Full text: St. Ingberter Anzeiger

wie Bismarck die deutsche bezeichnet — das Heer 
eines Kaisers! Sie ist auch keine Parlaments— 
armee, sondern sie ist die Armee des Vaterlandes!“ 
Bravo! 
— esß E. 
Munchen, 30. Jan. Die „Donauzeitung“ 
gibt folgender Mittheilung Raum, die ihr „von 
hochangesehener und durchaus glaubwürdiger Seite? 
zjugeht: „Es ist richtig, daß der heil. Vater mit 
Ktücksicht auf die schwebenden kirchenpolitischen Ver⸗ 
handlungen den sehnlichen Wunsch ausgesprochen 
habe, es möchte Rücksicht bei dem Verhalten 
des Centrums gegenüber der Militärvorlage ent— 
sprechend, bethätigt werden und es ist ferner richtig 
daß ein Aktenstück, welches diesen Wunsch des 
Papstes bestätigt, dem Wortlaute nach in den 
Händen des Fürsten Bismarck befindet. Es handeli 
fich da um eine vertrauliche Willensadußerung 
des Vatikans. die vor der zweiten Lesung erfolgt 
ist. So bel können wir mittheilen und wir schöpfen 
dabei aus einer Quelle, deren Lauterkeit über 
Alen Zweifel erhaben ist.“ 
Berlin, 29. Jan. Die Einberufunq von 
72,000 Reservisten zur Schießübung wird allseitig 
bestätigt. Die Einberufung wird voraussichtlich 
zum 8. Febr. auf 10 bis 12 Tage erfolgen und 
sich zunächst auf die westlichen Provinzen erstrecken. 
— Die „Nordd. Allg. Zig.“ schreibt: Ueber 
London empfangen wir die Nachricht, daß die 
chinesische Regierung die erste Anleihe in Reichs⸗ 
mark mit deutschen Bankfirmen abgeschlossen hat. 
Diese Thatsache ist für den deutschen Handel be—⸗ 
merkenswerth, da dieselbe als das erste positive 
Resultat langjähriger Bestrebungen zu betrachten 
ist, welche darauf abzielten, den unter günstigen 
Berhältnissen begonnenen Beziehungen Chinas zur 
deutschen Industrie die unerläßliche finanzielle Basis 
zu verschaffen. — In diesem Jahre gelangen, wie 
wir vernehmen, noch zwei von der Stettiner Ma⸗ 
schinenbau Gesellschaft „Vulkan“ für China gebaute 
Kriegscorvetten zur Ablieferung. 
— 
Auslaud. 
Paris, 30. Januar. Gestern fand bei dem 
Minister des Auswärtigen, Flourens, ein Diner 
stati, zu welchem alle Botschafter und Gesandten 
Einladungen erhalten hatten; auch der deutsche Bot⸗ 
schafter Graf Münster, der aus Cannes zurückge⸗ 
kehrt ist, nahm daran Theil; an das Diner schloß 
fich ein glänzender Empfang. — Der Präsident 
Grevy empsfing gestern die madagassischen Abge⸗ 
sandten 
Eine Note der „Ag. Havas“ meldet: „Gene 
ral Feyrier, der Oberbefehlshaber des 6. Armee⸗ 
kotps, hat dem Kriegsminister gemeldet, daß alle 
Gerüchte von den Kriegsrüstungen der Deutschen 
jenseits der Bogesen keinen Grund haben. Der 
höhere Kriegsrath hat sich speziell dazu versammelt, 
um diese Frage zu besprechen, und sich nochmals 
übe rzeugt, daß infolge der seit zehn Monaten ge⸗ 
troffenen Maßregeln keine Ueberrumpelung zu be⸗ 
fürchten sei.“ 
„Paris“ führt aus, es sei zu wünschen, daß 
ein Reich Stag gewählt werde, der das Sep⸗ 
tennat bewillige, weil dann die Unsicherheit auf⸗ 
höre, die auf den Geschäften der ganzen Welt 
liege. Am Schluß des Artikels heißt es: „Die 
Presse von der anderen Seite des Rheines hat sehr 
Unrecht, zu glauben, unser Land fürchte sich, zu 
sehen, wie die Zahl der kaiserlichen Soldaten ver⸗ 
mehrt wird. Was wir Franzosen wollen und was 
wir in Zukunft Europa sicherlich auferlegen werden. 
das ist die Achtung der Unantastbarkeit unseres 
dandesgebiets wie die Verträge es hingestellt haben. 
