Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl Amtsgerichts St. Ingabert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmalr Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs— 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1A 60 — einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1 75 , einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft eriheilt, I3 8, Neklamen 80 . Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
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M 23. 
Montag, 31. Januar 1883. 
* 
22 Jahrg 
Polilische Lebersicht. 
An Kaiser Wilhelm wurde nachstehendes 
Telegramm abgesand: Seine Majestät dem Kaiser 
Wilhelm bringen viertausend nationale nnd liberale 
Manner der Pfalz, in einer Wahlversammlung zu 
Neustadt an der Hardt vereinigt, den Ausdruck der 
hrfurchtsvollsten Ergebenheit, sowie die Verficherung 
reuester Anhänglichkeit an der jetzt zur Entscheidung 
tehenden Lebensfrage der nationalen Wehrkraft dar.“ 
Die Berliner offiziösen und halboffiziösen 
Preßstimmen äußern sich schon seit einiger Zeit 
aͤber die allgemeine Lage ziemlich skeptisch, unter 
speziellet Beionung des deutsch⸗ franzblischen Ver⸗ 
hälinisses und scheinen hiermit auch auswärtige 
offiziöse Blätter angesteckt zu haben. So wird im 
Pesier „Lloyd' eine längere Correspondenz aus 
Zerlin veröffentlicht, die lebhaft an die bekannten 
Krieg in Sicht Artikel“ der „Post“ erinnert. Die 
Torrespondenz tritt mit besonderem Nachdrucke der 
allgemein verbreiteten Auschauung entgegen, als ob 
die Signalements der deuischen Offiziösen über die 
französischen Rüstungen nur Wahlmanbver gewesen 
seien, fie hätten vielmehr die Bedeutung eines 
kalten Wafferstrahles, eines Winkts an die Adresse 
Frankreichs, daß man sich in Deutschland nicht über⸗ 
caschen lassen werde und erinnert der Berl. Corre⸗ 
pondent des „Lloyd“ darau, daß schon in der 
unruhigen Periode des Jahres 1875 ein aähnliches 
Anrufen“ Rußlands seitens der Berliner Offizidsen 
erfolgt sei. Zum Schluß versichert der Korrespon ⸗ 
dent, man wisse in Berlin, daß General Boulanger 
dereit sei, in längstens einem Jahre auch ganz allein 
ioszuschlagen, daß er aber schon eher hieran denken 
würde, wenn Rußland bereit sei, in die Action 
mit einzutreten. Der Correspondent gibt schließlich 
zu verstehen, daß Deutschland bei einer solchen 
Sachlage erwägen müsse, im Falle seine diesfälligen 
larsteüüungsversuche kein befriedigendes Resuttat 
ergeben wuͤrden, ob da nicht der bewährte alte 
Grundsatz, die beste Defensive bestehe in der Offen ⸗ 
five, anzuwenden sei. — Der Pester „Lloyd“ scheint 
diese, wie man gestehen muß, ziemlich pessimistischen 
Auslassungen seines Berliner Correspondenten sehr 
ernsthaft zu nehmen, denn er bringt sie an hervor⸗ 
ragender Stelle und bezeichnet sie selber als im 
höchsten Maße beachtenswerth. Die Correspondenz 
scheint die in den leitenden deutschen Kreisen herr⸗ 
schende Stimmung getreu widerzuspiegeln, denn in 
einem sehr bemerkenswerthen Artikel der „Kreuz⸗ 
zeitung“ findet sich die Meinung, daß wenn wirk⸗ 
lich in den französischen Ostdepartements Truppen⸗ 
concentralionen stattfünden, Deutschland diese Maß— 
regel durch eine allgemeine Mobilmachung beant⸗ 
worten würde. Berücksichtigt man nun noch die 
Meldungen der Berliner Abendblätter vom Freitag, 
wonach auch Deutschland beabsichtigen soll, an der 
franzosischen Grenze Baracken zu errichten und daß 
größere Reservisteneinziehungen zur Einübung im 
Gebrauche des neuen Gewehres bevorständen und 
zieht anderseits die Mittheilung des Pariser „Temps“ 
in Betracht, daß allerdings im Laufe dieses Jahres 
ein französisches Armeecorps „versuchsweise“ mobi⸗ 
lisirt werden solle, so dürfte aus alle dem erhellen, 
daß sich in der That eine leichte Spannung zwischen 
Berlin und Paris zu markiren beginnt. Um so 
mehr ist es Pflicht der deutschen Wähler, durch ein 
möglichst einhelliges Votum für die Septennats⸗ 
—X 
stehen zu geben, daß Deutschland durch alle Even⸗ 
maliftäten horbexreitet ist und seine Stämwe ein—⸗ 
müthig enischlossen sind, einen abermaligen fran⸗ 
zösischen Angriff ebenso energisch zurückzuweisen, als 
dies 1870 geschehen istl c.— 
Zur Wahlbewegung liegen heute beson· 
ders interessante oder neue Meldungen — wenn 
nan von den Mittheilungen über Aufstellung von 
Candidaten u. s. w. absieht, nicht vor. Bezüglich 
der schon erwähnten Munchener Neuesten Nach⸗ 
ichten“, daß Fürst Bismarck im Besihze einer au⸗ 
hentischen Aeußerung des Papstes sei, deren Ver⸗ 
iffenllichung bestimmend für das Verhalten der 
Zatholiien bei den Wahlen des 21. Februar sein 
verde, ist noch nichts Bestätigendes bekannt, doch 
Jält das genannte Münchener Blatt seine Meldung 
nit Entschiedenheit aufrecht. 
