die Augen geössfnet. Wir wagten die
Nevanche zu erhoffen, jetzt erwarten
wir sie mit Ungeduld.“
Die Zeitung „Paris“ ist mit dem Revanche⸗
Toast des Deputiren Calos von der Haute Garonne
höchst unzufrieden. „Paris“ meint derselbe habe
sich stark verrannnt, einen vollständigen Mangel des
Maßhaltens gezeigt, und die Reserve vergessen, die
ihm sein Mandat auferlegte: „Die Revanche“,
so schreibt Paris, „sind wir Alle sicher, einst zu
haben, aber es ist ein Fehler zu sagen, daß man
diese Revanche mit Ungeduld erwarte. Es ist dies
eine wenig würdige Provokation. Verlieren wir
unser kaltes Blut nicht. Arbeiten wir daran, unsere
militärische Rüstung noch immer mehr zu vervoll⸗
kommen. Halten wir uns bereit und überlassen
wir es „der sicheren Gerechtigkeit der Dinge“, die
nothwendige Stunde zu bezeichnen, wo Frankreich,
im Gefühle seines Rechtes und seiner Kraft handeln
wird — ohne zu schwatzen.“
Die übrigen Abendblätter beschäftigen sich mit
dem Toaste des Herrn Calès nicht. Sie bringen
vielmehr meistens nur die kurze Havas⸗Depesche
darüber in welcher alle jene obigen Aus⸗
lassungen über die Revanche sorfältig
ausgemerzt find.
Paris, 14. Sept. Der Schluß der Mobil⸗
machung wurde durch ein Feslessen in Villefranche
gefeiert, bei welchem Generchk Breart die erzielten
Erfolge hervorhob und mit folgenden Worten schloß:
„Wir find bereit und warten.“ Cales, Bürger⸗
meister von Villefranche, erwiderte hierauf: „Ich
trinke auf das Wohl des französischen Heeres,
die hoͤchste Hoffnung des Vaterlandes, die uns
Revanche geben wird und muß. Zweifel bestehen
nicht mehr; Sie haben uns die Augen geöffnet.
Wir wagten auf Revanche zu hoffen, aber jetzt
erwarten wir fie mit Ungeduld.“
Paris, 14. Sept. Der Graf von Paris wird
norgen ein großes Manifest unter dem Titel
„Instruktionen des Grafen von Paris an die Re—
präsentanten der monarchistischen Partei in Frank⸗
reich“ etlassen. Das Manifest beginnt mit einem
Lobe der Monarchisten in der Kammer, deren Auf⸗
opferung die scheinbare Ruhe verdankt werde. „Doch
die Monarchisten im Lande haben andere Pflichten,
sie müssen dem Lande beweisen, daß die Monarchie
ihm notwendig ist. Die Monarchisten werden aber
nie eine gewaltsame Umwälzung unternehmen, nur
wenn solche durch die Schuld der Republikaner
eintritt, werden sie sich als Retter darbieten. Die
Monarchie wird keinen Rückschritt in den öffent⸗
lichen Freiheiten bedeuten; sie kann sowohl durch
ein Votum des Parlaments, als durch ein Plebiscit
eingesetzt werden. Das allgemeine Stimmrecht für
die Kammer beibehalten werden, der Senat wird
in seiner Mehrheit aus den Wahlen hervorgehen,
stammer und Senat werden gleiche Rechte haben.
Das Budget soll gesetzlich normiert werden. Die
Monarchie wird Frankreich im Auslande Allianzen
gewinnen, sie wird die Finanzen herstellen, den Ge⸗
meinden die Initiative in Schulsachen zurückgeben
und auf religösem Gebiet wahre Toleranz üben.
Sie wird die Armee den Schwankungen der Politik
entziehen und dadurch kräftigen, das Los der Ar⸗
beiter verbessern, den ländlichen Gemeinden, die
Wahl der Maires lassen und gegen die befiegten
Parteien Großmut üben. Mögen alle wahren Pat⸗
rioten die Bemuhungen des künftigen Königs und
ersten Dieners Frankreichs unterstützen!“4 Die
Anerkennung des Plebiscits gilt als wichtigste
Stelle dieses Manifestes, weil sie eine Konzession
an die Bonapartisten ist.