Das übrige geht uns nichts an und unsere Re⸗ 
vanche über die man so viel spricht, ist bereits ge⸗ 
nommen, da die besiegte Nation von gestern schon 
in den Augen aller wieder eine unangreifbare 
Nation geworden ist.“ J 
Wien, 29. Jan. Die Versuche mit den 
Nordenfels'schen 47-Millimeter⸗Schnellfeuerkanonen 
begannen unter der Theilnahme der obersten Heeres⸗ 
leitung. Gestern Abend wohnten diese und die 
Militärattachees hier im militärwissenschaftlichen 
Ferein dem Vortrage des Generalstabs⸗Oberft⸗ 
lieutenants Mathes über das Manlichergewehr bei, 
welches Mathes demonstrirte und für das beste in 
Europa erklatke. M 
Wien, 29. Januar. Die hiefigen diploma⸗ 
tischen Kreise bezeichnen alle aufregenden Gerüchte 
als derzeit unbegründet; die Orientfrage stehe be⸗ 
riedigend. Betreffs Deutschlands und Frankreic 
liege schlechterdings nichts vor, was eine unmittel⸗ 
bare Gefahr bedeute; die Situation sei seit mehr 
als Wochenfrist vollständig unverändett. — Neuere 
Privatberichte aus Sofia, welche den Widerstand 
der Regentschaft andeuten, werden als tendenziös 
hbezeichnet. Trotß alledem ist die Stimmung ziem⸗ 
lich ernst. 
Wien, 31. Jan. Oesterreich rüstet! Gestern 
Nachmittags wurde ein gemeinsamer Ministerrath 
der österreichischen und ungarischen Minister unter 
Vorsitz des Kaisers abgehalten, worin die Einbe⸗ 
rufung der Delegation zur Vorlage von Supple⸗ 
mentarcrediten fuͤr die Armee für das Jahr 1887 
beschlossen wurde. Den Parlamenten der beiden 
Reichshälften der Monarchie werden die Special— 
rredite zur Durchführung ges Landsturmgesetzes vor⸗ 
gelegt; auch soll der Erlaß des Pferde⸗Ausfuhr 
berbotes beschlossen worden sein. 
Wien, 31. Jan. Die Delegationen werden 
für den Monat März einberufen. Der Gesammt ˖ 
Tredit für das stehende Heer. die Landwehr und 
den Landsturm beziffert sich auf dreißig Millionen 
Gulden. 
Belfast, 31. Jan. Am Samstag Abend 
unv Sonntag Abend kam es hier zu ernsten Ruhe⸗ 
störungen; eine größere Volksmenge warf Steine 
und feuerte Revolver auf die Polizei ab- Letztere 
feuerten ebenfalls und nahm gegen 50 Verhaft⸗ 
ungen vor. Mehrere sind verwundet. 
London, 31. Jan. Dem Fr. Journ. wird 
depeschirt: Der MorningPost wird aus Paris 
zemeldet: Nach dem Empfang des Berichtes Her⸗ 
hette über die friedlichen Auslassungen des Kaisers 
bei dim letzten Hofconcert richtete der Minister det 
Auswärtigen Flourens eine Depesche an Herbette 
vorin er ihm einschärfte, bei jeder Veranlassung 
vorzustellen, die französische Nation wünsche auf⸗ 
richtig, in Freundschaft mit Deuischland zu leben 
und im franzdüschen Kabinet herrsche eine voll⸗ 
lommene Uebereinstimmung, jedwede Handlung zu 
zermeiden, welche einer falschen Auslegung fähig 
ei. 
Lokale und pfälzische Nachriuten. 