Eine wunderliche Mittheilung bringt 
das Hirsch'sche Telegraptsenbureau aus Aleran⸗ 
rien. Danach wuürde“ die egyptische Reise des 
Prinzen Alexander dbon Battenberg mit 
ʒer Uebernahme des Commandos über die englischen 
Truppen in Wady Halfa zusammenhängen. Der 
ehemalige Bulgarenfürst, der Sieger von Slivnica 
uind Pitot, als englischer Vorpostencommandeur sich 
mit den Sudanesen herumschlagend — das klingt 
denn doch ein wenig z*ubenteuerlihchh 
Der Herzog von Leuchtenberg ist in's 
Ausland abgereiß, wie eine Petersburger Depesche 
lakonisch meldet. Sollte die Reise am Ende mit 
der Vorstellung des Herzogs an den europäischen 
Ibfen als der eigeniliche Kandidat Rußlands für 
den bulgarischen Thron zusammenbängen? 
J 
Stempelaufdruck hergestellt. Die nach den visherigen 
Vorschriften angefertigten Stempelmarken und ge⸗ 
stempelten Formulare behalten ihre Giltigkeit. 
Berlin, 20. Jan. Für den 2. und 3. 
April sfind sämmtliche bei der Rekrutengesellung im 
herbst vorigen Jahres wegen hoher Loosnummern 
richt gestellten Militärpfichtigen einberufen 
vorden. Es handelt sich dabei um nichts anderes 
As die Durchführung der neuen Militärvorlage, 
deren Annahme bis zum 1. April die Regierung 
uso bestimmt vorauszusetzen scheint. Die erwähn⸗ 
len Einberufungen von Reservisten der Infanterie 
zur Ausbildung mit dem neuen Gewehr beginnt 
am 7. Februar. 
Ausland. 
Paris, 29. Januar. Die heutigen Blätter 
bringen nunmehr eine Darstellung über die militär⸗ 
ischen Vorkehrungen. Die Baracken der Ostgrenze 
würden gebaut, um in denselben die Besatzungen 
der Forts unterzubringen, da der Aufenthalt in 
dasematten Krankheiten verursache. 
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of e und pfalzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 31. Januar. Da Herr 
Büurgermeister Heinr ich selbst als Reich Sta g 3⸗ 
kandidat auftritt, so wurde dessen Ernenn⸗ 
umg als Vorstand des J. hiefigen Wabhlbezirks 
zurückgezogen und seitens des königl. Bezirlsamts 
Zweibruͤcken Herr Apotheker Zorn hiezu ernannt. 
*St. Ingbert, 31. Januar. Wie uns 
von zuverlässiger Seite mitgetheilt wird, waren am 
Freitag Nachmittag, also bei hellem Tage, zwei 
Wölfe ganz nahe an der Thalmühle, Gemeinde 
xẽnsheim. Rachdem Thalmüller Emmer und dessen 
Hiensttnecht nacheilten und auf sie feuerten, jedoch 
ohne zu treffen, nahmen die Wolfe reißaus und 
sprangen in der Richtung gegen Bischmisheim in 
den Wald. Manvermuthet, daß' dieselben eine alte 
Wolfin mit ihrem Jungen, oder ein Paar war, da 
einer der Wolfe etwas größer als der andere war. 
