Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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V 231. 
Deutsches Reich. 
Berlin. Eine Korrespondent des „Neuen 
wiener Tagbl.“ schreibt aus San Remo, die leßte 
berschlimmerung im Befinden des Kronprinzen 
verde von den Aerzten auf eine Verschlimmerung 
n dessen Gemüthszustande zurückgeführt, welche 
iber nicht die Furcht vor dem Tode, sondern der 
zummer um die Ueberlebenden, nämlich den greisen 
Hhater und die kranke Mutter verschuldet habe. Seint 
Umgebung sei unablässig bemüht, den Kronprinzen 
muufzuheitern, namentlich zeichnet fich hierin die 
dronprinzessin aus, die sich festllammert an dem 
Fedanken, daß die Aerzte irren können und daß 
jer Krankheitsfall des Kronprinzen einer der 
venigen sein möchte, die in Heilung enden. Be 
den Prinzessinen, die stets den Vater umgeben, ist 
zie Heiterkeit um so leichter, als fie in Unkenntnif 
»on dem wahren Stand der Sache gehalten werden. 
das Ergebniß der ärztlichen Berathungen wurde 
hnen nicht mitgetheilt. Seit drei Wochen ist kein 
Zeitungsblatt in die Villa gekommen. Mackenzit 
jat die Zusicherung des Kronprinzen erhalten, daß 
renur Auszüge liest, die täglich für ihn gemacht 
verden. Die Korrespondenz betont besonders, daß 
s Mackenzie war, der zurückscheute vor der Ope⸗ 
cation, von ihrem zweifelhaften Erfolge überzeugt, 
während er hofft, das Leden des hohen Patienten 
ohne eine solche länger fristen zu können. — Am 
Montag wird Prinz Heinrich erwartet. Dr. Bra⸗ 
nann ist von Berlin angekommen, der englische 
Arzt Dr. Doth wird erwartet. 
Berlin, 22. Nov. Nach einer dem „B. T.“ 
zus London zugegangenen Meldung telegraphirte 
zestern Abend Dr. Hovell aus San Remo an die 
dönigin Viktoria, daß alle unmittelbaren Symptome 
beim Leiden des Kronprinzen zur Zeit günstigsseien, 
wenn auch die Natur des Leidens selbst unver⸗ 
indert bleibe. 
Fürst Bismarck ist mit seiner Gemahlin schon 
jeute nach Friedrichsruh zurückgekehrt. 
Berlin, 22. Nov. Ueber die Unterredung 
es Fürsten Bismark mit dem Czaren erfährt man 
etzi, daß dem Czaren gefälschte Briefe über 
zie Haltung des Reichskanzlers in der bul⸗ 
jarischen Frage vorgelegt worden sind, die orlea⸗ 
nistischen Ursprungs sind. Es gelang dem Fürsten 
bismarck bald, den Czaren davon zu überzeugen, 
zaß in dieser Hinsicht das Opfer der schlimmsten 
kniffe gewucden sei. Im Laufe der Zusammen⸗ 
unft hat sich aber auch noch ferner herausgestellt, 
zaß ein kleiner aber einflußreicher Theil der hiesigen 
doftreise dazu mitgewirkt hat, bei dem Czaren den 
alschen Glauben zu erwecken, als wenn der Reichs- 
iunzler in seiner auswärtigen Politik nicht in vollem 
kinklange mit Kaiser Wilhelm stehe, sondern von 
diesem nicht selten uur widerwillig die Genehmig⸗ 
ung seiner Vocschläge und seiner Politik erhalten 
loͤnne. Auch in dieser Hinsicht hat der Czar bei 
der jezigen Zusammenkunst leicht eines bessern und 
richtigern belehrt werden können. 
Wie der „Frankfurter Zeitung“ gemeldet wird, 
verde dem Reichstage ein Gesetzentwurf zugehen, 
hurch den die Betragspflicht sämmtlicher Reichsbeamten 
y Witwen⸗ und Waisenkasse aufgehoben werden 
solle. 
Der Vorstand der Gesellschaft für deutsche Co⸗ 
lonisalion beruft auf den 19. December eine Haupt⸗ 
dersammlung, in welcher über die Vereinigung der 
Besellschaft mit dem deutschen Colonialverein be— 
chlossen werden soll. Die vereinigten beiden Or— 
Donnerstag, 24. November 1887. 22. Jahrg. 
ganisationen sollen den Namen „Deutsche Colonial⸗ 
gesellschaft“ führen. 
