Full text: St. Ingberter Anzeiger

gflichten ab, die Du heute übernommen. Sei de— 
nüthig, fromm und treu, und all die Tage Deines 
debens wird Dich Dein Gemahl gleich wie am 
veutigen Tage lieben.“ Die drei Perlen, welche 
,er Papst besonders erwähnte, sind birnenförmig. 
je bilden den Abschluß je einer Reihe runder Perlen. 
Der Triester „Piccolo“ bringt aus Aden 
ne Meldung, daß das italienische Schiff „Mar. 
cantorio Colonna“ bei Obok ein französisches Schiff, 
pelches 180 für Abyssinien destimmte Offiziere uud 
Mannschaften ausschiffen sollte, gekapert hat. 
Paris, 26. Nob. Frau Limouzin zeigte 
ich gestern im lateinischen Viertel. Die Menge 
iß fie aus der Droschke, peitschte sie aus und 
Jatte sie in die Seine geworfen, wenn Schutzleute 
zieselbe nicht befreit hätten. 
F Die Berufung des Barons Cölln, welcher 
wegen O.densschachers zu 18 Monaten Gefängniß 
perurtheilt worden war, ist vom Pariser Appellge⸗ 
richt verworfen worden. 
F Die Assignaten. Am 22. November 
paren es 98 Jahre, daß in Frankreich die An⸗ 
zxtigung der bekannten Assignaten (Pepiergeld; 
Anweisungen) beschlossen wurde, die mit dem 19. 
April 1790 ins Leben traten. Sechs Jahroe spaäter, 
am 19. Februar 1796, wurden die Platten zer⸗ 
schlagen. Es waren während dieser Zeit für 46 
wMilliarden Francs Assignaten ausgegeben worden, 
welche schließlich ohne jeglichen Geldwerth waren. 
f Eine Prophezeiung der Rahel. Von 
nem Ohrenzeugen erhalten wir folgende Mitthei— 
ung: In einer jener geistreichen Abendgesellschaften 
»ei der bekannten Rahel wurde 1830 von dem 
oraussichtlichen Sturz der Bourbonen gesprochen. 
Ich werd' es nicht erleben“, sagte sie, „aber gebt 
ischt! die Bourvons bleiben nicht!“ — „Das mein' 
ch ebenfalls“, rief der Professor Ganz. „und die 
geschichte hat den Gang der Dinge schon vorge; 
eichnet; es wird in Frantreich gehen, wie vordem 
n England: man wird den faulen Theil der Dy⸗ 
zastie wegwerfen und den gesunden behalten; 
Irleans wird auf den Thron kommen.“ — Aber 
Fran v. Varnhagen schüttelte den Kopf und sagte: 
‚„Das wird wenig helfen. Auch der Theil, den 
Zie den gesunden nennen, ist den Franzosen schon 
ein angefaulter. Auch Orleans kann nicht bleiben. 
Allen Franzosen — lehrt sie mich kennen! — liegt 
nie Republik in den Gliedern, und Republik werden 
ie werden. Ob ihnen zum Heil oder Unhril, das 
it hier gleich. Ich halte auch die Konstitutionen, 
ach denen Alles verlangt und strebt, in ihrem Er⸗ 
olge für gar nicht so gewiß; sie können vielleicht 
as größte Unheil sein. Aber das hindert nicht, 
zaß wir hinein und hindurch müssen, es ist kein 
mderer Weg in die Zukunft. Wie für uns Kon⸗ 
titutionen, ist für die Franzosen, die ja immer 
joraus sind —- mein Vorvolk, wie ich sie nenne — 
stepublik unvermeidlich. Der frühere Versuch war 
uu kurz. um durch sein Mißlingen etwas zu ent ⸗ 
cheiden, aber stark genug, um zu immer neuen 
versuchen zu reizen, bis einer gelingt. Und es 
ann gelingen; denn je mehr ich mir die Franzosen 
ansehe, desto mehr drangt sich mir die Ueberzeugung 
muuf, daß sie vor allen andern Nationen zur Re— 
vublik geeignet sind: in Jedem von ihnen steckt 
etwas Selbstherrlichkeit, jeder unterwirft sich am 
liebsten einem Abstraktum, und wo das Ansehen 
der Person nicht mehr gilt, ist man der Republik 
janz nahe.“ Indem sie dies sagte, mußte ich über 
yen Ausdruck erstaunen, den ihr Gesicht angenommen 
hotte; die kleine, bisher so mild und bescheiden 
einwirkende Frau war ernst, grundernst geworden; 
ht Blick — noch sanft und beinahe der gewöhn- 
iche, — hatte etwas eigenthümlich Festes, ihre Züge 
prachen Entscheidung und Enftschlossenheit, ein fast 
serrscherlicher Trotz bezeugte den tiefsten Glauben 
in das, was sie sagte. — „Sie glauben also nicht, 
»aß Orleans regieren wird?“ fragte nach einer 
Weile Gans mit erhöhtem Eifer. „Regieren!“ 
oersetzte Ftau von Varnhagen — „warum nicht? 