— Erpolzheim, 27. Jan. Am 24. d. 
M. feierte dahier Herr Wirth Wilh. Bühler J., der 
alteste von 7 Geschwistern, seinen 83. Geburtstag. 
Aus diesem Anlaß sei bemerkt, daß die beir. Ge⸗ 
chwister zusammen die stattliche Anzabl von 509 
Lebensjahren zählen. 
gandel, 27. Jan. Beim Holzmachen 
traf ein fallender Ast den Maurer Adam Herrmann 
bon Erlenbach so unglücklich auf den Kopf, daß 
derselbe in Folge der empfangenden Wunde heute 
früh starb. Herrmann hinierläßt eine Wittwe mit 
siehen Kindern. 
Neustadt, 30. Jan. Der nationallieber⸗ 
rale Parteitag, von etwa 4000 Personen besucht, 
hat einen glänzenden Verlauf genommen. Es herr⸗ 
chte hohe Begeisterung. Bürklin und Miquel ent⸗ 
fesselten durch ihre Reden Stürme von Beifall. 
Dürkheim, 28. Jan. Gestern ist hier 
nach einem Vortrage des Herrn Dr. Gümbel aus 
Speyer ein Zweigverein des bayerischen Frauenver⸗ 
eins gegründet worden. 38 Damen traten sofort 
bei. Nuch in Freinsheim wird ein solcher in's 
Ldeben treten. 
— Spehyer, 27. Jan. Das kgl. protestan⸗ 
ische Consistorium der Pfalz erlaßt folgendes Aus⸗ 
chreiben: Nach testamentarischer Verfügung des 
vormaligen königlichen Lycealprofessors Karl Wil⸗ 
helm Rom in Spehyer soll in jedem zweiten Jahre 
sür die protestantischen Pfarramtskandidaten der 
BWfalz welche die theoloaische Aufnahmsprüfung 
DSeutsches dteich. 
Straßzburg, 29. Jan. Das „eElsässer 
Journal“ meldet, die Bretterausfuhr über Dienze 
sei seit gestern untersagt. 
Muͤnchen, 28. Januar. Die Fr. Ztig. 
erhält folgende Zuschrift: „Alle in den letzten 
Tagen gebrachten Mittheilungen über große Bretter⸗ 
Ansäufe in Baden und Elsaß für die franzöfische 
Militär⸗Verwaltung entsprechen nicht den Thatsachen. 
Wie wir verbürgen können, wurde schon vor mehr⸗ 
eren Wochen mu einer Münchener Exportfirma ein 
diesbezüglicher Vertrag auf 200,000 Stück Bretter 
abgeschlossen, womit der größere Theil des ganzeu 
Bedarfs für erwähnte Baracken-Bauten gededt war. 
Es kann sich somit nur mehr um kleinere Käufe 
handeln, die wie gewöhnlich am Meisten aufge— 
bauscht werden.“ 
Berlin, 29. Januar. Der Reichkanzler (in 
Vertretung Jacobi) erläßl heute eine neue Aus— 
rührung zum Reichsslempelgeseg dahin: „Die Stem— 
pelzeichen lauten künftig auf Beträge von 10, 20, 
0, 40, 50, 60, 80 f; 1, 2, 8. 4. 5 6.17 
8, 9, 10, 15, 20, 30, 80, 100 und 500 M. 
Dieselben sind 24 mm hoch, 61 mm breit und 
jaben, soweit sie über einen Steuerbetrag bis ein⸗ 
chließlich 80 Pf. lauten, einen bläulichen, bei 
einem höheren Betrage einen gelblichen Untergrund, 
welcher rechts und links den Reichsadler, in der 
Mitie einen Schild mit der Inschrift „Reichs— 
dempelabgabe zeigt; eine Lochreihe macht die Marke 
in zwei gleiche Theile zerlegbar, von denen jeder 
auf dem obern Rande die Werthzeichnung in Buch⸗ 
daben und an den beiden äußern Ecken die Zahl 
der Pfennige, beziehentlich Mark, auf welche die 
Marke lautei, ferner den Vordruck „den“ fürs 
datum der Verwendung in rothem Aufdruck und 
außerdem die fortlaufende Markennummer enthält. 
Bestempelte Formulare zu Schlußnoten sind mii 
inem dem veuen Markenmuster entsprechenden