Full text: St. Ingberter Anzeiger

die Jagd hatte soeben begonnen, als drei Schüsse 
rachten. Der Jagdbesitzer eilte herbei und fand 
einen Jagdgehülfen als Leiche, während dem Lieutenant 
das Schenkelbein zerschmettert war. Die Schüsse 
kamen von deutschem Gebiete, es war aber Niemand 
zu sehen. Die herbeigerufenen Aerzte erklärten, 
die Schüsse rührten von Kriegswaffen her. Das 
Bericht von Saint⸗Dié hat sofort die Unter⸗ 
suchung eingeleitet. Das Bein des Lieutenants 
mnuß abgenommen werden. Die Aufregung in 
der Grenzgemeinde ist groß.“ In einer 
Nachricht bemerkt der Temps: „Nach ein- 
gezogenen Erkundigungen ist die Thatsache voll⸗ 
ändig richtig, nur die Einzelheiten bedürfen noch 
der Bestätigung. Die Schüsse scheinen von deutschen 
Brenzwächtern abgefeuert zu sein.“ 
Raon-sur⸗Plaine liegt an der Straße von 
Raon⸗l' Etape nach Schirmeck, 5— 6 Km. westlich 
pom Donou und an drei Seiten von der nur 
wenig entfernten Landesgrenze umzogen. 
Paris, 26. Sept. Die Pariser Presse be⸗ 
urtheilt den Zwischenfall an der Grenze mit großer 
Zurückhaltung und erklärt, das Resultat der nach 
der „Agence Havas“ bereits eingeleiteten diploma⸗ 
tischen Aktion abwarten zu wollen. Nur Evene⸗ 
ment, Intransigent, Patriot, Rappell und Matin 
führen eine drohende Sprache und sprechen von 
einem remittizirten Morde. Der „Figaro“ sagt, 
daß eine Abficht höchst unwahrscheinlich sei, es wäre 
der Zwischenfall, welcher weniger schlimm als der 
Fall Schnäbele sei, wohl ohne weitere Folgen. 
„IX. Jahrh.“ und „Republique française“ erhielten 
Privatdepeschen, wonach der Thäter Richard Kauf⸗ 
nann heiße und einem Zaberner Jägerbataillon 
angehört. Im Publikum herrscht große Aufregung; 
auf den Boulevards bildeten sich Gruppen von 
Baissespekulanten. (Fr. 3) 
Straßzburg, 26. Sept. Die hiesige, Post“ 
erführt, daß sich die diesseitige Untersuchungskom⸗ 
nission heute von Zabern an die betreffende Grenz⸗ 
telle begeben hat. Zu bemerken ist noch, daß das 
Grenzgebiet außer von Grenz⸗ nud Forstbeamten 
auch von militärischen Streifwachen — in jener 
GBegend von Mannschaften des in Zabern liegenden 
Jägerbataillons Nr. 8 — begangen wird. Diese 
Verstärkung des Forsftschutzpersonals hat sich als 
nöthig erwiesen, da namentlich von Frankreich aus 
diel Wilderer das Gebiet bestätigen. — Das Blatt 
hört weiter, daß der Verwundete Baron von Wangen 
und der Erschossene Pignolt heißt. Die Schüsse 
sollen von dem Försterdienste versehenden Jäger 
daufmann, Jägerbataillons Nr. 8, abgegeben worden 
sein, in der sicheren Voraussetzung, daß er Wilderer 
‚or sich habe. 
ESchwurgericht der Pfalz. 
LI. Quartal 1887. 
Zweibrücken, 283. Sept. Zum Aufruf ge⸗ 
langt Fall: Sigmund Mayer, 385 Jahre alt, 
Weinhändler in Saarlouis, wegen betrügerischen 
Bankerutts. Vertreter der kgl. Staatsbehörde: Herr 
weiter Staatsanwalt Wagner. Vertheidiger: Herr 
Rechtsanwalt Schuler. 
Nach Verlesung des Eröffnungsbeschlusses er⸗ 
klärt der Angeklagte, er habe sich des ihm zur Last 
gelegten Verbrechens nicht schuldig gemacht. Auf 
Antrag der kgl. Staatsbehörde wird hierauf durch 
Berichtsbeschluß die Verhandlung dieser Strafsache 
zehufs Erhebung neuer Beweise, für die fich erst 
in jüngster Zeit Anhaltspunkte ergaben, in die 
aächste Schwurgerichtssession vertagt. 
