Full text: St. Ingberter Anzeiger

Leiche regiert und was damals möglich war, ist 
heute, wo die Verhältnisse noch viel verwickelter 
find, ebenfalls wahrscheinlich. Die betheiligten 
Machte fahren denn auch fort, ihre Maßregeln für 
alle Moglichkeiten zu treffen, und England, Frank 
reich, Jtalien und Spanien haben bereits Schifft 
in die marokkanischen Gewässer beordert. Inzwischen 
scheint sich in der Gruppirung der Mächte der marok⸗ 
kanischen Frage gegenüber, in die Spanien als neuer 
Facior eintriti, eine beachtenswerthe Klärung voll⸗ 
zogen zu haben: die anfänglich laut und oft 
wiederholten Versicherungen der spanischen wie 
der fränzösischen Officiösen, daß ein vollkommenes 
Einvernehmen zwischen Frankreich und Spanien 
über ein gemeinsames Vorgehen in Maroklo erzielt 
sei, find in den letzten Tagen verstummt und jetzt 
erklärt der Pariser „Temps“ es nicht nur für un⸗ 
begründet, daß Frankreich wegen Marokko eine 
internationale Conferenz vorgeschlagen habe, sondern 
fügt ausdrücklich hinzu, ebensowenig sei bezüglich 
der marokkanischen Angelegenheit irgend eine Er⸗ 
zffnung der spanischen Regierung an Frankreich 
erfolgt. Das wird in Frankreich recht ernüchternd 
wirken; man hatte dort die marokkanische Frage zu 
benutzen gehoffi, um für das ungetreue Italien jen⸗ 
seits der Pyrenäen Ersatz zu suchen, und nun wende 
sich auch Spanien ab und verzichtet auf die Ehre, 
mit seinen Schultern das Phantasie Gebilde eines 
russisch ˖ franzoͤsischen Bundes stützen zu helfen, in 
dem richtigen Bewußtsein, daß eine solche Last den 
Schwächsten zuerst erdrücken muß. 
Newyork, 15. Okt. Präsident Cleveland 
ist mit seiner Gemahlin heute in Memphis einge⸗ 
troffen. Als der Präsident gestern Arkansas durch⸗ 
reiste, nahm der Fuͤhrer der Lokomotive welche dem 
Zuge des Präsidenten vorausfuhr, wahr, daß ein 
Theil des Holzwerkes von der Größe von zehn 
Quadratfuß, welches die Schienen stützte, in 
Flammen stand. Das Feuer wurde dald gelöscht. 
Die später vorgenommene Untersuchung deutet auf 
eine absichtliche Brandstiftung, da man 
gefunden hat, daß das Holzwerk an verschiedenen 
Stellen zu brennen angefangen hat. 
Lo e und pfaälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 18. Ott. Eine an die 
pfälzische Handelskammer zu Ludwigshafen gerich— 
tete Petition, wegen unentgeltlicher Abgabe von 
Postquittungsbüchern, welche gegenwärtig bei den 
daufmännischen Vereinen der Pfalz circulirt, hat 
folgenden Inhalt: „Nachdem von Seiten der deut— 
schen Reichspostberwaltung die Postquittungsbücher 
an die größeren Geschäftshäuser und Etablissements 
im deutschen Reichspostgebiete unentgeltlich verab 
folgt werden, zeigte sich auch in kaufmännischen 
Kreisen Bayerns und der Pfalz das Bedürfniß 
einer solchen Begünstigung. Zur Begründung dieser 
Vorlage wurden dabei hauptsächlich folaende Ge⸗— 
sichtspunkte in's Auge gefaßt: In erster Linie 
würde seitens det Postverwaltung eine wesentliche 
Ersparniß an Material erzielt, indem im Quit⸗ 
tungsbuche auf der gleichen Papierfläche, welchen 
der einzelne Postschein einnimmt, drei Quittungen 
Platz finden. Sodann würde durch die kuürzeren 
Eintragungen im Quittungsbuch dem Postbeamten 
ein größerer Zeitaufwand erspart. Für den Kauf—⸗ 
mann liegt der Vortheil in der rascheren Ueber⸗ 
