Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Ingberter npeiee erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2 mal woͤchentlich mit Unte rhauunugs 
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28. 
Dienstag, 7. Februar 1888. 
23. Jahrg. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 4. Februar. Der Antrag auf fünf- 
ahrige Legislaturperioden ist heute von den Kar · 
clive reinen auch im preuß. Abgeordnetenhause ein⸗ 
racht worden. 
ib 23 4. Febr. Die Kommission des 
—XV— Verkehr mit 
Wein hat gestern und heute Beschlüsse gefaßt, die 
ach der „Fr. Ztg.“ als ein Sieg det „Puristen“ 
rufzufassen sind. Die vermittelnden Anträge von 
gamberger und Witte fanden keine Majorität. Es 
purde nach längerer Debatte ein Autrag Graf 
Idelmann⸗Bürklin⸗Buhl als 8 1 angenommen und 
war der erste Absatz bei 9 Stimmenenthaltungen 
— mit 11 gegen 8, der zweite Absatß mit 14 
jegen 6 Stimmen. 8 2 erhielt auf Antrag des 
Aögeordneten Bürklin die unten angegebene Fassung 
nit 11 gegen 8 Stimmen, dieselbe Majorität er⸗ 
dielt 53. Die Beschluüsse lauten: 
8 1. Alinea JI. Unter dem Namen Wein 
Nalurwein) oder einer gleichbedeutenden Bezeich⸗ 
iung, wie der Benennung des Jahrganges einer 
Begend, Gemarkung oder Gemarkungslage dürfen 
aur solchd Getränke gewerbsmäßig feilgehalten oder 
derkauft werden, welche ohne jeden Zusatz aus 
Traubensaft durch alkoholische Gaährung bereitet 
vorden sind. Alinea 2. Als Zusätze sollen die 
durch die übliche Kellerbehandlung, sowie die ledig⸗ 
ich zum Zweck der Haltbarmachung in den Wein 
zelangenden geringen Mengen von schwefeliger 
Zaure, beziehungsweise daraus entstandener Schwefel⸗ 
aure, Alkohol und Bestandtheile der Schönungs⸗ 
nittel nicht betrachtet werden. Der zugesetzte Al⸗ 
ohol darf nicht mehr als ein Volumprozent be⸗ 
ragen. — 8 2. Es ist gestattet, dem reinen 
Traubensafte bei der Hauptgaährung reinen Zucker 
n wässeriger Lösung zuzusetzen. Derartig bereitete 
Weine dürsen nur unter der ausdrücklichen Bei⸗ 
ügung eines Wortes, welches die Verzuckerung 
rkennbar macht, in den Handel gebracht werden. 
— 8 3. Die Verwendung von Rosinen, Zucker, 
Wasser, Alkohol über ein Prozent (gallisiren, petio⸗ 
isiren, mouilliren) und anderer nicht unter Verbot 
jestellter Stoffe bei der Herstellung von Weinen, 
veinhaltigen oder weinähnlichen Getränken, sowie 
non Farbstoffen zum Auffärben des Rothweins 
nuß beim Feilhalten und bei dem Berkauf des 
krzeugnisses in einer Weise erkennbar gemacht werden, 
velche die Annahme des Vorhandenseins von Weinen 
m Sinne des 8 1 gegebenen Falls ausschließt, 
B. Rosinenwein, gezuckerter Wein, verbesserter 
Wein, Halbwein, Kunstwein, Süßwein, Liqueur 
ind dergleichen. Die Herstellung derartiger Ge— 
ränke zum Zweck der Täuschung im Handel und 
Lerkehr ist untersagt. 
Berlin, 6. Febr. Soeben (1 Uhr 10 Min.) 
uhr Prinz Wilhelm unter großen Ovationen zum 
heichstag. Bald folgten Graf Moltke und Fürfst 
Bismarck, mit stürmischen Hochs begrüßt; der 
Kanzler wurde von vielen Tausenden, die von 
einer Wohnung bis zum Reichstag auf den Straßen 
tanden, erwartet. 
