Full text: St. Ingberter Anzeiger

arbeiten? Jetzt, wo ein anständiger Mann im 
Elysee wohnt, der von Hebung der sittlichen und 
materiellen Wohlfahrt spricht, ist es an der Zeit, 
auch dieser Verrohung und Gemeinheit wenigstens 
das Vorrecht der Ungestraftbeit zu nehmen“ 
Eokale und pfaälzische Nachrichten. 
*— Der Ackerer Johann Wannemacher 
von Lautzkirchen war von dem kgl. Amisgericht 
in Blieskastel wegen Ausbleibens bei Feuerwehr⸗ 
uübungen zu einer Geldstrafe von 20 Mark ver⸗ 
urtheilt worden. Auf eingelegte Berufung wurde 
die Sache in der letzten Strafkammersitzung des 
kgl. Landgerichts Zweibrücken nochmals verhandelt; 
an dem UÜrtheile der ersten Inftanz wurde jedoch 
nichts geandert. Es mag dieser Fall den Ange⸗ 
hörigen von Feuerwehren zur Beachtung dienen. 
— Bei den Ergänzungswahlen für den Kreis⸗ 
ausschuß des bayer. Landeshilfsvereins wurden ge- 
wählt die Herren Hüttenwerlssesitzer H. Krämer 
in St. Ingbert, Bürgermeister Mahla in 
Landau, kgl. Bezirkdarzt Dr. Leupold in Speyer 
und Pfarrer Staub in Neustadt a. H. Die aus⸗ 
zelosten acht Mitglieder wurden wiedergewählt. 
Der Ausschuß besteht nunmehr außer den vier vor⸗ 
genannten noch aus sechszehn folgenden Herren 
Joseph Benzino, Rentner in Landstuhl, v. Braun, 
Exzellenz, kgl. Staatsrath und Regierungspräsident 
der Pfalz, kgl. Präsidialsekreitär Conrad, Rentner 
J. C. Eberhardt, Rentner L. Heidenreich, Krreis⸗ 
medizinalrath Dr. Karsch, sämmtlich in Speher, 
Rentner F. Maucher in Neustadt a. H., Hofrath 
Jos. Neumayer in Kaiserslautern, Kaufmann 
Rösinger in Speyer, kgl. Notar Ruff in Edenkoben, 
kgl. Subrektor Dr. Schmitt daselbst, Fabrikdirektor 
Schmidt in Ludwigshafen, Fabrikbesitzer Schwinn 
in Zweibrücken, kgl. Professor Stichter daselbst, kgl 
Regierungsdirektor Wand und prakt. Arzt. Dr. 
Weltz, beide in Speyer. 
— In die Frage, ob der Gendarmenmoͤrder 
Jost von Pirmasens in Antwerpen ergriffen 
worden ist sder nicht, wird durch die folgende 
Mittheilung, welche das „Berl. Tagbl.“ aus Ant⸗ 
werpen serhält, endlich Licht gebracht. Die Mit⸗ 
theilung ist vom 31. Dezember und lautet: Ein 
Vorfall hat sich hier soeben ereignet, der die volle 
Aufmerksamkeit des deutschen Publikums verdient 
und einer amtlichen Aufklärung dringend bedürftig 
erscheint. Auf telegraphische Veranlassung der 
Staatsanwaltschuft in Zweibrücken wurde hier am 
3. Dezember ein Deutscher verhaftet, der eben im 
Begriffe stand, auf einem Dampfer der Red Star 
Linie nach New-NYork abzusegeln. Der Verhaftungs⸗ 
und Auslieferungsantrag war damit begründet, daß 
derselbe ein gewisser Georg Jost aus Pirmasens 
sei, der wegen Mordes zum Tode verurtheilt worden 
sei, aber aus dem Gefängnisse auszubrechen gewußt 
habe. Der Verhaftete behauptet hartnäckig Peter 
Lang zu heißen, auch nicht von Pirmasens, sondern 
von der Ludwigsthaler Glashütte bei Pirmasens 
gebürtig zu sein und dabei berief er sich auf den 
Bürgermeister seines Wohnortes, sowie auf seine 