sichtlichkeit des Quittungsbuches gegenüber den 
losen Formularen, er ist jederzeit in der Lage, 
seine Einzahlungen kontrolliren zu können, ohne 
befürchten zu müssen, daß ihm Quittungen abhanden 
gekommen sind. Aus diesen Grunden gestatten sich 
die kaufmännischen Vereine, an tit. Handelskammer 
das ganz ergebene Ersuchen zu richten, wohldieselbe 
möge bei der bayecischen Kammer der Abgeordneten 
dahin rorstellig werden, daß an Kaufleute und In⸗ 
zustrielle die Postquittungsbücher für die Folge 
unentgeltlich vecabfolgt werden.“ 
— Zum Herbste dieses Jahres erfolgt zum 
erssen Male die Ergänzung des Heeres 
für die seit dem ersten April erhöhte Friedensstärke 
in regelmäßiger Weise, insofern nunmehr dauernd 
eine großere Rekrutenquote, welche gegen die seit⸗ 
herige ein Mehr von ungefähr 14,000 Mann be⸗ 
irägt, zur Einstellung gelangt. Bekanntlich war 
die Zahl der vom Jahrgange 1886 übrig gebliebenen 
sogennanten Ueberzähligen, welche ursprünglich nur 
bedingungsweise zur Einstellung kommen konnten, 
nicht groß genug, um die plötzlich um 48,000 
Mann erhöhte Friedensstärke zu erzielen; deßhalb 
mußten im Frühjohre zahlreiche Dispositionsurlauber 
wieder eingezogen werden. Diese Dispositionsurlauber 
find nunmehr wieder zur Entlassung gekommen. 
weil künftig die erhöhten Etatsstarken eben durch 
größere Truppenquoten gedeckt werden. Da aber 
nicht nur die neu aufgestellten Truppentheile einen 
vermehrton Rekrutenbedarf erheischen, sondern auch 
die Sollstärke der Fußtruppen überhaupt eine Er— 
höhung erfahren hat, so ergiebt sich von diesem 
Herbste ab auch die planmäßige Erhöhung des 
Rekrutenbedarfs sämmtlicher Fußtruppen. 
— Der Materialbedarf fuür den Betrieb 
der Pfäl zischen Eisenbahnen pro 1888 
solleim Submissionswege zur Lieferung vergeben 
werden. Gegenstandesderzichnisse und Beding⸗ 
nißhefte liegen bei der Directionsklanzlei in 
dudwigshafen zur Einficht auf und können von 
derselben auch zum Preise von 50 Pfg. bezogen 
verden. Die Angebote sind bis zum 2. November 
Mittags 12. Uhr, verschlossen und mit der Auf- 
chrift: .Submission für Lieferung von Materialien 
yxxo 1888“ bei“ der Direction franco einzureichen 
Die Submittenten bleiben bis einschließlich 31 
December d. J. an ihre Angebote gebunden. 
— Bezuüglich der Handhabung der Feuer« 
polizei erläßt das Staatsministerium des Innern 
olgende Entschliebung: Die in neuerer Zeit in 
inzelnen Regierungsbezirken vorgekommenen zahl⸗ 
reichen Brandfälle lassen es als eine dringende 
pflicht der betheiligten Behoͤrden erscheinen, der 
dandhabung der Feuerpolizei und der damit zu— 
ammenhängenden Aufgaben ihre besondere Sorg-— 
jalt zuzuwenden. Zunächst kommen insbesondere 
die zur Verhütung von Feuersgefahren ergangenen 
Verordnungen in Betracht, wonach die Polizeior 
gane zu enisprechender Wachsamkeit anzuweisen 
iind, besonders was das Spielen von Kindern mit 
Zündhölzern u. s. w. betrifft. Nicht minder iss 
auf die Beseitigung feuergefährlicher Zustände 
namentlich bei der Feuerschau, hinzuwirken. 
In Brandstiftungsfaällen ist selbstverständ 
lich zur Ermittlung des Thäters Alles aufzubieten, 
wozu ein eifriges, planmäßiges Zusammengehen 
aller Polizeiorgane nöthig ist. Bei Brandstiftungs⸗ 
Versuchen und da wo eine Wiederholung der 
That zu befürchten ist, sind Wachen anzuordnen. 
