hausten, auch das Eigenthum dieser Eheleute aus⸗
geraubt und den Mann durch Schläge und Ein⸗
zießen eines schändlichen Trankes so mißhandelt
hatten, daß er nicht mehr gehen konnte und fast
am Tode war, nahm ihn sein Weib auf den Rücken,
band ihn da fest, trug ihn eine Meile bis Rhein—
zabern, von da weiter, 10 Meilen nach Straßburg.
und weil ihr da 4 ihren Mann der Gebrauch
bon Schweizerbädern gerathen wurde, nahm sie ihn
wieder auf und trug ihn 285 Meilen weiler nach
Baden in der Schweiz, wo sie ihn 11 Wochen
pflegte und wie ein Kindlein füttlerte. Als er sich
in etwas erholt hatte, aber noch nicht stehen konnte,
vand fie sich ihn wieder auf den Rücken und trug
ihn mehrere Meilen nach Stanz, wo Salbe und
Pulver eines jüdischen Arztes ihm mehr Kräfte
geben solllen. Weil's nicht half, zing sie wieder
weiter mit dem Manne auf dem Rücken über
himmelhohe Berge, oft ohne Speise und Trank,
also, daß fie einstmals 9 Fuß hoch mit ihm in
eine Tiefe herabfiel, woraus ein Hirte sie rettete.
Und dann wieder auf mit der theuren Bürde über
die gefahrvolle, eine halbe Stunde lange Brücke
des Rapperswyler Sees nach Konstanz, wo vier
Wochen lang Kräuterbäder gebraucht wurden. Es
half immer noch nicht, darum abermals auf und
32 Meilen weiter mit der kranken Last auf dem
Rücken durch's Schwabenland nach Neuburg a. D.,
um da eine alte Schuld einzufordern beim Herzoge,
der aber die Unglücklichen auf dessere Zeiten ver⸗
troͤstete. Traurig nimmt das Weid den Mann
wieder auf und geht zurück über Augsburg nach
St. Gallen, wo der quachsalbernde Scharfrichter
helfen sollte, aber nicht konnte. Daher wieder
weiter, immer mit dem Manne auf dem Rücken,
quer durch die Schweiz über hohe Berge, durch
Zürich und Schaffhausen, Aarau und Bern nach
Basel, wo nun erst der Mann anfing, ein wenig
am Stock zu gehen. Zuletzt ging es zu Wasser
auf dem Rhein bis Amsterdam, wo endlich die
rechte Arzuei dem Kranken leidliche Genesung ver⸗
schaffte. (Sp. 3.)
Vermischtes.
München, 22. Okt. Se. kgl. Hoheit
Prinzregent Luitpold hat folgendes Allerhöchste
Hhandschreiben an Herrn v. Perfall gerichtet: „Mein
lieber General⸗Intendant Baron Perfall! Ich habe
Kenntniß erhalten, daß Sie auf Grund persönlicher
Anschauungen Veranlassung genommen haben,
gegenüber der Aufführung von dramalischen Schöpf⸗
ungen des Grafen v. Schack und Dr. Paul Heyse
sich ablehnend zu verhalten. Ich bin überzeugt,
daß hierbei vollkommen loyale Empfindungen be⸗
stimmend gewesen sind, denen Ich gern meine An⸗
erkennung zolle, wünsche aber nicht, daß diese
Empfindungen in der von Ihnen bethätigten Weise
zur Geltung gelangen und beauftrage Sie demge⸗
mäß, die den beiden Dramatikern zurückgegebenen
Stücke wieder einzuholen und alsbald auf der
Hofbühne zur Darstellung zu bringen. Mit huld—
bollen Gesinnungen Ihr wohlgeneigter Luitpold.
Berchtesgaden, den 18. Oktober 1887.“
F Nürnberg, 20. Olt. In einem Hause
olieb ein Schlotfeger im engen Kamin stecken und
konnte weder vor noch rückwärts. Auf sein Hilfe⸗
rufen kamen Leute herbei, welche ihn nach ange⸗
strengter Thätigkeit befreiten. Er war völlig
bewußtlos und konnte nur mit Mübhe ins Leben
zurückgerufen werden.