Wer kann alle Zwischenscenen berechnen! Aber die 
zroßen Ereignisse von aushaltender geschichtlicher 
Bestalt gehen darüber hinweg und machen daraus 
ven Staub ihres Weges.“ 
fFTiger in Rußland. Eine Petersburger 
Norrespondenz signalisirt das Erscheinen von Tigern 
in Rußland, wo man bisher nichts von dem Vor—⸗ 
lommen dieser Raudthiere gehört hatte. Ein Tiger 
wurde unlängst bei Wladiwostock in Sibirien und 
ein zweiter in der Gegend des kaspischen Meeres 
im Kaukasusgebiet gefangen und beide Thiere wur— 
den lebend nach St. Petersburg geschickt. 
F Petersburg. Dieser Tage fand in der 
besseren Kreisen der Residenz eine große Hochzeits 
feier statt, während welcher sehr viel getanzt wurde, 
wobei sich die Cavaliere geradezu um die schöne 
Braut rissen. Da diese nicht im Stande war, so 
oft zu tanzen, wie sie aufgefordert wurde. ersann 
sie folgende List: Sie schlug den Herren eine 
Lotterie vor und verpflichtete sich, nach der Reihen⸗ 
folge der gezogenen Nammern mit deren Inhabern 
zu tanzen. Für die Billets wurde kein bestimmter 
Preis angesetzt, sondern den galanten Cavalieren 
nheimgestellt, zu zahlen, wie sie wollten. Der Er 
ös sollte einem armen jungen Mädchen zu Gute 
kommen, welches ebenfalls heirathen wollte, aber 
ben so wenig die Mittel dazu hatte, wie ihr Bräu⸗ 
iigam. Die Cavaliere übertrafen einander natürlich 
an Freigebigkeit, so daß die Lotterie 3009 Rubel 
ergab. Zu dieser Summe fügte das junge Paar 
noch 1000 Rubel hinzu und händigte dieselbe un⸗ 
derzüglich dem armen Mädchen, einer Milchschwester 
der jungen Frau, ein, welches vor Rührung keine 
Worte des Dankes zu finden vermochte. 
FSechszehn Schulkinderverbrannt. 
In dem russischen Dorfe Warchobystrizkoje im Gou— 
ernement Mohilew kamen in einer der letzten 
Nachte in der Dorfschule, in welcher 40 Schul⸗ 
mädchen aus benachbarten Döcfern wegen zu großer 
Entfernung ihres Heimathsorts übernachteten, ihrer 
16 ums Leben und verbrannten elendiglich. Das 
Feuer kam vom Treppenflur aus und versprrte 
den Ausweg. Die übdrigen Bewohner retteten sich 
durch Hinabspringen aus den Fenstern. 
F Etwas besond⸗res hat sich in RewOrleans 
ereignet: Dort hadben sich nämlich die Franzosen 
dendD utschen angeschlossen, um Schulter an Schulter 
für eine liberale Auffassung und Durchführung der 
Sonntagsfeier zu kämpfen. Die dortigen Deutschen 
haben kürzlich einen „Bund für Recht und Frei— 
heit“ gebildet, und die dort sehr zahlreichen Fran— 
zosen, namentlich die französischen Creolen, haben 
beschlossen, mit den Deuischen gemeinsame Sache 
zu machen, und haben ihrerseits einen ähnlichen 
Bund gegründet und zu ihrem Schlachtruf„Liberté 
ꝛt Justice“ erkoren. Auf diese Weise hofft man 
jetzt in New⸗BPrleans den Sieg über die anglo— 
amerikanischen Puritaner zu erringen. 