Man zeigt sich in Petersburg sehr befriedigt
darüber, daß Fürst Bismarck das Schieds⸗
richteramt, wie man es dort zu nennen beliebt,
nicht annimmt. Die „Novoje Wremja“ spricht die
naive Ansicht aus, es sei dies eine Folge der all⸗
gemeinen Unzufriedenheit, die sich in Ruß⸗
land kundgab, als die Nachricht über die deutsche
Schiedsrichterschafts auftauchte. Diese Unzufrieden⸗
heit sei Bismarck nicht verborgen geblieben. Dirse
Wunderlichkeit dürfte dem Fürsten Bismard wohl
ein ironisches Lächeln abgewinnen. —
Die Ausweisungen nehmen seit den letzten
Tagen wieder eine bedenkliche Höhe an. Seit
Mittwoch sind in Warschau 50 christliche, 25 israe⸗
litische Familien, 32 israelitische Jungleute, alles
deutsche Unterthanen, ausgewiesen worden. Massen⸗
ausweisungen werden in den nächsten Tagen er⸗
warteft *
Schwurgericht der Pfalz.
ILI. Quartal 1887.
Zweibrücken, 13. Sept., Vormittags 8
Uhr. Verhandlung gegen Wilhelm Noll, 27 Jahre
alt, Hausirhändler von Karlsberg, wegen Sitt⸗
lichkeitsberbrechens. — Dem Angeklagten liegt zur
Last, ein Verbrechen im Sinne des 8177 in Ver⸗
bindung mit 8 48 des R.⸗St.⸗G.⸗B., begangen
am 25. Mai d. J. in der Wohnung der Zeugin
M. zu Heltersweiler. Die Geschworenen sprachen
den Angeklagten eines Verbrechens in Gemäßheit
des 8 176 Ziff. 1 des R.St.»G.⸗B. schuldig,
unter Annahme mildernder Umstände, worauf der
Berichthof denselben zu einer Gefängnißstrafe von
1 Jahre verurtheilte. ———
Zweibrücken, 13. Sept., Nachmittags 8
Uhr. Verhandlung gegen Barbara Böshaar,
19 Jahre alt, Dienstmagd von Großkarlbach,
wegen Mordversuchh.
Die Anklage basirt auf Folgendem: Die Bös—
haar ist geboren am 15. Juni 1868 zu Reuschbach,
obwohl ihre Erziehung eine mehr als dürftige war;
virkte der Besuch der Volksschule so einflußreich
auf fie, daß ihr der betreffende Lehrer ein in jeder
Hinsicht höchst zufriedenstellendes Zeugniß gab.
Nachdem die Angeklagte nach ihrer Entlafsung aus
der Schule zuerst zur großen Zufriedenheit ihrer
Herrschaft in Dienst gewesen, mußte ihr schon bold
das Zeugniß ausgestellt werden, daß sie eine un⸗
folgsame verlogene Person sei. Zuletzt stand fie
bei dem Oekonomen R. in Großkarlbach in Diensten
zugleich mit einem gewissen Hechmann, der als
snecht von R. gedungen war. Mit diesem unter—
hdielt die Böshaar ein Liebesoerhältniß, während fie
zu derselben Zeit in Beziehungen stand zu einem
gewissen B. in Großkarlbach. Letzterer sah sich
nun durch verschiedene Gerüchte, die Heckmann über
den Charakter der Böshaar in Umlauf brachte, ver⸗
inlaßt, dieselbe in ernstes Verhör zu nehmen, wel—⸗
hes am 1. August abhin bei der Dienstherrschaft
»er Böshaar statifinden sollte. Letztere konnte fich
eicht vorher sagen, daß dieses Verhör kaum zu
hren Gunsten ausfallen werde und kam daher
heils aus Rache und Aergerniß, theils geleitet von
der Abficht, den sie verrathenden Mund stumm
zu machen, auf den Gedanken, den Heckmann aus
her Welt zu schaffen. Zu diesem Behufe goß sie
aus einem Gläschen, das Vitriol enthielt, am 29.