Berlin. Auf die Adresse der Berliner 
ßürger, welche dem Kronprinzen und der Krou— 
)cinzessin an ihrem 80. Hochzeitstage überreicht 
vurde, ist folgendes Dankschreiben an das hiefige 
domitee eingetroffen: 
Wir haben die kostbare und kuünstlerisch ausge⸗ 
tatteie Adresse der Einwohnerschaft aus Anhaß 
er dreißigsten Wiederkehr Unseres Vermählungs. 
ages mit tiefbewegtem Herzen entgegengenommen 
und sprechen Allen, welche sich an derselben be⸗ 
heiligten, Unseren aufrichtigen Dank fuür diesen 
seuen Beweis anhänglicher Gesinnungen der 
daupistadt aus. Gewohnt, bisher gedachten Tag 
n Berlin zu feiern, gewährt es Uns in diesem 
Jahre, wo Wir genöthigt sind, in der Ferne zu 
veilen, große Freude, ein solches Zeichen theil⸗ 
ehmenden Gedenkens aus der Heimath zu er⸗ 
jalten, in welche bei dem Eintritt milderer Jah⸗ 
— erhoffen. 
San Remo, den 27. Januar 1888. 
Friedrich Wilhelhm, Kronprinz. 
Victoria, Kronprinzessin. 
Berlin, 6. Februaͤr. Bismarcks Rede 
uhmet volles Verfrauen zur Friedensversicherung 
des Czaren. 
Berlin, 6. Febr. Reichstag.) Fürst 
gismard sagt, was ich vor Jahr und Tag über 
ie Gesammtlage Europa's gesagt habe, hat fich 
eitdem wenig geändert. Seit der Wahl des fried⸗ 
ichen Präfidenten in Frankreich sind dort die 
Aspecten friedlicher geworden und auch bezüglich 
dußlands bin ich der Meinung, wir hätten 
einen Angriff von Rußland zu be— 
orgen. Man darf die Lage nicht nach den Preß— 
ruslassungen beurtheilen. 
Berlin. 6. Febr. Meutscher Reichstag.) 
luf der Tagesordnung steht die erste Lesung des 
Anleihe Gesetzes und die zweite Lesung des Wehr⸗ 
Heseßes. Der Andrang zum Reichstagsgebäude 
st ganz anßerordentlich. Das Hans ist gut besetzt, 
ie Tribünen sind überfüllt. — Fürst Bismarck 
erscheint bei Beginn der Sitzung am Bundesrats- 
isch und nimmt sofort das Wort. Nicht zur 
xzImpfehlung der Vorlage ergreife er das Wort, 
»enn deren Annahme siehe wohl fest. Ueber die 
Besammtlage CEuropas wolle er sprechen, denn 
venn er heute schweige, würde sich die Beunruhig⸗ 
ing und nervöse Stimmung steigern. Er verweist 
uf die Aeußerungen, die er vor einem Jahr an 
ieser Stelle gethan. Was ich vor Jahr und Tag 
iber die Gesammtlagen Europas gesagt habe, hat 
ich seitdem wenig geändert. Seit der Wahl des 
riedlichen Präsidenten in Frankreich sind dort die 
Ispekten friedlicher geworden und auch bezüglisch 
stußlands bin ich der Meinung, wir 
zätten keinen Angriff von Rußland 
zu erwarten. Er könne jetzt höchstens anderer 
Neinung sein infolge der russischen Presse und der 
Truppenanhäufungen. Die Presse sei in Rußland 
oeniger einflußreich, als in Frankreich; gegen Drucker⸗ 
chwärze führe man keine Kriege. Dem Kaiser von 
sttußland vertraue er absolut; derselbe habe keine kriege⸗ 
ische Tendenzen gegen uns. Die Truppenanhäuf⸗ 
ingen an der deutschen und österreichischen Grenze 
ürfen durchaus nicht als Vorbereitungen zum 
driege gehalten werden. Rußland wolle kein 
eutsches Gebiet erobern. Er sei von Rußland 
eines Ueberfalles gewärtig. Ueber die Truppenan⸗— 
saufungen kann man von dem auswärtigen Kabinet 
nicht leicht eine Erklärung fordern; das ist ein 
»edenklicher Weg; aber seine eigenen Gedanken da⸗ 
über könne er sich machen. Durch das vorliegende 
Wehrgesetz werde unsere Stärke um 750 000 Mann 
ür den Fall eines Krieges vermehrt. Wir sind 
ann imstande, an jeder der beiden Grenzen eine 
Million Soldaten aufzustellen. Drohungen 
chrecken uns nicht. Die Drohungen der Presse 
ud eine grenzenlose Dummheit. (GHeiterkeit.) 
)adurch können wir zu nichts veranlaßt werden. 