Um die wirthschaftlichen Folgen der Brände für 
den Einzelnen thunlichst zu mildern, ist auf eine 
passende Benützung der Mobilarfeunerver— 
siche rung hinzuwirken. Die Distrikts⸗ und Orts⸗ 
polizeibehörden werden angewiesen, in den bezeich⸗ 
neten Richtungen nach den örtlichen Verhälinissen 
das Erforderliche und Zweckmäßige zu veranlassen. 
— Blieskastel, 16. Oklt. Der Verbands 
tag der pfälzischen Obstbau-Vereine findet am 26. 
d. M. dahier statt. 
— Frankenthal, 15. Okt. Sämmiliche 
Gemeinden bis GroßKaclbach einschließlich haben 
sich dereit erllärt, den Grund und Boden für die 
Straßenbahn unentgeltlich ahzutreten. 
Die Vorlage an die Kammer wird noch im Monat 
November erfolgen. 
— — 
Vermischtes. 
F Gestern Abend wurde eine in München 
vohnhafte junge Frau von ihrem nach Hause kom⸗ 
nenden Manne bewußtlos am Boden liegend auf— 
zefunden. Sie hatte den Nachmittag und Abend 
iber bei geschlossenen Fenstern mit einem Kohlen⸗ 
zügeleisen gebügelt und war durch die ausströmen— 
den Gase in diesen Zuftand versetzt worden 
krst einem rasch herbeigeholten Arzte gelang es 
nach längerem Bemühen, die Bewußtlose wieder 
zum Bewußtsein zu bringen. 
F Pfaffenhofen, 12, Okt. Ein trauriges 
berhängniß schwebt über der Familie Laubpfeifer 
jier. Zuerst brach sich der Bube den Arm und 
dieser mußte ihm abgenommen werden. Hieraus 
darb unerwartet die Mutter, und jetzt ist der Vater 
'nfolge Blutvergiftung, ebenfalls mit Tod abge⸗ 
jangen. Es wird behauptet, Berührung einer ganz 
unbedeutenden Wunde mit Bettwäsche, die bei der 
Operation seines Sohnes benützt worden war, sei die 
Ursache der Blutvergiftung gewesen. 
F Ein deutsches Gedenkfest begeht man 
zeute in Bayern. Die von Sr. Maj. dem 
önig Ludwig J. zur Erinnerung an die Völker⸗ 
ichlacht bei Leipzig gestiftete Armenspeisung findet 
heute, am 18. d. Mts., in Regensburg statt. Für 
die Gäste (citca 230) wird Suppe, Rindfleisch mir 
Gemüse, Braten und Salat servirt, zu welchem 
noch jeder ein Kipfbrod und ein Maß Bier erhält, 
adies Krug und Teller mit nach Hause nehmer 
darf. 
Kempten, 15. Oktober. Der Sold 
Matthaus von Ebersbach, der vor 148 we 
seine 65jährige Frau auf wahrhaft ane 
Weise ermordet hat, wurde in die e— 
Kaufbeuren abgeführt. Der 75jährige Mann e 
förmlich in das Koupee geschleppt werden. J 
Regensburg, 14. Okt. Bei Planirun z 
arbeiten in der Nähe des neuen fürstlich —* 
und Toris schen Jahdschlosses im Thirgeenden 
Donaustauf ist man auf uralte Grabsfätten 
stoßen und hat man hiebei verschiedene Fae 
(Ringe, Spangen, Pfeile u. s. w.) gemacht, 8 
Alter die Sachverständigen auf etwa 2600 Jaht 
angeben. 
7 Ein am 1. April 1887 aus dem Militär— 
dienst entlassener Einjährig⸗Freiwilliger hatte wäh: 
rend seiner Dienstzeit in Frankfurt ein jung⸗ 
Mädchen, das bei ibren Eltern wohnte, kenn 
gelernt, hatte ein Verhältniß mit ihr angetnüpf 
und ihr versprochen, sie nach Ablauf seines Milita 
jahres zu heirathen, ein Versprechen, das sehr — 
gemacht wird, um nicht gehalten zu werden. S— 
zeschah es auch hier. Als nun aber der jung 
Manu keine Miene machte, sein Wort einzuibsen 
wurden die Eltern des Mädchens gegen ihn klagbar 
und kam die Sache am 12. Oltober vor dem 
Frankfurter Landgericht zur Verhandlung, in de 
Beklagter zu seiner nicht geringen Bestürzung dver— 
urtheilt wurde, entweder das Mädchen innerhalh 
zwei Monaten zu heirathen oder die von den Eltern 
desselben beantragte Entschädigung von 8000 Mt. 
