß 382,857 
Yt. 14. Pf. (d. i. 200,000 fl.) bewilligt worden. 
has der Prinz; Regent für ein Privatvermögen be⸗ 
zt, ist uns nicht bekannt, doch ist er jetzt als 
hronfolger, wenn wir uns recht entsinnen, Nutz- 
jeßer der Sekundogenitur des verstorbenen Prinzen 
darl. Nach der Verfassung hat aber der Reichs— 
erweser auch das Recht, die Bestreitung seines 
Interhaltes aus der Staatskasse zu fordern, ein 
decht, auf das der Prinzregent im vorigen Jahre 
edingungsweise verzichtet hat, indem man 
onsequenter Weise die Kosten der Stellvertretung 
uf Rechnung desjenigen setzte, dessen Gesundheits— 
ustand diese Stellvertretung nöthig machte. Da 
un aber die k. Kabinetskasse ziemlich hoch mit 
zchulden belastet ist, so scheint dieselbe für Repräsen— 
mion des Prinzregenten ⁊c. nicht mehr recht zuzu⸗ 
eichen und wie jetzt verlautet, wird man nun doch 
om Landtag die verfassungsmäßigen Gebühren zur 
zestreitung des Unterhalts des Reichsverwesers 
erlangen und wird wahrscheinlich dem nächsten 
andtag eine diesbezügliche Vorlage zugehen. 
München, 10. August. Der Kronprimz 
»Deutschen Reichs wird, wie die vorjäh⸗ 
qgen, so auch die diesjährigen Herbstmanöver der 
ahyerischen Armee besuchen. Die näheren Dispo⸗— 
tionen werden nach der Ende des Monats er⸗ 
lgenden Rückkehr des Kronprinzen nach Berlin 
ereinbart werden. 
Berlin, 10. August. Die Nachricht des „N. 
diener Tagbl.“, daß sich das Befinden unseres 
ronprinzen verschlechtert habe und eine aber⸗ 
alige Operation nothwendig würde, bestätigt 
ich glücklicherweise nicht. Dem zBerl. 
igbl.“ depeschirt man nämlich aus London, daß 
ie beunruhigende Nachricht vouͤständig der Begründ⸗ 
ing enibebre 
Ausland. 
Wien, 11. Aug. Die Proklamation des 
tinzen von Coburg an die Bulgaren führt nach 
er „Fr. Ztg.“ aus, daß er mit der Annahme 
et Wahl gezaudert habe, weil er Alles daran 
hen wollte, um die Zustimmung der Mächte zu 
elommen. Sein Bestreben sei jedoch nicht erfolg⸗ 
— gewesen, so daß er ohne Zustimmung der 
Vachte komme. Nun wolle er mit Bulgarien 
Ues theilen, was die Zukunft in ihrem Schooße 
erge. Er wolle die Bulgaren den Segnungen 
er Civilisation entgegenführen. Heilig sei ihm 
et Wille des Volkeswelches dasselbe stets zum 
Aege geführt habe. Dieser Wille solle nun auch 
er seinige sein und er hoffe, das Volk werde ihn 
ntertüten. — An den Suitan richtete der Prim 
ine Depesche voller Ergebenheit. In derselben heißt 
Ich theile der hohen Pforte mit, daß ich die 
dahl der bulgarischen Sobranje annehme und heute 
q Boden Bulgariens betreten werde. Ich hoffe, 
* dieser Schrut den Wünschen und Imenfiouen 
. Majestät begegnen werden. Ew.WMjestat 
7— überzeugt davon sein, daß ich das bulgatifche 
I mit großer Gerechtigkeilsliebe regieren und 
e Confeffionen als gleichberechlig deilen lassen 
ord⸗ 
Wien, 11. August. Der Prinz Ferdi— 
Id von Koburg ist gestern Abend um 11 
n in Orsowa eingetroffen. Er reiste noch in 
—X 
py 
Luremburg, 9. August. Die „Luxem⸗ 
hurger Zeitung“, das Hauptorgan des Großherzog⸗ 
thums, veröffentlicht nach einem Telegramm der 
„K. Z.“ einen Artikel, in welchem erklärt wird, 
daß die Nachfolgeberechtigung des Herzogs Adolfj 
»on Nassau unbestreitbar und unbestritten sei 
ind daß die Luxemburger sich folglich wegen ihrer 
zukunft nicht beunruhigten. Der Artikel wendet 
ich besonders gegen das „Journal de Brurelles“, 
oelches auf eine stille Opposition der Luxemburger 
jegen die künftige Herrschaft auf das lutherische 
zekenntniß des Herzogs und auf die unabweis— 
varen Kosten eines besonderen Hofes anspielte. 