dort zurückgebliebene Frau, welche mit Leichtigkeit 
seine Identität feststellen könnten. Aber alles Pro⸗ 
testiren half nichts, der angebliche Mörder blieb bis 
gestern Abend, also genau vier Wochen weniger 
einige Stunden, hierselbst bei mangelhafter Kost in 
Haft, um dann ohne alle weiteren Formalitäten 
mit der einfachen Erklärung entlassen zu werden, 
daß eine Verwechslung stattgefunden habe. Ohne 
daß wir hier der einen oder der andern der bei 
dem Vorfalle betheiligten Behörden einen Vorwurf 
machen wollen, ist doch die Frage durchaus be⸗ 
rechtigt: Wie ist es heutigen Tages nur möglich 
oder nur denlbar, daß ein Deutscher, dessen Per⸗ 
sönlichkeit sich ohne weitere Mühe oder Kosten in 
einem Zeitraume von zwei bis drei Tagen fest⸗ 
stelien ließ, unter der Beschuldigung, ein zum Tode 
verurtheilter Verbrecher zu sein, volle vier Wochen 
in strenger Haft gehalten werden kann ? Auf diese 
Frage gebührt der öffentlichen Meinung um so 
mehr eine befriedigende Antwort, als schon der 
Umstand, daß eine derartige Verwechslung über⸗ 
haupt stattfinden konnte, merkwürdig genug und 
im Interesse der persönlichen Freiheit aufklärungs⸗ 
bedürftig erscheint. Der Prokurator des Königs 
hierselbst erklärte diesen Morgen dem P. Lang in 
Gegenwart einer durchaus glaubwürdigen Persön⸗ 
lichkeit. daß er gestern erst die Nachricht erhalten, 
daß man in seiner Person sich geirrt habe. Hierin 
aber liegt der Schwerpunkt der ganzen Angelegen⸗ 
heit. Durch die lange Freiheitsentziehung ist der 
Verhaftete körperlich tief heruntergekommen und hat 
durch den Vorfall auch materielle Verluste erlitten, 
welche für einen armen Mann sehr erhebliche zu 
aennen find. Wäre es da nicht wenigstens an⸗ 
zezeigt, die Familie desselben, welche in dürftigen 
Verbältnissen in Ludwigsthaler Glashütte bei Pir⸗ 
nasens wohnt, pekuniär für dieses ihrem Ernährer 
zugefügte Unrecht zu entschädigen? Wenn auch 
zielleicht eine gesetzliche Pflicht zu einer derartigen 
kntschädigung für den Fiskus in Bayern nicht vor⸗ 
janden ist, so entspricht eine solche doch zu sehr 
dem Rechtsbewußtsein und dem Billigkeitsgefühl 
des Volkes, als daß wir annehmen könnten, der 
edauerliche Irrthum werde ganz ohne materielle 
A 
— Homburg, 4. Jan. Heute wurde bei 
rdimbach in der Blies eine Mannesleiche gefunden, 
velche schon stark verwest war. Wer der Unglück- 
iche ist, weiß man nicht. NM. Z. T.) 
— Trahweiler, 8. Jan. Auf schrecdlicht 
Weise ist gestern in unserem Nachbarorte Wahn⸗ 
vegen die 76 Jahre alte Wittwe Theiß verunglüdt. 
Dieselbe wohnte im Hause ihres Sohnes im zwei⸗ 
en Stock allein. Als heute Morgen gegen 10 
Ahr im Vorbeigehen Ortsbewohner bemerkten, daß 
aus dem Fenster jenes Zimmers Rauchwolken auf · 
ttiegen, füürzten sie hinauf. Aber welch' gräßlicher 
Anblick bot sich ihnen. Die arme Frau lag quer 
über ihrem Bett. das Bett hatte Feuer gefangen 
und die arme Ulte war jämmerlich verbrannt. 
Die Entstehungs ⸗Ursache des Brandes ist unbekannt. 