F Würzburg, 21. Oklt. Zum Examen der
Rechtekandidaten. das heute früh fortgesetzt werden
sollte, war Niemand erschienen, die beiden Kandi⸗
daten (Jolly und Frhr. v. Ichstatt) traten freiwillig
zurück. Herr cand. jur. Ferdinand Neubert aus
Ludwigshafen meldete sich, wenn auch ohne Frack
und Chlinder (es war ihm dies nach der Lage der
Sache unmöglich, da er nicht darauf vorbereitet
war), in bescheidener Weise aus dem Zuhörerraum
zervortretend, bei den Herren Professoren an, ließ
sich sogleich prüfen und bestand das Examen glän⸗
zend; ebenso Herr cand. jur. Alex. Wolffhüqgel
aus Neustadt a. H.
FHochbetagte Reisende weilten dieser
Tage in Gesellschaft zweier Diener in Frankfurt,
nämlich e»in Ehepaar aus Breslau, wovon der
Mann 97 und die Frau 95 Jahre zählt. Die
Leute sind trotz des hohen Greisenalters noch im
Stande, zu reisen und besuchten eine Vorstellung
im Obernhause, daß sie von Beginn bis zum
Sckluß mit größter Aufmerksamkeit verfolgten.
Sie kaͤmen von der Feier der goldenen Hochzeit
des in Düsseldorf lebenden 92jährigen Bruders des
alten Mannes.
F Todt oder lebendig. Meyer stand —
die Szene spielt in Frankfurt — mit Schulze vor
Bericht. Die Parteien waren unerschöpflich in
shren Ein⸗ und Ausreden, und so kam es denn
daß ihre Angelegenheit mehrfach vertagt wurde.
Neulich stand sie wieder an und der Präsident
rief: „Meyer gegen Schulze“ fügte aber gleich
bei, daß die Sache erledigt sei, weil der Verklagte
gestorben. Man kann sich nun das Erstaunen
des Auditoriums denken, als der Herr Schulze mit
einem lauten: „Hier!“ antwortete. „Das ist
gdar nicht mözlich, Sie sind ja todt“, bemerkteßder
Vorsitzende. „Gott bewahre.“ „Ich habe aber
jestern Ihre Todesanzeige gelesen“ „Nun, Herr
Präsident, ich muß doch am besten wissen, ob ich
noch lebe oder nicht.“ „Sie scheinen wahrhaftig
lebendig zu sein.“ „Aber sehr sogar, Herr Rath“,
bemerkte „die Leiche“ und machte wieder solch leb⸗
Jafte Einreden, daß sich der Vorsitzende von ihrer
Lebendigkeit außerordentlich genau überzeugen
'onnte. Schließlich gewann der Todte Herr Schulze
jegen den lebendigen Herrn Meyer den Prozeß, bei
pelchem es sich nur um eine Waarenlieferung handelte.
F Mannheim, 21. Okt. In heutiger
Sitzung der Strafkammer kam ein Fall zur Ver—
jandlung, der von sittlicher Verkommenheit eines
ẽUternpaares zeugt. Angeklagt waren die Privat⸗
eute J. Willibald Pfülf, 27 Jahre alt, und Anna
Maria Pfülf. 24 Jahre alt, beide in Speyr ge—
»oren, früher in Heidelberg, jetzt in Schwetzingen
vohnhaft, wegen schwerer, zum Nachtheil ihres 2
Jahre alten ehelschen Kindes Louise verübten Körper⸗
derletzung. Die beiden Angeklagten haben ihr Kind
in der brutalsten und rohesten Weise mißhandelt,
veil dasselbe an Bettnässen litt. Als Werkzeuge
zur Ausführung ihrer unmenschlichen That benutzten
die Herzlosen Scheere, Schlüssel, Lederriemen ⁊c.
und traktirten ihr Kind üderdies mit Fußtritten,
daß es zeitweise am Körper mit blauen Striemen
unterlaufen war. Die Dienstboten des sauberen
Ehepaares konnten diese fortgesetzten rohen Miß
jandlungen nicht mit ansehen, weßhald dieselben
Anzeige bei der Behörde erstatteten. Zu heutiger
Verhandlung waren nicht wenizer als 23 Belastungs⸗
ind 17 Entlastunszeugen geladen. Die Beweis—
aufnrahme ergab den Thatbestand der Anklage voll⸗
auf, weßhalb der Ehemann Pfülf zu 5 und dessen
Ehefrau zu 9 Monaten Gefängniß verurtbeilt
vurde.