Darnach wurde sofort zur Verhandlung ge⸗ 
schritten gegen Daniel Albert, 19 Jahre alt, 
Bergmann von Oberohmbach, wegen Verbrechens 
vider die Sitilichkeit. Vertreter der kgl. Staats⸗ 
ehörde: Herr zweiter Staatsanwalt Wagner. Ver⸗ 
heidiger: Herr Rechtspraktikant Ludwig Kern. 
Der Angeklagte stellt die ihm zur Last gelegte 
That entschieden in Abrede. Die Verhandlungen 
selbst entziehen sich mit Rücksicht auf den Gegen⸗ 
stand derselben der Veröffentlichung. 
Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage, 
derneinten dagegen die Frage nach mildernden Um⸗ 
ständen, worauf der Gerichtshof den Angeklagten 
zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verur⸗ 
theilte. 
Hiemit schlossen die Verhandlungen dieser 
Schwurgerichtssession. Im Verlaufe derselben wur⸗ 
den im Ganzen folgende Strafen ausgesprochen: 
Zuchthausstrafe 59 Jahre, Gefängniß 2 Jahre 8 
Monate. In zwei Fällen wurden mildernde Um— 
tände zugebilligt: in einem Falle auf Stellung 
inter Polizeiaufsicht erkannt. Die bürgerlichen 
khrenrechte wurden aberkannt zusammen auf die 
Dauer von 60 Jahren. In einem Falle — Jost 
don Pirmasens — wurde der Angeklagte zum Tode 
perurtheilt. In fünf Fällen erfolgte Freisprechung. 
Vier Verhandlungen hatten den Verlust eines 
Menschenlebens zum Gegenstande. 
Lokale und prizesche Nachrichten. 
— Aus der Pfalz. Die von den Steuer⸗ 
Finnehmereien oder den Orts-Polizeibehörden zu 
erhebenden Declarationen über Branntweins Nachver⸗ 
teuerung müssen bis längstens den 8. October bei 
uständiger Stelle abgegeben werdeen. 
— Bierbach, 26. Sept. Ein Zuchtstier 
vurde hier geschlachtet und weil Milzbrand ver⸗ 
Ȋchtig mit Haut und Haaren begraben. 
— Zweibrücken, 24. Sept. Von der 
ben hier weilenden Remonte⸗Ankaufskommission 
vurden 7 Pferde um den Gesammtpreis von 
5550 Mk. erworben. 
Z3weibrücken, 23. Sept. Es ist seit 
jestern wieder eine neue Art von automatischen 
Baagen hier eingetroffen; dieselben, in der Eisen⸗ 
zahnstraße und an der „Gambrinushalle?“ aufgestellt 
ind von sehr geschmackvoller Form, spenden gegen 
»en üblichen Obolus von 10 Pf. Chocoladetäfelchen, 
ie von der bekannten Firma Stollwerk fabrizirt 
ind. Die Verlockung für unsere Jugend ist aller⸗ 
ings eine große, und gestern waren die beiden 
Vaagen den Tag über förmlich belagert. Der 
dassabestand der einen Waage soll sich am gestrigen 
Tage auf etwa 13 Mk. belaufen haben. Interefsant 
ber war jedenfalls die Entdeckung, die einer der 
Vaagenbesitzer machen mußte. Als man nömlich 
zaran gehen mollte, neue Chocoladetäfelchen aufzu⸗ 
egen, da die Jungen meldeten, es wäre nichts mehr 
rin, bemerkte der Inhaber, daß zwar richtig die 
Fhocolade verschwunden war, aber die Kasse stimmte 
jar nicht; nur ein paar Zehnpfennigstücke lagen 
arin! Hatten es die Jungen doch fertig gebracht, 
achdem sie fast den halben Tag daran spintisirt 
ind getiftelt, auch ohne das Waagegeld die Cholo⸗ 
ade heraus zu praktiziren. (Zw. T.) 