Juli, des Abends zwischen 8 und 9 Uhr, eine
Quantität in den Wein, der dem Dienstknecht Heck⸗
nann zum Nachtessen verabreicht war. Das Vitriol
jatte sie am 24. Juli zuvor in der Apotheke zu
Brünstadt im Auftrage ihrer Dienstherrschaft zum
Beschirrputzen gekauft. Heckmann, wegen der tief ⸗
jelben Farbe des Weines der Meinung, es sei ihm
jeute, wie schon öfters vorher, eine bessere Qualität
erabreicht, that einen kräftigen Zug aus dem Glase,
pürte aber sofort, wie ihm Zunge, Gaumen und
—„peiseröhre bis in den Magen brannten, spie aus,
vas er noch im Munde hatte und trank gierig
Milch und Wasser zur Linderung der Schmerzen
sinunter. Die Angeklagte, die sofort in Verdach
ham, dem Weine Vitriol beigemischt zu haben
zestand dies nach anfänglichem Leugnen ein und
viederholte dieses Geständniß bei ihren späteren
Berhören, wobei sie ausdrücklich zugab, sie habe
den Heckmann tödten wollen. Heute giebt sie die
That zu, will aber ohne Ueberlegung unter dem
Drucke von Zorn und Rachsucht gehandelt haben.
Der vernommene Experte äußerte sich dahin, daß
die don der Angeklagten angewendete Dosis Vitriol
wohl allein, nicht aber in dieser Mischung mit
Wein im Stande gewesen, ein Menschenleben rasch
zu vernichten, hingegen ganz geeignet sei, schwere
Erkrankungen und den Keim eines frühzeitigen
Todes herbeizuführen.
Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage,
worauf der Schwurgerichtshof die Angeklagte wegen
Mordversuch mit Rücksicht auf die Schwere der
That zu einer Zuchthausfirafe von 7 Jahren ver⸗
urtbeilte.
Lokale und pfoͤlzische Nachrichten.
— Kaiserslautern, 14. Sept. Die hie—⸗
ige Aktiengießerei, welche mit einem Kapital von
100,000 Mk. Aktien und 200,000 Mt. Obliga—
ionen arbeitet, schließt das abgelaufene Geschäfts⸗
ahr mit einem Verlust von 702 Mk. ab; dazu
ommen noch 18,384 Mk. Abschreibungen, so daß
fich die mit 19,045 Mk. übernommene Unterbilanz
auf 38,131 Mt. erhöht.
— Zum ersten Male wird der Dür Eheime;,
Wurstmarkt nicht mit dem Zweibrüg
Pfer derlennen zusammenfallen. Während unen
um 25. ds. Mtis. stattfindet, beginnt der *
markt am Sonntag den 2 Oktober. Es ig r
eine Neuerung, die sich zweifellos aus mannigsagh
Bründen bewähren wird. w
— Grünstadt. Graf Karl Emich zu vi
aingen -Westerburg hat der Stadt aus sein
Familien⸗Archiv werthvolles Material zur Geschige
der Stadt zum Geschenk gemacht.
—Aus Rheinbahern, 13. September
Hopfen. Das Geschäft gestaltete sich mit Rig.
sicht auf die auswärtigen Meldungen vom Steigen
der Preise lebhaft. Der Centner wurde seither
Bergzabern mit 60- 70 75 - 80- 85 Mt. .
zahlt. Kapsweier erzielte 60-65 -70 Mt. und
Dammheim 80--85 Mi. In benach barten Otu
wurde z. B. in Weißenburg 80 Mark und
—AV
zahlt. Die Verkäufer zeigen sich vielfach zurüd—
haltend, höhere Preise erwartend. — In Nürg—
»derg kostete Markthopfen prima Mark 80-90
Marklhopfen sekunda Mi. 70 —78, Aschgründer M'
30 -90, Hallertauer prima Mk. 90 — 105, Halla.
auer sekunda Ml. 75 —85, Württemberger prime
Mt. 90- 110, —XX sekunda Mk. 73
is 85, Badische prima Mt. 90- 105, Badische
ekunda Mk. 75 — 85, Posener prima Mk. 90 -95
xlsässer prima Mk. 802. 90. (GK. 3)
Vermischtes.