— Kaiserslautern, 4. Jan. Ueber einen 
iußerst frechen Raubanfall wird der „Pf. Volks⸗ 
Zig.“ Folgendes mitgetheilt: Ein junges Mädchen 
jus Hohenecken, welches bis vor einigen Tagen 
hier in Diensten stand, ging am Neujahrstag nach 
seiner Heimath zu und trug ihren soeben erhaltenen 
dohn, ein Körbchen und ein Bündel mit Kleidungs⸗ 
tücken bei sich. Etwa auf der Mitte des Wegs 
im Hohenecker Wald, nachmittags zwischen 2 und 
3 Uhr, trat ihr plötzlich ein Mann entgegen, der 
hr mit offenem Messer drohte, ihr den Hals abzu⸗ 
chneiden, wenn sie ihm nicht sofort ihr Geld geben 
vürde. Trotz der Weigerung unb des Widerstandes 
des Mädchens nahm ihr der Räuber ihr Porte⸗ 
nonnaie aus der Tasche, in welchem sich ein ein⸗ 
zewickeltes Zehnmarckstück befand, während das 
Silbergeld im Körbchen war, nahm das Goldstück 
heraus, warf das, Portemonnaie zu Boden und 
prang mit seinem Raub in den Wald. Das zum 
Tode erschrockene Mädchen konnte natürlich dem 
Räuber nicht folgen und war noch froh. daß ihr 
onst kein Leid geschehen ist. Hoffentlich gelingt 
s den Thäter recht bald dingfest zu machen und 
hm sein sauberes Handwerk gründlich zu legen. 
— Königsbach, 4. Jan. Herr Lehrer 
Bernauer von hier feiert am Mittwoch den 11 
ds. Monats das Fest seines 50iährigen Lehrer- 
ubilaums. 
— Pfeddersheim, 4. Jan. Heute früh 
janden die Postbeamten beim Betreten des Posi⸗ 
dureaus Herrn Postmeister Reiling entseelt am 
Boden liegen; derselbe hatte fich durch einen Schuß 
mit der Jagdflinte selbst entleibt. Der Verlebte 
var schon langere Zeit leidend, was wahrscheinlich 
das Motiv zur That war. 
— Speyer,. 83. Jan. Der Fond zur Er—⸗ 
hauung der Reischerkirche beträgt nunmehr in 
runder Summe etwa 605,400 Mk. 
— Neustadt, 5. Jan. Gestern Nachmittag 
erhängte sich hierselbst in seinem eigenen Hause 
der Schreinermeister Philipp Engelhardt, der hier⸗ 
elbst bei Groß und Klein unter dem Namen 
Galopp“ bekannt war und eine charakteristische 
Figur unseres Straßenlebens spielte. Das Motiv 
des Selbstmordes scheint Furcht vor Strafe ge- 
vesen zu sein, da sich Engelhardt in der letzten 
Zeit mehrfacher Gesetzesüberiretungen schuldig ge⸗ 
macht hatte. N. B.Z.) 
— Vom Gebirg, 4. Jan. Der Frost der 
letzten Tage hat den Reben stark zugesetzt. Viele 
ragbare Augen find getödtet, ja ganze Rebstöcke 
litten Noth und gehen zu Grunde, Haben schon 
hbeim ersten starken Frost im Spätjahre die nicht 
vollstänbig reifen Reben gelitten, um so mehr sind 
diese nunmehr dem Frost verfallen und eingegangen. 
Das kommende Feühjahr wird es beim Rebschnitt 
dem Winzer unter diesen Umstäuden sehr erschweren, 
die erforderlichen gesunden Augen an den Reben 
aufzuschneiden. 
— Deidesheim, 4. Jan. Aus Odenheim 
dei Bruchsal hat sich ebenfalls eine Familie Maurer 
in der vielfach besprochenen Thiery'schen Erbschaftz. 
angelegenheit als erbschaftsberechtigt dahier ange- 
meldet und sich über die gegebenen Verhältnisse de⸗ 
fragt. Füur die hier bestehenden Familien Maurer, 
die glauben, diesbezüglich legitimationsfähig zu sein, 
soll sich, wie wir hören, Herr Dr. Buhl verwenden. 
— Vor 150 Jahren ließen sich elwa 20 evan⸗ 
zelische Familien aus der Rheinpfalz, wel⸗ 
he nach Amerika auszuwandern beabsichtigten, von 
den Holländern aber wegen Mangel an Unterhal- 
ungsmitteln nicht durchgelassen wurden, auf der 
Haide zwischen Goch und Cleve nieder; bald folgten 
noch eiwa 40 Familien nach. Allmählich breiteter 
ich diese immer mehr aus, so daß sie jetzt die ganz 
einstens unbebaute Höhe zwischen Clevbe, Calcar— 
Jedem und Goch in ertragreiches Culturland umge⸗ 
vandelt haben und die drei Gemeinden Pfalzdorf 
dZuisendorf und Neuluisendorf bilden. Unter diesen 
Tolonisten, welche all' diese Zeit hindurch inmitten 
»iner ganz niederländischen Umgebung ihren ober⸗ 
cheinischen Dialect und ihre Sitten und Gebräuch 
bewahrt haben, scheint neuerdings die Wanderlu 
wieder erwacht zu sein, denn ein Theil derselben 
gedenkt nach Posen zu übersiedeln. 