— In Masß weiler berrschen Diphteritis und 
S„charlach unter den Kindern und forderten schon 
ieben Opfer. Wie man hört, unterlafssen die Eltern 
s, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nur 
n ein einziges Haus, wo diese Krankheit sich ein- 
geschlichen hatte, wurde der Arzt gerufen, in den 
ibrigen unterließ man dies. 
— Vom Kahlenberg, 24. Sept. (3. T.) 
Zeit einigen Wochen treiben sich wieder Woölfe in 
siesiger Gegend umher und richten empfindlichen 
S„chaden unter den Schafheerden an. Dieselben 
saben an Schafen nachweislich bis jetzt zerrissen: 
in der Gemeinde Niedergailbach 4 Stück, in Gers⸗ 
seim 1 Stück, in Altheim 2 Stück und in der 
dähe des Kahlenbergerhofes 6 Stück, im Ganzen 
ilso 13 Stück Schafe. Was sie außerdem für 
Verheerungen unter den Schafheerden in den Dör— 
ern diesseits und jenseits der lothringischen Grenze 
ingerichtet haben mögen, ist uns nicht betannt. 
Aber ohne Verheerungen wird es dort auch nicht 
ibgegangen sein. Denn der Herr Nimmersatt schont 
unichts, er macht auch keinen Unterschied, er raubt, 
wo er dann. Der große Verlust, welchen die auf 
hiesigem Banne eingeschlagene Heerde bis jetzt er⸗ 
itien hat, erklärt sich offenbar aus der ungünstigen 
rage des Pferches, in welchem die Heerde des 
Nachts sich befindet. Der Schäfer hat nämlich den 
Fehler gemacht, diesen Pferch dicht am Waldsaume 
n einer verlafsenen Gypsgrube, also an einer Stelle 
rufzuschlagen, wo den Wölfen die günstigste Ge⸗ 
egenheit geboten ist, sich jede Nacht möglichst ficher 
ind gedeckt an die Heerde heranzuschleichen und im 
zjünstigen Augenblick in dieselbe einzubrechen. Das 
Hanze gleicht fast einer Einladung an die Herren 
Woölfe, doch zuzugreifen und sich den köstlichen 
Zraten wohlschmecken zu lassen. Wenigstens liegt 
n der an diesem einsamen Orte in unmittelbarster 
dähe des Waldes eingeschlagenen Heerde für Wölfe 
in großer Reiz, dem diese Thiere bei ihrer be⸗ 
annten Vorliebe für das Lammefleisch nicht wider⸗ 
tehen können. Daher erklärt sich auch wohl die 
Beharrlichkeit und Ausdauer, mit welcher die sonst 
insteten Räuber gerade in nächster Nähe des Kahlen⸗ 
vergerhofes und der Gypsgrube sich umhertreiben. 
Man kann sich aber eines Lächelns kaum erwehren, 
venn man sieht, welche Mittel die Leute ergriffen 
hjaben, um die Wölfe zu vertilgen oder doch we⸗ 
riastens zu verscheuchen. Der Schäfer hat nämlich 
die Ueberreste eines zerrissenen Dmmes, X 
Zopf, das Fell, das blanke Gerippe und dige 
geweide desselben auf einige 60 oder 70 Ihn 
dom Pferche als Koder hingelegt, in der don 
datz Herr Isegrimm so dumm sein wetenung 
diesen Köder anzubeißen und sich dabei niederschi auf 
u lassen. Die Wolfe sind aber so gescheit ebn 
Leute. Schlechte Brocken und Ueberreste lieben 
nicht. Sie lassen den Köder einfach Köder — 
und holen sich lieber einen frischen Braten, d 
ie einen solchen haben können. Wenn 5 9 
prengen sie den Pferch und haschen sich dann 
Berte unter den aus dem Pferche ausgebtoh 
ind im freien Felde umherirrenden Schafen. 6 
zrigens ist es interessant, zu sehen, mit —* 
weschiclichteit diese Woife ein Schaf zetegend 
»erzehren. Kein Metzger wäre im Stande, du⸗ 
Schaf kunstgerechter und tadelloser mit dem Ms 
auszubalgen, wie Meister Nimmersatt mit 9* 
seiner Zähne und Pfoten dies thut. Alles z 