Ausland. 
Paris, 21. Nov. Inanbetracht der Möglich 
keit von Manifestationen gegen Grevy haben mehrert 
Regimenter in der Provinz den Befehl erhalten, 
zum Abmarsch nach Paris bereit zu sein. Auch 
die Polizei hat, auf alle Eventualitäten sich vor⸗ 
bereitet. — Der immer noch in Paris weilende 
General Boulanger hat Berichterstatiern gegenüber 
aus seiner Freude über die neueste Ministerkrisis 
gar kein Hehl gemacht. 
Paris, 22. Nob. „XIX. Siöcle“ erzählt 
heute unter der Ueberschrift: „Die Wahrheit über 
die Unterschlagung der Briefe Wilsons“ folgendes: 
Dier Polizeipräfect Gragnon brachte die Briefe 
Wilsons, von denen einer mit den Worten begann: 
„Der Präsident der Republik und ich“, Herrn 
Grédy, der sie eigenmächtig zerstörte. Als dann 
päter Frau Limouzin das Fehlen derselben bemerkte, 
hat Wilson sie wiederhergestellt. So erklärt sich 
die Haltung Gragnons vor dem Untersuchungsaus⸗ 
schusse. Also nicht gegen Wilson, sondern gegen 
den Präfidenten der Republik hätte der General⸗ 
staatsanwalt Bouchez Verfolgungen beantragen sollen. 
Paris, 22. Nov. Am 1. Januar 1888 
werden fünf Armeekorps mit neuen Repetirgewehren 
versehen sein. 
Washington, 22. Nov. Der Gesandie der 
Vereinigten Staaten in Berlin, Templeton, war 
heauftragt worden, dem Kaiser Wilhelm anläßlich 
der Krankheit des Kronprinzen die Theilnahme des 
Präfidenten und der Bürger der Vereinigten Staa⸗ 
sen zu überbringen. Darauf theilte der deutsche 
Besandte mit, er sei beauftragt, dem Präsidenten 
den herzlichsten Dank des Kaisers für den innigen 
Ausdruck der Theilnahme, die ihn tief gerührt habe, 
abzustatten. 
jder großen Bedeutung, welche diese Ausstellung 
sowohl für unsere Provinz im Allgemeinen als 
auch insbesondere für unser Gewerbemuseum und 
unsere Industrieschule hat, bewilligte der Landratb 
3000 Mk. 
Herr Johann Janson J. berichtete im Namen 
des ersten Ausschusses über das Kreisbudget pro 
1886. Die Gesammte Einnahmen und Gesammt— 
Ausgaben betragen je 1,634,348 Mt. 50 Pf. Die 
Kreisumlage zu 37810 pPCt. von der Steuer⸗ 
Vrinzipalsumme von 2,871,847 Mt. 37 Pf. be— 
trägt nach Abzug von s pCt. für unergiebige 
Posten 1,073, 166 Mk. 8 Pf. 
Speyer, 18. Nob. (I12. Sitzung.) Nach- 
dem Se. Exc. Herr k. Regierungspräsident v. Braun 
von einer Deputation des Landrathes abgeholt, in 
Begleitung des Präsidial-Sekretärs Herrn Conrad, 
kgl. Bezirksamtsassessor, erschienen war, gab der 
Herr Landrathspräsident ein kurzes Resume über 
die Resultate der Landraths-Verhandlungen. Als 
erfreuliches Resultat hob er hervor, daß der Pro— 
zentsatz der Kreisumlagen, welcher schon von der 
igl. Regierung von 39,6 pPCt. des Vorjahres auf 
38,5 pCi. herabgesetzt war, noch um ein weiteres 
Prozent gemindert werden konnte, ohne daß dring— 
liche Forderungen zurückgestellt werden mußten. 
Die größte Mehrausgabe entfiel auch in diesem 
Jahre wieder auf die Kreis⸗-⸗Kranken; und Pflege—⸗ 
Anstalt Frankenthal, deren Erweiterung und Reor— 
zanisation damit zum Abschluß gebracht wurde. 