— Aus der Pfalz, 28. Januar. Die 
Zeugnisse derjenigen Schuldienstexspektanten, welche 
mm Herbste des verflossenen Jahres die Ansiellungs— 
prüfung mit Erfolg bestanden haben, find bereits 
den Adrefsaten ausgehändigt. Gemeinden welch— 
vakante Stellen haben, ist daher anzurathen, die— 
selben sobald als möglich zur Bewerbung auszu 
chreiben, da ihnen jetzt Gelegenheit geboten ist 
lüchtige Bewerber zu bekommen. 
— Zweibrücen, 31. Januar. Dernk 
Rath am obersten Landesgericht in München, Hr 
Eugen Schmidt, früher Oberlandesgerichtsrath dahier 
ist am Freitag von Sr Kgl. Hoheit dem Prinz 
Regenten in Andienz empfangen worden. 
— Morgen, Mittwoch, Nachmittag von 21/ Uhn 
an findet in Zweibrücken ein großes Schlitt— 
schuhwettrennn von der Jugend Zweibrüens 
statt. 
fF Pirmasens, 29. Jan. Ein Akt em⸗ 
poͤrender Rohheit wurde gestern Abend an der 18 
Jahre alten Elise Fluch, Stieftöchterchen des Herrn 
Schreinermeisters und Gastwirthes Friedrich Schäfer, 
hier verübt. Beim Hinaustreten in den Hof wurde 
sie von einem unbekannten Individuum mit den 
Worten gepackt: Wenn Du einen Laut von Dir 
gibsi, steche ich Dich todt. Dem Kinde war natür⸗ 
lich infolge des Schreckens und der Angst die Kehle 
wie zugeschnürt, welchen Moment der Unhold be— 
nützte, die Haare des Mädchens, zwei schöne, ca. 
un Meter lange, blonde Zöpfe, vom Kopfe wegzu⸗ 
ichneiden, worauf er, als das Kind endlich um 
dilfe schreien konnte entfloh, die Haare seines Opfere 
zurücklassend. Hoffenilich gelingt es, den Thäter 
seiner verdienten Strafe zu überliefern. (P. Z.) 
— Otterbach, 831. Januar. Gestern fan⸗ 
den hier und in Erfenbach sozialdemokratische Wahl⸗ 
versammlungen statt. Bei derjenigen im letztge⸗ 
zannten Orte nahm die überwachende Gendarmerit 
Beranlassung, die Versammlung aufzulösen, wobei 
es zum Handgemenge kam, so daß die Gendarmerie 
sich genöthigt sah, von der blanken Waffe Gebrauch 
zu machen. — Nach einem anderen uns zugegange⸗ 
nen Berichte, haben die Bewohner beider Orischaften 
ach sellst gegen die Abhaltung der sozialistischer 
Bersammlungen daselbst aufgelehnt. 
— Niederkirchen, 28. Jan. Vor einig 
Zeit bestellte ein hiesiger Gaͤrtner in Montfor 
Frankreich) in der „Gärtner⸗Zeitung“ annoncö; 
jewesene Obstbäumchen in größerer Quantität. Di⸗ 
elben kamen auch ungehindert in Neustadt a. H 
an, dort aber wurden sie von dem Zollamte zu 
rückbehalten, weil eben auch für sie die Satzunger 
des Reblaus· Gesetzes Geltung haben. Der bettes 
fende Besteller hat dadurch nicht geringen Schaden 
und dient dieser Fall Anderen zur Lehre. (Pf. Ny 
— Neustadt, 30. Jan. Die Deuischfre— 
sinnigen des Wahlkreises Neustadt⸗-Landau stelltep 
heute Hrn. Dr. Recknagel aus Kaiserslautern alz 
Rteichsstagskandidaten auf. 
— Speier, 28. Januar. Dem am Rhein 
hor wohnenden Schiffbauer Jakob Spieß hat gester 
Mittag ein hübsches junges Reh einen Besuch ab— 
zestattet, indem es in aller Gemüthlichkeit zu der 
aufstehenden Thür in die Küche hlneinspazierte. De 
harmlose Gast wurde natürlich freundlich aufge 
aommen und ist in sehr gute Verpflegung gegebe 
worden. 