4 Worms., 21. Okt. Einem hiesigen Jagd⸗
iebhaber, der eine bdenachbarte Jagd gepachtet, ist
jorgestern auf der Rebhühnerjagd das Malheur
zassirt, daß er einen Landwirth in's Auge schoß,
;as verloren ist. Der Getroffene gehört zu den
eichsten Familien Abenheim's und wollte sich binnen
durzem verheirathen.
F Vom Bodensee, 20. Okl. In Betreff
er Untersuchung über den Unfall des bayerischen
)ampfers „Stadt Lindau“ verlautet nach dem
Ostschw. Wchbl.“: Das internaitonale Schieds⸗
jericht, welches letzter Tage die Katastrophe zu be⸗
irtheilen hatte — es besteht aus bayerischen,
vürttembergischen, badischen und schweizerischen
Fachleuten. — soll sich in allen Theilen zu Un⸗
zunsten der Leitung des Dampfbootes „Habsburg“
ausgesprochen haben. Inzwischen hat man aus
damburg Taucher kommmen lassen, um die Hebung
porzunehmen. Leider ist es zur traurigen Gewiß—
jeit geworden, daß die Dampferkatastrophe auf dem
Bodensee noch ein weiteres Opfer gefordert hat
uind zwar in der Person des Landschaftsphotographen
Wild von und in St. Gallen. Herr Wild, ein
allgemein beliebter junger Mann, war auf einer
Beschäftsreise nach München begriffen, als ihn das
Unglück ereiste. Seine Angehörigen (eine Wittwe
nit vier Kindern) erkundigten sich sofort bei der
Ddampfbootverwaltung; dieselbe konnte aber keine
Auskunft ertheilen. In furchtbarem Hangen und
Bangen über das Schicksal des Gatten und Vaters
dergingen die letzten Tage für sie. Am Mittwoch
endlich wurde Wild ertrunken in der zweiten Kajüte
zefunden. Weiterhin kommt die Nachricht, daß von
den Tauchern der Leichnam eines circa 15 Jahre
alten Mädchens ans Tageslicht befördert wurde —
das vierte Opfer der Katastrophe.
* Colmar, 19. Okt. Der „Elsässer Er⸗
ähler“ schreibt: Dieser Tage besuchte uns auf
inserem Bureau der seiner Zeit bei dem Brande
er Komischen Oper in Paris als verunglückt be⸗
eichnete Herr Sengele aus Münstet. Wie er be—
jauptet, hat die Nachricht von seinem ⁊
seine Schuldner in Münster veranlaßt, die 8 d
ung der Außenstände zu verweigern, indenn
jelben annahmen, daß ein todter Mann kein qu
nehr brauche.
F Köln, 24. Okt. Die durch ihren Wo
hätiakeitssinn bekannte verwittwete Baronin —*
d. Oppenheim, Charlotte geborene Beyfuß an
seute früh 593 Uhr im Alter von 68 Sir
gestorben.
F Auf dem Rittergute Aap bei Wese
wurde dieser Tage eine Prachteiche an das —8*—
licht befördert. Jahrhunderte lang im dung
Schooß der Erde ruhend, hat dieser mächtige Snne
der über 8340 Kubikfuß nutzbares Holz entheh
eine tiefschwarze Färbung bekommen, die *
ünstliche Behandlung nie zu erreichen ist und des⸗
Jalb diesen Fund besonders werthvoll erschein
aßt. Eine wahrhafte Riesenardeit soll es gewesn
— un
aus dem alten Flußdett der Lippe zu heben. Sol
Funde ermöglichen es uns erst, eine Vorftellu
zu bekommen von der Pracht und Ueppigkeit *
zermanischen Urwaldes, welcher gewiß noch mehren
blcher Baumriesen barg. Natuͤrlich ist die kun
von diesem öchst kostbaren Schatze schon weit ge
)rungen; Kölner und Mainzer Holzfirmen habe
schleunigst Gebote gemacht, die bis 1800 Ma
zehen sollen und gewiß ein Zeichen der Seltenhen
einer solchen tiefschwarzen Färbung sind.