Vermiẽchtes. 
F Die strenge Kälte der beiden erster 
Tage des neuen Jahres hat allenthalben sehr tief⸗ 
Temperaturgrade erzeugt, wie nachstehende Zusam⸗ 
menstellung ersehen läßzt: Am 2. Januar hatte es 
Morgens in München (Sternwarte) 24, Augsbur, 
20, Bamberg 20, Würzburg 22, Karlsruhe 17 
Ludwigshafen 16, Berlin 12, Breslau 21, Mos. 
kau 28. Kraukau 31, Wien 15, Salzburg 20, 
slagenfurt 24 Grad Kalte. Am Neujahrstage 
erreichte die Kälte ihren Höhepunke in Nürnberg 
mit 24,5, Gießen 25, Frankfurt a. M. 19 Gred. 
(Alles nach Celsius.) 
Von der Saar, 5. Jan. Der Vorfiand 
des Vereins gegen die Wucher im Saargebiete wird 
im Montag den 9. d. Mis, in St. Johann eine 
Sitzung abhalten, in welcher neben einer Reihe 
don andern Fragen der Verlauf und die Ergebniss⸗ 
der in Trier stattgehabten strafgerichtlichen Verhand⸗ 
ungen gegen den Handesmann Kain, Kaufmann 
in Merzig. zur Erörterung kommen werden. 6Es 
erscheint dieser Prozeß durchaus geeignet, die auf 
zine Verbesserung der Gesetzgebung gerichteten Be⸗ 
trebungen des Vereins zu fördern und zu unter⸗ 
ftützen. Gleichzeitig wird aber einzelnen Preßer— 
zeugnissen entgegengetreten werden müssen, welche 
den Prozeß Kain auszubeuten versuchen, um den 
Vereine antisemetische Tendenzen unterzuschieben. 
Das Grundgesetz desselben bestimmt, daß politisch 
Bestrebungen, namentlich somit sie sich gegen di 
Anhänger einer Partei oder eines religiösen Be 
kenntnisses richten, unbedingt ausgeschlossen find. 
und von dieser Richtschnur ist der Verein niemal 
abgewichen. (M. B. 3.) 
Ein Kalb um 15,000 Frez. zu ver⸗ 
aufen bringt nicht Jeder fertig. Im Mai d. J. 
var es, als der Oekonom W. von B. ein schwere 
salb nach Würzburg brachte, den von ihm ver 
langten Preis von 70 Mk. aber nicht erzieler 
konnte. Endlich bot ihm ein Metzger 66 Mt. 
aber unter der Bedingung, daß er ein Schweize 
Zantonloos im Werthe von 28 Mk. an der Zah— 
lung sich anrechnen lasse. W. ging darauf ein 
Als er nun kürzlich in einem Bankgeschäft sein 
—XEEDDDD 
Das Loos war im November mit 15,000 Freh 
herausgekommen. Das Kalb war gut verkauft. 
Die Zwieseler Loose sind im Vergleich 
zu anderen Lo»sen eigentlich die allergünstigsten 
Auch ist der Ziehungstag, 16. Januar, unvorlegbar 
da laui Ministerialerlaß Nr. 11,106 als Schluß 
tag definitiv angesetzt. 
pKoblenz, 2, Jan. Die Großindu 
striellen des Saarkohlenbeckens erklären fick 
ntschieden gegen die Moselkanalisirung 
Fine Agitalion dagegen wird vorbereitet. Bergrath 
Jordan erklärte im Vorstand der fiskalischen Gruben, 
der Moselkanal sei der schwerste Schlag für daß 
Saarbecken. Man glaubt, der Schaden könne aus 
geglichen werben durch einen Saarkanal nad 
Mannheim oder Mainz. 
Muhlhausen, 8. Jan. Gestern kamer 
hier etwa 25 junge Russen, auf ihrer Reise nach 
Zurich begriffen, durch, woselbst sie ihre Studien 
sortzusehen gedenken, da die Uaiversitäten ihrer 
Heimathlandes für sie geschlossen find.