F Saarbrücken, 13. Sept. Wie man
der „S. Z.“ als ficher mittheilt, ist in einem der
Weinberge zu Kleinblitterdorf ein Reblausherd ent—
deckt worden. Infolge dessen wurde die Untersuchung
ämmilicher Weinberge in unserer Nähe angeordne
und werden die umfassendsten Maßregeln zur Ver—
nichtung der von dem verderblichen Insekt befallener
Reben getroffen.
7Dachau, 12. Sept. In der von der
Münchener Gästen mit besonderer Vorliebe besuchte
Höhrhammer'schen Bierbrauerei wurden gestern ver
kauft: 2100 Wuürste, 120 Pfund Ochsenfleisch,
288 Pfund Kalbfleisch, 94 Pfund Schweinefleisch,
28 Gänse, 16 Enten und 95 junge Hühner.
F Stuttgart, 7. Sept. (ullgemeiner
Deutscher Versicherungs; Verein.) Im Monat Auguß—
1887 wurden 327 Schadenfälle angemeldet und
276 äußere Verletzungen und 581 innerliche Er⸗
rankungen. Von den Unfällen hatten 1 der
jofortigen Tod und 28 eine gänzliche oder theil—
weise Invalidität der Verletzten zur Folge. Von
den Mitgliedern der Sterbekasse ftarben in diesem
Monat 27. Neu abgeschlossen wurden im Monat
August 1353 Versicherungen über 6912 Personen.
Alle vor dem 1. Mai 1887 eingetretenen Schäden
inkl. der Todes- und Invaliditätsfäli⸗-sind bis
auf die von 27 noch nicht genesenen Personen voll⸗
tändig reguliert.
— Wahnsinnig geworden ist i
Frankfurt a. M. eine Frau, welche bei dem ge—⸗
zeflüchteten Bankier Schwahn ihr Vermögen vor
etwa 40 000 Mark deponiert hatte. das nun ver⸗
(oren ist.
7 Mainz, 13. Sept. Ein aufregender Vor
'all spielte fich heute früh dahier im Hotel zun
„Mainzer Hof“ ab. Schon vor 5 Uhr an erschien
wiederholt auf der Fensterbrüstung des dritten
Stockwerks ein gestern zugereister Fremder, hielt
Reden und warf Zimmergegenstände aller Ar
hinunter, wo eine immer größer werdende Zuschauer—
menge sich ansammelte und den offenbar Geistes
gestörten betrachtete. Dieser setzte sein Treiben biß
gegen 8 Uhr fort und war nicht zu bewegen, den
gefährlichen Platz zu verlafsen. Als man endlich
durch Sprengung der Thüre mit Gewalt seinei
habhaft zu werden versuchte, sprang er auf die
Straße hinab in dem Augenblick, als ein Sprung⸗
such zur Stelle kam. Schwerverletzt verstarb er
auf dem Transport zum Hospital. Der Unglüchlicht
soll Fritz Möhler heißen, Waarenagent aus Franb-
jurt a. M. sein. Er habe an Verfolgungswabn⸗
iinn gelitten.
aus dem Rheingau, 12. Sept. Fin
Jager und Jagdliebhaber dürfte folgende Mittheil—
ung. die kein Jagerlatein ist, sondern auf Thatsachen
beruht, von Inleresse sein. Im Johannisbergen
Feld wurde dvor einigen Tagen ein Wildschwein
Bache) geschossen, das sechs Frischlinge bei sich
frug: Da das Rauschen der Wildschweine in der
Regel im Herbst, das Frischen aber im Frühjahr
fatifindet. bildet der vorliegende Fall eine Aus⸗