ie „Luxemburger Zeitung weist diese Einflüster— 
ingen als perfid zurück und beschuldigt die belgischen 
Iffiziösen, dieselben angeregt zu haben. Ein anderes 
ßrüsseler Blatt hatte von dem Verlangen zahlreicher 
duxemburger gesprochen, zu Belgien gehören zu 
»ürfen. Auch diese Voraussetzung wird nachdrück⸗ 
ich abgewiesen. Die Luxembuiger seien weiter 
orgeschritten als die Belgier und unter dem Zoll⸗ 
»erein glücklicher als diese, sowohl in wirthschaft— 
icher als in sozialer und religiöser Beziehung; 
venn sie sich Sympathien für die Belgier bewahrt 
ätten, so seien das persönliche und nicht politische 
5ympathien. „Unter der alten, wie unter der neuen 
derrschaft wollen wir bleiben, was wir sind.“ 
Paris, 11. Aug. Hier ist das Gerücht ver⸗ 
zreitet, der russische Botschaster Baron Mohrenheim 
verde in einem Seebad bei Boulogne mit Salis⸗ 
jury zusammentreffen. — „Gaulois“ verzeichnet 
ein Interview mit einem fremden Diplomaten, 
wonach die Abreise des Prinzen von Coburg die 
Wahrscheinlichkeit eines Krieges auf dem Balkan 
vr dem nächsten Frühjahr bedeute 
Deutschland und Frankreich. 
Die Organe der raditalen Schreier in Paris 
zreifen jetzt die Regierung heftig an, weil dieselbe 
die Schließung der Weisbach'schen Puppenfabrik 
n Embermenil auf drei Monate hinausgeschoben 
at. Die chauvinistische Presse verlangt die ge⸗ 
aueste Untersuchung aller an der Grenze errich— 
eten deutschen Fabriken unter dem durchsichtigen 
Vorwande, daß diese lediglich dem Schmuqael 
ienen. 
Um so bemerkenswerther erscheint gegenwärtig 
ine Auslassung des „Gaulois“, in welchem die 
Politik der gegenseitigen Nadelstiche“ einer scharfen 
dritik, die aber beiden Theilen in gleicher Weise 
jegegnet, unterzogen wird. 
Es heißt darin: 
„Wollen die Beamten an der deuisch⸗franzb⸗ 
ischen Grenze sowohl auf deutschem als auf fran⸗ 
bsischem Gebiete, die untergeordnete Stellungen 
ekleiden, sich endlich dazu bequemen, uns in Ruͤhe 
u lassen? Vorgestern haben wir irgend eine 
JZuppenfabrik an der Grenze geschlossen, gestern 
jaben die Deutschen 38 französische Eisenbahn⸗ 
earate ausgewiesen, die auf der andern Seite der 
Brenze wohnten. Ich bin überzeugt, daß die 
ranzösischen Beamten nur von ihrem Rechte Ge⸗ 
zrauch machten, wenn sie die Puppen versiegelten 
und die Gebrüder Weisbach wie ein ganz gewöhn⸗ 
iches Klofter behandelten; ich gebe auch zu, daß 
die deutschen Beamten in ihrem Rechte find, wenn 
ie die 88 französischen Angestellten ausweisen, aber 
ch frage mich, wohin es führen soll, wenn solche 
leinliche Belästigungen von beiden Seiten ausgeübt 
nerden und wenn der Krieg der Repressalien un— 
nterhrochen fortgesetzt wird“ 
Bekanntlich hat man sich diese oder doch eine 
ihnliche Frage auch in Deuischland schon oft vor—⸗ 
zelegt und man ist etwa zu derselben Antwort ge⸗ 
ommen, zu der auch der „Gaulouis“ gelangt: 
„Alles das wird ein schlechtes Ende nehmen, 
menn man nicht bald Aenderung schafft. Man 
vird sicherlich nicht Millionen Soldaten aus Anlaß 
eines einzelnen dieser kleinen Streitfälle mobil 
machen, aber in ihrer Gesammtheit werden sie ge⸗ 
ährlich und wirken wie Nadelstiche, die einzeln 
eicht erträglich sind, zusammen aher eine schwere 
Wunde' bilden.“ 
Es ist bedauerlich, daß diese Ueberzeugung 
iich so spät Bahn bricht, und noch mehr, daß sie 
veit entfernt ist, allgemein getheilt zu werden. 