zu zahlen. Was thun? Heirathen wollte er noch 
nicht und die verlangte Summe aufzubringen, war 
ihm nicht möglich. Da kam ihm in seiner Ver— 
legenheit seine ehemalige Braut, in deren Herzen 
sich das Mitleid regte, zu Hilfe, indem sie erklärte, 
sie erlasse ihm beides, sie habe ihm nur zeigen 
wollen, daß man einem Madchen das gegebene 
Ehrenwort nicht ungestraft brechen dürfe. Und 
so kam der leichtsinnige junge Mann mit einem 
gelinden Schrecken und den Gerichtskosten davon. 
F Die nachstehende Scheffel⸗Anekdote bringt die 
„Magdeb. Zig.“: Als Scheffel einst zur Starkung 
seiner Gesundheit sich in Italien aufhielt, erhieh 
er von einem Freunde aus Deuischland einen 
unfrankirten Brief, in dem weiter nichts stand, als: 
„Mir geht es gut. Mit Gruß Dein ....“ — 
Unmuthig über das hohe Nachporto, das er für 
diese kurze Nachricht zu zahlen hatte, beschloß der 
Dichter, sich auf folgende originelle Weise an dem 
Freunde zu rächen. Er pakt einen großen Feld⸗ 
stein von gewaltiger Schwere in eine Kiste und 
schickt diese dem Freunde ebenfalls unfrankirt. 
Dieser aber, in dem Glauben, eine werthvolle 
Sendung erhalten zu haben, bezahlt mit Freuden 
das hohe Nachporto, öffnet die Kiste und findet zu 
seinem Entsetzen einen ganz gewöhnlichen Feldstein. 
An diesem aber haftete ein Zettel. „Bei der 
stachricht von Deinem Wohlbefinden fiel mir bei⸗ 
rolgender Stein vom Herzen.“ 
Magdeburg, 15. Okt. Die Magde⸗ 
burger Hagelversicherungs-Gesellschaft hat nach Tib 
zung des vorjährigen Verlustes einen Reingewint 
bon 750,000 Mk. 
7 Stade, 14. Okt. Lieutenant und Adjutan 
zon Seebach hat auf seinem trotz der ungünstigen 
Witterung und programmmäßig beendeten Distanzrit 
don Stade nach Berlin am ersten Tage 110 Ixm. 
am zweiten Tage 105, am dritten 97 und am 
vierten und letzten Tage 85 Km zurübhgelegt. 
Jedenfalls eine höchst achtbare sportliche Leistung 
Die Annahme, daß pro Tag nur eiwa 83 Im 
zurückzulegen wären, hat sich demnach in der Prari⸗ 
als unzutreffend erwiesen. 
7 Elektrisches Boot. In Havre wurden 
kürzlich Versuche mit einem neuen elektrischen Boott 
gemacht, welche sehr günstig ausfielen. Die dabe 
in Verwendung gestandenen Accamulatoren sind 
fünfmal höher an Spannkrcft, als diejenigen, die 
bei der „Volta“ in Gebrauch waren, als sie vor 
einiger Zeit in 3 Stunden 50 Minuten von Dover 
nach Calais fudr. Ein Augenzeuge berichtet: „Die 
Probefahrt des neuen Bootes mit elektrischer Trieb⸗ 
kraft war bewunderungswürdig. Es war ein 
prächtiger Anblich, als es sich sicher und ruhig durch 
das Wasser bewegte; ohne Mast, ohne Rauch und 
Rauchfang, kurz ohne alle äußeren Zeichen, ohne 
die man sich ein Schiff nicht vorstellen und noch 
weniger in Bewegung denken kann. Die Admira— 
litat hatte eine Schnelligkeit von sechs Knoten durch 
drei Stunden und zehn Pferdekräfte stipulirt. Dit 
Probefahrt ergab fechsseinhalb Knoten durch füm'