Beifall.) Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst 
nichts in der Welt. Geifall.) Die Gottesfurcht 
aßt uns den Frieden wünschen und pflegen. Wer 
h aber trotzdem bricht, wird sich überzeugen, daß 
e kampfesfreudige Vaterlandsliebe, welche 1818 
ie gesammte Bevölkerung des damals ausgezogenen 
Zreußens unter die Fahnen rief, ein Gemeingut 
er ganzen deutschen Nation ist, und daß wer die 
euische Nation angreift, sie einheitlich gewappnet 
inden wird, und jeden Wehrmann mit dem festen 
zlauben im Herzen: „Gott mit uns!“ (Stür⸗ 
nischer Beifali folgte der zweistündigen Rede Bis— 
nard's.) — Nach dem Reichskanzler sprachen die 
Führer der verschiedenen Parteien. — Die Wehr-⸗ 
soriage wird in zweiter Lesung im ganzen auf 
Intrag des Abg. Frankenstein angenommen. — 
Das Anleihegeseßz geht an eine Kommission. — 
ächste Sitzung Dienstag. 
Zur Entstehungsgeschichte des 
eurscheösterreich ischen Bündnisses teilt 
ie Freisinnige Zeitung folgende Einzelheilen mit: 
Am 9. August 1879 fand eine Zusammenkunft 
daiser Wilhelms mit Kaiser Franz Joseph in 
hastein statt. Am 17. August reiste auch Fürst 
gismarck nach Gastein und empfing dort den 
salienischen Ministerpräsidenten Cairoli. Unmittel⸗ 
jar nach der Kaiser-Zusammenkunft in Gastein 
rach eine russisch-deutsche Preßfehde mit Hochdruck 
us. Am 28 Augufst war der Kaiser in Babels⸗ 
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ei Fürst Bismarck in Gastein, am 29. August 
raf Kaiser Alexander in Warschau ein und Feld⸗ 
narschall v. Manteuffel begrüßte ihn dort im Namen 
inseres Kaisers. Dann folgte die überraschende 
tteise Kaisers Wilhelms nach Alexandrowo zur Zu—⸗ 
ammenkunft mit dem Zaren am 3. September. 
Am 8. September vollzog sich der Einmasch der 
Desterreicher in Rovibazar, am 11. September 
orderte Fürst Gorschakow einen französischen Jour⸗ 
nalisten, der ihn besuchte, unverblümt auf, feinen 
dandsleuten zuzurufen: sie sollten sich stark machen. 
den 21. September traf Fürst Bismarck in Wien 
in am 25. war er in Berlin zurück, am 9. 
Dctober reiste jser von Berlin ab nach Varzin. 
Am 22. Ociober, als Kaiser Wilhelm zögerte, dem 
gündnisvertrag seine Zustimmung zu geben, reiste 
»er damalige Stellvertreter des Reichskanzlers, Graf 
Stolberg, zur Erlangung der Zustimmung nach 
Baden-Baden ab. 
Ausland. 
Wien, 5. Febr. Als Grund, warum zwischen 
zer Mittheilung an Rußland, daß die Publikation 
es deutsche österreichischen Allianzvertrags beabsich- 
igt sei, und der Publikation selbst ein längerer 
Jeitraum gelassen wurde, verlautet Folgendes: Man 
soffte, der Czar werde, wenn man ihm dazu die 
Zelegenheit biete, die Publikation überhaupt durch 
ntsprechende Maßnahmen überflüssig machen. Er— 
vähnenswerth ist, daß jetzt abermals Konferenz⸗ 
gerüchte auftauchen, indem vermuthet wird, Ruß— 
and könnte diesen Ausweg benützen und vorbehalt⸗ 
ich vorheriger diplomatischer Verständigung eine 
donferenz anregen, um in solcher Art seinen Rück⸗ 
ug zu maskiren, auch um Zeit zu gewinnen. 
Gestern Abend äußerte Kronprinz Rudolf auf 
em hiesigen Polenball mehreren Herren gegenüber, 
ie Publikation des Vertrages habe einen friedlichen 
zweck gehabt, eine alarmirende Deutung des Er⸗ 
ignisses sei willkürlich, auf Erhaltung des Friedens 
uͤrfte gel,offt werden. Der Kronprinz bemerkte 
erner, jedenfalls erscheine eine ruhige, nüchterne 
luffassung der Lage angezeigt.