— Speyer, 30. Jan. Die Stadt Goih 
hat für die anfangs Mai daselbst abzuhaltend 
deutsche Lehrerversammlung den Betrag von 100 
Mark ausgeworfen. 
Vermischtes. 
F Metzz, 31. Januar. Laut der M. Zi 
sind die loihringische Behoͤrden angewiesen, b 
zum 1. April Platz für vier neue Infanter; 
Regiemen ter zu schaffen. 
F Metz, 31. Januar. Durch Mißverständn 
der Depesche wurde statt der Pferde-Ausfuhr übt 
Menze die Bretter⸗Ausfuhr untersagt, aber da 
Diißversiändnis sofort richtig gestellt. 
FStraßburg, 29. Januar. In der gest 
rigen Sitzung des Landesausschusses gab die Bud 
getberathung Anlaß zu einer Debatte über daf 
Septennat. Bulach Sohn und Staatssekretär vor 
dofmann sprachen für dasselbe, Winterer und Gra 
dagegen. Staatssekretär v. Hofmann konslatirt 
daß niemand im Hause widersprochen habe, alf 
Bulach erklärte, Elsaß⸗Lothrigen wolle keinen Krieg 
FMannheim, 28. Jan. Der „M. Ar 
schreibt: Millionen Erbschaft in Mannheim. Kürp 
lich starb die kinderlose Besitzerin der größter 
Brauerei Amerikas (Anion⸗Brauerei) und hinterlief 
ein Vermögen von 9 Millionen Dollars. Der 
Besitzer eines hiesigen ersten Hotels, dessen Tant 
die Verstorhene war, wird sich mit noch fuünf ir 
ahnlichen Verwandtschaftsbeziehungen stehenden Per 
sonen in die Erbschaft zu theilen haben. 
FFrankfurt a. M., 28. Jan. Die ir 
vergangenen Jahre in Frankfurt stattgehabte erst 
deutsche Weinausstellung hat nicht den befriedigen 
den finanziellen Ausgang gefunden, den man bi— 
her glaubte annehmen zu dürfen. Die Prüfun 
der Abrechung ergab einen Fehlbetrag von 2200 
— 2300 Mk. wofür allerdings durch den Garan 
tiefonds Deckung vorhanden ist. 
FNürnberg, 27. Jan. Durch die jeß 
auch in den Landgemeinden angeordnete schärfer 
Kontrole der Lebensmittel werden gar manche Dorf 
wirthe, welche sich bisher gar kein Gewissen darau 
machten, saures, verdorbenes Bier auszuschänken 
unangenehm berührt. So wurden heute von der 
Strafkammer auf Grund des Gutachtens des Herrr 
Univerfitäts⸗Professors Dr. Hilger von Erlanger 
drei Wirthe aus Landgemeinden verurtheilt, da s 
saures, verdorbenes Bier ausgeschänkt haben. Der 
eine erhielt fünf Tage, der zweite acht Tage und 
der dritte 14 Tage Gefängniß. 
7 Bayreuth, 27. Jan. Ein fünfjährige 
Knabe wurde wegen einer Unart zur Strafe ir 
ein Wohnzimmer gesperrt. Der kleine Waghal! 
öffnete das Fenster und sprang zwei Stockwert 
hoch hinuter, um wie er in seiner kindlichen Ein 
falt hintendrein bemerkte, seiner Mama die Uber 
—XD 
zu ihr gelangen könne. Das arme Kind ist schwer 
aber zum Glück nicht lebensgefährlich verletzt. 
F Ein lustiger Zwischenfall im Gerichtssaal 
trug fich dieser Tage vor dem Schöffengericht einer 
Stadt in der Nahe Dusseldorfs zu. Der 
Amisrichter richtete an einen Zeugen, der zur Eideb⸗ 
leistung bereits die Hand erhoben hatte, noch die 
Frage: „Haben Sie sich auch ordentlich geprüftt 
— „Nee Här Richter,“ erwiederte der Mann gan 
erschrocken und ließ die Hand finken, „prüft hebb 
eck noch nit. „Prüfen“ bedeutend am Niederhein 
was man anderwärts einen auf die Lampe gießen