F Berlin, 22. Okt. (Aerzte für die Kolo
nien.) Wie halbamtlich verlautet, werden don
luswärtigen Amte Bewerber für die Stelle eint
Arztes im deutschen Togogebiet (Westafrika) gesuch
Derselde soll sich dort neben der Ausüühung da
Proxis auch mit wissenschaftlichen Beobachtunge
eschäftigen, insbesondere die Natur der klimatische
krankheiten und die Alklimatisationsbedingungen
»er weißen Rasse studiren. Dieser Arzt soll m
stegierungsgebäude in Klein⸗Popo freie Wohnung
ind zu den Erträgnissen der Praxis, die in Er
nangelung eines Konkurrenten im Schutzgehiet
nicht gering zu veranschlagen sind, einen festen Zu
chuß von jährlich 6000 Mk. erhalten, ferner ein
zergütung für die Reise- und Ausrüstungskosten.
Die erforderlichen Instrumente, Medikamente wt.
verden aus amtlichen Mitteln beschafft und unsen
jalten. Desgleichen ist die Entsendung eines Arztez
nach Zanzibar beabsichtigt, wo derselbe neben da
n Aussicht stehenden Privatpraxis an dem in der
Finrichtung begriffenen deutschen Hospital wirken
osll. Auch diesem Arzte wird, abgesehen von nam⸗
jaften Beiträgen der Deutsch-afrikanischen Koloniel⸗
Hesellschaft und größerer deutscher Firmen in Zen—
„ibar, ein ausreichend bemessener Zuschuß, nach
äherer Vereinbarung mit dem Auswärtigen Ame
aus amtlichen Mitteln bewilligt werden konnen.
Für den Arzt in Zanzibar würden einige Kennb—
nisse in der arabischen Sprache von besonderen
Werthe sein, da der Sultan und die reichere
rrabischen Familien daselbst sich mit Vorliebe eurs
oäischer Aerzte bedienen.
4Berkin, 19. Okt. Namentlich für kau—
männische Kreise ist eine neue Verfügung bor
Wichtigkeit, welche das Reichspostamt unterm 1.
d. M.' erlassen hat; dieselbe lautet: „Nach Maß—
gabe der Postordnung ist es gestattet, in Drus
achensendungen einzelne Theile des Inhaltes, aih
peiche die Aufmerksamkeit gelenkt werden soll, durh
Striche kenntlich zu machen, wobei solche Stelen
bensowohl unterstrichen, als durch Striche am Rand
xinklammern bezeichnet werden können. Voraus
etzung dabei ist, daß durch Anbringung diese
Züchen nicht ein besonderer Text enisteht, welche
iner drieflichen Mittheilung gleich zu achten ist:
indernfalls sind derartige Drucksachen von der Be
örderung gegen ermäßigtes Porto auszuschließen.
Neuerdings werden nun von den Geschäftsleuten
Jjegen Entrichtung des Drucksachen-Portos vielsah
jedruckte Karten eingeliefert, deren Rückseite ein
Keihe unter sich im Vordruck abgegrenzter, au
inzelne geschäfiliche Vorkommnisse (Waarenbestellung
Anzeige über Absendung, Lieferung, Nichteingan
„on Waaren ꝛc.) berechneter Mittheilungen untet
dinzufügung des Vermerkes enthält, daß nur die
enige Angabe, welche durch Unterstreichung, Strich
im Rand Einklammern ꝛc. kenntlich gemacht sü
ur den Empfänger Gilugkeit haben? solle, G
ann keinem Zweifel unterliegen. daß nach Hinzun
ügung des haändschriftlichen Zeichens die so herwon
jehobene Stelle des Vordrucks eine auf den in ge
Ahl lommenden Foll passende besondere Min