Was übrigens das vom „Gaulois“, angenommene 
„beiderseitige“ Verschulden an der heutigen Lage 
inlangt, so muß bemerkt werden, Hdaß diese Auf⸗ 
assung in den Augen der meisten Franzosen das 
»enkdar größte Zugeständniß enthält,, da sie fast 
Alle der Anficht sind, daß die gesammte Lage ein 
Ergebniß der deutschen Herausforderung sei. Sie 
ehen nur immer das, was ihnen von deuischer 
Seite entgegengehalten wird, niemals aber das, 
pas sie selbst thun; zum mindesten aber stellen 
ie die Sache so dar, als ob sie nie etwas Anderes 
häten, als auf eine Herausforderung antworten. 
Ihr Hauptbeweis für ihre eigene Unschuld ist fol⸗ 
zender: Erst seit etwa einem halben Jahre treten 
ins die Deutschen schroffer gegenüber; da wir 
iber gerade in dieser Zeit nichts Anderes gethan 
jaben, als in den verflossenen fünfzehn Jahren, 
die Deutschland keinen Anlaß zu besonderer Klage 
jaben, so ist es klar, daß der böse Wille auf 
Seiten der Deutschen ist. Es ist fast unnöthig, 
)aß Fadenscheinige dieser Beweisführung nachzu— 
veisen. Eigentlich wird durch sie nur gezeigt, daß 
Deutschland fich das Revanche ; Unwesen schon viel 
u lange gefallen ließ, ohne dagegen Einspruch zu 
rheben; im Uebrigen wird sich aber das gegen⸗ 
wärtige deutsche Berhalten am besten als die end⸗ 
ose Folge zahlloser Nadelstiche erklären lassen, 
deren Wirkung der „Gaulois“ in dem angezogenen 
Artikel ganz richtig geschildert hat. 
Zur Pariser Weltausstellung wird 
zemeldet, daß im französischen Auswärtigen Amte 
ein Rundschreiben an die Mächte vorbereitet werde, 
velches die Vortheile für jene Aussteller, die auch 
ohne amtliche Vermittlung an der Ausstellung theil— 
nehmen wollen, hervorhebt. Hierzu bemerkt die 
„Post“: „Wir brauchen das Rundschreiben nicht 
zu kennen, um demselben entgegenzutreten; wir 
zlauben nicht, daß damit etwas anderes bezweckt 
verde, als französische Vortheile wahrzunehmen. 
ks ist den Franzosen geradezu zur Pflicht gemacht 
worden, deutsche Interessen im Bereiche des Mög— 
lichen zu schädigen, und es würde wie Hohn 
lingen, wenn man sie sagen hoͤrte, sie wollten den 
eutschen Ausstellern Vortheile bieten. Aher selbst. 
venn es sich nicht um leere Worte handelte, so 
nüßte jede deutsche Betheiligung an der franzö— 
ischen Ausstellung ausgeschlossen sein. Ein Land, 
dessen gesammte Presse am Grabe eines Deutschen⸗ 
eindes Frankreichs Theilnahme ausdrückte, einfach 
veil der Verstorbene ein Feind der Deutschen war; 
in Land, dessen Kammerpräsidenten und Minister 
hren Kredit durch nichts Besseres zu befestigen 
vifsen, als dadurch, daß sie deutschfeindliche Reden 
alten; ein Land, in dem jeder Deutschsprechende 
er Gefahr ausgesetzt ist, vom patriotischen Pöbel 
isuültirt zu werden. ein solches Land muß daranf