»erzehrt er ganz sorgfältig, nur den Kopf, du 
Fell, das grobe Knochengerippe und die Eingewen 
äßt er übrig. Dabei sind die Knochen saub— 
ibgenagt, das Fell ist tadellos abgezogen, es zis 
eine Spur von Verletzung. Wen es interessin 
zer kann solche Ueberresse einer Wolfsmahige 
n der sogenannten Gypsgrube auf dem Kahlenbeig 
iegen sehen. Es kann übrigens kein Zweifel 
über beu hen, daß es mehrere, mindestens abe 
wei Wolfe sind, welche die Verheerungen anrichten 
das geht schon aus der Dreistigkeit herbor, mi 
velcher dieselben ihre nächtlichen Raubzüge un 
leberfälle ausführen. Ein einzelner Wolf wür 
o kühn nicht angreifen. Derselbe hätte auch keinen 
o großen Bedarf an Hammelhraten; denn aug 
er Wolf liebt die Abwechslung und es wird ihn 
n jetziger Jahreszeit sehr leicht, sich mit Wild p 
ersehen und Hasen und Rehe zu erbeuten. Dabe 
iskirt er, wenn er den Rehen und Hasen nachftell 
eine Haut nicht so bald, als wenn er des Nach 
—ABA 
In der Nacht vom Donnerstag auf den Fie 
ag hat der Wolf abermals ein Schaf von der au 
zem Kahlenberge eingeschlagenen Heerde geraubt 
die Heerde gehört, sodiel ich weiß, einem Schah 
sändler aus Kaiserslautern. 
— Landau, 24. Sept. Zu der am kommen 
»en Donnerstag hier stattfindenden Hauptversamm 
ung des pfälzischen Bienenzuchtvereins sind folgend 
Borträge angemeldet: 1) Welche Erfahrungen hat 
man mit den verschiedenen Bienenrassen,bei un 
jemacht? Referent: Herr August Kiefer, Lehre 
in Glanmünchweiler. 2). Hat die Gassenweit 
uuf die Entwickelung und das Wohlbefinden du 
Bienen irgend welchen Einfluß? Referent: Heu 
dehrer Schenkenberger in Althornbach. 3) Welche 
ind die besten Arten, das Wachs auszulassen und 
zu verwenden? Referent: Herr Lehrer Herrgen 
n Gommersheim. 4) Praktische Anleitung zun 
Unfertigen von stunstwaben. Referent: derselbe. 
— St. Martin, 24. Sept. Am naͤchstrn 
Dienstag, den 27. September (heute), und Dienstag 
»en 4. Oktober, dürfen in hiesiger Gemeinde di 
chwarzen Trauben geherbstet werden. In der frühe 
estgesetzten Grenze darf auch weißer Most (welche 
zerlaufi wird), jetzt schon geherbstet werden. (L. T 
— Hettenleidelheim, 283. Sept. Js 
der Thongrube der Witiwe Leonh. Schmidt dahie 
ereignete sich heute in frühester Morgenstunde ein 
zräßlicher Unglücksfallk, indem der Etd 
räber Michael Bernhard aus Eisenberg durch 
inen von sich selbst losgelösten, circa 200 Centner 
hweren Erdklumpen erschlagen wurde. Es ist die 
nnerhalb anderthalb Jahren, trotz der größten 
Vorsicht, der dritie derartige traurige Fall, welqet 
n den hiefigen Gruben lich zugetragen hat. Der 
Verunglückten, einen braven, fleißigen Arbeiten 
eweinen eine Wittwe und drei unmuͤndige Kinder 
— Schauernheim, 24. Sept. Einm 
zlücklichen Fall that Bäcker S..... en vor 
zier. Er wollte auf seinem Schauerdach eint 
ziegel einstecken. In der linken Hand hielt et der 
ziegel und stieg auf der Scheuerleiter aufwtts 
nit der rechten sich festhaltend. Bei der lehien 
Zprosse griff er fehl und schlug rücklings herunten 
iel mit dem Unaussprechlichen auf die Langwiedt 
»es Wagens und gelangte endlich glücklich in det 
Tenne an. Mit verstauchtem Fuß und einge 
Schmerzen im Schenkel kam er davon. Mech' 
Im einer nach! 
dLudwigshafen, 28. Sept. Der P 
akteur des „Pfalz. Kurier“ in Ludwiashafen b