F Aus Amerika. Es verdient anerkennend 
jervorgehoben zu werden, daß in den Vereinigten 
Staaten, wo so mancher Keim deutschen Lebeus 
purlos verschwindet, neuerdings bei einem Theile 
der deutschen Katholiken das Bestreben hervortritt, 
die deutsche Muttersprache zu pflegen und 
zu erhalten. Auf der Generalversammlung der 
deutschen katholischen Vereine, welche in diesem 
Jahre zu St. Louis (Missouri) abgehalten wurde, 
ist das zu offenem Ausdruck gekommen, wozu nicht 
am wenigsten beigetragen haben dürfte, daß leider 
ogar ein Deutscher, der katholische Priester Gmeiner, 
n einer eigenen Schrift das Aufgehen des Deutsch- 
hums im Anglosachsenthume oder vielmehr im 
englisch redenden Irländerthume anempfohlen hatte. 
Ohne nennenswerthen Widerspruch hat die Ver— 
sammlung Beschlüsse gefaßt, welche unverbrüchliches 
Festhalten an der Muttersprache betonen. Nach 
den Angaben latholischer Blätter zühlen die deut- 
chen katholischen Vereine Nordamerikas gegenmärtig 
37,000 Mitglieder, mit den Familien ˖ Angehörigen 
also jedenfalls über 100,000 Köpfe. Im Verhältt 
niß zu der Gesammtzahl der latholischen Deutschen 
mag dies zwar nicht viel sein; einen hoffnungs⸗ 
vollen Aufang aber bedeutet es immerhin. 
7F Vom Grerzierplatz. Sergeant, seine 
Rekruten auf einem am Flusse gelegenen Platze 
exerzierend, läßt sie bis dicht an das Ufer mar— 
schiren und komnandirt „Halt!“ „Seht Ihr's, Ihr 
Kerls, wenn ich j tzt kommandire: Bataillon marsch! 
so müßt Ihr alle elendiglich ersaufen — und Ihr 
oerdient's auch nicht besser. Aber ich will noch 
einmal Gnade für Recht ergehen lassen. Ganzes 
Bataillon kehrt! . ..So, nun hab' ich Euch 
noch einmal das Leben gerettet!“ 
Dienstesnachrichten. 
Rittmeister v. Vacchieryh im 5. Cheb.Regt. 
wurde zum Generalstab, Sec.Lt. Böhe im 18. 
Inf.⸗Regt. in das 8. Inf.⸗Regt. versetzt, Premier— 
lieutenant Hutter vom 5. Chev.⸗Regt., bisher im 
Beneralstab, zum Rittmeister befördert, Pelt. Gra— 
dinger vom 18. Juf.Regt. zum Adjutant der 6 
Inf.Brigade ernannt, SecLt. Lang vom 18. Inf. 
stegt. und Sec.VLt. Haug vom 5. Cheb. Regt. zu 
Premierlieutenants befördert. 
Ernannt vom 1. Dezember l. Is. ab: Stadt⸗ 
dikar Hermann Bruch in Kaiserslautern zum stän⸗ 
digen Vikar in Göcklingen, Pfarramtskandidat Emil 
Müller von Eppstein zum Stadtvikar in Kaisers⸗ 
lautern und Pfarramtskandidat Hermann Stempel 
von Mutterstadt zum Privatvikar bei Pfarrer Müller 
in Weisenheim a. S. 
eueste Nachrichten. 
Paris, 28. Nov. Die Neuwahl des Pea⸗ 
identen soll am Freitag stattfinden, trotz des Um⸗ 
tandes, daß der 2. Dezember der Jahrestag des 
Staatsstreiches ist. Gestern fanden keinerlei Ruhe⸗ 
törungen statt. Gestern Abend wurde offiziell be— 
hauptet, daß Rouvier dem Präsidenten des Senats 
und der Kammern die Entschließung Grevys be— 
züglich seiner Demission mitgetheilt habe. Clemenceau 
tritt fur die Candidatur Floquets ein. Da Grevy 
erst nächsten Donnerstag die Botschaft den Kammern 
vorlegen will, so dient dies zweifellos dazu, die 
UAngriffe gegen ihn zu verstärken, da die Annahme 
aahe liegt, daß der Präsident der Republik seine 
Demission nur deshalb bis zum 1. Dezember ver- 
schoben habe, um noch 100,000 Francs Gehall 
für den Monat Dezember zu beztehen. Der „In⸗ 
transigeant“ versichert heute, der deutsche Botschafter 
biete Alles auf, um Jules Ferry zur Präsidentschaft 
zu verhelfen, eine Unverschämtheit, welche eine 
Reihe von Blättecn nachgedruckt hat. 