Der neu zu gründenden Realschule in Pirmasens 
wurden dieselben Zuschüsse bewilligt, welche den 
äbrigen vierklassigen städtischen Realschulen aus 
reisfonds zufließen. Zur Erweiterung der land— 
wirthschaftlichen Kreis⸗Winterschule wurden die 
naöthigen Mittel gewährt und auch den landwirth— 
chaftlichen Fortbildungsschulen neue Beiträge zu— 
gewendet. Die Revision der Kreisfonds-Zuschüsse 
ju den deutschen Schulen wurde auf das nächste 
Jahr verschoben, weil unterdessen der Versuch ge— 
nacht werden soll, den Vertheilungsmodus nach be—⸗ 
dimmten Prinzipien rechnerisch festzustellen, wie dies 
hei den Lateinschulen der Fall ist. Dem Gewerbe— 
hereins · Verband wurde zur Betheiligung an der 
Ausstellung in München ein namhafter Beitrag 
zugewiesen. Der Herr Landrathspräsident schloß 
mit einem dreimaligen Hoch auf Se. K. H. Prinj 
Luitpold von Bayern, des Koͤnigreichs Bayern 
Verweser, in welches der Landrath mit Begeisterung 
einstimmte. 
Herr Regierungspraͤsident v. Braun, die 
Jauptsächlichen Beschlüsse der diesjährigen Session 
zleichfals rekapitulirend, gedachte sodann der nun 
zu Ende gehenden sechsjährigen Landrathsperiode, 
auf deren Arbeit Landrath wie Regierung, von 
gegenseitigem Vertrauen getragen, mit Befriedigung 
zurückblicken koͤnnen, und erllärte hierauf im Namen 
Sr. Maj. des Königs die Landrathsversammlung 
bro 1888 für geschlossen. 
Landrath der Pfalz. 
Speyer, 18. Nov. (II1. Sitzung.) Herr 
Dekan Huth berichtete Namens des fünften Aus 
schusses über folgenden Antrag der Herren Heyden 
reich, Brunck und Schneider, betreffend die Neu— 
organisation der Immobiliar Feuerversicherungs⸗ 
Anstalt und die Beiträge der Mobiliar⸗Feuer⸗ 
Versicherungs⸗Gesellschaften. Der Landrath woll 
beschließen: „Hohe kgl. Regierung zu ersuchen: 
1) Anordnungen zu treffen, daß die in Gemäßheit 
der Neuorganisation der Immobiliar⸗Brandversiche⸗ 
rungs · Anstalt in Thätigkeit tretenden Verwaltungs⸗ 
beamten ihre Wirksamkeit auch auf die Brandftatistik 
nuszudehnen, in der Weise, daß in geeigneten 
Zwischenräumen die wichtigsten Ergebnisse der be⸗ 
züglichen Erhebungen zusammengestellt und im 
„Amtsblatt“ veröffentlicht werden; 2) Fürsorge 
treffen zu wollen, daß die in Art. 4 des Entwurfs 
der Neuorganisation der Immobiliar⸗ Brandkasse 
porgesehene Kontrole der Mobilarversicherungen 
durch die Versicherungs-Inspektoren in eingehendster 
und wirksamster Weise zur Ausführung gelangen: 
3) unter Bezug auf den Landrathsbeschluß vom 
20. November 1884 die Erhoͤhung der Beiträge 
der Mobiliar⸗Feuetversicherungsgesellschaften noch⸗ 
mals in Erwägung ziehen und in Anregung bringen 
zu wollen.“ Vorstehender Antrag wurde vom 
Landrath angenommen. 
Der Antrag des Herrn Goerg im Betrefj 
ines Zuschusses aus Kreisfonds für die Kollektiv⸗ 
Ausstellung in München 1888 wurde vom Land⸗ 
rath einstimmig angenommen und in Anbetrach! 
So «e und peañͤlzische Nachrichten. 
— Die Ziehung der Veteranen— 
Lotterie ist auf den 10. Januar 1888 ver⸗ 
ich oben worden. 
— Aus der Pfalz. Ein besonderer Fall 
hat Anlaß gegeben, die Standesbeamten daraur 
hinzuweisen, daß die Eheschließungen bevormundete 
Minderjähriger außer der Zustimmung des Vor! 
nundes auch noch der Genehmigung des Vormund 
haftsgerichtes bedarf. Der Standerbeamte, welche