Paris, 28. Nov. In allen Werkstätten und 
in den äußeren Vierteln wurden heute Vormittag 
Anschläge angeklebt, in denen der Centralausschuf 
der Arbeiterpartei die Arbeiter auffordert, sich nich! 
an etwaigen Straßenkämpfen zu betheiligen. Die 
Arbeiterpartei habe an der Präsidentschaft und der 
Ministerkrisis kein Interesse, sie dürfe daher auch 
nicht durch ihre Betheiligung an etwaigen Ruhe—- 
törungen dazu beitragen, einer bürgerlichen oder 
nilitärischen Dictatur den Weg zu bahnen. Die 
Polizei hat in der Umgebung der Kammer, des 
Senats und des Elysee's umfassende Vorsichtsmaß⸗ 
regeln getroffen. — Der Herzog von Aumale, der 
einige Tage in Paris weilte, ist gestern wieder ab- 
gereist. — Trotz der vielen Gegner scheint bis jetzt 
Jules Ferry die meiste Aussicht zu haben, zum 
Präsidenten gewählt zu werden. 
Paris, 28. Nov. Die heutige Kammersitzung 
vurde unter groͤßtem Andrang eröffnet. Der deutsche 
Botschafter Graf Münster war anwesend. Rouvier 
ersucht die Kammer, sich bis Donnerstag zu ver— 
tagen. Dann werde die Regierung im Stande sein, 
Mittheilung zu machen. (Zuruf rechts: Höchste 
Zeit!) Die Kammer vertagt sich sodann bis Don— 
nerstag. 
San Remo, 28. Nov. Das Befinden des 
Kronprimzen ist fortgesetzt ausgezeichnet. Gestern 
fuhr er schon vor Mittag mit der Kronprinzessin 
und den Töchtern fort und kehrte erst nach Anbruch 
der Dunkelheit zurück. Unterwegs sind die Herr- 
chaften ausgestiegen und haden einen längeren 
Fußmarsch gemacht. Auch heute ist der Kronprinz 
vieder ausgefahren und spazieren gegangen. Dabei 
st die Stimmung gut; er interessirt sich für alles 
und verfolgt mit lebhaftem Antheil die politische 
Lage. Der Zustand des Halses wird den Umständen 
»ntsprechend als befriedigend bezeichnet. Angeblich 
jollen sogar die Geschwüre zu heilen beginnen; 
dies ist indessen nur ein Gerücht, für das ich die 
Verantwortlichkeit nicht übernehme. Die Kron— 
)rinzessin besuchte gestern mit ihren Töchtern die 
nalische Kirche. 
rür die Redaktion verantwortlich: F. X. Deuef 
7 O auptorgan der 
Frankfurter Journal, daueaede 
AIO 
äglich einlaufende zahlreiche und ausführliche De— 
peschen über alle wichtigen Vorgänge unterrichtet. 
Der Beizug geeigneter neuer Kräfte 
wird das Journal mehr und mehr zu 
einem der interessantesten Blatter 
machen, welches allen Bedürfnissen und Anforde— 
rungen gebildeter Kreise in politischen und wirth— 
chafllichen Fragen in gediegener und allgemein 
berständlicher Weise zu entsprechen bemüht sein wird 
Norwegische Reichstypothekenbank- Obligationen 
von 1885 86. Die nächste Ziehung findet Ansang 
December statt. Gegen den Coursvberlust von ca. 
2 pCi. bei der Ausloosung übernimmt das Wank— 
jaus Carl Neuburger, Berlin, Französische Straße 
13, die Versicherung für eine Prämie von 4 Pig. 
hro 100 Mark.